DER AUTOR

Hans E. Kruger ist in Bremen geboren und aufgewachsen. Seit seinem 21. Lebensjahr ist er ständig auf Reisen in Europa, Brasilien und Afrika, als Kaufmann, Journalist und Landwirt. Seine Kontakte zu anderen Menschen, anderen Kulturen sind die Basis für seine Romane, die fiktive Ereignisse mit Wissenswertem zu spannenden Handlungen verknüpfen.

Er lebt heute in ländlicher Umgebung tief im Inneren Brasiliens. Dieser geschichtlich chronologische Roman über Angola ist das Ergebnis vieljähriger Recherchen und spiegelt Situationen wider wie sie im unstabilen Afrika häufig vorkommen. Aber in kaum einem Land hat der Bürgerkrieg von 1975 bis 2002 einem Land so tiefe Wunden geschlagen wie in Angola.

Dieses Buch ist ein Versuch, die komplizierten Ereignisse aufzuarbeiten.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.

© 2018 Hans Erich Krüger

Lektorat: Stephan Otto Henning von Krosigk

Titelbild: Aquarell von Neves e Sousa, Angola, ca. 1966

Mit freundlicher Untersützung von Adelson Pacheco dos Reis

Satz, Umschlaggestaltung, Herstellung und Verlag:

BoD - Books on Demand GmbH

ISBN: 978-3-7460-5758-3

Inhalt

  1. AFRIKANISCHE ALPTRÄUME
  2. EIN WAPPENTIER
  3. INVASION AUS DEM KONGO
  4. ZORNIGES SÜDAFRIKA – DIE «FLECHAS« UND LUANA
  5. DIE NEUE HERAUSFORDERUNG
  6. VERMARKTUNG VON ELEND UND TOD
  7. KONTRA-GUERILLA IM OSTEN
  8. DER TRAUM VOM TABAK
  9. TRÜGERISCHE RUHE – WILDER STURM
  10. VERRATEN UND VERKAUFT
  11. SIEG AUF KUBAS BAJONETTEN
  12. ZICKZACK
  13. UMBRUCH ODER EINBRUCH?
  14. DIE ÖFFNUNG?
  15. MEHR DRUCK
  16. DIE ENTFÜHRUNG
  17. ALLIANZEN MIT UNGLEICHEN PARTNERN
  18. DIE SCHLACHT AM ENDE DER WELT
  19. ZEIT FÜR HOFFNUNG
  20. WAHLZAUBER UND BLUTBAD
  21. WAFFEN GEGEN DIAMANTEN
  22. TROMMELFEUER IM INLAND
  23. ALLES ENDET IRGENDWANN …

EINLEITUNG

Über Jahre hatte ich mir vorgenommen, einen Roman über Angola zu schreiben, der geschichtliche Fakten mit meinen persönlichen Erinnerungen und den von vielen anderen Personen verschmilzt. Die riesige Zeitspanne von 1960 bis 2002 sollte so persönlich und so wahrhaftig wie eben möglich geschildert werden, ohne dass es langatmig wirkt. Dazu habe ich die Person ›Danny‹ erfunden. Er übt einen Beruf aus, der für diese Aufgabe prädestiniert ist: den eines Journalisten, der als selbsternannter Chronist ganz offen auch die Probleme seines Berufes anspricht.

Zum ersten Male auf ein Buch angesprochen, wurde ich während einer Feuerjagd 1972, von Franz Bickmann. Er meinte, es sei an der Zeit, die Pionier- und Kulturleistungen der Deutschen seit Ende des 1. Weltkrieges in Angola aufzuzeichnen. Nur zu leicht gehe das Wissen sonst verloren. Gesagt, aber nicht getan. Niemand ahnte damals, was uns und dem Land bevorstand.

Je mehr Zeit verging, umso mehr Abstand erwartet man im Allgemeinen bei geschichtlich unterlegten Ereignissen. Das ist nicht so im Falle Angolas. Als ich begann, meine Quellen zusammenzustellen und in Zusammenhang zu bringen, die vielen Berichte der Portugiesen zu sichten, südafrikanische Details aus den Feldzügen einbezog und vieles andere wie Filme, Bücher und Aussagen ehemaliger portugiesischer Militärs, da wurde mir klar, dass die stark angewachsene Bevölkerung Angolas heute in vielen Gebieten schlechter lebt als unter dem viel geschmähten Kolonialismus portugiesischer Prägung, wobei ich mich, das muss hier gesagt werden, auf die Veränderungen in der Überseepolitik nach dem Tode von Salazar beziehe.

Ob es mir gelungen ist, die Chaosjahre, die Leidensfähigkeit der Angolaner und anderer afrikanischer Gruppen aus Biafra und den Kongos, eindringlich wiederzugeben, muss der Leser entscheiden.

Die vorkommenden Namen wurden teils belassen oder verändert, je nachdem ob es noch Nachkommen in Angola gibt, denen daraus Repressalien erwachsen könnten. Von den erwähnten Angolanern sind einige noch heute ›an der Macht‹. Leider konstatiere ich, dass sich wenig verändert hat. Und wieder einmal ist es die Hoffnung, die nicht sterben will. Ein neuer Präsident ist im Amt. Und wie sieht die Zukunft aus?

Brasilien, Oktober 2017

Der Autor

1 – AFRIKANISCHE ALPTRÄUME

Mein Kabinenboot »Muchacha« fährt mit halber Kraft aus der Bucht von Luanda. Das Ruder ist auf einen festen Kurs Richtung offenes Meer blockiert, damit ich die Hände frei habe. Tief unter mir die Reste des Forts Nossa Senhora da Flor de Rosa, das ehemals an der Spitze der Insel stand und von mehreren Sturmfluten, Calemas genannt, weggewaschen wurde. An der Steilküste, schon im Dunkel der Nacht, kann ich das in die Felsen gebaute Fort São Pedro da Barra ahnen. Weiter in der Bucht zeichnet sich die Skyline von Luanda ab, mit ihren vielen Hochhäusern, die meisten im Bau, und den Baukränen, die wie riesige hochbeinige Spinnen über ihnen hocken.

Jemand hat mich gewarnt, dass die Geheimpolizei Order hätte, mich zu verhaften. Erwartet habe ich das schon länger. Es ist wegen meines Manuskripts und des Dossies. Viele Personen werden da bloßgestellt. Das Boot ist voll verproviantiert, Wasser und Diesel, mit dem ich weit komme, vorausgesetzt das Wetter spielt mit, sind an Bord. Aber lohnt das noch? Wir schreiben das Jahr 2002 und ich bin jetzt 66 und wüsste nicht, was vor mir liegen könnte, für das es sich weiter zu machen lohnt. Meine Frau Malu wurde verhaftet und niemand sagt mir, was aus ihr geworden ist.

Ich heiße Gernot Daring, werde Danny genannt, 1936 in Bremen geboren und zur Schule gegangen, war drei Jahre Volontär bei einer Tageszeitung und bezeichne mich als Journalisten, free lancer.

Die Geschichte Angolas, aufgehängt an vielen Einzelschicksalen, habe ich niedergeschrieben und in Deutschland sicher deponiert. Sie soll bald publiziert werden. Alles schon mit meinem Anwalt Dr. Jakobs besprochen und veranlasst. Wenn nicht anders möglich, im Selbstverlag oder als E-Book. Heute gibt es eine Menge Infos über Angola. Man muss nur suchen. Mein Versuch, als Chronist Ereignisse so vieler Jahrzehnte in Beziehung zueinander zu setzen und mit dem Schicksal der Portugiesen und der betrogenen Schwarzen zu verbinden, ist wahrscheinlich nicht so häufig in dieser oder ähnlicher Weise unternommen worden. Ich binde mich oft persönlich, was ein Journalist nicht tun sollte (oder er versteckt es). Bei all den Vorkommnissen objektiv zu bleiben, scheint mir sowieso unmöglich. Ich habe oft Partei ergriffen, denn an Objektivität glaube ich nicht, weil Menschen eben Menschen sind. Ereignisse können in der Optik von Lesern möglicherweise tendenziös aussehen. Sie haben sich aber so zugetragen. Ich habe vieles davon selbst erlebt. Oft ging meine Anwesenheit weit über die angenommene Rolle des Chronisten hinaus.

Wo stehe ich eigentlich? Ein Demokrat? Ein sogenannter Rechter? Letzteres lieber nicht in der Öffentlichkeit, die dann solche Individuen sehr gerne und sofort katalogisiert und abstempelt: rechts, links usw. Nein, ich stehe wohl rechts, wobei ich dieses strapazierte Etikett als positiv empfinde, wenn man mich erklären lässt. Hier will das keiner wissen, aber rechts schließt nicht aus, dass man sich sozial engagiert. Fragen Sie mal in weiter von der Küste gelegenen Hospitälern von Nonnen oder freiwilligen Ärzten nach, ob die mit Demokratie ihre Einrichtungen betreiben. Sie werden sich wundern, welche Antworten da kommen.

Wo war ich engagiert, angebunden, verpflichtet? Oder wie soll man mein langes Leben in Afrika auf eine Basis bringen? Zuerst waren es die Geheimen von der PIDE, später DGS genannt, dann kamen zaghafte Kontakte der CIA, die ich nicht wahrnahm. Und dann die langjährige Zusammenarbeit mit dem BND, der niemanden vor Ort hatte, der das Land so gut kannte wie ich. Mit den »Zuwendungen« konnte ich viele Jahre mich selbst und andere, Deutsche und Angolaner, »über Wasser halten«, als alles einzustürzen drohte. Dabei kamen mir die guten Kontakte zur neuen Nomenklatur Angolas zustatten. Sogar Freunde beim Geheimdienst SINSE habe ich, oder, sollte ich besser sagen, hatte ich? Das Drohende, das jetzt auf mich zukommt, stammt aus der Ecke.

Also nochmal: wo stehe ich jetzt am Ende meines Weges? Oder ist er noch gar nicht zu Ende? Jetzt und hier zählt nur das heute. Was weiß ich schon. Die Mächtigen werden es entscheiden.

Angola, dieses schöne Land, ist ein Füllhorn voller Schätze und ein Land korrupter Verwalter. Immense Flächen, die nur auf kompetente Landwirte warten, riesige Vorkommen von Eisenerz und anderer Metalle, Diamanten und Erdöl. Fosphatvorkommen für die Landwirtschaft. Es könnte ein aufstrebendes Land sein. Ein Vorbild für andere. Ja, ja, es könnte. Mein Zorn, auch über die eigene Ohnmacht, ist groß.

Während die Nacht das schwüle Luanda einhüllt, verpasse ich den Aufbauten der »Muchacha« einen grauen Anstrich aus der Sprühdose. Meine Gedanken gehen weit zurück nach Deutschland.

Den ersten Kontakt zu Angola nach der Rückkehr meiner Familie aus Portugal, hatte ich im Gymnasium am Barkhof in Bremen. Eines Tages erschien ein neuer Schüler. Er hieß Eckard Rolle und kam aus diesem so fernen Land. Seine Eltern bewirtschafteten dort eine Kaffeefarm. Das erste, was ich sah und das mich begeisterte, waren die zauberhaften Briefmarken mit afrikanischen Tieren, die Rolle herumzeigte. Mein Interesse an Afrika war geweckt. Ich besorgte mir im Handel weitere Briefmarken, auch von anderen afrikanischen Ländern. Die Motive waren ähnlich: Tiere, exotische Pflanzen, Menschen in phantastischer Kleidung oder Kunstgegenstände, vor allem Masken.

Portugal besaß mehrere Kolonien in Afrika: Mozambik, Guinea-Bissau, Kap Verde, São Tomé und eben Angola. Kleinere in Asien kamen noch dazu: Macau, Timor-Leste und Goa in Indien. Von der Geographie und den Proportionen her war Angola vielversprechend, nicht so langgezogen wie Mozambik, so sumpfig und zerrissen wie Guinea-Bissau oder so felsig und wasserlos wie Kap Verde.

Als ich von der Schule abging und bei einer Tageszeitung in der Redaktion als Volontär begann, lud mich Rolle ein, ihn irgendwann in Angola zu besuchen. Aber bis dahin sollten noch Jahre vergehen.

Von 1958 bis 1960 arbeitete ich zunächst als Redakteur für Lokales, später spezialisierte ich mich auf Recherchen für Reportagen, am liebsten über Tiere. Der Briefkontakt zu Rolle riss nie ab und Anfang 1960 wiederholte er seine Einladung mit dem Hinweis, er könne es einrichten, dass ich eine exklusive Reportage über eines der seltensten Tiere Angolas schreiben könne: der schwarzen Riesen-Rappenantilope, oder Palanca Preta Gigante, die nur in einem begrenzten Gebiet bei der Stadt Malange vorkäme.

Meine Zeitung war nicht interessiert. Wenn ich diese Reise machen wolle, müsse ich dafür Urlaub nehmen oder kündigen. Nach langen Gesprächen mit meinen Eltern, beide Portugal sehr zugetan, denn wir lebten dort und sie waren während des Krieges an der Botschaft akkreditiert und hatten viele persönliche Kontakte zu Bevölkerung und staatlichen Organen, stellte mein Vater die entscheidende Frage.

»Du hast jetzt deine Ausbildung als Journalist und ein bisschen Praxis. Du kannst dich selbständig machen und frei arbeiten. Zeitungen, Zeitschriften und die neuen Pressedienste könnten deine Berichte kaufen, aber es ist ein hartes Brot. Wenn du nicht originell und wirklich gut bist, kannst du leicht scheitern. Eine Urlaubszeit reicht nicht aus, um dich an diesem umkämpften Markt zu etablieren und zu behaupten. Also müsstest du kündigen. In dem Falle würde ich für ein Jahr für alle Kosten aufkommen. Danach musst du auf eigenen Beinen stehen. Du hast einen Vorsprung durch deine portugiesischen Sprachkenntnisse, wenn Du Dich für Angola entscheidest, und besitzt ein Gefühl für die Menschen und ihre Traditionen. Hast du schon eine Idee, was du machen willst?«

Ich hatte genügend Selbstvertrauen und musste nicht lange überlegen. Also Kündigung. Und da ich nach Angola wollte, könnte ich in Léopoldville Station machen. Im Kongo gärte es. Unruhen griffen immer mehr um sich. Das Militär, die Force Publique, entglitt der Kontrolle ihrer belgischen Offiziere. Das könnte einige gute Reportagen geben. Erstaunlicherweise erhielt ich in kurzer Zeit ein befristetes Einreisevisum für den Kongo, noch ausgestellt von belgischen Behörden. Obwohl der Kongo gerade selbständig geworden war.

Ein Spezial-Visum für längeren Aufenthalt in Angola war ebenfalls kein Problem. Mein Vater erledigte das mit einigen Telefonaten nach Lissabon, wo seine alten Kontakte immer noch ihren Einfluss hatten. Die Maschine der Sabena flog praktisch leer. Ich hatte das Glück, von einem Portugiesen am Flughafen abgeholt zu werden, der irgendwie mit den ehemaligen Aktivitäten meines Vaters in Lissabon zu tun hatte. So genau wollte ich das gar nicht wissen. Viel später erzählte mein Vater es mir. Der Portugiese ist Mitglied des Geheimdienstes PIDE, der gerade damit begann, Netze in Afrika zu knüpfen, weit über die Territorien Portugals hinaus, bis hinein ins Herz ihrer Feinde. Der Kongo gewährt den sogenannten Befreiungsbewegungen Unterschlupf, Angola betreffend vor allem der UPA (União dos Povos de Angola), die sich vorwiegend aus Bakongos rekrutiert, die auf beiden Seiten der Grenze leben. Ihr Führer ist Holden Roberto. Er wird sowohl von Kasavubu und seiner ABACO-Partei als auch von Patrice Lumumba und der MNC unterstützt.

***

Léopoldville ist ein heißer Ort. Der Verkehr? Ein Chaos. Aber das war schon immer so, wie mir der Portugiese versichert. Wir sitzen im Hotel und machen erst mal Pläne. Er erzählt mit leiser Stimme, was hier passiert. Dabei beugt er sich zu mir herüber und verdeckt seinen Mund mit der Hand. Sollte es hier Leute geben, die Lippen ablesen können?

»Man kann nicht vorsichtig genug sein«, sagt er.

»Sie kommen zu einem sehr explosiven Zeitpunkt. Niemand riskiert, eine Prognose über die nächsten Wochen zu machen. Kasawubu ist Präsident und der Wirrkopf Lumumba Premier-Minister. Gerade hat es in der Kaserne »Leopold II« einen Aufstand der Force Publique gegeben. Die Soldaten fordern höhere Bezüge und Aufstieg in die Offiziersränge, die immer noch ausschließlich von Belgiern besetzt sind. Ein Land, das gerade unabhängig geworden ist, hat ein Anrecht, Befehle mit zu gestalten. Mir scheint, dass der belgische Oberbefehlshaber Janssens zu unflexibel ist. Das Fass kann jeden Moment explodieren. Überlegen Sie mal. 25.000 bewaffnete Kongolesen gegen gerade mal 1.000 belgische Offiziere. Das schlimme ist, die Soldaten haben Recht mit ihren Forderungen und der General ist zu starrköpfig, um darüber zu verhandeln, Zeit zu gewinnen und den Druck aus dem Dampftopf zu nehmen. Lumumba tut ein Übriges, und hält verantwortungslose Reden, die die Menschen nur noch mehr aufstacheln.«

Die negative Einschätzung sollte sich schneller bestätigen als erwartet. Maßnahmen zur Beschwichtigung schlagen ins Gegenteil um. Erste Übergriffe auf die Zivilbevölkerung. Aus Thysville werden Vergewaltigungen bekannt. Die Nachricht verbreitet sich schnell. Mir kommt die Lithographie »Das Gerücht« von Paul Weber in den Sinn, auf dem ein Lindwurm mit Menschenkopf und Brille durch die Häuserschluchten einer Stadt fliegt, was die Lage gut wiedergibt. Die weiße Bevölkerung reagiert mit Panik, die sich immer mehr steigert. Mein Hotel quillt über vor Flüchtlingen. Überall dasselbe.

»Kann das auf Angola übergreifen«, will ich wissen.

»Keine Ahnung. Die Belgier haben nicht die gleiche Beziehung zum Kongo wie wir Portugiesen zu Angola. Fast alle sind nur temporär hier, als Verwalter des Staates oder Angestellte der großen Kompagnien. Das ist bei uns alles ganz anders. Kaum ein Portugiese, der in Angola lebt, hat irgendwas in Portugal, wohin er ausweichen könnte.«

»Sie wissen das bestimmt nicht, aber Portugal führt seit längerem Geheimverhandlungen mit dem König der Bakongos. Der träumt davon, das alte Reich auf beiden Seiten des Kongoflusses wieder aufzurichten, wobei die Portugiesen an der Verwaltung beteiligt werden sollen. Das Projekt heißt »Ngwizni a Kongo – Entendimento do Congo«. Irgendwie hat Léopoldville davon Wind gekriegt und goutiert das gar nicht. Die Agitatoren propagieren als Ideal die gerade errichtete Republik statt eines Königsreiches.«

Wir beschließen, mit einem Taxi eine Rundfahrt zu machen, um die Stimmung in der Stadt einzufangen. Wer weiß, vielleicht bekomme ich ja Stoff für meine erste Reportage.

Nicht ganz einfach, ein Taxi aufzutreiben. Es gelingt uns nur zu einem weit überhöhten Preis. Und einen Kongolesen als Begleitung müssen wir außerdem mitnehmen, verlangt der Fahrer. Die Straßen sind voller Menschen. Unruhe liegt in der Luft. Wir lehnen uns weit im Fond zurück und versuchen, uns möglichst unsichtbar zu machen. Der Fahrer weigert sich, weiter in die Vororte zu fahren.

Der Verkehr kommt völlig zum Stillstand. Zwischen den Autos laufen die Leute hin und her, kontrollieren, wer die Passagiere sind. Unser Mitfahrer unterhält sich in einer unverständlichen Sprache mit ihnen. Aus seinen Gesten und der Reaktion entnehme ich, dass er abwiegelt und irgendwelche Ausreden benutzt. Jedenfalls öffnet sich eine Bresche zu einer Seitenstraße und wir scheren aus der Blechlawine aus.

Der Portugiese spricht leise zu mir: »Er hat gesagt, wir wären mit wichtigen Neuigkeiten auf dem Weg zu Mobutu.«

»Wer ist Mobutu«, frage ich. »Das ist der Sekretär von Lumumba, ein ehemaliger Journalist und Unteroffizier der Force Publique. Sie kennen sich schon seit ihrer Jugendzeit.«

Die Seitenstraße mündet wieder in eine breitere Allee. Irgendwas ist da vorne los. Wir halten in der Nähe der Ausfahrt und steigen in einem höheren Gebäude die Treppen hinauf. Es sind fünf Stockwerke mit einer Mischung aus Büros und Wohnungen. Von der Dachterrasse aus erkennen wir eine Menschenmenge, die wirr durcheinanderläuft. Im Zentrum vier Weiße, zwei Männer in Uniform und zwei Frauen und einige Schwarze, die offenbar versuchen, die Weißen zu beschützen. Die Menge drängt immer näher, wird immer drohender. Knüppel tauchen auf und Steine fliegen, immer mehr, immer größere.

»Wo bleibt die Polizei? Hilft denn niemand? Wir müssen was unternehmen.«

Der Portugiese reagiert scharf. »Wir können nichts machen. Verhalten Sie sich ruhig oder wollen Sie da mit reingezogen werden? Sehen Sie die Menge? Wenn der Schwarze erst mal Blut leckt, flippt er aus. Die da unten sind verloren, wenn nicht ein Wunder geschieht. »

Und so kommt es. Sie verschwinden in einem Wirbel von Leibern. Das Murren und Brausen der Menge erstickt ihre Schreie und die ihrer wenigen Helfer.

Eine lange Stunde lang bleiben wir auf dem Dach. Die Menge hat sich zerstreut. Der Autoverkehr bewegt sich um die verrenkten Leichen herum. Niemand steigt aus. Vorsichtig nähern wir uns. Ich mache Aufnahmen ohne Blitz, um niemanden aufmerksam zu machen und dann steigen wir schleunigst wieder ins Taxi. Zurück ins Hotel. In der Bar heben wir erst mal einen, um unsere Nerven zu beruhigen. Bevor ich mich zurückziehe, verabrede ich mich mit dem Portugiesen für den folgenden Tag. Er sagt mir zu, noch weitere Nachrichten zu sammeln. Es ist der 6. Juli 1960. Ich rekapituliere die Ereignisse des Tages schriftlich und versuche zu schlafen.

Während es am folgenden 7. Juli in der Hauptstadt relativ ruhig bleibt, steigern sich die Gerüchte, die aus dem Inland eintreffen. Es wird immer schauerlicher. Überall Mord und Totschlag, Vergewaltigungen, Widerstand in der Force Publique. Welle um Welle von Flüchtlingen trifft ein. Weg, weg, nur weg aus dem Kongo. Der Flughafen mutiert zum Irrenhaus. Die Maschinen aus Brüssel kommen leer an und verlassen bis auf den letzten Platz besetzt den Kongo. Exitus der weißen Verwaltung, der technischen Fachkräfte. Die Bitte, doch erst mal nur die Frauen und Kinder auszufliegen und auf dem Posten zu bleiben, wird überhaupt nicht beachtet.

Als Lumumba kurz darauf den Oberbefehlshaber Janssens absetzt, die weißen Offiziere gegen Kongolesen austauscht, die völlig unvorbereitet sind, und die Force Publique in ANC-Armée Nationale Congoloise umbenennt, ist das Chaos komplett. Mobutu ergattert sich noch schnell den Posten des Stabschefs der ANC unter dem neuen Chef Victor Lundula, der mal Bürgermeister gewesen ist und als Sanitäter diente, aber von Militär und Hierarchie wenig Ahnung hat.

»Wie kommen wir hier raus, wenn es nötig werden sollte«, frage ich den Portugiesen.

»Ich schlage vor, über Land. Nach Angola oder Brazzaville. Letzteres ist näher, bringt aber nicht viel. Wenn Sie lieber nach Süden wollen, sagen Sie es mir jetzt. Ich kann versuchen, eine Gruppe aus mehreren Fahrzeugen zusammenzustellen und für bewaffneten Schutz sorgen. Je länger wir mit einer Entscheidung warten, desto schwieriger kann es werden. Fahrzeuge sind kein Problem. Sie glauben nicht, wie viele herrenlos irgendwo herumstehen, deren Besitzer bereits geflüchtet sind. Wenn die Soldaten anfangen zu marodieren, Banden bilden, Straßensperren errichten, wird es sehr gefährlich.«

Die Lage eskaliert weiter. Am 11. Juli erklärt Tschombé die Unabhängigkeit von Katanga. Kasavubu und Lumumba fliegen hin. Inzwischen hat belgisches Militär den dortigen Schutz ihrer Landsleute übernommen und verweigert den beiden die Landung. Fallschirmjäger werden über Elisabethville und Luluabourg abgesetzt, um belgische Geiseln zu befreien. Der Druck steigt weiter, die Aktionen entbehren mehr und mehr jeglicher Vernunft. Flugzeuge mit belgischen Hoheitszeichen feuerten auf Bodenziele in West-Kongo, zwei Kriegsschiffe beschießen die Hafenstadt Matadi. Keine der Aktionen ist von der kongolesischen Regierung autorisiert.

Es gelingt mir, erste Berichte aus dem Land zu schmuggeln. Ich habe kein Vertrauen zu Telegrammen. Eine Stewardess der Sabena hilft mir und verspricht, das Material von Brüssel aus schnellstens nach Deutschland zu senden. Meine nicht entwickelten Filme gehören dazu. Ich erzähle ihr, worum es sich handelt. Geld will sie nicht annehmen. Es sei wichtig, dass die Welt von den Massakern, wie sie sagte, erfahre.

Für mich wird es Zeit, hier zu verschwinden. Man spürt, wie der Hass gegen Europäer immer mehr wächst. Argumente nützen nichts mehr. Sogar Personen, die wegen ihrer Lebensführung von den Kongolesen respektiert oder gar verehrt wurden, sind nicht mehr sicher. Priester, Ärzte und Nonnen werden totgeschlagen und grausig verstümmelt. Blutrausch!

Unsere Karawane aus drei PKW und einem Landrover setzt über den Kongofluss und fährt zügig Richtung Süden. Eine deutsche Familie namens Landmesser (zwei Erwachsene, fünf Kinder), zwei belgische Ehepaare und ich zusammen mit dem Portugiesen. Er hat einen Geleitbrief (salvo-conduto) dabei, ausgestellt unter dem Emblem der Demokratischen Republik Kongo und unterschrieben von Lumumba. In dem Papier wird er als Spanier bezeichnet. Da viele Soldaten so ihre Schwierigkeiten mit dem Lesen haben, ist ein Foto von Lumumba, mit seiner Unterschrift darüber, angeheftet. Er fährt den Landrover, ich sitze neben ihm.

Die Lage südlich des Flusses ist ganz anders. Plötzlich scheinen wir uns im tiefsten Frieden zu bewegen. Keine Blockaden, keine Soldateska. Wir gelangen über die Grenze, fast ohne es zu merken. Unsere Papiere werden kontrolliert, dann winkt der Posten uns durch. Der Portugiese spricht mit ihm wegen der anderen Passagiere, die kein Visum für Angola besitzen. Er geht mit ihm in das Grenzhäuschen, weist sich aus. Der Posten strafft sich, grüßt militärisch.

»Was war das denn eben«, frage ich ihn.

»Ich dachte, Journalisten hätten eine feine Nase. Haben Sie immer noch nicht gemerkt, was hier abläuft? Was glauben Sie, wie es mir gelingt, dies hier alles zu organisieren?«

In der Tat habe ich mir so meine Gedanken über den Mann gemacht, der portugiesisch wie ein Portugiese spricht, angeblich Spanier sein soll und sich geschmeidig und unauffällig im Kongo bewegt. PIDE also und über die spricht man nicht.

»Diese Dokumente sind alle gefälscht. Bei dem Durcheinander merkt das keiner. Echt ist nur das Papier. Aber Schwamm drüber. Wir haben unser Ziel erreicht. Sie fahren jetzt mit den anderen weiter und ich kehre mit dem Landrover nach Léopoldville zurück. Alles Gute und viel Erfolg. Fahren Sie nur tagsüber, übernachten Sie im Hotel. Trotz Regenzeit und schlechter Straßen sollten Sie es bis morgen Abend nach Luanda schaffen.«

Im Hotel Turismo in Luanda schlafe ich mich erst mal aus und verabrede mich für den folgenden Vormittag mit meinem Freund Rolle. Im Hotel muss man sich registrieren. Als ich am Morgen mein Frühstück einnehme, kommt ein freundlicher Herr an meinen Tisch und redet mich mit Namen an. Ob er wohl mal mit mir sprechen könne, natürlich nachdem ich in Ruhe gefrühstückt hätte. Ich nicke und er setzt sich in der Lobby in einen Sessel.

Ich kann mir schon denken, was das bedeutet. Entweder wissen die Behörden durch die Meldung an der Rezeption von meiner Ankunft oder der Portugiese aus Léopoldville hat sie irgendwie avisiert. Es ist mir egal. Zu verbergen habe ich nichts, höchstens die Fotos von der Lynchjustiz. Aber die betreffen Angola nicht und sind hoffentlich längst mit meinem Bericht in Deutschland bei Presseagenturen.

»Nennen Sie mich Beltrão, eröffnet der freundliche Herr das Gespräch. »Wir möchten wissen, was Sie als nächstes vorhaben.«

»Eine Reportage über die Palanca Preta Gigante. Ich müsste dazu nach Malange und von dort für einige Zeit in einem Camp bleiben. Ein Schulfreund, der hier in Luanda wohnt, will das organisieren. Danach habe ich noch keine weiteren Pläne, würde jedoch gerne weitere Tierreportagen schreiben.«

Senhor Beltrão nickt. »Haben Sie was dagegen, wenn wir Ihnen einen guten Jäger beigeben? Es gibt so einiges an Wild, das nicht so friedlich ist, wie die Palanca. Und sagen Sie mir doch mal, wie Ihr Freund heißt.«

Im Gegenteil. Der Jäger wird zwar auch ein Aufpasser sein. Aber das ist mir egal. Schutz in unruhigen Zeiten ist immer gut.

»Keinerlei Einwände. Mein Freund heißt Eckard Rolle und wohnt in einem Apartment an der Marginal. Die Nummer weiß ich nicht, aber es ist dasselbe Gebäude, in dem eine deutsche Handelsfirma ihre Büros hat, die Sociedade Teuto Lusitana. Vielleicht kennen Sie die. Übrigens werde ich jetzt gleich zu ihm gehen, um alles vorzubereiten.«

Senhor Beltrão nickt, erhebt sich. »Vor Ihrer Reise suche ich Sie noch auf. Es gibt da noch etwas zu besprechen. Einverstanden?«

Ich steige zur Dachwohnung hinauf. Er steht in der Tür und grinst. Mein Freund Rolle hat ziemlich zugelegt. Sein länglicher Kopf mit der ausgeprägten Stirn wirkt nicht mehr überproportioniert wie zu Schulzeiten, sondern der Körper hat sich sozusagen darunter ausgedehnt.

»Komm rein. Herzlich willkommen. Wie war die Reise?«

Er weiß nichts von meinem Stopover im Kongo. Und ich habe beschlossen, davon auch nichts zu erwähnen. In seinem Zimmer stapeln sich Textilien, zerlegte Zelte, Stangen, Rucksäcke, Kisten. Er deutet darauf.

»Wie du siehst, war ich nicht untätig. Wir haben noch maximal einen Monat Zeit für die Vorbereitungen, damit die Reportage noch vor Beginn der Regenzeit fertig wird, denn die Pisten sind später nicht mehr zu befahren. Wir nehmen zwei Landrover mit extra großen Ladeflächen. In Malange kommt noch ein Fahrzeug hinzu für unsere schwarze Mannschaft. Ich zeig dir mal die Listen. Mal sehen, was noch fehlt.«

Den Rest des Tages arbeiten wir alles durch. Die folgenden Wochen vergehen mit Einkäufen. Ich muss mir auch noch eine Wohnung mieten. In der Rua Francisco Soto Maior im Stadtteil Samba finde ich ein zweigeschossiges Reihenhaus, leer, teilmöbliert, mit Garten und Garage und Wohnmöglichkeit für einen Boy nach hinten raus. Der Besitzer wohnt im Haus nebenan. Ich miete es. Von dort zum Meer ist es nicht weit. Bei günstigem Wetter kann man es hören. Südlich befindet sich die Ausfahrt nach Mussulu und die Kuanza-Mündung. Nördlich liegt das Fort São Miguel. Es ist eine Wohngegend für das kleine Bürgertum. Ich bin wohl der erste Ausländer. Die Ausrüstung für meine Expedition wird in der Garage gesammelt.

Drei Wochen später ist es soweit. Eckard Rolle kommt jedoch nicht mit. Der sogenannte Jäger meldet sich bei mir und übernimmt einen der Landrover. Den anderen fahre ich. Je eine schwarze Hilfskraft mit Buscherfahrung fährt mit.

Bevor wir starten, findet noch ein Gespräch mit dem netten Herrn Beltrão statt. Ich schildere ihm unser Problem mit der Kommunikation und der Idee, einen Amateurfunker aus Malange als Zwischenstation einzusetzen, der bei Bedarf helfen kann. Funkgeräte für Privatpersonen sind nicht leicht zu beschaffen. Beltrão versichert mir, in Malange würde ich eines erhalten, sodass wir im Busch nicht völlig abgeschnitten sind.

»Bitte beachten Sie folgendes«, sagt er ganz ohne sein übliches verbindliches Lächeln. »Sie sind in Angola und unsere Organisation sorgt hier für Ordnung. Wenn Sie irgendwelche merkwürdigen Beobachtungen machen, kritische Kommentare hören oder sonst was, erwarten wir, dass Sie es uns melden, unverzüglich. Es kann für die Aufrechterhaltung der Ordnung wichtig sein. Wir wollen kein Chaos wie im Kongo.

Ich kann mir nicht verkneifen, ihn zu fragen: »Sie rechnen also damit, dass das Schlamassel vom Kongo auf Angola übergreift? Ich bin da gerade gewesen und habe das miterlebt.«

»Wissen wir. Soweit möglich wollen wir alles versuchen, um dem vorzubeugen oder die Auswirkungen zu begrenzen. Sie erhalten Verantwortung übertragen, ob Ihnen das nun behagt oder nicht, und ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie sich sperren.«

»Keinesfalls. Sie können mit mir rechnen.«

Er nickt, zufriedengestellt und sagt: »Ich höre hoffentlich nichts von Ihnen, das wäre ein gutes Vorzeichen. Seien Sie aufmerksam. Viel Glück und ich freue mich schon darauf, ihre Reportage über die Palanca Preta Gigante zu lesen.«

Das heißt also, ich soll das Material vor Veröffentlichung vorlegen. Soweit keine Einwände.

2 – EIN WAPPENTIER

Es geht los. Wir steuern Malange direkt an, immerzu aufwärts, über den dichten Urwald um das Städtchen Salazar oder N´Dalatando. Dann durch Savanne mit den vielen pittoresken Embondeiros, in Deutsch Affenbrotbäume, die aussehen, als ob man sie mit der Krone eingepflanzt hätte und die Wurzeln in die Luft ragen.

Rechts am Horizont die Pedras Negras von Pungo Andongo, wo angeblich die Königin N´Ginga M´Bandi ihre Fußabdrücke im Stein hinterließ. Etwa 100 km weiter dann die Stadt Malange, auch Endpunkt der Eisenbahnlinie, die im Hafen von Luanda beginnt und endet. Der Bahnhof befindet sich im Zentrum der Stadt, an einem sehr schön bepflanzten Platz, mit gestutzten Bäumen, steinernen Bänken und Wegen, auf denen man abends prominieren kann. Wie häufig, sind die Strassen im Zentrum wie ein Schachbrett angelegt.

Der Tourismus ist noch nicht bis hierher vorgedrungen. Das Hotel ist ein verschachtelter dreistöckiger Bau, die Bedienung mürrisch, die Zimmer voller Moskitos, die Betten durchgelegen. Die Toiletten befinden sich auf dem Flur und sind für das ganze Stockwerk. Sehr sauber sind sie nicht. Aber wir bleiben ja nur wenige Tage. Schnell die losen Enden verknüpfen: Amateur-Funker, lokale Hilfskräfte, einen Sender/Empfänger. Am 15. September starten wir endlich. Unsere Gruppe besteht aus elf lokalen Hilfskräften, mit uns also 15 Mann.

Das Gebiet, in dem ich meine Reportage der Riesen-Rappenantilope machen will (port. Palanca Preta Gigante), liegt südöstlich von Malange, etwa 40 km entfernt. Das Gebiet wird Cangandala genannt, nach einem Dorf an der Grenze. Es gibt von Malange aus zwei Zufahrten: über Quissol, Bumba und Caribo oder über Catapera und Camembe. Wir wählen letzteren Weg, weil wir mehr oder weniger die Mitte des Gebietes betreten werden und nicht den nördlichen Zipfel. Cangandala wird im Norden vom Cuije-Fluss begrenzt, im Süden vom Cuque.

Ungünstig für die Tiere ist die relativ dichte menschliche Besiedlung um das Kerngebiet herum, das bisher keinen besonderen Schutzstatus hat. Die Schwarzen betreiben Hackbau ohne Düngung und ziehen mit ihren Feldern um, sobald der Boden nichts mehr hergibt. Das bedeutet Brandrodungen. Ich kann mir gut vorstellen, wie die stark wachsende Bevölkerung in die Balance der Natur eingreifen wird. Dass dabei Grenzen nicht respektiert werden, die niemand genau kennt, ist ganz klar.

Ich habe mich soweit in die Materie eingelesen, dass mir klar wird, welchen »Status« dieses riesige Tier hat, denn es kommt in ganz Afrika nur hier vor. Es mag so viele Antilopen geben, große und kleine, klobige und grazile, aber diese Antilope verdient aufgrund ihrer Einzigartigkeit besondere Aufmerksamkeit (siehe Foto).

Eckard Rolle hat mich mit den wenigen Daten versorgt, die aus Büchern stammen. Die Bullen sind imposant. Sie wiegen zwischen 200 und 270 Kilo. Das Gehörn kann bis zu 1,50 m Länge erreichen. Ein männliches Tier herrscht über einen Harem von 10 bis 15 Kühen, die nach einer Tragezeit von neun Monaten jeweils nur ein Kalb zur Welt bringen, das etwa acht Monate bei der Mutter bleibt.

Der Lauf von Flüssen oder kleineren Wasserarmen ist insofern wichtig, als die Palanca sich nach dem Wasser orientiert und sich das ganze Jahr über nie weit von den Flussläufen entfernt, was andere Antilopenarten durchaus tun. Im Prinzip sollte es unsere Suche erleichtern, denn wir sind am Ende der Trockenzeit und das Gebiet für die Palanca ist geschrumpft.

Am Horizont steigt Rauch auf. Wir bemerken diese Zeichen von gelegtem Feuer wiederholt. Es ist eine viel praktizierte Art der Jagd und der Urbarmachung von Neuland. Beim sogenannten Hackbau wandern die Eingeborenen weiter, wenn der Boden ausgelaugt ist. Und diese Expansion wird mit Feuer vorangetrieben. Wenn und falls die Hackbauern nach Jahren zu den ehemaligen Lavras oder Feldern zurückkehren, hatte die Natur Zeit, sich zu erholen. Aber bei dem Bevölkerungsdruck funktioniert das alte System nicht mehr.

Etwas ganz anderes ist die sogenannte Feuerjagd. Es ist ein Feuer, von Menschen gelegt oder nicht, das sich schnell durch die Natur frisst. Hier erholt sich die Vegetation in der Regenzeit wieder. Jäger stecken größere Savannengebiete in einem großen Halbkreis an, wobei man darauf achten muss, dass der Wind das Feuer in eine bestimmte Richtung treibt. Das Feuer scheucht das Wild vor sich her und die Tiere laufen auf den Teil zu, wo kein Feuer ist. Aber dort warten die Jäger mit Pfeil und Bogen, Lanzen und Gewehren.

Wir fahren durch den sogenannten Miombowald. Bäume der Spezies Brachystegia, Julbernardia und Isoberlinia beherrschen die Vegetation. Sie wachsen nur auf kargen Böden, bei jährlichen Niederschlägen über 700 mm. Die Gegend liegt etwa 1.250 m hoch. Jetzt kurz vor Beginn der Regenzeit registriere ich Tagestemperaturen von 30 Grad Celsius, ohne große Schwankungen nachts. Aber wegen der Höhenlage kann es in der Trockenzeit nachts auch empfindlich kalt werden.

Drei Wege queren das Gebiet. Der nördliche von Caribo nach Culamagia, der mittlere, über den wir in das Gebiet eingefahren sind, von Camembe nach Culamagia und der südlichste von Cacualo nach Techongolola. Wir biegen nach etwa 15 km nach Süden ab. Die beiden Fährtensucher sitzen jeweils auf einem vorderen Kotflügel und suchen, einer nach links, der andere nach rechts, den Boden neben dem Pfad ab, auf dem wir uns langsam vorwärtsbewegen. Immer wieder halten wir. Als sich die Zeichen für Losung häufen, suchen wir nach einem Platz für unser Camp. Ich schätze, dass wir gerade mal fünf Kilometer vorwärtsgekommen sind. Der Cuque-Fluss ist nicht weit. Unsere Wahl fällt auf eine ganz leichte Erhebung über die Umgebung hinaus, mit etwas weniger Vegetation, eher Savanne als Miombo, mit etlichen grauweißen Termitenhügeln.

Axt und Katana (Buschmesser) sorgen für eine freie Fläche, um unsere Zelte aufzustellen. Aus dem Holz und Gestrüpp der Rodung wird um das Lager in etwa 15 m Entfernung ein Verhau gebaut, mit einem Durchlass für unsere Fahrzeuge, den wir nachts zumachen können. Im Zentrum vom Lager lassen wir zwei Bäume mit breiten Kronen als Schattenspender stehen. Die Latrine wird außerhalb des Verhaus gegraben. Wer die nachts besuchen muss, sollte sich eine Begleitung mitnehmen. Es gibt Löwen und Leoparden in der Gegend, von anderen wehrhaften Tieren wie Büffeln, Warzenschweinen und Hyänen ganz zu schweigen.

Zwischen den beiden Bäumen hängen wir eine Antenne auf und schließen unseren Sender an. Funktioniert alles perfekt. Malange meldet sich. Der Empfang ist gut. Wir machen eine feste Uhrzeit für die Kontakte aus: immer abends um 20 Uhr.

Unsere beiden Schwarzen, die aus Luanda mitgekommen sind, beraten sich mit den lokalen Arbeitern und verschwinden gegen 16h, um nach weiterer, frischerer Losung von Palancas zu suchen.

Am nächsten Morgen machen wir uns zu viert zum ersten Male zu Fuß auf den Weg. Die beiden Fährtensucher haben Losung gefunden, aber immer noch zu alt. Entweder bedeutet das, die Palancas haben das Revier gewechselt oder sie kommen in größeren zeitlichen Abständen vorbei. Über das Verhalten der Tiere scheinen keine einheitlichen Beobachtungen vorzuliegen oder bekannt zu sein. Eckard Rolle hat mir nur alte Berichte vorbereitet, wahrscheinlich à la Brehm´s Tierleben. Es gibt da wohl nicht so viel. Fotoapparat und Tonband habe ich im Rucksack. Der Jäger gibt Schutz für den Fall der Fälle.

Reihenfolge: die beiden Fährtensucher, der Jäger, ich. Genau in dieser Reihenfolge und mit gutem Abstand bewegen wir uns vorsichtig durch den lichten Wald. Da die Trockenzeit zu Ende geht, ist der Boden übersät mit trockenen Blättern und Zweigen. Es ist mir unmöglich, mich ohne Geräusch zu bewegen. Mir fehlt die Kunst der lautlosen Bewegung, die nur Eingeborene oder erfahrene weiße Jäger beherrschen. Ich komme mir wie ein Trampeltier vor.

Irgendwann sagt mir der Jäger, dass es so keinen Zweck hat und wir sollten besser die Suche abbrechen. Ohne Rücksicht auf Geräusche tritt die Gruppe den Rückweg an. Für mich, als Initiator der Expedition, und als das ›Greenhorn‹ ist ein Punkt erreicht, der Entscheidungen fordert. Eine schnelle Expedition wird das nicht. Die Kosten dieses Unternehmens werden fast ganz von meinem Vater getragen. Das Eingeständnis eines Misserfolgs kommt nicht infrage. Zwei Möglichkeiten gehen mir durch den Kopf: die Gruppe reduzieren, also weniger Kosten, und länger bleiben als geplant, sich anpassen, lernen oder Abbruch und späterer neuer Anlauf, was jedoch erst nach Ende der Regenzeit sein kann, sprich nach April/Mai 1961.

Über unseren Sender ›Rádio-Amador‹ melden wir nach Malange die teilweise Rückkehr der Expedition und senden gleichzeitig Proviantlisten für ein Verbleiben von wenigen Teilnehmern über einen längeren Zeitraum im Busch. Ich habe mich entschlossen, den Stier sozusagen bei den Hörnern zu packen und auszuharren, bis eine runde Reportage ›im Kasten‹ ist. Die Listen für Nachschub sehen einen Verbleib von drei Monaten vor, also bis ins neue Jahr 1961 hinein.

Ich weiß nicht, was mich in dieser Zeit zu einer so trotzigen Reaktion veranlasst hat. Das verschwimmt irgendwo in der eigenen Vergangenheit. Immerhin ist mir klar, dass wir über längere Zeiträume völlig von der Außenwelt abgeschlossen sein werden. Unsere einzige Verbindung zur Welt außerhalb vom Miombo-Wald ist der Sender.

Ich versammle unsere Gruppe und erkläre die Lage. Das Kern-Team von 4 Personen bleibt und zusätzlich noch zwei weitere aus der Gruppe von Malange. Also sechs. Die anderen neun kehren nach Malange zurück, mit zwei Fahrzeugen, die noch einmal zu uns zurück müssen, um genügend Proviant für die nächsten Monate zu liefern. Das alles läuft ohne Probleme ab und zwei Wochen später verbleiben uns zwei Fahrzeuge und eine ordentliche Reserve von Treibstoff und Nahrungsmitteln. Damit kappen wir die Landverbindung. Es sollte die entscheidende Tat sein zu einem großartigen Verständnis der Lage in diesem so abgelegenen Teil Angolas.

Bisher hatten wir keinen Kontakt zur einheimischen Bevölkerung. Aber, in unserer Isolation und ohne dauernden Verkehr nach außen, erscheinen erst einige, später mehrere Schwarze, die unser Lager beobachten, aus der Entfernung. Ich habe angeordnet, nichts zu unternehmen, was diese Entwicklung irgendwie negativ beeinflussen könnte. Mehrere Wochen vergehen, inzwischen sind wir im Dezember, in denen ich versuche, mich besser an die Natur anzupassen und zu lernen, wie man sich im Busch bewegt.

Als es endlich passiert, hat die Regenzeit längst begonnen. Noch sind die Niederschläge zögerlich. Nichts verändert sich stark. Keine reißenden Flüsse, wo vorher nichts war. Als ich eines Morgens auf der Latrine sitze, bemerke ich eine ungewöhnliche Bewegung in meiner Nähe. Ich bin nicht mehr allein. Ein Eingeborener tritt aus dem Busch, steht ganz still. Es ist offensichtlich: er will sich zeigen. Eilig richte ich mich wieder her, wasche mir die Hände mit Seife im Wassereimer und werfe mit der Schaufel etwas Kalk in die Latrine. Der Schwarze beobachtet alles interessiert.

Ich fixiere ihn und gehe langsam auf ihn zu. Er hat den Kopf gesenkt, beobachtet mich jedoch von unten herauf. Aus einer Entfernung von etwa fünf Metern spreche ich ihn auf Portugiesisch an. Er dreht seine Hände nach außen, will mir wohl andeuten, dass er mich nicht versteht. Mal wieder zeigt sich meine Unerfahrenheit. Warum, eigentlich, habe ich nicht in meiner Gruppe gefragt, ob jemand die Sprache der Einwohner versteht. Immerhin habe ich den größeren Teil der Expeditionsteilnehmer zurückgeschickt. War einer darunter, der die Menschen, die hier leben, verstehen würde?

Mit Kopfschütteln, Gesten mit Armen und Händen, versuche ich dem Mann zu erklären, dass ich am nächsten Tag wiederkommen würde. Als Geschenk lasse ich ein Sturmfeuerzeug da. Wie das funktioniert, demonstriere ich. Er nickt. So was hat er wohl schon gesehen.

Es ist frustrierend, dass ich von einem Kontakt, den ich für mein Projekt als imminent wichtig halte, durch so profane Dinge wie ›nicht-verstehen‹ abgehalten werde. Wie haben das früher die sogenannten Entdeckungsreisenden gemacht? Per ›Ordem de Mufti‹, wie ich es schon mal hörte, wohl kaum. Es gab keine islamischen Würdenträger im südlichen Teil des afrikanischen Kontinents. Aber man kann das natürlich übertragen, sozusagen auf unsere Kulturebene. Wer kann schon anordnen, wenn niemand da ist, der weiß oder versteht, worum es eigentlich geht.

Wir trennen uns. Nein, das ist nicht ganz richtig. Er, der Schwarze, trennt sich von mir.

Im Camp hat niemand etwas von dieser Kontaktaufnahme bemerkt. Der Jäger scheint mir immer noch der beste Ansprechpartner und er hat auch schon eine Idee. Wir sprechen gemeinsam mit den beiden Schwarzen aus Malange, die ich bei uns behalten habe. Sie behaupten, dass es sich um den Minungo-Stamm handeln müsse oder um Chinje. Sie gehören alle zu der mächtigen Bakongo-Gruppe, die über die Grenze nach Norden hinaus ein auch heute noch einflussreiches Königreich bildet. Die Sprache ist Quimbundo, allerdings mit erheblichen regionalen Varianten.

Aber da draußen, in der Weite Angolas, gelten andere Regeln.

Die portugiesische Verwaltung scheint diese Stämmen nicht zu tangieren, meint der Jäger, und Portugal habe auch nicht versucht, diese gewachsenen Strukturen zu zerstören, so wie es die gerade erst selbständig gewordenen afrikanischen Nationen oft machen, weil sie zentral lenken wollen. Die Häuptlinge haben ihren Einfluss immer noch.

Bei der Erhebung der Kopfsteuer für Kleinbauern hat es Probleme gegeben. In dem Gebiet von Malange wird die in Naturalien kassiert, meistens als Baumwolle. Ich erinnere mich, dass die Leute, die unseren Proviant für die nächsten Monate brachten, erzählten, die Kleinbauern hätten das Saatgut der Cotonang verweigert. Sie müssten inzwischen zehn Sack à 50kg Rohbaumwolle abliefern. Das sei zu viel.

Die Cotonang ist ein binationales Unternehmen, wird von Belgiern gesteuert und hat in Angola fast ein Monopol auf Baumwolle. Eine kleinere portugiesische Firma, Lagos & Irmão, besitzt ebenfalls viel Land. Es ist in etwa so, als ob eine Privatfirma dem Staat diktiert, was dieser zu tun hat. Cotonang verfügt über verschiedene Entfaserungs-Anlagen, die wegen der schlechten Infrastruktur direkt in den Anbaugebieten aufgebaut wurden. Nach Ende der Regenzeit, wenn die Straßen für schwere LKW wieder benutzt werden können, werden die gepressten Ballen zur Bahnlinie gebracht und die Saat zur Ölmühle, beide in Malange. Zu diesem frühen Zeitpunkt wusste ich noch nicht, dass meine Initiative für eine moderne Anlage auf Genossenschaftsbasis das Monopol der Cotonang brechen sollte, leider um Jahre zu spät.

Mit dem Jäger komme ich überein, kleinere Erkundigungen zu machen, wobei wir durch die Begutachtung von Losung klar machen wollen, welchem Tier wir nachstellen. Er ist sich sicher, dass wir sowieso beobachtet werden. Die beste Methode ist daher wohl so weiter zu machen wie bisher.

Für einen Europäer, der es gewohnt ist, seine Ideen sofort umzusetzen und die Kooperation geradezu fordert, bedeuten die folgenden Tage einen einzigen Frust. Denn nichts passiert. Niemand zeigt sich. Die Zeit tickt hier anders oder gar nicht. Es bleibt mir nichts Anderes übrig, als meine Frustration zu kontrollieren. Abends im Zelt greife ich nach meiner Flasche Capa Negra aus Portugal und verdünne den Weinbrand mit etwas Wasser, kaltem Wasser. Ich habe eine kleine Kühlanlage auf einem Podest bauen lassen. Das mit Tabletten behandelte Trinkwasser wird durch eine von außen befeuchtete, umwickelte Rohrleitung in einen mit Holzkohle isolierten Behälter geleitet. Fertig ist der Kühlschrank.

Die zunächst zögerlichen Regenfälle werden schwerer. Intensive Hitze tagsüber fordern ihren Tribut. Ich fühle mich wie ein ausgewrungener Schlauch und lebe erst mit der Dunkelheit auf.

Eines Morgens finden wir ganz frische Losung. Es sind aber keine Hufspuren zu sehen, obwohl der Boden um die Losung herum völlig durchweicht ist. Einzige Erklärung: jemand, also ein Mensch, hat die Losung abgelegt. Um uns was zu sagen? Da der Fundort nicht weit vom Lager ist, hole ich ein schwarz-weiß- Foto von der Palanca und deponiere es in Fettpapier eingewickelt bei der Losung. So könnte es funktionieren.

Und so kommt auch endlich der Kontakt zur scheuen Bevölkerung zustande. Eines Morgens stehen sie vor dem Verhau aus Zweigen und Dornen. Es sind fünf, für meine, noch, europäischen Begriffe, minimal bekleidet: eine Art Lendenschurz mit einem Gurt vom Schurz über die Schulter. Auf dem Rücken einen Köcher mit Pfeilen. Zwei von ihnen haben alte Gewehre, die anderen halten Bögen in ihren Händen. Am Lendenschurz baumeln Keulen, die aus einem Stück Holz gefertigt sind, etwa 50 cm lang, die in einem runden Kopf enden.

Meine Unerfahrenheit macht der Jäger wett. Er hat sich, offenbar, inzwischen so gut auf meine ›Macken‹ eingestellt, dass er Antworten gibt, damit unser Kontakt sofort weitergehen kann. Es ist klar, was wir wollen und die Eingeborenen sind bereit zu kooperieren. Ob es da noch etwas Anderes gibt, was uns stören könnte, weiß ich zu diesem Zeitpunkt nicht.

Die fünf machen uns klar, dass wir für mehrere Tage unser Camp verlassen müssen, denn das Gebiet der Palanca Preta Gigante, wo sich drei größere Gruppen mit jeweils etwa 12 bis 15 Kühen derzeit aufhalten, ist groß und wir sollen uns mehr oder weniger am Randes des Zentrums für mindestens eine Woche einrichten. Über die Distanz erfahren wir nichts. Es würde so um einen Tag dauern.

In der Nacht hören wir Motorengeräusche, die sich in südlicher Richtung an unserem Camp vorbei bewegen. Es handelt sich um mehrere Jeeps, die bald mit einer intensiven Beschießung beginnen. Scheinwerfer zucken herum, fokalisieren, Schüsse. Wir verhalten uns ruhig. Ich fürchte, dass unsere Abmachung nicht eingehalten wird. Aber dem ist nicht so. Die sogenannte Jagd verschwindet noch in derselben Nacht. Was sie erlegt haben, wissen wir nicht, aber es gibt genügend anderes Wild, dass sich ihren Scheinwerfern zeigt und abgeschossen wurde.

Wir beladen ein Fahrzeug, nehmen Proviant für zwei Wochen mit. Im Basis- Camp bleiben unser Funker und einer der Schwarzen aus Luanda, zu dem ich Vertrauen habe. Wir vier machen uns noch vor Sonnenaufgang auf den Weg. Im Falle von irgendwelchen Unfällen haben wir dann ja das geländegängige Fahrzeug. Die fünf Eingeborenen legen zu Fuß ein scharfes Tempo vor, wobei sie alte Pfade, die ich nicht mal erkennen kann, für den Jeep nutzen. Wir kommen gut voran und am frühen Nachmittag zeigen sie uns den Platz für unser Lager. Kein Feuer! Kein warmes Essen. Ich sehe mal in meinem Tagebuch nach. Wir hatten bereits Weihnachten! Niemand hat das kommentiert. Merkwürdig für die Portugiesen!

Der Regen ist für uns inzwischen »eine echte Zugabe«. Nichts bleibt trocken, nichts trocknet. Mir scheint, dass wir hinter einem Regenvorhang verschwinden. Ich friere nachts, obwohl das Thermometer fast 26 Grad anzeigt. Das ist die sogenannte gefühlte Temperatur, die durch andere Komponenten beeinflusst wird, wie Wind zum Beispiel oder Sonne. Ganz anders reagieren die fünf Schwarzen und der Jäger. Sie sind absolut optimistisch, dass ich endlich gute Fotos schießen kann und die Palanca Preta Gigante in ihrem Habitat erlebe, ohne Einflüsse durch Nachtjäger oder andere Störenfriede.