Cordt Schnibben / David Schraven
Corona
Geschichte eines angekündigten Sterbens
dtv Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, München
Cordt Schnibben, Wirtschaftswissenschaftler, Redakteur bei der ›Zeit‹, Reporter und Ressortleiter beim ›Spiegel‹. Mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, unter anderem mit dem Theodor-Wolff-Preis, dem Egon-Erwin-Kisch-Preis, dem Henri-Nannen-Preis und zweimal mit dem Adolf-Grimme-Preis. Autor und Herausgeber mehrerer ›Spiegel‹-Bücher, u.a. ›11.September. Geschichte eines Terrorangriffs‹.
David Schraven ist Gründer von CORRECTIV und leitet das Recherchezentrum als Publisher. In seinem früheren Leben füllte er Zeilen bei der taz, der Süddeutschen Zeitung, der Welt-Gruppe und dem von ihm mitgegründeten Blog Ruhrbarone. Bei der damaligen WAZ-Gruppe (heute Funke-Gruppe) war er für das Investigativ-Ressort verantwortlich. David Schraven wurde für seine Arbeit vielfach ausgezeichnet.
Was Ende Dezember 2019 mit Warnungen eines Augenarztes in Wuhan begann, ist in kürzester Zeit zur Pandemie geworden. SARS-CoV-2 ist ein gefährliches Virus, leicht übertragbar und tödlich. Aber noch mehr ist das Virus der Katalysator einer globalen Umwälzung, die Gesellschaften und Wirtschaftssysteme ihrer Gewissheiten beraubt und ihre Existenz bedroht.
Ein Team von Wissenschaftlern und Reportern, unter ihnen viele preisgekrönte Journalisten, ist seit Februar den Spuren des Virus gefolgt, vom Tiermarkt im mittleren China aus rund um den Erdball nach Europa, in die USA und nach Südamerika.
Die Autoren um Cordt Schnibben und David Schraven erzählen eine gleichermaßen beängstigende wie erzürnende, immer packende Geschichte, die die Schicksale von Betroffenen und Ärzten verschränkt mit der schmerzenden Frage, warum Regierende zum dritten Mal nach der Klimakrise und der Migrationskrise scheitern an der Aufgabe, aus Studien und Warnungen eine vorausschauende Politik zu entwickeln.
Recherchen bei Virologen und Wissenschaftlern helfen die brennende Frage zu beantworten, wie die Menschheit die Pandemie noch in den Griff bekommen kann.
Originalausgabe 2020
© 2020 dtv Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, München
Covergestaltung Grafik und Illustration: Mona Eing & Michael Meissner
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eBook-Herstellung im Verlag (01)
eBook ISBN 978-3-423-43823-0 (epub)
ISBNder gedruckten Ausgabe 978-3-423-26281-1
Ausführliche Informationen über unsere Autoren und Bücher finden Sie auf unserer Website http://www.dtv.de/ebooks
ISBN (epub) 9783423438230
Faktencheck, Stand Mai 2020
An dieser Stelle sollte eigentlich der Text eines Menschen stehen, der beängstigende Wochen hinter sich und mühsame Monate vor sich hat. Der Journalist war willens, zu beschreiben, wie das Virus – wahrscheinlich in New York – Besitz von ihm ergriff, wie er es mit nach Deutschland brachte. Und wie er dann in der Berliner Charité darum kämpfen musste, nicht zu verlieren gegen dieses Wesen, das einen Namen hat wie aus einem düsteren Science-Fiction Film. SARS-CoV-2.
Thomas, nennen wir ihn so, konnte dieses Vorwort nicht schreiben, weil er, wie er in einer SMS schrieb, »jeden Tag Untersuchungen« hat. Obwohl er vor zwei Wochen aus dem Krankenhaus entlassen wurde. Die Ärzte suchen in seinem Körper immer noch nach den Schäden, die der Eindringling angerichtet hat, in der Leber, im Darm, überall.
Thomas wollte diesen Text unbedingt schreiben, weil er sich in den Wochen seiner Krankheit über die Leute aufgeregt hat, die ihm auf Demonstrationen und in den sozialen Medien klarmachen wollen, dass das Virus, wenn überhaupt, nur alten Menschen oder Risikopatienten gefährlich werden könne.
Thomas ist weder alt noch vorbelastet. Er kann in den Stunden am Tag, die er nicht bei Ärzten verbringt, nur schlafen, essen und erschöpft sein. Er kämpfte, er schrieb, er kapitulierte. Irgendwann beschlossen wir, dass ein ungeschriebener Text die gleiche Botschaft haben kann wie ein geschriebener.
Unter Journalisten kenne ich inzwischen vier Kollegen, die nach überstandenen Wochen im Krankenhaus monatelang damit zu tun haben werden, wieder der Mensch zu werden, der sie mal waren.
Während Thomas im Krankenhaus lag, sind draußen viele Menschen lauter geworden. Sie wollen zurück zu dem, was sie für Normalität halten. Sie gehören zu den 30 Prozent der Bevölkerung, die nicht glauben, sich anstecken zu können, vielleicht sogar zu den 20 Prozent, die SARS-CoV-2 für einen Schwindel halten.
Fünf Monate Pandemie sind ein Crashkurs für alle, für die Ängstlichen wie für die Sorglosen. Am Anfang, zurückgeworfen in die eigenen vier Wände, verteilt über fünf Wohnungen, traf sich unsere Familie samstags zum gemeinsamen Corona-Kaffee, fünf Kinder, sieben Enkelkinder, vor den Screens ihrer Computer und Smartphones. Es gab Rhabarberkuchen, Apfelkuchen und irgendwo auch frisch Gegrilltes, ein lustiges Gewinke, die Enkel krähten nach ihrer »Nana«, und die musste die Tränen wegdrücken.
Seit die Bildschirme wieder leer sind, ist er wieder da, der angstvolle Blick in die nächsten Wochen und die Erinnerung an eine Beobachtung von Frank Schirrmacher, beschrieben in seinem Buch ›Minimum‹. In den großen Krisen der Menschheit werde die Familie zur Schicksalsgemeinschaft, die Menschen suchten Schutz und Trost zuerst in ihrer Familie, »denn in jedem Familienmitglied lebt ein Vertrauen aus Urzeiten: Was immer geschieht, man wird nicht im Stich gelassen«.
Dieses Virus, das nicht heimtückisch sein kann, weil es kein Lebewesen ist, dieses Virus zerstört neben Lungen dieses Urvertrauen – und das beschreibt die tückische Angst, die das Virus auslöst: Um das Virus zu bekämpfen, muss der Mensch die Familie zerlegen in die Gefährdeten und die Gefährder, und er muss sie voneinander isolieren.
Das Virus ist im doppelten Sinn ein innerer Feind: Er attackiert unsere Körper, und er attackiert unser Denken; er attackiert unser Leben, auch wenn wir überleben. Das Virus entfacht einen inneren Bürgerkrieg: Der besorgte Bürger in uns kämpft mit dem sorglosen Bürger. Wer sich diesen inneren Streit nicht eingesteht und nach außen entweder als Propagandist für den radikalen Shutdown oder für die rücksichtslose Rückkehr zur Normalität auftritt, belügt sich.
Diesen inneren Meinungsstreit zwischen Angst und Zuversicht, zwischen Sehnsucht und Einsicht trägt fast jede und jeder aus. Dieser Streit ist mal ein ruhiger Dialog, mal ein wüstes Geschrei, besonders dann, wenn man etwa gegen Mitternacht auf CNN die Horror-Show aus dem Weißen Haus verfolgt: Ein US-Präsident, der mit Zahlen von 100.000, 200.000 oder 2 Millionen Toten Amerikanern herumhantiert und sich – während er diese Modellrechnungen referiert – einen Scherz über sein Verhältnis zu Models erlaubt. Über 60.000 infizierte Ärztinnen und Ärzte, Schwestern und Pfleger in den USA, das ist die schlimmste Zahl einer Seuchenpolitik der Ignoranz.
In der ersten Phase der Pandemie sahen wir die Kanzlerin vor die Mikrofone treten und uns die halbe Wahrheit verkünden. Wir dachten uns, das macht sie, um uns keine Angst zu machen. Aber wir haben das Internet, wir können rechnen, wir sind keine blöden Untertanen. Und deshalb fragten wir uns: Wenn die Regierenden längst wissen, dass es schlimmer steht, als ihre Maßnahmen uns glauben machen sollen, warum greifen sie nicht gleich zu den Maßnahmen, die der Lage entsprechen? Also zu den Maßnahmen, die in Taiwan, Südkorea und China geholfen haben, den Anstieg der Infiziertenzahlen zu brechen? Kann es sein, dass der Regierende in der Demokratie glaubt, uns wirksame Maßnahmen erst zumuten zu können, wenn die Wirklichkeit uns beweist, dass sie zu spät kommen?
In der zweiten Phase der Pandemie hat sich dann so etwas wie Herdenmentalität etabliert. Die überforderte Regierung hörte endlich auf den Rat der gesammelten Virologen. Und die Bürger hörten auf die Regierung. Die Bilder der Ohnmacht aus Italien hatten Regierung und Bürger so eingeschüchtert, dass man für einige Zeit das Gefühl hatte, eine wissenschaftsgläubige Regierung und ein regierungsgläubiges Volk werden dem Virus vorbildlich trotzen. Zudem bestätigte der schon fast unheimliche Gleichklang vieler Regierungen, dass ein Shutdown, mindestens aber ein Lockdown, richtig sein musste.
Diese Dreieinigkeit zwischen Politik, Wissenschaft und Volk funktionierte, weil die Botschaften der Wissenschaft einheitlich und beängstigend genug waren. Als Wissenschaftler dann das taten, was Wissenschaftler nun mal machen müssen, neue Erkenntnisse suchen, sich widersprechen und sich korrigieren, verloren die Regierenden ihre Kronzeugen und zu viele Bürger das Vertrauen.
»Wir werden wahrscheinlich einander viel verzeihen müssen«, sagte der Gesundheitsminister im Bundestag – ein ehrlicher, wenn auch verräterischer Satz. Da war den Regierenden schon klar, dass es in der dritten Phase der Pandemie so sein würde wie immer. Streit und Parteitaktik.
Bis dahin hatte sich schon einiges an Verzeihmaterial angehäuft. Erstens der lustige Glaube, ein sich rasch vermehrendes Virus in China werde schön in Asien bleiben. Zweitens die – trotz Pandemieplan – lückenhafte Vorbereitung auf eine Pandemie in deutschen Kommunen und Krankenhäusern. Drittens die Maskenkomödie: bringen nix, sowieso zu wenig da, näht euch die selbst, Maskenpflicht! Viertens das Testvakuum, wochenlang immer zu wenig.
Aus dem Lockdown wieder herauszukommen, das ist, so wissen wir nach fünf Monaten Coronacrashkurs, die eigentliche Kunst. Weshalb die Schweden immer gesagt haben, wir gehen gar nicht erst in den Lockdown. Kuchen wird jetzt sonntags nicht mehr per Zoom gegessen, aber immer nur zwei Kinder mit Partnern und Enkeln gleichzeitig am Gartentisch im Garten.
In der dritten Phase der Pandemie, der Lockerung, lesen wir die Zahlen der Pandemie unterschiedlich: Für die einen bedeuten sie, alles ist nicht so schlimm gekommen wie prophezeit; für die anderen sagen sie, bloß nicht weiter lockern, dann werden die Zahlen so schlecht wie befürchtet.
Zahlen sind für uns wie Frontberichte. Infizierte, Getestete, Tote, Genesende; Tote pro 100.000 Einwohner, Tote im Verhältnis zu Getesteten, Zuwachs der Infizierten am Tag. Es ist beruhigend, wenn man dieses unsichtbare, gefährliche, allgegenwärtige Ding in eine Zahl verwandeln kann. Jeder hat Zahlenkolonnen, aus denen er Angst oder Hoffnung schöpft. Und Zahlen waren in den letzten Monaten der Grund dafür, dass wir gläubig in den Lockdown gefolgt sind.
Wie hoch die Ausbreitungsgeschwindigkeit ist, die Sterblichkeitsrate, die Verdopplungszeit, darauf haben wir bis jetzt geachtet, jetzt lernen wir, dass die Reproduktionsrate die entscheidende Zahl ist. Sie ist zu dem Zeitpunkt »eins«, sie soll am besten deutlich unter »eins« sein, das hat auch die Kanzlerin, da mal ganz die Physikerin, auf den Pressekonferenzen so eindringlich und überzeugend vertreten, dass seither in allen Nachrichtensendungen die Zahl erklärt wird als das Tor zur Normalität: Wenn jeder Infizierte zukünftig nur noch weniger als einen Menschen ansteckt, stirbt das Virus irgendwann aus, logisch.
Kaum die Reproduktionszahl kapiert, müssen wir kurz darauf lernen, auf Zahlen in Landkreisen zu schauen: Wenn sich in einem Landkreis pro 100.000 Einwohnern in einer Woche mehr als 50 Leute infizieren, müssen Maßnahmen zur Eindämmung ergriffen werden. Ja klar. Verstehen wir, im Verlaufe einer Pandemie muss man den Maßstab zur Beurteilung der Lage verändern. In der Phase des exponentiellen Wachstums braucht man einen anderen Maßstab als in der Phase des Ausstiegs aus dem Lockdown. Klar ist aber auch: Wenn sich das Vertrauen in Politik aus Zahlen ableitet, fördern wechselnde Bezugsgrößen das Misstrauen.
Was vor Monaten noch ein einig Volk von Coronabürgern war, ist jetzt eine Klassengesellschaft: Die Klasse der Homeoffice-Eltern mit Kind denkt anders über den Lockdown als die Klasse der Homeoffice-Singles, die Klasse der Homeoffice-Bürger mit Großeltern denkt anders über das Leben ohne Lockdown als die Klasse der Homeoffice-Bürger ohne Großeltern. Wir fangen an, unser Virenwissen zu ordnen: Was haben wir gelernt in der chinesischen Phase, was in der italienischen Phase, was in der amerikanischen Phase, was in der brasilianischen Phase?
Wir schauen jetzt nicht mehr jede Markus-Lanz-Show, die inzwischen klugerweise zu einer Virus-Virologen-Show geworden ist, durch die wir allen Virologen, die man vor eine Kamera setzen kann, sieben- oder achtmal zugehört haben. Wir haben begriffen, dass wir das Virenwissen brauchen, um uns als Staatsbürger ernst zu nehmen.
Wissen ist in der vom Virus befallenen Demokratie die Grundlage für vernünftiges Verhalten, darum liefern Medien den wichtigsten Impfstoff gegen die Pandemie, solange der Impfstoff noch nicht gefunden ist. Uns dämmert langsam: Die demokratischen Staaten werden diese Pandemie nur in den Griff bekommen, wenn erstens die Regierungen ihre Bürger zu Komplizen machen und nicht wie Untertanen behandeln; und wenn zweitens wir Bürger uns wie Machthaber verhalten – wir entscheiden durch unser Verhalten jetzt darüber, wie sich medizinische Notwendigkeiten mit ökonomischen Interessen vereinbaren lassen. Wissen ist Macht – uralter Spruch, in diesen Zeiten kommt auch aus dem Unwissen Macht: sich einzugestehen, was wir noch nicht wissen.
Wir wissen, dass Viren die Erde länger bevölkern als wir, und dass sie uns brauchen, wie Mietnomaden unvorsichtige Hausbesitzer brauchen. Dass wir es ihnen durch unsere Lebensweise leichter machen als noch vor 50 Jahren. Wir dringen in die Welt der Viren ein, nicht sie in unsere.
Wir wissen nicht, wie genau das Virus auf den Menschen übergesprungen ist, wann genau der Ausbruch stattfand, ob es in Richtung einer noch gefährlicheren Ansteckung mutiert. Eines aber ist sicher: In der Welt, in der wir leben, wird dieser Mietnomade nicht der letzte gewesen sein, der uns besucht. Besser, wir begreifen diese Pandemie als Generalprobe.
Wir fangen an, auf die Unwissenden herabzuschauen, die ohne Maske und Abstand auf Plätzen herumstehen, um das Virus durch Missachtung zu vernichten. Wir lächeln über die No-Mask-Machos, die stolz und unverwundbar wie Siegfried durch die Straßen schlendern, Hand in Hand mit ihren Maskenfrauen. Wir bedauern, dass ihre Ignoranz es dem Virus leichter macht.
Weil das Virus unsichtbar ist, versuchen die Unverwundbaren, es sichtbar zu machen, und geben ihm den Namen Bill Gates. Dessen Mahnungen über Jahre sollen ihn verdächtig machen, dabei hat er nur sein Vorwissen laut und deutlich geteilt. Nicht laut genug, wie er jetzt selbstkritisch sagt.
Dass die Regierenden der Welt Studien und Warnungen vor den Gefahren einer drohenden Pandemie über Jahre ignoriert haben, gehört zu den Dingen, die man nicht verzeihen kann, schon gar nicht Gesundheitsministern. Wie in der Klimakrise und der Migrationskrise zeigen sich Politiker unfähig, offensichtlichen, grundlegenden Fehlentwicklungen und Risiken mit nachhaltigem Handeln zu begegnen. Brauchen wir erst die Eskalation der Bedrohung, um zu spät das zu befolgen, was uns die Eskalation erspart hätte?
Verzeihen kann man Irrtümer und Fehler nach Ausbruch der Pandemie. Bei aller Kritik am Regierungshandeln muss man einräumen, dass in einer Notlage diesen Ausmaßes auch Politiker das Recht auf Überforderung, Fehler und Zaudern haben. Fragen darf man allerdings die Ministerpräsidenten der Länder, warum sie den zunächst eingeschlagenen Weg verlassen haben, Einschränkungen zu lockern, sie anhand der Zahlen der Infizierten zu überprüfen, um dann die nächsten Einschränkungen zu lockern.
Das Misstrauen gegenüber den Bürgern ist bei Politikern offenbar unterschiedlich stark, die einen halten die Pandemie nur für beherrschbar mit klaren, einheitlichen Regeln, die anderen glauben an die »Eigenverantwortung«, das neue Modewort.
Tatsächlich braucht eine epidemische Demokratie ein neues Verhältnis von Regierenden und Regierten, so etwas wie eine redaktionelle Gesellschaft, in der Bürger sich informieren und kommunizieren wie überzeugende Staatsbürger. Und in der Politiker die »black box democracy« aufgeben zu Gunsten einer Transparenz, die Erkenntnisse so offen macht wie Christian Drosten in seinen Podcasts und Maßnahmen so ausführlich erklärt wie Andrew Cuomo, der Gouverneur von New York, in seinen täglichen TV Briefings.
Aus Bürgern wissende Staatsbürger zu machen, die so viel Wissen haben, dass sie ein Leben mit dem Virus hinbekommen, dabei möchte dieses Buch helfen. Unser Team aus Wissenschaftlern und Reportern ist seit Februar den Spuren des Virus gefolgt, vom Tiermarkt im mittleren China aus rund um den Erdball nach Europa, in die USA und nach Südamerika. Das Virus hat binnen weniger Monate Staaten und die globale Wirtschaft in eine Krise gestürzt, die Gesellschaften ihrer Gewissheiten beraubt und sie existenziell bedroht.
Recherchen bei Infizierten, Angehörigen von Opfern, Ärzten, Virologen, Politikern und Wirtschaftsexperten helfen, die Frage zu beantworten, wie die Menschheit die Pandemie noch in den Griff bekommen kann.
Wir widmen das Buch Li Wenliang, dem jungen Augenarzt aus Wuhan, der den Instinkt und den Mut hatte, die mysteriöse Lungenkrankheit in der Stadt öffentlich zu machen und so half, das unentdeckte Virus ans Licht zu zerren.
Cordt Schnibben