Herausgegeben von Erich Ackermann
Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.
Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet unter www.dnb.de abrufbar.
© 2008 Anaconda Verlag,
in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,
Neumarkter Str. 28, 81673 München.
Covergestaltung: Katja Holst
Covermotiv: INTERFOTO / fine art images
ISBN 978-3-7306-9030-7
V003
www.anacondaverlag.de
Märchen aus Norwegen
Per Gynt
Peter und Paul und Esben Aschenbrödel
Die Mühle, die auf dem Meeresgrund mahlt
Von Aschenbrödel, welcher die silbernen Enten, die Bettdecke und die goldne Harfe des Trollen stahl
Von dem Burschen, der zum Nordwind ging und sein Mehl zurückverlangte
Der Bursche, der sich in einen Löwen, einen Falken und eine Ameise verwandelte
Aschenbrödel, der mit dem Troll um die Wette aß
Die drei Prinzessinnen aus Witenland
Aase, das kleine Gänsemädchen
Der weiße Bär König Valemon
Der Pfarrer und der Küster
Von den Burschen, die die Trolle im Hedalwalde trafen
Der Bursche, der beim König diente
Märchen aus Schweden
Die drei Großmütterchen
Das Schloß, das auf Goldpfählen stand
Der Knabe, der das Kind des Riesen in den Brunnen fallen ließ
Das schöne Hirtenmädchen
Das Goldpferd, die Mondlampe und die Jungfrau im Zauberkäfig
Silfwerhwit und Lillwacker
Die kleine Rosa und die lange Leda
Märchen aus Dänemark
Die Prinzessin im Hügel
Der Salbyer Rabe
In des Wolfes Bau und Adlers Klau’
Hans und Grete
Das Siebengestirn
Einer, der’s faustdick hinter dem Ohr hat
Der filzige Lars
Der Lohn guter Taten
Drei rote Ferkelchen
Der treue Svend
Märchen aus Island
Der Küster von Mörkaa
Das Seemännchen
Der Mann von Grimsö und der Bär
Der Bräutigam und das Gespenst
Der Huldrekönig auf Selö
Nordische Sagen
Thiassi und Skadi
Die Kleinode der Asen
Thors Riesenabenteuer
Balders Tod
Lokis Bestrafung
Helgi und Sigrun
Rolf Kraki und seine Mannen
Alf und Alfhild
Hagbard und Signe
Ottar und Sigrid
Amleth
Beowulf
Frithjof
Nornagest
Nachwort
Quellenverzeichnis
Literatur in Auswahl
In alten Zeiten lebte in Quam ein Schütze, der hieß Per Gynt. Er lag beständig droben im Gebirge und schoß dort Bären und Elche, denn damals gab es noch mehr Wälder auf den Bergen, und in ihnen hielten sich derartige Untiere auf. In einem Jahre nun, spät im Herbst, nachdem das Vieh schon längst von den Bergweiden herabgetrieben war, wollte Per Gynt wieder einmal hinauf ins Gebirge. Mit Ausnahme von drei Sennerinnen hatten schon alle Hirtenleute das Gebirge verlassen. Als Per Gynt die Hövringalm erreichte, wo er in einer Sennhütte übernachten wollte, war es schon so dunkel, daß er die Hand nicht vor den Augen sehen konnte. Da fingen die Hunde plötzlich so fürchterlich zu bellen an, daß es Per Gynt ganz unheimlich zumute wurde. Plötzlich stieß sein Fuß an etwas an, und als er es befühlte, war es kalt und groß und schlüpfrig. Da er aber nicht vom Wege abgekommen zu sein glaubte, konnte er sich gar nicht erklären, was das sein könnte; aber es kam ihm gar nicht geheuer vor.
»Wer ist denn das?« fragte Per Gynt, denn er fühlte, daß es sich bewegte.
»Ei, ich bin der Böig*, der Krumme«, lautete die Antwort. Damit war aber Per Gynt so klug wie vorher. Er ging nun daran entlang, »denn schließlich muß ich doch daran vorbeikommen«, dachte er.
Im Weitergehen stieß er plötzlich wieder mit dem Fuß an etwas, und als er es anfühlte, war es wieder kalt und groß und schlüpfrig.
»Wer ist das?« fragte Per Gynt.
»Ich bin der Krumme«, lautete aufs neue die Antwort.
»Ei, ob du gerade oder krumm bist, du sollst mich doch weiterlassen«, sagte Per Gynt, denn er merkte, daß er im Kreise herumging und der Krumme sich um die Sennhütte herumgeschlängelt hatte. Bei diesen Worten schob sich der Krumme ein wenig auf die Seite, so daß Per Gynt an die Sennhütte hingelangen konnte. Als er hineinkam, war es da drinnen nicht heller als draußen; er stolperte und tastete an den Wänden umher, denn er wollte seine Flinte abstellen und seine Jagdtasche ablegen. Aber während er so suchend umhertappte, fühlte er wieder das Kalte, Große und Schlüpfrige.
»Wer ist denn das nun?« rief Per Gynt.
»Ach, ich bin der große Krumme«, lautete die Antwort. Und wohin er auch faßte und wohin er den Fuß setzte, überall fühlte Per Gynt den Ring, den der Krumme um ihn gezogen hatte.
»Hier ist nicht gut sein«, dachte Per Gynt, »weil dieser Krumme ebensogut hier drinnen als draußen ist; aber ich werde diesem Ruhestörer bald ein Ende machen.« Er nahm seine Flinte, ging wieder hinaus und tastete an dem Krummen entlang, bis er den Kopf fand.
»Wer bist du denn eigentlich?« fragte er.
»Ach, ich bin der große Krumme von Etnedal«, sagte der große Troll. Da machte Per Gynt kurzen Prozeß und schoß ihm drei Kugeln mitten durch den Kopf.
»Schieß noch einmal!« rief der Krumme. Aber Per Gynt wußte es besser, denn wenn er noch einmal geschossen hätte, wäre die Kugel auf ihn selbst zurückgeprallt. Als dies getan war, faßten Per Gynt und die Hunde fest zu und zogen den großen Troll aus der Sennhütte hinaus, damit sie es sich in der Hütte bequem machen könnten. Währenddessen lachte und höhnte es von allen Bergen ringsum.
»Per Gynt zog viel, aber die Hunde zogen mehr!« ertönte es.
Am Morgen wollte Per Gynt hinaus auf die Jagd. Als er tief in die Berge hineinkam, sah er ein Mädchen, das Schafe und Ziegen über einen Berggipfel trieb. Als er aber den Gipfel erreicht hatte, war das Mädchen mit seiner Herde verschwunden, und Per Gynt sah nichts als ein großes Rudel Bären.
»Ich habe doch noch nie Bären in Rudeln beisammen gesehen«, dachte Per Gynt. Als er aber näher kam, waren bis auf einen einzigen alle verschwunden. Da klang es von einem Berge dicht neben ihm:
»Nimm in acht den Eber dein,
Per Gynt steht draußen
Mit dem Stutzen sein!«
»Ach, dann widerfährt Per Gynt ein Unglück, nicht aber meinem Eber, denn er hat sich heute nicht gewaschen«, klang es aus dem Berge. Schnell wusch sich Per Gynt die Hände mit seinem Wasser und schoß den Bären tot. In den Bergen erhob sich ein schallendes Gelächter.
»Du hättest auf deinen Eber achtgeben sollen«, rief die eine Stimme.
»Ich habe nicht daran gedacht, daß er die Waschschüssel zwischen den Beinen hat«, erwiderte die andere.
Per Gynt zog dem Bären die Haut ab und vergrub den Körper im Geröll; aber den Kopf und das Fell nahm er mit. Auf dem Rückweg traf er mit einem Bergfuchs zusammen.
»Sieh mein Lämmchen, wie fett du bist!« rief es von einem Hügel her. »Seht nur, wie hoch Per Gynt den Stutzen trägt!« tönte es von einem andern Hügel, als Per Gynt die Flinte zum Schießen an die Wange legte und den Fuchs erschoß. Er zog auch diesem den Balg ab und nahm ihn mit; und als er an der Sennhütte ankam, nagelte er die Köpfe mit aufgesperrten Rachen außen an die Wand. Darauf machte er Feuer und stellte einen Suppentopf darüber; aber es rauchte so fürchterlich, daß Per Gynt kaum die Augen offenhalten konnte, und er mußte deshalb eine in der Wand befindliche Luke öffnen. Da kam gleich ein Troll herbei und steckte seine Nase durch die Luke herein, die Nase aber war so lang, daß sie bis an den Schornstein reichte.
»Da kannst du einmal ein ordentliches Riechhorn sehen«, sagte er.
»Und du kannst Suppe versuchen«, sagte Per Gynt und goß ihm den ganzen Topf Suppe über die Nase. Der Troll stürzte davon und jammerte laut; aber ringsum von allen Höhen lachte und spottete und ertönte es: »Suppenrüssel, Suppenrüssel!«
Hierauf war eine Weile alles still; doch dauerte es nicht lange, da erhob sich draußen wieder Lärm und Getöse. Per Gynt sah hinaus, und da erblickte er einen mit Bären bespannten Wagen; der große Troll wurde aufgeladen, und dann ging es hinauf ins Gebirge mit ihm. Während Per Gynt dem Wagen noch nachsah, wurde plötzlich ein Eimer Wasser durch den Schornstein herabgegossen; das Feuer erlosch, und Per Gynt saß im Dunkeln. Da begann es in allen Ecken zu lachen und zu spotten, und eine Stimme sagte:
»Jetzt wird es Per Gynt gerade so gehen wie den Sennerinnen in der Val-Hütte.«
Per Gynt zündete das Feuer wieder an, rief seine Hunde herbei, verschloß die Sennhütte und ging weiter nach Norden bis zu der Val-Hütte, in der die drei Sennerinnen waren.
Als er eine Strecke zurückgelegt hatte, sah er ein Feuer lodern, als wenn die ganze Val-Hütte in hellen Flammen stünde, und in demselben Augenblick stieß er auf ein Rudel Wölfe, von denen er die einen niederschoß und die anderen erschlug. Als er die Val-Hütte erreicht hatte, war es da stockfinster und von einer Feuersbrunst keine Spur zu entdecken, aber es waren vier fremde Männer in der Hütte, die die Sennerinnen belästigten; das waren vier Bergtrolle, die hießen Gust i Väre, Tron Valfjeldet, Tjöstöl Aabakken und Rolf Eldförpungen.* Gust i Väre stand vor der Tür und sollte Wache halten, während die andern bei den Sennerinnen drinnen waren und zudringlich werden wollten. Per Gynt schoß auf Gust iVäre, verfehlte ihn aber, und da lief Gust iVäre davon. Als dann Per Gynt in die Stube hineinkam, waren die Sennerinnen in großer Not; zwei von ihnen waren ganz außer sich vor Schrecken und flehten zu Gott um Hilfe und Rettung, die dritte aber, die man die tolle Kari nannte, hatte keine Angst. Sie sagte, sie sollten nur kommen, sie hätte wirklich Lust zu sehen, ob solche Kerle auch Schneid hätten. Als aber die Trolle merkten, daß Per Gynt im Zimmer war, fingen sie zu jammern an und sagten zu Eldförpungen, er solle Feuer anmachen. In demselben Augenblick fielen die Hunde über Tjöstöl Aabakken her und warfen ihn kopfüber auf den Herd, daß Asche und Funken umherstoben.
»Hast du meine Schlangen gesehen, Per Gynt?« fragte Tron Valfjeldet – so nannte er die Wölfe.
»Ja, und nun sollst du denselben Weg gehen wie deine Wölfe!« rief Per Gynt und erschoß ihn. Dann schlug er Tjöstöl Aabakken mit dem Flintenkolben tot; aber Eldförpungen war durch den Schornstein entflohen. Nachdem Per Gynt dieses getan hatte, begleitete er die Sennerinnen nach ihrem Dorfe, denn sie wagten nun nicht länger in der Hütte zu bleiben.
Als nun die Weihnachtszeit herankam, war Per Gynt wieder unterwegs. Er hatte von einem Hof auf Dovre gehört, wo sich am Christabend so viele Trolle einfinden sollten, daß die Bewohner flüchten und auf anderen Höfen Unterkunft suchen müßten; dieses Gehöft wollte Per Gynt aufsuchen, denn es gelüstete ihn, diese Trolle zu sehen. Er zog zerrissene Kleider an, nahm einen zahmen weißen Bären, der ihm zu eigen gehörte, sowie einen Pfriemen, etwas Pech und Draht mit. Als er den Hof erreicht hatte, ging er ins Haus hinein und bat um Obdach.
»Gott steh uns bei!« sagte der Mann. »Wir können dir kein Obdach geben, wir müssen selbst den Hof verlassen, denn an jedem Heiligen Abend wimmelt es hier von Trollen.«
Aber Per Gynt meinte, er werde das Haus schon von den Trollen säubern. So wurde ihm erlaubt dazubleiben, und er bekam eine Schweinehaut noch obendrein. Darauf legte sich der Bär hinter den Schornstein, Per holte Pech, Pfriemen und Draht hervor und machte sich daran, aus der ganzen Schweinehaut einen einzigen großen Schuh zu machen. Als Schnürband zog er einen dicken Strick hindurch, so daß er den Schuh rundherum zuschnüren konnte, und überdies hatte er noch zwei Stöcke bereit. Kaum war er fertig, da kamen die Trolle auch schon mit Fiedeln und Spielleuten dahergezogen, und die einen tanzten, die andern aßen von dem Weihnachtsessen, das auf dem Tische stand, einige brieten Speck, andere brieten Frösche und Kröten und ähnliches ekelhaftes Zeug – dieses Weihnachtsessen hatten sie selbst mitgebracht. Inzwischen bemerkten einige den von Per Gynt verfertigten Schuh. Da er für einen großen Fuß bestimmt zu sein schien, wollten die Trolle ihn anprobieren, und als jeder von ihnen einen Fuß hineingestellt hatte, zog Per Gynt den Schuh zu, zwängte einen Stock hinein und schnürte ihn so stark zu, daß alle miteinander in dem Schuh festsaßen. Aber jetzt streckte der Bär die Nase vor und schnupperte nach dem Braten hin.
»Möchtest du Kuchen haben, mein weißes Kätzchen?« fragte einer der Trolle und warf dem Bären einen noch brennend heißen gebratenen Frosch in den Rachen.
»Kratze und schlage, Meister Petz!« rief Per Gynt. Da wurde der Bär so zornig, daß er auf die Trolle losfuhr und nach allen Seiten Hiebe austeilte und sie kratzte. Und Per Gynt schlug mit dem andern Stock in den Haufen hinein, wie wenn er allen den Schädel einschlagen wollte. Da mußten die Trolle die Flucht ergreifen; Per Gynt aber blieb da und schmauste die ganze Weihnachtszeit über von dem Weihnachtsessen, und nun hörte man viele Jahre lang nichts mehr von den Trollen. Der Hofbauer aber hatte eine weiße Stute; da gab ihm Per den Rat, von dieser Stute Füllen aufzuziehen, diese dann in den Bergen herumstreifen und sich da vermehren zu lassen.
Nach vielen Jahren war die Weihnachtszeit wieder einmal vor der Tür. Der Hofbauer war im Walde und fällte Holz zum Feste. Da kam ein Troll herbei und rief ihm zu: »Hast du deine große weiße Katze noch?«
»Ja, sie liegt daheim hinter dem Ofen«, sagte der Mann, »und sie hat sieben Junge bekommen, die noch viel größer und besser sind als sie selbst.«
»Dann kommen wir nie wieder zu dir!« rief der Troll.
* Ein gespenstisches Ungeheuer des Nordens, das sich dem Wanderer als ein unsichtbares, kaltes, schleimiges Etwas um die Füße legt.
* Die Namen der vier Trolle deuten auf die vier Elemente: Väre = Luft; Fjeld = Berg, Erde; Aa = Bach, Wasser; Eid = Feuer.
Es war einmal ein Mann, der hatte drei Söhne, die hießen Peter und Paul und Esben Aschenbrödel; aber weiter als die drei Söhne hatte er auch nichts in der Welt, ja, er war so arm, daß er nicht einmal einen Knopf an seinem Rock hatte, und darum sagte er oft und alle Tage zu den Burschen, sie sollten fort in die Welt und sich ihr Brot verdienen, denn zu Hause bei ihm müßten sie sich doch am Ende nur tothungern. Nun sollst du mal hören, wie zuletzt die Burschen auf Trab kamen; das ging nämlich so zu:
Nicht weit davon, wo der Mann wohnte, lag ein Königsschloß, und gerade vor den Fenstern des Königs stand eine Eiche, die war so groß und so dick, daß sie alles Licht wegnahm, so daß die Sonne nicht ins Zimmer scheinen konnte. Darum hatte der König demjenigen, der die Eiche umhauen könnte, viel Geld versprochen; aber dazu taugte keiner; denn sobald einer nur einen Span von dem Stamm abhaute, wuchs gleich wieder noch einmal soviel daran. Ferner wollte der König einen Brunnen gegraben haben, der sollte das ganze Jahr hindurch Wasser halten; denn alle Großen in seinem Reich hatten Brunnen, nur er hatte keinen, und das, deuchte dem König, wäre doch unrecht. Wer ihm nun einen solchen Brunnen graben konnte, der das ganze Jahr hindurch Wasser hielt, dem hatte er Geld und auch noch viele andere Dinge versprochen; aber keiner konnte es zustande bringen, denn das Schloß lag oben auf einem Berg, und kaum hatte man einige Zoll tief in die Erde gegraben, so kam man auf den harten Felsboden. Da sich aber der König einmal in den Kopf gesetzt hatte, daß die Sache zustande gebracht werden sollte, so ließ er zuletzt weit und breit bekanntmachen in seinem ganzen Land, daß der, welcher die große Eiche vor dem Schloß umhauen und einen Brunnen graben könnte, der das ganze Jahr hindurch Wasser hielt, die Prinzessin und das halbe Reich haben sollte.
Nun kann man sich wohl denken, daß viele kamen, um ihr Glück zu versuchen; aber was sie auch hauen und sägen und hacken und graben mochten, es half alles nichts: Die Eiche wurde bei jedem Hieb nur noch dicker, und der Felsboden wurde nicht weicher. Endlich wollten die drei Brüder auch fort und ihr Glück versuchen, und damit war der Vater zufrieden; denn bekämen sie auch nicht die Prinzessin und das halbe Reich, dachte er, so könnten sie doch wohl bei irgendeinem braven Mann in Dienst kommen, und mehr wünschte er nicht; und als darum die Brüder davon anfingen, daß sie zu dem Königsschloß wollten, sagte der Vater auch gleich ja, und darauf machten Peter und Paul und Esben Aschenbrödel sich auf den Weg. Als sie ein Ende gegangen waren, kamen sie an einem mit Tannen bewachsenen Berg vorbei, und oben da haute und haute es.
»Das wundert mich, daß es da oben auf dem Berg so haut«, sagte Esben Aschenbrödel.
»Du bist immer gleich bei der Hand mit deinem Verwundern«, sagten Peter und Paul; »ist das sonderbar, daß ein Holzhauer da auf dem Berg haut?«
»Ja, ich möchte aber doch wissen, was es ist«, sagte Esben Aschenbrödel und ging hinauf.
»Wenn du ein solcher Narr bist, so sieh zu, dann wirst du’s erfahren!« riefen die Brüder ihm nach; aber Esben bekümmerte sich nicht darum, sondern ging gerade nach dem Ort hin, wo er es hauen hörte, und da sah er nun eine Axt, welche ganz allein dastand und an einer Tanne haute.
»Was stehst du hier ganz allein und haust?« fragte Esben Aschenbrödel.
»Ach, nun hab ich hier gestanden und gehaut manch lieben Tag und hab nur auf dich gewartet«, sagte die Axt.
»Gut, nun bin ich hier«, sagte Esben, trennte die Axt vom Stiel und steckte sie in seinen Schnappsack. Als er nun wieder zu seinen Brüdern kam, machten sie sich über ihn lustig und fragten: »Na, was war denn das für Schönes, was du da oben sahst?«
»Oh, es war bloß eine Axt«, sagte Esben.
Als sie nun ein Ende weitergegangen waren, kamen sie wieder zu einem Berg, und oben da hörten sie es hacken und graben.
»Das wundert mich«, sagte Esben, »ich möchte doch wohl wissen, was es ist, das da so hackt und gräbt.«
»Du bist immer gleich bei der Hand mit deinem Verwundern«, sagten Peter und Paul, »hast du denn nie die Vögel auf den Bäumen hacken und picken hören?«
»Ja, aber ich hätte doch Lust zu sehen, was es ist«, sagte Esben und bekümmerte sich nicht darum, daß die andern ihn wieder auslachten, sondern ging geradezu auf den Berg. Dort oben sah er nun eine Steinhacke, die stand da ganz allein und hackte und grub.
»Guten Tag!« sagte Esben Aschenbrödel. »Was stehst du hier ganz allein und hackst und gräbst?«
»Ach, nun hab ich hier gestanden und gehackt und gegraben manch lieben Tag und habe nur auf dich gewartet«, sagte die Hacke.
»Gut, nun bin ich hier«, sagte Esben, schlug die Hacke vom Stiel herunter, steckte sie in seinen Schnappsack und damit ging er wieder fort.
»Das war wohl was Schönes, was du da oben sahst«, sagten Peter und Paul zu ihm, als er sie wieder eingeholt hatte.
»Oh, es war nur eine Steinhacke«, sagte Esben Aschenbrödel.
Nun gingen sie ein gutes Ende weiter, bis sie endlich zu einem Bach kamen, und da nun alle drei durstig waren von der Reise, legten sie sich nieder, um zu trinken. »Mich wundert nur dieser Bach«, sagte Aschenbrödel, »ich möchte doch wohl wissen, wo das Wasser herkommt.«
»Uns wundert nur, daß du nicht recht im Kopf bist!« sagten Peter und Paul; »bist du aber noch nicht verrückt, so wirst du es wohl vor lauter Verwunderung bald werden. Hast du denn noch nie gehört, daß das Wasser aus der Erde quillt?«
»Ja, aber ich hätte doch Lust zu sehen, wo es herkommt«, sagte Esben Aschenbrödel, und damit ging er an dem Bach entlang und bekümmerte sich nicht darum, daß seine Brüder hinter ihm herriefen und ihn auslachten.
Als er nun ein weites Stück gegangen war, wurde der Bach schmäler und immer schmäler, und endlich sah er eine große Walnuß liegen, aus der sickerte das Wasser heraus.
»Guten Tag«, sagte Esben. »Was liegst du hier so allein und sickerst?«
»Ach, nun hab ich hier gelegen und gesickert manch lieben Tag und habe nur auf dich gewartet«, sagte die Walnuß.
»Gut, nun bin ich hier«, sagte Esben, nahm einen Flausch Moos und stopfte ihn in das Loch, so daß das Wasser nicht heraus konnte, und dann steckte er die Walnuß in seinen Schnappsack und ging wieder zurück zu seinen Brüdern.
»Nun hast du wohl gesehen, wo das Wasser herkommt; das sah wohl hübsch aus, kann ich mir denken«, sagten Peter und Paul.
»Oh, es war bloß ein Loch, wo es herausfloß«, sagte Esben Aschenbrödel, und die Brüder lachten und machten sich über ihn lustig; aber Esben bekümmerte sich nicht darum, sondern sagte bloß: »Ich hatte nun einmal meine Lust daran, es zu sehen.«
Als sie nun noch etwas weitergegangen waren, kamen sie zu dem Königsschloß. Aber da nun so viele Leute gehört hatten, daß sie die Prinzessin und das halbe Reich gewinnen könnten, wenn sie es zustande brächten, die große Eiche umzuhauen und einen Brunnen im Schloßhof zu graben, der immer Wasser hielt, so waren schon so viele gekommen, die ihr Glück versucht hatten, daß die Eiche noch einmal so groß und dick geworden war als vorher. Darum hatte der König nun die Strafe ausgesetzt, daß, wenn künftig einer sein Glück versuchen wollte und die Eiche nicht umhauen könnte, ihm beide Ohren abgeschnitten werden sollten, und danach sollte er auf eine Insel hinausgebracht werden, die mitten im Meer lag.
Aber die beiden Brüder ließen sich dadurch nicht abschrecken, sie meinten, sie wollten die Eiche schon umhauen, und Peter, welcher der älteste war, sollte zuerst den Versuch machen. Aber es ging ihm nicht besser als all den anderen, die vor ihm ihr Glück versucht hatten; denn für jeden Span, den er abhieb, wuchs gleich noch einmal soviel wieder nach. Da nahmen die Leute des Königs ihn beim Schlafittchen und brachten ihn hinaus auf die Insel, nachdem sie ihm vorher beide Ohren abgeschnitten hatten. Nun wollte sich Paul daranmachen; aber dem ging’s um nichts besser. Als er zwei bis drei Hiebe getan hatte und die Leute sahen, daß die Eiche nur noch größer wurde, nahmen sie ihn ebenfalls beim Kragen und brachten ihn hinaus auf die Insel; ihm aber schnitten sie die Ohren noch dichter beim Kopf ab, weil er von seinem Bruder habe lernen können, vorsichtiger zu sein.
Nun wollte sich Esben Aschenbrödel daranmachen. »Möchtest du gern aussehen wie ein gezeichnetes Schaf, so wollen wir dir lieber die Ohren gleich abschneiden, dann sparst du die Mühe«, sagte der König und war gewaltig böse auf ihn wegen seiner Brüder. »Ich hätte doch Lust, erst mein Glück zu versuchen«, sagte Esben, und das durften sie ihm denn nicht verwehren. Er nahm nun seine Axt aus dem Schnappsack, steckte sie wieder auf den Stiel und sprach dann: »Hau selber!« und sogleich fing die Axt an zu hauen, daß nur die Späne so flogen, und da dauerte es nicht lange, so war die Eiche herunter. Wie das getan war, nahm Esben seine Hacke hervor, steckte sie wieder an den Stiel und sprach dann: »Grabe und hacke selbst!« und sogleich fing die Hacke an zu graben und zu hacken, daß Erde und Steine herumflogen, und da kann man sich denn wohl denken, daß der Brunnen tief genug werden mußte. Als Esben ihn so tief und so groß hatte, wie er ihn haben wollte, nahm er seine Walnuß und legte sie unten auf den Boden, dann zog er das Moos wieder aus dem Loch und sprach: »Fang nun an zu sickern!« Da fing die Walnuß an zu sickern, daß nur das Wasser so strömte, und da dauerte es nicht lange, so war der Brunnen bis an den Rand voll. So hatte nun Esben Aschenbrödel die Eiche umgehauen, die vor den Fenstern des Königs das Licht nahm, und einen Brunnen im Schloßhof gegraben, der beständig Wasser hielt; und da bekam er die Prinzessin und das halbe Reich, so wie der König es versprochen hatte. Gut war es, daß Peter und Paul ihre Ohren verloren hatten, denn sonst hätten sie es immer und alle Tage hören müssen, daß Esben Aschenbrödel sich doch nicht so schlecht gewundert hatte.
In alten Zeiten gab es einmal zwei Brüder: der eine war reich und der andere arm. Als nun der Weihnachtsabend herankam, hatte der arme keinen Bissen zu essen im Hause, weder Fleisch noch Brot; er ging deshalb zu seinem Bruder und bat ihn im Namen Gottes um eine Kleinigkeit zu Weihnachten. Es war wohl nicht das erste Mal, daß ihm der Bruder hatte etwas geben müssen; aber er war immer etwas geizig und daher nicht sonderlich erfreut über den Besuch. »Willst du tun, was ich dir sage, dann sollst du einen ganzen Schinken bekommen«, sagte er. Ja, das wolle er gerne, sagte der arme Bruder und bedankte sich.
»Da hast du ihn, fahr nun zur Hölle damit«, sagte der Reiche und warf ihm den Schinken hin.
»Was ich versprochen habe, muß ich halten«, sagte der andere; er nahm den Schinken und machte sich auf den Weg. Dann wanderte er den ganzen Tag hindurch, bis er in der Dämmerung an ein Haus kam, aus dem es hell herausschimmerte. »Hier ist es gewiß«, dachte der Mann mit dem Schinken. Im Holzschuppen stand ein alter Mann mit einem langen weißen Bart, der zum Weihnachtsabend Holz kleinmachte.
»Guten Abend«, sagte der Mann mit dem Schinken.
»Guten Abend, wohin willst du noch so spät?« fragte der Alte.
»Ich sollte eigentlich in die Hölle, aber ich weiß nicht, ob ich auf dem rechten Weg dahin bin«, antwortete der Arme.
»Doch, du bist ganz recht gegangen, dies hier ist die Hölle«, sagte der alte Mann. »Wenn du aber nun hineinkommst, werden sie dir alle deinen Schinken abkaufen wollen, denn Schweinefleisch ist ein seltenes Gericht in der Hölle; aber du sollst ihn nicht für Geld verkaufen, sondern die alte Handmühle verlangen, die hinter der Tür steht. Wenn du dann wieder herauskommst, will ich dir zeigen, wie man die Mühle behandeln muß; die ist nämlich zu allerlei nütze«, sagte er.
Der Mann mit dem Schinken dankte für die gute Auskunft und klopfte bei dem Teufel an. Als er hineinkam, ging es, wie der alte Mann gesagt hatte; alle Teufel, die großen und die kleinen, wimmelten um ihn herum wie Ameisen, und der eine überbot immer den anderen, um den Schinken zu bekommen.
»Ich hatte freilich die Absicht, ihn mit meinem Weibe zum Christabend zu verzehren«, sagte der Mann; »da ihr jedoch so erpicht darauf seid, will ich ihn euch lassen. Aber wenn ich ihn verkaufen soll, so will ich die alte Handmühle dafür, die hinter der Tür steht.«
Der Teufel wollte die Mühle nicht gerne hergeben; er feilschte und handelte mit dem Manne, dieser aber blieb bei seiner Bedingung, und so mußte der Teufel mit der Mühle herausrücken. Als dann der Mann wieder auf den Hof herauskam, fragte er den alten Holzfäller, wie er nun die Mühle gebrauchen müsse, und als der es ihm gezeigt hatte, bedankte er sich und machte sich schnellstens auf den Heimweg. Aber sosehr er sich auch beeilte, so kam er doch erst nach Hause, als es eben in der Christnacht zwölf Uhr schlug.
»Aber wo in aller Welt bist du denn geblieben?« fragte die Frau. »Hier habe ich nun Stunde um Stunde gesessen und gewartet und habe nicht einmal zwei Stecken, die ich kreuzweise unter den Topf mit der Weihnachtssuppe hätte legen können.«
»Ach, ich konnte nicht früher kommen, denn ich hatte noch allerlei zu besorgen, und einen weiten Weg hatte ich auch. Aber jetzt sollst du mal sehen«, sagte der Mann. Er stellte die Mühle auf den Tisch und befahl ihr zu mahlen. Zuerst Lichter, dann ein Tischtuch, dann Essen und Bier und sonst allerlei Gutes zum Weihnachtsschmaus; und wie er der Mühle befahl, so mahlte diese. Seine Frau bekreuzte sich einmal ums andere und wollte wissen, wo er die Mühle herhabe, aber der Mann wollte nicht mit der Sprache heraus.
»Es ist ganz einerlei, wo ich sie herhabe. Du siehst, daß die Mühle gut ist und daß das Mahlwasser nicht einfriert«, sagte der Mann. Und so mahlte er Essen und Trinken und alle guten Sachen für die ganze Weihnachtszeit, und am dritten Tage lud er seine Freunde zu sich ein, denn er wollte ihnen ein Gastmahl geben.
Als der reiche Bruder sah, was alles zum Festmahl bereitstand, ärgerte er sich grün und gelb, weil er seinem Bruder durchaus nichts gönnte.
»Am Weihnachtsabend war er noch so bettelarm, daß er zu mir kam und mich um Gottes willen um eine Kleinigkeit bat, und jetzt hält er ein Fest, wie wenn er Graf oder König wäre«, sagte er. »Aber wo zum Satan hast du denn den Reichtum gefunden?« fragte er den Bruder.
»Hinter der Tür«, sagte der, dem die Mühle gehörte, denn er hatte keine Lust, dem Bruder Rechenschaft darüber abzulegen. Aber später am Abend, als er etwas im Kopfe hatte, konnte er sich nicht länger zurückhalten, und nun rückte er mit der Mühle heraus. »Da siehst du die Gans, die mir die goldenen Eier legt«, sagte er und ließ die Mühle bald dies, bald jenes mahlen.
Als der reiche Bruder dies sah, wollte er ihm die Mühle durchaus abkaufen, und schließlich willigte der Bruder auch ein, sie ihm zu lassen; aber dreihundert Taler müsse er ihm dafür geben, und außerdem bedingte er sich noch aus, daß er die Mühle bis zur Heuernte behalten dürfe. »Denn wenn ich sie noch so lange behalte, kann sie mir für viele Jahre Essen gemahlen haben«, dachte er.
Wie man sich wohl denken kann, wurde während dieser Zeit die Mühle nicht rostig, und als die Heuernte herankam, erhielt sie der Bruder, aber der andere hatte sich wohl gehütet, ihm zu zeigen, wie man sie behandeln mußte. Abends brachte der Reiche die Mühle nach Hause, und am nächsten Morgen befahl er seiner Frau, mit den Mähern aufs Feld hinauszugehen und das Heu hinter ihnen auszubreiten; er werde selbst für das Mittagessen sorgen, sagte er. Als nun die Mittagszeit herankam, stellte er die Mühle auf den Küchentisch. »Mahle Hering und Milchsuppe; aber schnell und viel!« sagte der Mann.
Da fing die Mühle zu mahlen an, Hering und Milchsuppe, erst alle Schüsseln und Töpfe voll, dann immer weiter, daß der ganze Küchenboden davon überschwemmt wurde. Der Mann drehte und schraubte an der Mühle, um sie abzustellen; aber wie er auch daran herumhantierte, die Mühle blieb nicht stehen, und zuletzt war die Milchsuppe in der Küche schon so hoch, daß der Mann in Gefahr war zu ertrinken. Da riß er die Stubentür auf; aber schon nach kurzer Zeit hatte die Mühle auch die Stube voll gemahlen, und nur mit knapper Not konnte der Mann in der Flut von lauter Milchsuppe noch die Türklinke finden. Als er nun die Tür aufgemacht hatte, stürzte er eiligst hinaus ins Freie, und die Flut von Hering und Milchsuppe hinter ihm her, so daß sie sich über den ganzen Hof und die Felder hinwälzte.
Indessen meinte die Frau, die das Heu auf dem Feld ausbreitete, es dauere doch gar zu lange, bis das Mittagessen fertig sei. »Wir wollen jetzt nur nach Hause gehen, wenn uns der Herr auch nicht ruft«, sagte sie zu den Mähern. »Er wird wohl die Milchsuppe nicht allein zustande bringen, und ich muß ihm helfen.« Sie zogen also langsam heimwärts; aber als sie den Hügel hinter sich hatten, wogte ihnen Hering und Milchsuppe und Brot, alles durcheinander, entgegen, und der Mann lief immer davor her. »Wollte Gott, daß jeder von euch hundert Bäuche hätte!« rief er. »Aber nehmt euch in acht, daß ihr nicht in dem Mittagessen ertrinkt.« Damit jagte er, wie vom Teufel besessen, an ihnen vorbei und hinüber zu seinem Bruder. Den bat er, um Gottes willen doch die Mühle wieder zu nehmen, und zwar augenblicklich. »Denn wenn sie noch eine einzige Stunde mahlt, dann ertrinkt das ganze Dorf in Hering und Milchsuppe«, rief er.
Der Bruder aber wollte die Mühle nicht wieder nehmen, wenn ihm der andere nicht noch dreihundert Taler dazu bezahlte, und es blieb dem Reichen nichts übrig, er mußte mit dem Gelde herausrücken. Jetzt hatte der Arme sowohl Geld als auch die Mühle, und es dauerte nicht lange, da hatte er sich ein Haus gebaut, noch viel schöner als das, in dem der Bruder wohnte. Mit der Mühle mahlte er so viel Gold zusammen, daß er die Wände ganz mit Goldplatten bekleiden konnte, und das Haus lag dicht am Meeresstrand, da konnte man es vom Meere aus schon von weitem blinken und glänzen sehen. Alle, die vorbeifuhren, hielten an, um den reichen Mann in dem goldenen Haus zu besuchen und die wunderbare Mühle zu sehen, denn sie wurde weit und breit berühmt, und es gab niemanden, der nicht davon reden gehört hätte.
Schließlich kam auch einmal ein Schiffer an, der die Mühle sehen wollte, und als er sie sah, fragte er, ob sie auch Salz mahlen könnte. »O ja, Salz kann sie auch mahlen«, sagte der Mann, dem sie gehörte; und als der Schiffer das hörte, wollte er die Mühle mit Gewalt haben, mochte sie kosten, was sie wolle. »Denn«, dachte er, »wenn ich sie hätte, brauchte ich nicht mehr über so gefährliche Meere nach Salz zu fahren.«
Anfangs wollte der Mann sie durchaus nicht hergeben; aber der Schiffer ließ nicht nach mit Bitten und Betteln, und schließlich erhielt er denn auch die Mühle für viele, viele tausend Taler.
Als der Schiffer die Mühle aufgeladen hatte, hielt er sich nicht lange auf, denn er hatte Angst, der Mann könnte wieder anderen Sinnes werden; zu fragen, wie man die Mühle behandeln müsse, dazu nahm er sich gar nicht Zeit, er brachte sie so schnell wie möglich in sein Schiff und stieß ab.
Als er eine Strecke weit aufs Meer hinausgefahren war, holte er die Mühle hervor. »Mahle Salz, aber schnell und viel!« befahl er. Nun ja, die Mühle begann, Salz zu mahlen, daß es nur so sprühte. Als das Schiff voll war, wollte der Schiffer die Mühle abstellen; aber wie er auch drehte und schraubte, die Mühle mahlte immer weiter, der Salzhaufen wurde immer größer, und schließlich sank das Schiff. Da steht nun die Mühle auf dem Meeresgrund und mahlt noch bis auf den heutigen Tag, und daher kommt es, daß das Meerwasser so salzig ist.
Es war einmal ein armer Mann, der hatte drei Söhne. Als er starb, wollten die beiden ältesten in die Welt reisen, um ihr Glück zu versuchen; aber den jüngsten wollten sie gar nicht mithaben. »Du da«, sagten sie, »taugst zu nichts anderem, als in der Asche zu wühlen!«
»So muß ich denn allein gehen«, sagte Aschenbrödel.
Die beiden gingen und kamen zu einem Königsschloß; da erhielten sie Dienste, der eine beim Stallmeister und der andere beim Gärtner. Aschenbrödel ging auch fort und nahm einen großen Backtrog mit, das war das einzige, was die Eltern hinterlassen hatten, wonach aber die anderen beiden nicht fragten; der Trog war zwar schwer zu tragen, aber Aschenbrödel wollte ihn doch nicht stehenlassen. Als er eine Zeitlang gewandert war, kam er ebenfalls zu dem Königsschloß, und dort bat er um einen Dienst. Sie antworteten ihm aber, daß sie ihn nicht brauchen könnten; da er indes so flehentlich bat, sollte er zuletzt die Erlaubnis haben, in der Küche zu sein und der Köchin Holz und Wasser zu tragen. Er war fleißig und flink, und es dauerte nicht lange, so hielten alle viel von ihm; aber die beiden anderen waren faul, und darum bekamen sie oft Schläge und wenig Lohn und wurden nun neidisch auf Aschenbrödel, da sie sahen, daß es ihm besserging.
Dem Königsschloß gerade gegenüber, an der anderen Seite eines Wassers, wohnte ein Troll, der hatte sieben silberne Enten, die auf dem Wasser schwammen, so daß man sie von dem Schloß aus sehen konnte; die hatte sich der König oft gewünscht, und deshalb sagten die zwei Brüder zu dem Stallmeister: »Wenn unser Bruder wollte, so hat er sich gerühmt, dem König die sieben silbernen Enten verschaffen zu können.« Man kann sich wohl denken, es dauerte nicht lange, so sagte der Stallmeister es dem König. Dieser sagte darauf zu Aschenbrödel: »Deine Brüder sagen, du könntest mir die silbernen Enten verschaffen, und nun verlange ich es von dir.«
»Das habe ich weder gedacht noch gesagt«, antwortete der Bursche.
»Du hast es gesagt«, sprach der König, »und darum sollst du sie mir schaffen.«
»Je nun«, sagte der Bursche, »wenn’s denn nicht anders sein kann, so gib mir nur eine Metze Rocken und eine Metze Weizen; dann will ich’s versuchen.«
Das bekam er denn auch und schüttete es in den Backtrog, den er von zu Hause mitgenommen hatte, und damit ruderte er über das Wasser. Als er auf die andere Seite gekommen war, ging er am Ufer auf und ab und streute und streute, und endlich gelang es ihm, die Enten in den Trog zu locken, und nun ruderte er, was er nur konnte, wieder zurück.
Als er auf die Mitte des Wassers gekommen war, kam der Troll an und ward ihn gewahr. »Bist du mit meinen sieben silbernen Enten davongereist, du?« fragte er.
»Ja-a!« sagte der Bursche.
»Kommst du noch öfter, du?« fragte der Troll.
»Kann wohl sein«, sagte der Bursche.
Als nun Aschenbrödel mit den sieben silbernen Enten zurück zu dem König kam, wurde er noch beliebter im Schloß, und der König selbst sagte, es wäre gut gemacht. Aber darüber wurden seine Brüder noch aufgebrachter und noch neidischer auf ihn und verfielen nun darauf, zum Stallmeister zu sagen, jetzt hätte ihr Bruder sich auch gerühmt, dem König die Bettdecke des Trollen mit den silbernen und goldnen Rauten verschaffen zu können, wenn er bloß wolle; und der Stallmeister war auch diesmal nicht faul, es dem König zu berichten. Der König sagte darauf zu dem Burschen, daß seine Brüder gesagt hätten, er habe sich gerühmt, ihm die Bettdecke des Trollen mit den silbernen und goldnen Rauten verschaffen zu können, und nun solle er es auch, oder sonst solle er das Leben verlieren. Aschenbrödel antwortete, das hätte er weder gedacht noch gesagt; da es aber nichts half, bat er um drei Tage Bedenkzeit.
Als die nun um waren, ruderte Aschenbrödel wieder hinüber in dem Backtrog und ging am Ufer auf und ab und lauerte. Endlich sah er, daß sie im Berge die Bettdecke heraushängten, um sie auszulüften; und als sie wieder in den Berg zurückgegangen waren, erschnappte Aschenbrödel die Decke und ruderte damit zurück, so schnell er nur konnte. Als er auf die Mitte gekommen war, kam der Troll an und ward ihn gewahr. »Bist du es, der mir meine sieben silbernen Enten genommen hat?« rief der Troll.
»Ja-a!« sagte der Bursche.
»Hast du nun auch meine silberne Bettdecke mit den silbernen und goldnen Rauten genommen?«
»Ja-a!« sagte der Bursche.
»Kommst du noch öfter, du?«
»Kann wohl sein«, sagte der Bursche.
Als er nun zurückkam mit der goldnen und silbernen Decke, hielten alle noch mehr von ihm denn zuvor, und er ward Bedienter beim König selbst. Darüber wurden die anderen beiden noch mehr erbittert, und um sich zu rächen, sagten sie zum Stallmeister: »Nun hat unser Bruder sich auch gerühmt, dem König die goldne Harfe verschaffen zu können, die der Troll hat, und die von der Beschaffenheit ist, daß jeder, wenn er auch noch so traurig ist, froh wird, wenn er darauf spielen hört.« Ja, der Stallmeister, der erzählte es gleich wieder dem König, und dieser sagte zu dem Burschen: »Hast du es gesagt, so sollst du es auch. Kannst du es, so sollst du die Prinzessin und das halbe Reich haben; kannst du es aber nicht, so sollst du das Leben verlieren.«
»Ich habe es weder gedacht noch gesagt«, antwortete der Bursche, »aber ist es wohl kein andrer Rat, ich muß es versuchen; doch sechs Tage will ich Bedenkzeit haben.«
Ja, die sollte er haben; aber als sie um waren, mußte er sich aufmachen. Er nahm nun einen Lattenspiker, einen Birkenpflock und einen Lichtstumpf in der Tasche mit, ruderte wieder über das Wasser und ging dort am Ufer auf und ab und lauerte. Als der Troll herauskam und ihn gewahr ward, fragte er: »Bist du es, der mir meine sieben silbernen Enten genommen hat?«
»Ja-a!« antwortete der Bursche.
»Du bist es, der mir auch meine Decke mit den goldnen und silbernen Rauten genommen hat?« fragte der Troll.
»Ja-a!« sagte der Bursche.
Da ergriff ihn der Troll und nahm ihn mit sich in den Berg.
»Nun, meine Tochter«, sagte er, »nun hab ich ihn, der mir meine silbernen Enten und meine Bettdecke mit den silbernen und goldnen Rauten gestohlen hat; setz ihn jetzt in den Maststall, dann wollen wir ihn schlachten und unsre Freunde bitten.«
Dazu war die Tochter sogleich bereit, und sie setzte ihn in den Maststall, und da blieb er nun acht Tage lang und bekam das beste Essen und Trinken, das er sich wünschen konnte und soviel er nur wollte.
»Geh nun hin«, sagte der Troll zu seiner Tochter, als die acht Tage um waren, »und schneide ihn in den kleinen Finger, dann werden wir sehen, ob er schon fett ist.« Die Tochter ging sogleich hin.
»Halt mal deinen kleinen Finger her!« sagte sie; aber Aschenbrödel steckte den Lattenspiker heraus, und in den schnitt sie. »Ach nein, er ist noch hart wie Eisen«, sagte die Trolltochter, als sie wieder zu ihrem Vater kam, »noch können wir ihn nicht schlachten.«
Nach acht Tagen ging es wieder ebenso, nur daß Aschenbrödel jetzt den Birkenpflock heraussteckte. »Ein wenig besser ist er«, sagte die Tochter, als sie wieder zu dem Trollen kam, »aber noch war er hart zu kauen wie Holz.« Acht Tage danach sagte der Troll wieder, die Tochter solle hingehen und zusehen, ob er jetzt nicht fett genug wäre. »Halt mal deinen kleinen Finger her!« sagte die Tochter, als sie zum Maststall gekommen war. Nun hielt Aschenbrödel den Lichtstumpf hin. »Jetzt geht’s an«, sagte sie. »Haha!« sagte der Troll, »so reise ich fort, um Gäste zu bitten; mittlerweile sollst du ihn schlachten und die eine Hälfte braten und die andre Hälfte kochen.«
Als der Troll nun gereist war, fing die Tochter an, ein großes langes Messer zu schleifen.
»Sollst du mich damit schlachten?« fragte der Bursche.
»Ja, du«, sagte die Trolltochter.
»Aber es ist nicht scharf«, sagte der Bursche, »ich muß es dir nur schleifen, damit du mich desto leichter ums Leben bringen kannst.«
Sie gab ihm nun das Messer, und er fing an zu schleifen und zu wetzen.
»Laß es mich jetzt an deiner Haarflechte probieren«, sagte der Bursche, »ich glaube, es wird nun gut sein.«
Das erlaubte sie ihm denn auch; aber als Aschenbrödel die Haarflechte ergriff, bog er ihr den Kopf zurück und schnitt ihr den Hals ab – und kochte dann die eine Hälfte und briet die andere und trug es auf den Tisch. Darauf zog er die Kleider der Trolldirne an und setzte sich in die Ecke hin.
Als der Troll mit den Gästen nach Hause kam, bat er die Tochter – denn er glaubte, daß sie es wäre –, sie möchte doch auch kommen und mitessen. »Nein«, antwortete der Bursche, »ich will kein Essen haben, ich bin so betrübt.«
»Du weißt ja Rat dafür«, sagte der Troll, »nimm die goldne Harfe und spiele darauf.«
»Ja, wo ist die nun?« sagte der Bursche wieder.
»Du weiß es ja wohl, du hast sie ja zuletzt gebraucht; dort hängt sie ja über der Tür«, sagte der Troll.
Der Bursche ließ sich das nicht zweimal sagen; er nahm die Harfe und ging damit aus und ein und spielte; aber wie er so im besten Spielen war, schob er plötzlich den Backtrog hinaus ins Wasser und ruderte damit fort, daß es nur so sauste. Nach einer Weile deuchte es dem Trollen, die Tochter bliebe gar zu lange draußen, und er ging hin, sich nach ihr umzusehen; da sah er aber den Burschen in dem Trog weit weg auf dem Wasser.
»Bist du es, der mir meine sieben silbernen Enten genommen hat?« rief der Troll.
»Ja!« sagte der Bursche.
»Du bist es, der mir auch meine Decke mit den silbernen und goldnen Rauten genommen hat?«
»Ja!« sagte der Bursche.
»Hast du mir nun auch meine goldne Harfe genommen, du?« schrie der Troll.
»Ja, das hab ich«, sagte der Bursche.
»Hab ich dich denn nicht gleichwohl verzehrt?«
»Nein, das war deine Tochter, die du verzehrtest«, antwortete der Bursche.
Als der Troll das hörte, ward er so arg, daß er barst. Da ruderte Aschenbrödel zurück und nahm einen ganzen Haufen Gold und Silber mit, soviel der Trog nur tragen konnte, und als er nun damit zurückkehrte und auch die goldne Harfe mitbrachte, bekam er die Prinzessin und das halbe Reich, so wie der König es ihm versprochen hatte. Seinen Brüdern aber tat er immer wohl; denn er glaubte, sie hätten nur sein Bestes gewollt mit dem, was sie gesagt hatten.
Es war einmal eine alte Frau, die hatte einen Sohn, und da sie sehr schwach und elend war, sollte der Sohn für sie ins Vorratshaus gehen und Mehl zum Mittagessen holen. Als dieser nun mit dem Mehl die Stufen von dem Vorratshaus heruntergehen wollte, kam der Nordwind dahergesaust, entriß ihm das Mehl und jagte damit durch die Luft davon. Der Jung ging wieder zurück in die Vorratskammer und holte neues Mehl; als er aber wieder auf der Treppe stand, kam der Nordwind von neuem dahergesaust und entriß ihm das Mehl. Das dritte Mal ging es genau ebenso. Aber jetzt wurde der Junge zornig; er fand es sehr unrecht vom Nordwind, daß er so wütend daherbrauste, und er beschloß deshalb, den Wind aufzusuchen und sein Mehl zurückzuverlangen.
Er machte sich also auf den Weg und wanderte lange, bis er endlich zum Nordwind kam.
»Guten Tag!« sagte der Junge.
»Guten Tag!« sagte auch der Nordwind mit einer sehr rauhen Stimme. »Was willst du?«
»Ach«, sagte der Junge, »ich wollte dich nur recht schön bitten, mir mein Mehl wiederzugeben, das du mir auf der Vorratskammertreppe entrissen hast. Wir sind sehr arm, und wenn du uns noch das bißchen nimmst, was wir haben, dann müssen wir verhungern.«
»Ich habe kein Mehl«, sagte der Nordwind. »Da du aber so arm bist, will ich dir ein Tuch geben, das dir alles, was du dir nur wünschen kannst, herbeischafft. Du brauchst dann nichts weiter zu sagen als: ›Tischtuch mein, deck dich fein!‹, dann wirst du schon sehen, was geschieht.«
Der Junge war hochbeglückt über das Tuch. Aber der Weg war weit, und er konnte an demselben Tag nicht mehr nach Hause gelangen; deshalb kehrte er in einem Gasthause an der Straße ein, und als die Leute dort zu Nacht essen wollten, legte der Junge sein Tuch auf einen Tisch, der in einem Winkel stand, und sagte: »Tischtuch mein, deck dich fein!«
Kaum hatte er dies gesagt, so hatte sich das Tuch schon gedeckt. Allen Anwesenden gefiel dies ausgezeichnet; am allerbesten gefiel es aber doch der Wirtsfrau. »Wenn man dieses Tuch hätte«, dachte sie, »brauchte man sich nicht mehr mit Kochen und Backen, mit Dekken und Abdecken, mit dem Auf- und Abtragen abzuplagen.«
Als es nun Nacht war und alles im Hause in tiefem Schlafe lag, nahm sie dem Burschen das Tuch weg und legte ein anderes an dessen Stelle, das zwar dem von dem Nordwind geschenkten vollkommen ähnlich war, aber nicht einmal mit einer Hafergrütze aufwarten konnte.
Als der Junge am Morgen erwachte, nahm er sein Tuch, ging mit ihm fort und kam an diesem Tag auch glücklich bei seiner Mutter an.
»Mutter«, sagte er, »ich bin beim Nordwind gewesen; der war sehr freundlich und schenkte mir dieses Tuch hier. Ich brauche nichts weiter zu sagen als: ›Tischtuch mein, deck dich fein!‹, dann bekomme ich das herrlichste Essen, das ich mir nur wünschen kann.«
»Das wäre freilich sehr schön«, sagte die Mutter. »Aber ehe ich es sehe, glaube ich es nicht.« Der Junge zog schnell einen Tisch heran, legte sein Tuch darauf und sagte: »Tischtuch mein, deck dich fein!« Aber das Tuch deckte sich auch nicht mit dem kleinsten Stückchen Brot.