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2. aktualisierte Auflage 2019
© 2018 by FinanzBuch Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH
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Redaktion: Marion Reuter
Umschlaggestaltung: Maria Wittek
Satz: Daniel Förster, Belgern
Druck: GGP Media GmbH, Pößneck
eBook: ePubMATIC.com
ISBN Print 978-3-95972-109-7
ISBN E-Book (PDF) 978-3-96092-187-5
ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-96092-188-2
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Vorwort von Dr. Christoph Bruns
Vorwort des Autors
Wie bin ich zum Investor geworden?
TEIL 1
GRUNDLAGEN DES INVESTIERENS
Wieso ist es wichtig sich zu informieren?
Geld und Vermögen sind wichtig, aber nicht das Wichtigste im Leben
Was ist die Börse und wozu dient sie?
Woher kommt die Aktie?
Was ist wertorientiertes Investieren?
Die Unterschiede zwischen Investieren und Spekulieren
Der Unterschied zwischen Aktien und Unternehmen
Der Zusammenhang zwischen Kursschwankungen und Risiko
Was ist das Risiko eines wertorientierten Investors?
Immer das beste Risiko-Rendite-Verhältnis
Eigen- vs. Fremdkapital
Ein Plädoyer für die Aktie: Wieso Aktien und nichts anderes?
Anleihen als Alternative zur Aktie
Wann sind Anleihen Aktien überlegen?
Wirtschafts- vs. Geldsystem
Geldvermögen: Die Mär der Vermögensvernichtung
Ein kurzes Wort zu Gold
TEIL 2
VORGEHEN BEIM INVESTIEREN
Wann sollte man das erste Mal in Aktien investieren?
Antizyklisch investieren
Wie mit einem Crash an der Börse umgehen?
Fixe vs. variable Anlagequote
Nur in das investieren, was einen interessiert
Weshalb man nicht in Schwellenländer investieren muss
Sich nicht von der Meinung der anderen beeinflussen lassen
Wieso Diversifikation sinnvoll ist
Selbstwahrnehmung und Investieren
Weshalb Shorten keine Option für werteorientierte Investoren ist
Weshalb Optionen keine Option für werteorientierte Investoren sind
Gebühren und das indirekte Investieren
Wie gibt man einen Wertpapierauftrag richtig auf?
Ein kurzes Wort zu Musterdepots
Distanz zum Geschehen an der Börse gewinnen
Wann sollte man verkaufen?
TEIL 3
ANALYSE ZUM INVESTIEREN
Die Grundlagen
Die wichtigsten Kriterien bei der Bewertung von Unternehmen
Schritt 1: Das Anlageuniversum verkleinern
Schritt 2: Analyse der Buchführung
Schritt 3: Analyse des Geschäftsmodells
Die Wichtigkeit des Geschäftsmodells vs. die Wichtigkeit der Buchführung
Der Easy Buffett
Ein einfaches Werkzeug für zwischendurch – oder die nicht existierende Buffett-Value-Formel
Schnäppchenfallen und wie man sie erkennt
Nachwort
Bibliografie
Glossar
Hinweis an die Leser:
Alle Beispiele, Informationen, Anregungen und Tipps basieren auf den Erkenntnissen sowie der Gesetzeslage zum Zeitpunkt der Drucklegung und wurden mit der größtmöglichen Sorgfalt zusammengestellt. Dabei wurde darauf geachtet, dass die gewählten Beispiele allgemein übertragbar sind. Trotz aller Sorgfalt sind Fehler nicht ganz auszuschließen. Weil sich in Einzelfällen und durch Änderungen von Gesetzen und Vorschriften eventuell andere Umstände ergeben können, ist eine Haftung des Autors für Vermögensschäden aus der Anwendung der hier erteilten Ratschläge ausgeschlossen. Auch kann der Autor weder eine Garantie noch irgendeine Haftung für Personen-, Sach- oder Vermögensschäden, die auf fehlerhafte Angaben in diesem Buch zurückzuführen sind, übernehmen.
Die Urheber der in diesem Buch enthaltenen Sprüche, Zitate und Lebensweisheiten sind genannt. Fehlen sie, dann waren sie nicht eindeutig feststellbar. Das gilt auch für Spruchweisheiten aus dem Volksmund und für Neuformulierungen alter oder zu langer Sprüche.
Alle in diesem Buch vorgestellten Berechnungen sind Beispiele. Deshalb übernimmt der Autor keine Erfolgsgarantien noch irgendeine andere Form von Gewährleistung. Der Leser ist für sein Handeln ausschließlich selbst verantwortlich.
Für meine Familie und Freunde
Alle Experten sind sich einig: Deutschland ist kein Land der Aktionäre. Dabei wäre es allein schon aus demografischen Gründen dringend anzuraten, dass die Bevölkerung ihre Ersparnisse stärker in den börsennotierten Unternehmen arbeiten lässt, nachdem positive Realzinsen durch die Europäische Zentralbank abgeschafft wurden.
Fragt man nach den Gründen für die weitgehende Aktienabstinenz der Deutschen, dann bekommt man zumeist zur Antwort, es fehle der Bevölkerung an Kenntnissen und Bildung auf dem Gebiet der Kapitalanlage. Offenbar kümmern sich Schulen und Hochschulen viel zu wenig um dieses wichtige Thema. Zugleich kann man nicht sagen, dass ein allgemeiner Mangel an Börsenbüchern bestände. Vielmehr scheint es ein Defizit an Anlageliteratur zu geben, die den Anfänger und den semiprofessionellen Anleger an die Hand nimmt, um ihm einen profunden Einblick in die Vorzüge, aber auch die Fallstricke der Aktienanlage zu geben.
Dieses Buch nimmt Anleger an die Hand und bringt Licht ins Dunkel der zunächst verwirrend scheinenden Börsenwelt. Es hebt sich damit von der Masse der typischen Ratgeber ab. Till Schwalm ist mit günstigen Voraussetzungen ausgestattet, um auf diesem Feld motivierten Anlegern weiterzuhelfen. Der Autor war mehrere Jahre als Aktienanalyst Teil des erfolgreichen Aktienfondsmanagements der LOYS AG, die sich ihrerseits einen anerkannten Namen als Manager international investierender Aktienfonds erarbeitet hat.
Till Schwalm ist bereits seit Studientagen in St. Gallen ein inspirierter Verfechter der Aktienanlage. Neben seiner beruflichen Beschäftigung mit der Aktienanlage war er dem Thema stets auch privat als Aktienanleger zugetan. Die dabei gewonnenen Erfahrungen sind in wohltuender Weise in das vorliegende Buch eingeflossen. Wenn nun dieses Oeuvre dazu beiträgt, dass ein interessierter Leserkreis die Scheu vor der irrigerweise als zu riskant verschrienen Aktienanlage verliert, dann wäre bereits manches gewonnen. Insgesamt ist dem Buch zu wünschen, dass es einen großen Leserkreis findet, damit dem Mangel an Bildung auf diesem Feld endlich abgeholfen wird.
Ihr Dr. Christoph Bruns
Fondsmanager und Mitbegründer der LOYS AG
Meine Erfahrung hat mir gezeigt, dass es wichtig ist, ein Investment-Tagebuch zu führen. Es reduziert den Einfluss von Emotionen bei Investment-Entscheidungen. Ich habe dieses über mehrere Jahre öffentlich über meinen Blog www.gewinnbringend-investieren.de getan und tue es noch heute bei meiner Arbeit als Aktienanalyst. Hierbei habe ich gelernt, dass der Prozess, eine Investmentthese vorzubereiten und diese anschließend von anderen bewerten zu lassen, mich dazu gebracht hat, meine Annahmen und Investmentgründe radikaler zu überprüfen. Dabei geht es immer darum, seine eigene These zu hinterfragen. Als Investor sollte man sich seiner eigenen arroganten Haltung bewusst sein. Jede Handlung an der Börse mit der Absicht, überdurchschnittliche Rendite zu erwirtschaften, stellt einen Akt der Arroganz dar, da ihr die Vorstellung zugrunde liegt, mehr als die Mehrheit der restlichen Investoren zu wissen. Eine entgegengesetzte Sichtweise – eine Sichtweise, die meiner nicht zustimmt – ist mir dabei stets willkommen.
Gleichzeitig stehe ich in regelmäßigem Austausch mit Investoren, die sehr ähnlich denken wie ich und mit denen ich Ideen, Gedanken und Erfahrungen austauschen kann. Dabei ist Investieren im Allgemeinen ein sehr einsamer Akt. Es ist eine intellektuelle Aufgabe, bei der man Theorien und Prognosen aufstellt und verwirft, und zum Schluss steht man mit seiner Entscheidung allein da.
Beim werthaltigen Investieren sind es oft Thesen, die gegen den breiten Konsens stehen. Dabei ist festzuhalten, dass Investieren eine Kunstform ist. Ich sage absichtlich Kunst, Kunst als kreative Tätigkeit, da man zwar das Handwerk des Investierens erlernen kann, ein guter Künstler/ Investor aber auch Talent und Lebenserfahrung braucht, um sein Werk/ Investment zu voller Blüte zu bringen. Hierbei braucht es Vorbilder, von denen man sich inspirieren lassen und lernen kann. Bei mir ist das neben André Kostolany vor allem Warren Buffett.
Beide zeigen, dass man sich im Lauf seiner Investmentkarriere entwickeln kann und muss. Was dabei zählt, sind die Neugier und der Prozess der Entwicklung, weniger die Karriere. Investieren ist ein Prozess des Lernens und der Reflexion. Es erfordert sehr viel Demut. Beim Investieren geht es darum, menschliches Verhalten in all seinen Facetten zu verstehen. Wenn man menschliches Verhalten verstehen möchte, sollte man sich selbst verstehen. Wenn man sich selbst verstehen möchte, sollte man sich aufmerksam beobachten. Mit diesem Buch möchte ich dem Leser die Möglichkeit geben, genau dies zu tun: sich selbst beobachten.
Es ist mir wichtig, dass der Leser am Ende dieses Buches verstanden hat, wieso Aktienkurse fallen oder steigen können und wieso unabhängig von den Kursen Unternehmen Geld verdienen oder verlieren. Hierbei plädiere ich für eine wertorientierte Strategie, die Krisen im System nutzt.
Eine wertorientierte Strategie (auch als Value Investing bezeichnet) bedeutet dabei für mich, reale Wirtschaftsleistung und das wirtschaftliche Umfeld bewerten zu können und diese Faktoren möglichst günstig zu kaufen. Dieses Buch wird sich dabei um die Aktie und das Aktieninvestment drehen, eine Grundlage zum Investieren schaffen, die wichtigsten Kriterien des wertorientierten Investierens aufzeigen und dem Leser einen möglichen Ansatz der Bewertung geben. Andere Anlageformen und Strategien werden nur am Rande tangiert.
Vorwegnehmen möchte ich noch, dass es beim werthaltigen Aktieninvestment darum geht, das Unternehmen zu kennen und nicht den Aktienkurs. Dieser wird erst ganz am Ende in die Betrachtung einbezogen, um zu entscheiden, ob die Aktie am Markt günstig oder teuer bewertet wird. Dabei sollte man nicht davon träumen, über Nacht zum Millionär zu werden – Millionär kann man jedoch mit harter Arbeit, sehr viel Einsatz und vor allem mit noch mehr Geduld werden. Wenn man sich an die Regeln in diesem Buch hält, wird man langfristig und ehrlich zu den Gewinnern zählen. Auf dem Weg zum Gewinner würde ich mich über einen Austausch mit meinen Lesern freuen. Schreiben Sie mir gerne Ihre Gedanken, Anregungen und Ideen zum Investieren unter info@einfachinvestieren-dasbuch.de.
Ihr Till Schwalm
Ich komme aus einer Unternehmerfamilie und habe die wirtschaftlichen Aspekte des Zusammenlebens bereits am Küchentisch gelernt. Ich weiß nicht, wann ich das erste Mal aktiv an die Börse und an Aktien gedacht habe. Vermutlich irgendwann im Alter von 13 bis 14 Jahren. Ich musste nie von den Vorzügen eines Marktes, an dem Waren und Güter ausgetauscht werden, oder einer Börse, an der man Unternehmen austauscht, überzeugt werden. Allerdings ist der Markt, wie die Börse, nur ein Mittel zum Zweck und hat für sich allein genommen keine Bedeutung. Die Wirtschaft, Unternehmen und die Menschen dahinter sind das, was spannend ist.
Ein Interesse an volks- und betriebswirtschaftlichen Themen ist bei mir vorhanden, seit ich verstehe, wie unsere Gesellschaft aufgebaut ist. Vermutlich irgendwann kurz bevor ich das erste Mal aktiv an die Börse gedacht habe. Die erste Aktie (SAP) kaufte ich allerdings erst Anfang 2007 im Alter von 20 Jahren. SAP ist eine Softwarefirma aus Deutschland, die sich auf Programme für Unternehmensabläufe spezialisiert hat. Nachdem die Aktie kurz ins Minus gerutscht war, verkaufte ich sie nach kurzer Zeit mit einem Minigewinn. Dies war sicherlich nicht durchdacht. Intensiv mit dem Unternehmen auseinandergesetzt habe ich mich zu dem Zeitpunkt nicht. Trotzdem war dies der Startschuss für mein Leben mit Aktien.
Zum ersten Mal ein richtiges Portfolio aufgebaut habe ich zwei Jahre später während der großen Finanzkrise 2007 bis 2009. Meine Überlegung damals war folgende: Wenn sich das Wirtschaftssystem nicht ändert und Menschen weiter Bedürfnisse haben, werden Aktien wieder steigen, da die Unternehmen diese Bedürfnisse befriedigen. Wenn man davon ausgeht, dass sich das Wirtschaftssystem nicht ändert, dann kann man sich in Krisen günstig an Unternehmen beteiligen. Wenn man befürchtet, die falschen Unternehmen zu kaufen, muss man streuen. Selbst wenn man ein schlecht gestreutes Portfolio, wie den DAX 30 oder den Dow Jones, in einer Krise kauft, kann man nicht viel falsch machen.
Meine Überlegung von damals lässt sich in einer Frage zusammenfassen: Wie wahrscheinlich ist es, dass die größten Unternehmen in Deutschland (oder der USA) alle zusammen durch eine Wirtschaftskrise vom Markt verschwinden? Die Antwort: nur durch ein anderes Wirtschaftssystem. Ich hoffe, dass unser Wirtschaftssystem nur durch ein besseres ersetzt wird. Und, um das Zitat von Winston Churchill über Demokratie neu zu verwenden: Kapitalismus ist die schlechteste aller Wirtschaftsordnungen, außer allen anderen, die von Zeit zu Zeit ausprobiert worden sind.
Wenn man denkt, dass sich das Wirtschaftssystem nicht ändert, sollte man keine Angst vor dem Aktienkauf haben und sich damit aktiv an der Wirtschaft beteiligen. Dieses Buch soll dabei helfen, genau diese Zusammenhänge zwischen dem Wirtschaftssystem und Emotionen, wie Angst und Gier, die beim Aktienkauf der größte Verlustbringer sind, zu verstehen und besser zu beherrschen.
»An der Börse ist alles möglich. Auch das Gegenteil.«
ANDRÉ KOSTOLANY
Es geht beim Investieren um mehr als nur darum, reicher zu werden. Wer einzig dieses Ziel hat, sollte es im Kasino versuchen. Dort kann man weniger kaputt machen. Beim Investieren geht es darum, richtige Annahmen zu treffen und mit seinen Entscheidungen leben zu können. Entscheidungen, die nicht nur das eigene Konto betreffen, sondern auch die Sicherheit von Arbeitsplätzen, den technologischen Fortschritt und unser gesellschaftliches Zusammenleben. Für jeden Investor ist es deshalb wichtig, Haltung zu zeigen und sich Gedanken um die Wirkungen seiner Geldanlage zu machen.
»Wer, wie, was – wieso, weshalb, warum – wer nicht fragt, bleibt dumm!«
In der modernen Finanzindustrie ist es in den letzten Jahren leider Praxis gewesen, Produkte an unmündige Konsumenten zu verkaufen. An Personen, die auf der Ebene der Kapitalanlage wenig bis keine Erfahrung haben und keine Handlungsfähigkeit besitzen, das heißt keine Entscheidungen über solche Finanzanlagen treffen können. Diese Anleger müssen sich informieren.
Große Verantwortungslosigkeit sehe ich hier neben den Finanzdienstleistern bei der Politik, da der Lehrplan von Schülern zwar Politik, Geschichte, Religion usw. behandelt, ansatzweise auch über die Wirtschaft aufklärt, Kapital und dessen Wirkung aber nicht beinhaltet.
Wenn ich an meine Schulzeit zurückdenke, wurde neben den wichtigen Grundlagen Mathe, Deutsch, Englisch und Naturwissenschaft ein Großteil der Zeit damit verbracht, die Grundzüge des Zeichnens und Malens zu erlernen. Genauso wurden mir verschiedene politische Systeme beigebracht und sehr detailliert anhand von Wahlen, Gewaltenteilung und zum Beispiel den politischen Institutionen erläutert, wie die Demokratie funktioniert. Neben dem Christentum habe ich von den unterschiedlichen religiösen Praktiken der Juden, Muslime und teilweise auch Buddhisten und Hindus gehört. Alles wichtig. Was ich nicht beigebracht bekommen habe, ist ein Verständnis für die Kapitalanlage. Dabei muss die Bevölkerung, wie sie über die Demokratie und die Verantwortung bei Wahlen aufgeklärt wird, auch über den Kapitalismus und die Verantwortung bei der Kapitalanlage aufgeklärt werden, da dies unsere Gesellschaft ebenso prägt und die gleiche Veränderungskraft besitzt. Neben den Risiken sollte auch ein Verständnis für die positive Kraft von Kapitalismus vermittelt werden. Es sollte im gleichen Maße die Möglichkeit, ein Startup zu gründen, besprochen werden, wie man in der zehnten Klasse Berufsorientierung bekommt. Neben der positiven Macht der Konsumenten sollte auch der Einfluss der Investoren auf unsere Wirtschaft erörtert werden.
Anstatt das Verständnis zu fördern, denken Verbraucherschützer und Politiker, sie müssten mehr Regeln aufstellen, um die Kunden zu schützen. Das ist falsch. Wir versuchen auch nicht, anstatt Kindern die Gefahren des Straßenverkehrs beizubringen, zusätzliche Regeln aufzustellen, mit denen geklärt wird, wie ein Auto abzubremsen hat oder unter welchen Bedingungen Kinder eine Ampel benutzen dürfen oder nicht. Wir bereiten unsere Kinder darauf vor, am Straßenverkehr teilzunehmen und ein eigenes Urteil über die Gefahrenlage zu fällen.
Damit Banken ihre Produkte nicht an unmündige Konsumenten verkaufen, sollten die Konsumenten mündig werden. Mündigkeit von Verbrauchern ist der beste Konsumentenschutz. Die Kunden sollten ein eigenes Urteil über die Finanzprodukte fällen können. Ab dem Moment der Mündigkeit kann ohne Betrug nicht mehr behauptet werden, sie hätten nicht gewusst, dass sie bei höherer Rendite auch ein höheres Risiko eingehen und unter Umständen ganze Volkswirtschaften an den Rand des Ruins bringen. Dies ist der Grundsatz jeder Kapitalanlage: Solange sich der Mensch oder die Masse nicht der Emotion hingibt, stehen Rendite und Risiko in einer positiven Beziehung zueinander.
Das heißt, wenn man kein Geld verlieren will oder darf, sollte man auch nicht mehr als den risikofreien Zinssatz bzw. den Tagesgeldzinssatz bei Banken erwarten. Auch hierbei wird das Geld investiert, allerdings nicht von einem selbst. Über die Anlagen der Bank wird der Geldbetrag gesichert. Wichtig, wie wir später noch sehen werden, ist, dass nicht die Kaufkraft des Geldes gesichert wird, sondern nur die nominale Einlage.
Der entscheidende Unterschied zu der direkten Anlage über Finanzprodukte liegt aber darin, dass das Risiko bei der Bank liegt. Diese muss das Geld über verschiedene Finanzprodukte anlegen und damit ihre Kosten und die Sicherung der Einlage verdienen. Sind die Einnahmen nicht ausreichend, müssen als Erstes die Aktionäre Verluste hinnehmen und dann die Fremdkapitalgeber, zu denen auch die Sparer mit ihren Konten gehören.
Allerdings wird dieses Verlust-Risiko indirekt zum Teil von der Gesellschaft getragen, weil diese im Zuge der Stabilität des Finanzsektors bis zu einer gewissen Summe für die Einlagen der Banken garantiert. Das Risiko der Geldanlage über Konten einer Bank liegt also nicht vollständig bei einem selbst wie bei der Direktanlage. Dies hat insbesondere die große Finanzkrise 2007 deutlich gezeigt.
Die Gestaltungsmöglichkeiten des Kapitals im Guten wie im Schlechten liegen allerdings auch in den Händen der verantwortlichen Banker und nicht bei einem selbst. Das heißt, auch hier sollte man sich fragen, was macht die Bank eigentlich mit meinem Geld? Ist es eine lokale Sparkasse oder Volksbank, die ihr anvertrautes Geld zum größten Teil mit lokaler Kreditvergabe verdient oder ist es eine große internationale Bank, welche die Globalisierung fördert und mit dem Geld ihrer Kunden Großprojekte international agierender Unternehmen ermöglicht?
Als Anleger hat man die Möglichkeit, selbst zu entscheiden, wie Kapital angelegt und mit ihm unsere Welt gestaltet werden soll: Ob man Geld kleinen Unternehmen oder großen Konzernen zur Verfügung stellt, ob man erneuerbare Energie oder Kohle fördert, ob man Indus-trienationen oder Entwicklungsländer unterstützt, macht einen Unterschied. Möchte man mit seinem Kapital selbst gestalten, gibt es nur drei Anlageformen in Unternehmen und damit in die Wirtschaft:
Fremdkapital zum Beispiel in Form von Anleihen,
Eigenkapital zum Beispiel in Form von Aktien und
Hybridkapital (Mischform aus Fremd- und Eigenkapital) zum Beispiel in Form von Wandelanleihen oder Genussscheinen.
Diese können gekauft oder verkauft werden. Alle anderen Produkte, wie Derivate, Optionen, Fonds etc. sind Ableitungen dieser ersten drei Anlageformen und können mit finanzwirtschaftlichem Wissen nachgebaut werden. So bezeichnet Finanzderivate im Allgemeinen alle abgeleiteten Finanzprodukte, wie zum Beispiel eine Option, die ein standardisiertes, handelbares Recht (nicht die Pflicht) beinhaltet, einen Vermögenswert zu einem bestimmten Preis und zu einer bestimmten Menge an (europäische Option) oder bis zu (amerikanische Option) einem bestimmten Termin zu kaufen (Call-Option) oder zu verkaufen (Put-Option). Dagegen bündelt ein Fonds das Vermögen von meistens mehreren Anlegern, ähnlich wie eine Bank die Kontoeinlagen, in einer Kapitalanlagegesellschaft, welches er dann nach vorher bestimmten Regeln anlegt und verwaltet. Anders als bei einer Bank ist das Vermögen in einem Fonds ein Sondervermögen, welches im Falle einer Insolvenz der Kapitalanlagegesellschaft vor dem Zugriff von Gläubigern geschützt ist. Dafür gibt es keinen Staat, der im Falle einer Schieflage eingreift. Die Fonds legen das Geld passiv oder aktiv an, wobei aktiv das regelmäßige Eingreifen eines Fondsmanagers bedeutet.
Wenn man ein abgeleitetes Produkt kauft, sollte man wissen, wie man dieses mithilfe der ersten drei genannten Produkte rekonstruieren könnte. Um den Zusatzwert des abgeleiteten Produktes zu bestimmen, sollte man außerdem wissen, was die Rekonstruktion kosten würde.
In den meisten Fällen sind abgeleitete Produkte von Finanzdienstleistern günstiger als die Rekonstruktionen, da sie oft viele Transaktionen beinhalten, die für eine Privatperson teuer sind. Allerdings bringen abgeleitete Produkte in vielen Fällen keinen Nutzen für den Kunden. Eine einfache Anlage in eine der drei Grundformen würde ein gleiches Rendite-Risiko-Profil erzeugen mit einer wesentlich höheren Transparenz.
Aus diesem Grund empfehle ich, in die Grundformen oder einfache abgeleitete Produkte, wie Aktien- oder Anleihefonds, zu investieren. Hierbei ist das Risikoprofil des Anlegers die einzige Entscheidungsgrundlage. Grundsätzlich gilt für die Rendite der Grundformen eines Unternehmens:
Anleihen < Wandelanleihen < Aktien
Auf Grundlage des Risiko-Rendite-Zusammenhangs heißt dies: Das größte Risiko liegt beim Eigenkapitalgeber, gefolgt vom Hybridkapitalgeber und Fremdkapitalgeber. Die direkte Anlage in eine dieser Grundformen, wenn auch von mir bevorzugt, fordert dem Anleger neben der Zeit aber auch Wissen und eigenen Einsatz ab. Entscheidet man sich also gegen das Tagesgeld und für eine direkte Anlage, muss man wissen, welches Risiko man eingehen möchte, und danach seine Anlageform wählen. Zum Risiko gehört in diesem Fall nicht nur das Ausfallrisiko, sondern auch das Liquiditäts- und Schwankungsrisiko, wie wir im zweiten Teil dieses Buches noch feststellen werden. Beide Risiken sind mit der Frage verbunden: Wie schnell kann man seine Anlage inklusive Rendite wieder zu Geld machen? Dies ist abhängig vom Zeiteinsatz. Das heißt, wenn man direkt investiert, muss man das Geld je nach Anlage für eine gewisse Zeit zur Verfügung haben und kann nicht plötzlich darauf angewiesen sein. Zudem sollte man sich intensiv mit den einzelnen Anlagen auseinandersetzen, um das Risiko abwägen und nach dem eigenen Risikoprofil wählen zu können.
Geld und Vermögen haben eine große Anziehungskraft auf die meisten Menschen. Viel Geld erzeugt viel Anerkennung, aber auch viel Neid und Missgunst. Neid kann dabei als Versuch gesehen werden, die Verantwortung für die eigene Unzufriedenheit auf äußere Umstände zu verlagern. Man gönnt jemandem seinen Erfolg nicht und versucht, diesen kleinzureden, um sein eigenes Leben zu rechtfertigen.
Neid drückt sich auch in der Redewendung »Geld allein macht nicht glücklich« aus. Eine Redewendung, die ich besonders häufig in Deutschland höre. Ihr Sinn liegt unter anderem darin, diejenigen aufzubauen, die der finanzielle Erfolg anderer bedrückt. Gleichzeitig zeigt die Glücksforschung, dass Geld oder materieller Reichtum ab einer bestimmten Schwelle tatsächlich nur einen geringen Einfluss auf die Lebenszufriedenheit hat. Viel wichtiger ist die Freiheit, über das eigene Leben zu bestimmen.
Auf die Freiheit, das Leben zu bestimmen, hat aber nur zu wenig Geld einen Einfluss, nicht viel Geld: Ob jemand 1.000.000 Euro oder 10.000.000 Euro jährlich zur Verfügung hat, spielt für seine persönliche Freiheit eine untergeordnete Rolle. Dagegen ist der Unterschied zwischen 10.000 Euro und 100.000 Euro signifikant. Dies wird in der Wirtschaftslehre als abnehmender Grenznutzen des Geldes bezeichnet, das heißt der Einfluss auf die Freiheit nimmt ab einer gewissen Höhe weniger zu als die Geldmenge selbst.
Gleichzeitig ist zu berücksichtigen, dass die Freiheit, über sein Leben frei zu bestimmen, auch die Möglichkeit des Scheiterns mit einschließen muss. Jemand, der unabhängig von seiner Handlung immer abgesichert ist, trägt keine Verantwortung für die Konsequenzen seiner Handlungen und kann daher auch nicht vollständig frei bestimmen.
Die Freiheit, selbstbestimmt zu entscheiden, enthält auch die Möglichkeit, Zeit mit Freunden und Familie zu verbringen. Für viele Menschen ist das Problem nur die Zeit, weniger das Geld. Dieses steht meistens der verfügbaren Zeit entgegen. So haben viele Menschen entweder Geld oder Zeit. Beispielsweise hat man als Student oft viel Zeit, aber kein Geld. Danach kommt meistens das Geld durch eine Arbeitsstelle, aber die Zeit wird knapp.
Die große Frage, die sich die meisten Menschen daher stellen sollten, lautet:
Wie bekommt man die Zeit und das Geld, um unabhängig Dinge zu machen, die einem Spaß machen und zu selbstbestimmten Entscheidungen führen?
Es gibt leider keine Universallösung, die für jeden gilt. Es gibt keine Formel XY, die befolgt werden kann, um zeitgleich an genügend Geld und Zeit zu kommen. Jeder muss für sich selbst herausfinden, was einem wichtig ist, was einen glücklich macht, und tolerieren, wenn sich jemand anders entscheidet. Neben dem Gehalt (zum Beispiel Arbeit, Selbstständigkeit) und Sozialsystemen (zum Beispiel staatliche Rente) gibt es vor allem die Kapitalrendite (zum Beispiel Anleihen, Aktien), die einem ein Leben mit genügend Zeit und Geld ermöglichen kann. Natürlich muss man für die Kapitalrendite erst einmal Geld übrig haben. Betrachtet man das Geldvermögen und die monatlichen Einzahlungen in Versicherungs- und Bausparverträge der deutschen Bevölkerung, muss man aber sagen, dass dies für die meisten Menschen nicht das Problem ist. Weit mehr als die Hälfte der Haushalte haben ein Nettovermögen, wie das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) seit 1984 jährlich mit seinem Soziooekonomischen Panel (SOEP) feststellt. Die entscheidende Frage für die Selbstbestimmung ist vielleicht, wie dieses Geld angelegt wird. Mit genügend Geld und Zeit gehört man dann vielleicht auch zu den Glücklichen, die Freiheit zur Selbstbestimmung finden.
Das Gehalt und die Sozialsysteme stellen beide meistens einen Kompromiss zwischen entweder genügend Geld oder genügend Zeit dar. Um genügend Geld und Zeit zu bekommen, gibt es nur einen Weg, der mit wenig Zeitverlust langfristig genügend Geld abwirft: das passive Investieren in Unternehmen. Mit passiv meine ich in diesem Fall nicht nur börsengehandelte Indexfonds (ETFs), die im Allgemeinen als passive Investments bezeichnet werden, sondern ganz allgemein das Investieren in Unternehmen, ohne sich als Gesellschafter aktiv am täglichen Geschäft zu beteiligen. Dieses erreicht man über die Börse.
Was ist eigentlich die Börse, dieser sagenumwobene Platz, wo angeblich die Zukunft unserer heutigen Zivilisation mit entschieden wird? Der Ort, an dem man gegen oder für etwas spielen, spekulieren, investieren kann?
Die Börse ist schon seit Längerem kein fester physischer Platz mehr, sondern vielmehr ein weltweites Netzwerk, aus tausenden einzelnen Handelsräumen, die miteinander verknüpft sind – ähnlich wie das Internet –, allerdings reduziert auf zwei Tätigkeiten: »Kaufen« und »Verkaufen«. Die Börse ist dabei der Markt, der symbolische Treffpunkt, an dem Leute ihr Geld in Wertpapiere anlegen oder aus diesen wieder Geld machen können.
Auch wenn alle Märkte miteinander vernetzt sind, wählt der Anleger heutzutage meistens noch einen spezifischen Börsenplatz aus. An den großen Plätzen, wie etwa der Xetra, dem elektronischen Handelsplatz der Deutschen Börse, ist das Risiko minimiert, dass die Gegenpartei ihren Verpflichtungen im Geschäftsverkehr nicht nachkommt, da alle Aufträge (Orders) innerhalb der Börse abgewickelt werden – Käufer und Verkäufer wissen nicht direkt, mit wem sie handeln, sondern als Geschäftspartner tritt nur die Börse in Erscheinung. Gleichzeitig wird die Liquidität an den großen Plätzen gebündelt. Die Liquidität ist die Handelbarkeit eines Wertpapiers und beschreibt an der Börse, wie gut ein Wertpapier jederzeit ge- und verkauft werden kann. Je höher die Liquidität, umso höher der Umsatz des Wertpapiers an der Börse und umso einfacher der Kauf und Verkauf. Die Liquidität hängt, neben dem Börsenplatz, von vielen Faktoren ab. Die wichtigsten Faktoren für eine Aktie sind deren Anzahl an Anteilsscheinen, der Preis eines Anteilsscheins, der Streubesitz und die Bekanntheit des Unternehmens. Liquide Wertpapiere bezeichnen diejenigen, bei denen der Kauf und Verkauf einer größeren Zahl Aktien jederzeit möglich ist. Große und liquide Börsenplätze geben Kleinanlegern (meistens) die Sicherheit, den bestmöglichen Ausführungspreis zu bekommen. Dagegen werden durch kleine Online-Broker, die intern ein börsenartiges Handeln zwischen ihren Kunden ermöglichen, die Kosten für den Anleger reduziert. Wenn diese kleinen Handelsplätze keine Gegenpartei für die aufgegebene Order finden, werden die Aufträge indirekt aber auch an die großen Börsen übertragen. Dies geschieht über eine größere Differenz zwischen dem Kauf- und Verkaufskurs. Diese große Differenz, bzw. diese schlechteren Kurse, ermöglichen es dem kleinen Handelsplatz, sich im Notfall an den größeren, liquideren Handelsplätzen mit den entsprechenden Stücken einzudecken.
Die Börse funktioniert dabei als reine Marktwirtschaft, bei der die Kurse und Preise nur von Angebot und Nachfrage bestimmt werden. Für jede Aktie, die gekauft oder verkauft werden soll, muss es einen Verkäufer oder Käufer geben, der diese in der gewünschten Menge und zum gewünschten Preis zur Verfügung stellt. Wenn zu einem bestimmten Kurs kein Anleger bereit ist, Wertpapiere zu kaufen, fällt der Kurs. Oder umgekehrt: Wenn zu einem bestimmten Kurs kein Anleger bereit ist, Wertpapiere zu verkaufen, steigt der Kurs.
Verschiedene Ursachen können die Nachfrage (Kaufinteresse) und das Angebot (Verkaufsinteresse) beeinflussen. Langfristig sind diese Ursachen fundamental, kurzfristig spielen aber auch die Gier und die Angst bzw. Psychologie an der Börse eine Rolle. Je nachdem, in welcher Laune die Börse gerade ist, können Wertpapiere auf fundamentale Nachrichten, wie Gewinne, Aussichten, Entwicklungen, Erfindungen oder Entdeckungen von den jeweiligen Unternehmen sowie das Umfeld, in dem sich die Wirtschaft gerade befindet, entweder stark ansteigen oder eben auch einstürzen.
Eine fabelhafte Metapher in Bezug auf die Börse und dieses Verhalten hat André Kostolany in seinem Buch Der große Kostolany einmal festgehalten: Ein Mann geht mit seinem Hund spazieren. Und wie das Wesen des Hundes so ist, läuft er ständig vor und zurück. Mal sehr weit vor sein Herrchen, bis er bemerkt, dass er zu weit gelaufen ist, dann wieder zurück. So geht es den ganzen Spaziergang, doch am Ende kommen beide am selben Ziel an. Der Mann ist in diesem Bild die Wirtschaft und der Hund die Börse. Während die Wirtschaft mit einigen wenigen Stopps kontinuierlich wächst, ist die Börse hundert Mal oben und unten gewesen. Das Fazit aus der Geschichte ist, dass sich die Börse und die Wirtschaft auf lange Sicht gleich entwickeln, auf kurze Sicht jedoch völlig unterschiedliche Richtungen einschlagen können.
Für einen wertorientierten Investor liegt die wichtigste Aufgabe darin, starke Nerven und viel Durchhaltekraft zu besitzen, um sich nicht der Psychologie der Börse zu unterwerfen. Als wertorientierter Investor sollte man nicht davon träumen, über Nacht mit einem Börsenanstieg zum Millionär zu werden, es ist jedoch mit dem Wachstum der Wirtschaft, harter Arbeit und sehr viel Einsatz und Geduld möglich. Wenn man sich an diese Regeln hält und keine Angst vor Aktien hat, wird man langfristig zu den Gewinnern zählen.
Es ist nicht genau klar, wann die Menschen angefangen haben, Handel zu treiben. Vermutlich schon lange bevor die Menschen angefangen haben, Aufzeichnungen über ihre Tätigkeiten zu hinterlassen. Die ersten gesicherten Aufzeichnungen stammen von babylonischen Händlern. Sie lebten mehrere Jahrhunderte vor Christi Geburt und hielten ihre Besitztümer auf Tontafeln fest.
Der frühere Handel wurde meistens von einzelnen Personen oder kleinen Gruppe getätigt. Hierbei zeigte sich, dass es insbesondere bei großen Aufwendungen einfacher war, diese in einer Gruppe zu erledigen. So taten sich schon die alten Griechen und Phönizier zusammen, um außerhalb ihrer Stadt Handel zu treiben. Während sie innerhalb der Stadt kurze Wege und relativ hohe Sicherheit genossen, mussten sie für das Ex- und Importgeschäft Schiffe anschaffen, diese bemannen und für die entsprechende Sicherheit sorgen. Dies war in Gruppen einfacher zu schultern als alleine.
Diese Gruppen waren meistens Personengesellschaften, bei der sich die Kaufleute üblicherweise nur für eine bestimmte Dauer zusammenschlossen, zum Beispiel für die Reise zu einem ausländischen Hafen und die Rückfahrt in die Heimat.
Aus dieser Art einfacher Gesellschaften entwickelten sich im Überseehandel Venedigs Ende des 14. Jahrhunderts Handelsgesellschaften, die auf längere Zeit angelegt waren und ohne Festlegung auf eine einzelne Handelsfahrt bestanden.
Sie kann man als die ersten bekannten Kapital- oder Aktiengesellschaften bezeichnen. Sie waren größer als die Gemeinschafts- und Personengesellschaften und gestatteten auch die Finanzierung von sehr großen Handelsvorhaben. Sie ermöglichten unter anderem, dass Venedig zum Zentrum des Handels in Europa aufstieg. Zugleich gestatteten sie als Erste die reine Kapitalbeteiligung, eine Beteiligung ohne Verknüpfung an eine bestimmte Person. Diese Trennung zwischen Person und Kapital ist eines der wichtigsten Unterscheidungsmerkmale zur Personengesellschaft.
Neben der Kapitalgesellschaft zeugen die Erfindung der doppelten Buchführung und viele Begriffe im Zusammenhang mit Handel und Finanzen vom Einfluss des alten Venedigs auf das heutige Wirtschaftsleben: Kapital, Bilanz, Aktiva, Passiva, netto, brutto, Konto, Diskont oder Portfolio. Die doppelte Buchführung hat der venezianische Mönch Luca Pacioli 1494 erstmals vollständig beschrieben.
Dass die Kapitalgesellschaft auch von einer breiteren Masse als Investment bzw. Spekulationsobjekt wahrgenommen und gehandelt wurde, war dagegen erst Anfang des 17. Jahrhunderts in den Niederlanden der Fall. Mehrere Kaufmannskompanien schlossen sich zur niederländischen Ostindien-Kompanie (niederländisch: Vereenigde Oostindische Compagnie oder kurz VOC) zusammen. Vom niederländischen Staat erhielt die VOC Hoheitsrechte, die von Kriegsführung, Landerwerb und Festungsbau bis zu einem Handelsmonopol mit den Kolonien im Indischen Ozean reichten.
Die VOC gab Anteilsscheine aus, die deren Besitzer berechtigten, an den Gewinnen aus den Fahrten in die Kolonie über Ausschüttungen (sogenannte Dividenden) teilzuhaben. Nachdem die VOC einige erfolgreiche Fahrten absolvierte und ihre Besitzer gut an den Dividenden verdienten, entwickelte sich ein reger Handel mit den Papieren und man spekulierte auf den Erfolg der nächsten Fahrten. Dies ging so weit, dass im Zuge der ersten Spekulationsblase in den 30er Jahren des 17. Jahrhunderts, der Tulpenmanie, der Wert der VOC auf ungefähr 78 Millionen Niederländische Gulden stieg. Nach heutigem Wert nach der Jahrtausendwende entspricht das vermutlich 6 Billionen Euro, womit sie das am höchsten bewertete Unternehmen der Geschichte war. Die Blase (Spekulations-/Finanzblase) wird dabei als eine Situation am Markt bezeichnet, bei der die einzelnen Handelsgüter, wie zum Beispiel die Aktien der VOC, stark überbewertet sind und bei hohen Umsätzen und stark anziehenden Preisen gehandelt werden. Abgelöst wird die Blase immer von zusammenbrechenden Preisen, einem Crash. Interessant ist, dass die Tulpenmanie eine niederländische Spekulationsblase war, in der nicht in erster Linie Unternehmen, sondern Tulpenzwiebeln gehandelt wurden. Letztere erreichten Werte von Einfamilienhäusern, bis die Menschen 1637 realisierten, dass Häuser vielleicht doch nützlicher als Tulpenzwiebeln sind, und der Markt und auch der Wert der VOC-Aktien in sich zusammenbrachen.
Das Unternehmen VOC überstand diese turbulente Phase und beendete erst über 150 Jahre später im Jahre 1798 die Geschäfte. Die VOC gilt damit als erste Aktiengesellschaft nach heutigem Verständnis, die regelmäßig gehandelt wurde. Ihre Geschichte ist äußerst interessant und beinhaltet alle wichtigen Aspekte des Handels mit Aktien:
Ein Unternehmenswert setzt sich in erster Linie aus zukünftigen Erträgen zusammen.
Der Aktienwert kann durch Spekulationen in Höhen und Tiefen getrieben werden.
Das tatsächliche Geschäft läuft unabhängig von diesen Turbulenzen weiter.
Dabei sind die wichtigsten Merkmale einer Aktiengesellschaft:
Kapital, das auf Anteilsscheine aufgeteilt wird und sich von Personen abkoppelt
eine lange Lebensdauer
eine gewisse Größe
die einfache Handelbarkeit
Wichtig ist zudem, dass die Abkopplung des Kapitals von der Person einen wichtigen Vorteil hinsichtlich der Haftung mitbringt: Besitzer von Aktien sind nur beschränkt haftbar, das heißt negative Ansprüche gegenüber dem Unternehmen gehen nicht über das eingezahlte Kapital hinaus.