Der Psychotherapeutin Ingrid Gartlinger gewidmet.
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1. Auflage 2017
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© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Print:
ISBN 978-3-17-031927-1
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pdf: ISBN 978-3-17-031928-8
epub: ISBN 978-3-17-031929-5
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Angst ist ein Grundgefühl menschlicher Existenz und wurde – wie die Autoren in ihrem historischen Exkurs zur Angst aufführen, von Kierkegaard 1844 in “Begrebet Angest” als “Schwindel der Freiheit”, als notwendige Begleiterscheinung von zunehmender Individuation angesehen. Angst stellt eine wichtige Emotion und Kraft dar und ist nicht nur negativ zu sehen. Im Gegenteil: Positive Funktionen der Angst, die das Individuum schützen, sind Warnung vor gefährlichen Situationen und Initiierung von Coping-Mechanismen. Wenn wir uns gleichzeitig auf unsere Stärken verlassen können, ist Angst nicht selten motivierend und leistungsstimulierend.
Den Autoren gelingt es in diesem Buch einen umfassenden historischen Abriss der Einordnung von Angst, der unterschiedlichen Theorien zu Angststörungen kombiniert mit interessanten Beispielen, wie ubiquitär diese auch bei Personen des öffentlichen Interesses vorhanden sind, zu präsentieren. Im Weiteren wird auf die heute gültige Klassifikation eingegangen, gefolgt von sehr gut ausgewählten Fallvignetten, angefangen von der Panikstörung über die soziale und die isolierte Phobie bis hin zur generalisierten Angststörung und Hypochondrie.
Angststörungen sind eine der häufigsten psychischen Erkrankungen überhaupt. In dem vorliegenden Buch werden die biologischen Grundlagen der Angst für Laien verständlich erklärt. Auch werden die sympathikoton bedingten körperlichen Begleitsymptome von Angstzuständen sowie deren Auswirkungen auf das psychische Befinden dargelegt. Alle Aspekte der Angststörungen sind von den Autoren knapp prägnant und gut verständlich bearbeitet – sowohl Genetik, Epidemiologie, Komorbiditäten, als auch körperliche Krankheiten, die zu Angstsymptomen führen können, werden berücksichtigt.
Besonders gelungen finde ich die Kapitel zur Angstbewältigung: Die Bedeutung von Anspannung, innerer und äußerer Achtsamkeit, wie auch der Nutzen von Entspannungsverfahren werden dem Leser plausibel dargelegt. Im Weiteren geben die Autoren viele wertvolle Hinweise für den Umgang mit der Angst im (Berufs-)Alltag wie dem Erkennen von Denkfehlern, dem Nutzen von Atemübungen, Meditation, Bewegung und Konfrontation. Schließlich werden falsche und richtige Lösungsansätze wie Vermeidungsverhalten oder kognitive Umstrukturierung inklusive der hierzu relevanten Angsttheorien übersichtlich und gut verständlich dargestellt. Ebenso hilfreich ist für Betroffene die Auflistung professioneller Angebote.
Die Besonderheit dieses Buches ist, dass sowohl aus der Perspektive eines Therapeuten, als auch eines Medienmanagers der Fokus auf Angststörungen gerichtet wird, die speziell in einem beruflichen Umfeld, in dem Angst in der Regel tabuisiert ist, relevant sind. Darüber hinaus kann dieses Buch Betroffenen ein guter Ratgeber sein. Durch viele wertvolle Hinweise, welche Konstellationen das Auftreten von Angstzuständen im beruflichen Umfeld begünstigen können, kann das vorliegende Buch darüber hinaus eine ausgezeichnete Hilfe zur Selbsthilfe sein.
Zu den häufigsten Fragen, die in Bewerbungsgesprächen gestellt werden, gehört die Frage nach den eigenen Schwächen der befragten „Kandidaten“. Wenngleich es unzählige Variationen dieser Frage gibt, und es sich mittlerweile auch herumgesprochen haben dürfte, dass es weniger um die konkret genannten Punkte, als vielmehr um die Fähigkeit zur eigenen kritischen Reflexion geht, ist es bemerkenswert, dass in meiner langjährigen Praxis als Personalberater für die obersten Führungsebenen noch nie ein direkter oder indirekter Verweis auf Ängste vorgekommen ist. Selbst im Falle kritisch reflektierender Gesprächspartner taucht Angst als leistungsbeinflussender Faktor nicht auf. Hat Angst überhaupt keine Bedeutung im Alltag von Führungskräften? Oder wird sie, falls doch, nicht erkannt? Ist es eine reine Privatangelegenheit, derer sich die meisten bewusst sind, oder ist die Angst vor der Angst so groß, dass das Thema zu den wenigen verbliebenen Tabus der Gegenwart gehört?
In dem vorliegenden Buch gehen die Autoren diesen und weiteren Fragen nach. Sie schildern eingängig Beispiele, die angstbedingtes Verhalten illustrieren und zeigen sowohl Ursachen, als vor allem auch Lösungsansätze auf. Dabei wird auf eine in der deutschen Literatur einzigartige Weise das Thema im Hinblick auf das berufliche Umfeld nicht zuletzt von Führungskräften beleuchtet. Insbesondere auf den oberen Führungsebenen wird Angst, eingebettet in die sozio-ökonomische Alltagsumwelt, in erster Linie als Hemmnis bewertet: Hemmnis zur Professionalität, Hemmnis zur Leistungssteigerung, Hemmnis zum eigenen beruflichen Fortkommen. Die Autoren Matten und Pausch erläutern auf systematische sowie gleichzeitig praktisch relevante und kurzweilige Weise, wie solche Angstzustände zustande kommen und vor allem, wie sie erkannt und angegangen werden können. Dabei geht es nicht nur um intellektuelle Erkenntnis, sondern auch um praktische Hinweise, wie mit Ängsten umgegangen werden kann, wann man sich selbst helfen kann und wie auch professionelle Hilfe aussehen könnte. Die zahlreichen Fallbeispiele lassen den Leser sehr genau nachvollziehen, wie sich Angstzustände ergeben und anfühlen, aber auch, wie sie sich nach außen zeigen. Vor dem inneren Auge interpretiert man mit diesem Wissen eigenes aber auch beobachtetes Verhalten anderer oftmals neu!
Angst bei sich selbst zu erkennen ist dabei eine – zwar sehr wichtige – aber eben nur eine von mehreren Dimensionen. Wesentliche Momente der Kommunikation, insbesondere in kritischen Situationen innerhalb von Hierarchien, sind häufig von Ängsten geprägt: Führungskräfte, die kritische Themen scheuen, ungelöste Konflikte auf gleicher Ebene nicht austragen oder auch nur das schwierige Gespräch mit dem Mitarbeiter scheuen. Solche Szenen sind im geschäftlichen Alltag nur allzu üblich. Ohne klares Verständnis der eigenen Ängste läuft der Betroffene Gefahr, Lösungen in Vermeidungsstrategien zu suchen.
Aber noch ein weiterer Aspekt ist vor allen Dingen für Führungskräfte essentiell: Den Beweggrund Angst im Verhalten seines Gegenübers zu erkennen. Ängste als Verhaltenstreiber in der Interaktion beim Anderen zu erkennen, kann eine Chance bieten, auch schwierige Gesprächssituationen zu erfassen, Lösungen zu ermöglichen und Gefahren zu vermeiden.
Insofern liefert das folgende Buch nicht nur Selbsterkenntnis und praktische Hilfestellung im Umgang mit eigenen Ängsten, sondern eine hervorragende Grundlage zum Überdenken und Fortentwickeln von Führungsmethoden, insbesondere in der Kommunikation und Interaktion im Unternehmen.
Sie erleben plötzliche Atemnot, Angstschweiß, zittrige Hände, Herzrasen.
Eine Panikattacke in einer Vorstandssitzung oder an der Warteschlange an der Kasse im Supermarkt.
Plötzliche Angst einen Herzinfarkt im Rampenlicht einer Bühne oder in einem Zug zu bekommen.
Atemnot während eines Live-Interviews oder einem Vortrag, ob persönlich gehalten oder als Zuhörer.
Sie haben Angst davor, Angst zu bekommen.
Und es stellt sich die Frage: Was tun? Zum Psychologen? Angstlösende Medikamente einnehmen? Und selbst wenn, woher bekommen? Hilft mir das überhaupt? Will ich das überhaupt? Die Erkenntnis ist da: Ich muss etwas tun – für mich selbst oder für eine andere nahestehende Person. Aber was? Es gibt kaum Literatur in dieser speziellen Nische, die weiterhelfen könnte – also direkt zum Psychologen gehen, vielleicht sogar eine Therapie machen?
Angst stellt ein Grundgefühl der menschlichen Existenz dar. Dennoch herrscht oft die Überzeugung, dass man, um erfolgreich zu sein, stark und angstfrei sein muss. Oder zumindest so wirken sollte. Gedanken wie »Warum ich?« und »Kann ich das nicht einfach ignorieren, wird schon vergehen« sowie »Dafür habe ich doch wirklich keine Zeit!« drängen sich auf. »Da habe ich schon ganz andere Probleme gelöst!« Aber stimmt das wirklich? Leider oftmals nicht. Und selbst wenn es gelingt, innere Angst nach außen hin erfolgreich und professionell zu überspielen, um angstfrei zu wirken, kommt oftmals der Punkt, an dem es plötzlich nicht mehr funktioniert und die Angst existentiell, unkontrollierbar wird.
Warum ist Angst eine wichtige Emotion und Kraft? Wie entsteht sie? Welche Angststörungen gibt es und wie kann man konstruktiv damit umgehen, insbesondere in exponierten Positionen?
Durch den kombinierten Blick als Therapeut und als Medienmanager schaffen wir als Autoren die Fusion eines praxisnahen Fachbuches mit einem professionellen Ratgeber. Lösungsansätze zur Angstbewältigung, insbesondere für exponierte Personen, werden aufgezeigt. Der deutsche Buchmarkt bietet dem durchschnittlichen Konsumenten bereits eine Vielfalt an mehr oder weniger fachlich professionellen Ratgebern zur Thematik Angst- und Panikstörung. Doch kaum eines dieser Angebote richtet sich speziell an Personen mit einer Angst- und Panikstörung im Beruf, wie z. B. das mittlere und gehobene Management insbesondere in der Medienbranche sowie allgemein in der Öffentlichkeit stehende Persönlichkeiten. Dies weder als Fachbuch oder als Ratgeber noch, wie in diesem Buch, als eine Mischung aus fachlich professionellem Hintergrund, den Dr. Markus Pausch, Facharzt für Psychiatrie / Psychotherapie, bietet, und praktischem Hintergrund der Medienmanagementerfahrung sowie persönlichem Erleben einer Angststörung, eingebracht durch Sven J. Matten.
Dieses Buch soll ein fachlich kompetenter Ratgeber mit persönlichen Erfahrungswerten sein und insbesondere für exponierte Personen eine Hilfestellung bieten, die sich in einer in Hinsicht auf die Thematik Angst tabuisierten Gesellschaftsschicht bewegen, welche zudem überdurchschnittlich oft mit einer solchen psychologischen Schwierigkeit konfrontiert ist.
Das Gefühl Angst ist ein wichtiger, zentraler Teil des Menschseins. Jeder Mensch sieht sich im Laufe seines Lebens mit diesem Gefühl konfrontiert. Dass Angst eine solche zentrale Rolle in unserem Leben spielt, zeigt sich auch darin, dass sie bei jeder Einteilung von (Grund-) Emotionen, also Gefühlen, welche kulturübergreifend vorzufinden sind, vorkommt. Als weitere Grundemotionen wurden Überraschung, Traurigkeit und Freude gefunden, manchmal, je nach Autor, auch die Emotionen Liebe und Hass.
Auf Grund dieser bedeutenden Rolle findet sich Angst in allen Religionen, allen literarischen Bereichen und vielen philosophischen Richtungen wieder.
Bereits Hippokrates, der Vater der wissenschaftlichen Medizin, machte sich im 4. Jahrhundert vor Christus Gedanken über die Entstehung von Angst. Für Hippokrates kam es dann zu dem Gefühl Angst, wenn es zu einem plötzlichen Übertreten von Galle in das Gehirn kam. Diese Vorstellung (Vier-Säfte-Lehre genannt), dass es im menschlichen Körper Säfte (Schleim, Blut, gelbe Galle, schwarze Galle) gibt, welche die körperliche und seelische Befindlichkeit beeinflussen, stellte über viele Jahrhunderte die Grundlage für das Verständnis von Krankheit und Gesundheit dar.
In den letzten 100 bis 150 Jahren kam es zu einer zunehmend genaueren Beschreibung und Unterteilung von Ängsten. Diese Unter- und Einteilung hat zu der heutigen folgenden Einteilung von Angsterkrankungen geführt:
• Phobien
• Agoraphobie (= Platzangst)
• Soziale Phobie
• Spezifische Phobien
• Panikstörungen
• Generalisierte Angststörung.
Ob diese Einteilung nun eine endgültige darstellt, ist zu bezweifeln. Vielmehr ist davon auszugehen, dass es, auch bedingt durch die wachsenden Erkenntnisse aus der Forschung, in Zukunft weiterhin zu Veränderungen und Anpassungen kommen wird.
Sigmund Freud beschrieb Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts bereits, z. T. sehr genau und zutreffend, die Generalisierte Angststörung. Die Ängste, welche im Rahmen der Generalisierten Angststörung auftreten, beschrieb er jedoch als »frei flottierende Ängste«. 1980 wurde die Generalisierte Angststörung in das Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (DSM; englisch für »Diagnostischer und statistischer Leitfaden psychischer Störungen«) aufgenommen.
1895 beschrieb Freud in seinem Werk »Studien zur Hysterie« sehr zutreffend und bildhaft den Verlauf und die Beschwerden einer Panikattacke. Die Panikstörung stellte die prominenteste Form der Angststörung dar, wohl vor allem deshalb, da eine Panikattacke ausreichend Aufregung und Spannung mit sich bringt. Hierdurch eignet sie sich perfekt für Literatur oder Film und Fernsehen.
Ihren Namen hat die Panikstörung von dem Chimär (Mischwesen) Pan. Pan, der Gott des Waldes und der Natur, hat einen menschlichen Oberkörper und den Unterkörper eines Widders. Gefürchtet wird er, obwohl er Musik (Pan-Flöte), Tanz und Frohsinn mag, für seine Reaktion, wenn er in seiner, für ihn heiligen, Mittagsruhe gestört wird, denn dann erschreckt er Mensch und Tier und löst Panik in ihnen aus.
Als Diagnose fand die Panikstörung 1980 Einzug in das DSM und 1991 in die ICD (International Statistical Classification of Diseases and Related Health; in der deutschen Übersetzung: Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme).
Eine sehr zutreffende Beschreibung der Platzangst (Agoraphobie) lieferte Carl Westphal 1871. Hierbei beschrieb er bereits die drei wichtigen Punkte der Platzangst, nämlich die Angst vor der Angst, die Plötzlichkeit des Auftretens und die Angstreduktion bei Anwesenheit einer Begleitung. Freud beschrieb die Agoraphobie 1919.
Auch die soziale Phobie wurde bereits 1903 von Piere Janet zutreffend beschrieben. Die Diagnose wurde 1980 in das DSM und 1991 in die ICD übernommen.
Viele, heute sehr bekannte Menschen litten oder leiden unter einer Angststörung.
Vor Publikum zu stehen, der direkten Bewertung ausgesetzt zu sein, im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen, gehört für viele Menschen, gehört für viele Berufe zum Alltag.
Schauspieler stehen Tag für Tag vor einem Publikum und stehen ebenso Tag für Tag vor der Angst bewertet zu werden und damit auch zu versagen. Jeder Lehrer muss sich jeden Tag erneut der Beurteilung seiner Schüler aussetzen.
Dabei stellt die Angst vor Versagen nicht per se etwas Schlechtes dar. Angst führt dazu, dass wir konzentrierter sind, dass wir aufmerksamer sind, dass wir leistungsfähiger sind. Ohne die Angst zu versagen, gibt es auch keine Motivation sich weiter zu entwickeln. Ein Sportler ohne Angst vor dem Scheitern wird nicht motiviert sein, hartes Training und viele Entbehrungen in Kauf zu nehmen. Angst ist ein Motor der individuellen und gesellschaftlichen Weiterentwicklung. Angst bringt Erfolg. Und Angst zeigt uns, dass uns etwas wichtig ist. Wenn wir Angst davor haben einen lieben Menschen zu verlieren, zeigt uns dies, wie wichtig uns dieser Mensch ist.
Das Kabarettistenduo Missfits hat in seinem Lied »Mäuschen« eine Zeile, welches dies gut in einem Satz zusammenfasst und wie folgt lautet »nur wer gar nix hat, hat auch nix zu verlieren«.
Angst motiviert uns aber nicht nur dazu, uns zu verbessern, sondern hilft uns auch, real vorhandene Gefahren richtig einschätzen zu können. Wenn man frei von Ängsten durchs Leben geht und darauf vertraut, dass nichts Schlimmes passieren wird, wird man nicht in der Lage sein, Gefahren, die nun mal real in der Welt vorhanden sind, adäquat einzuschätzen.
Damit Angst aber diese positiven Aspekte entfalten kann, muss zu der Angst noch etwas Weiteres kommen, wir müssen auch die Fähigkeit haben, in unsere eigenen Kräfte, Stärken und Fähigkeiten zu vertrauen.
Ein Leben ohne Angst ist nicht möglich. Aber ein guter, ein konstruktiver Umgang mit Angst ist möglich. Ein solcher Umgang mit Angst bedeutet, sie zu akzeptieren und auszuhalten, sie zu einem Teil des Lebens zu machen. Ein Teil, der uns begleitet, aber nicht leitet.
Für den dänischen Philosophen Søren Kierkegaard war Angst der Schwindel der Freiheit. Wenn man frei und unabhängig ist, ist man in der Lage frei Entscheidungen zu treffen. Dadurch ist man aber auch frei, scheinbar falsche Entscheidungen zu treffen. Die Freiheit dazu macht Angst.
Viele in der Öffentlichkeit stehende Menschen hatten oder haben Probleme mit Ängsten.
Der Filmemacher Woody Allen soll jahrelang unter Agoraphobie und Klaustrophie gelitten haben und erst mit 40 Jahren zum ersten Mal ohne Licht geschlafen haben.
Der US-amerikanische Schauspieler Dustin Hoffmann habe so stark unter Panikattacken gelitten, dass er für drei Jahre nicht als Schauspieler arbeiten konnte.
Drew Barrymore gab 2006 dem Magazin ELLE ein Interview, in dem sie offen über ihre Panikattacken sprach.
Aber auch Sänger sind von Angststörungen betroffen. Die Opern-Diva Maria Callas soll unter massivem Lampenfieber gelitten haben. Hildegard Knef soll vor jeden Auftritt Todesängste ausgestanden haben. Madonna soll bei Auftritten mit Panikattacken kämpfen.
Randy Taraborrelli schrieb in seiner Biographie über Michael Jackson, dass dieser unter Panikattacken litt.
Barbra Streisand vergaß bei einem Konzert 1967 im New York Central Park bei einigen Liedern ihren Text. Daraufhin soll sie so stark unter Ängsten gelitten haben, dass sie 27 Jahre keinen Live-Auftritt hatte. Sie konnte ihre Ängste aber soweit in den Griff bekommen, dass sie 1994 eine große Comeback-Tour machen konnte.
Sogar Sigmund Freud selbst litt unter einer Agoraphobie und Panikattacken. Zudem war er jahrelang davon überzeugt eine Herzkrankheit zu haben. Dass seine ärztlichen Kollegen ihm diese Diagnose nicht bestätigten, erklärte er sich damit, dass diese ihn belogen.
Edvard Munch, ein norwegischer Maler, schuf mit seinem Bild »Der Schrei« ein Werk, das tief beeindruckend das Befinden eines Menschen mit Angst zeigt. Munch selbst litt viele Jahre unter Angst und Depressionen.
Die Liste an Personen, die von Angststörungen betroffen sein sollen, kann beliebig lange fortgesetzt werden um Namen wie David Bowie, Franz Kafka, Kim Basinger, Naomi Campbell, Charles Darwin, Bertold Brecht, Burt Reynolds, Johann Wolfgang von Goethe uvm.
Vorgeschichte, Angstaufbau, Höhepunkt und Nachwirkung am Beispiel eines Journalisten.
01. Daniels Büro, innen, tagsüber
Daniels Chef und Barbara sitzen bereits mit Akten vor sich am Konferenztisch und warten als Daniel – top herausgeputzt wie immer – hereinkommt.
Daniel: |
Guten Morgen! (sieht sich um) Was ist denn los? |
Daniel setzt sich, angespannte Stimmung, Barbara versucht zu vermitteln.
Barbara: |
Hi, setz Dich. Alles klar? |
Daniel: |
Geht so. Was habt ihr denn? |
Daniel ist unruhig, versteckt seine zittrigen Hände. Er erkennt seine Unterlagen auf dem Tisch und ahnt etwas.
Barbara: |
Cappuccino? |
Daniel: |
Danke, nein, hab schon. |
Chef: |
Dein Aufmacher von letzter Woche ist inhaltlich völlig falsch, schlecht recherchiert, teilweise scheint er frei erfunden. Heute Morgen… Wir werden eine Gegendarstellung drucken müssen! Wie kommt das? |
Stille. Daniel fühlt sich sichtlich unwohl: Weniger wegen des Themas – der Raum wirkt eng und kalt, macht ihm Angst. Er reißt sich zusammen.
Barbara: |
Du hattest bestimmt eine schlechte Quelle. Warum hast Du das nicht geprüft? |
Dieser erste Teil des Fallbeispiels zeigt eine wohl uns allen so oder ähnlich bekannte Szenerie. Eine verhältnismäßig normale und alltägliche Situation die mehr oder weniger Angst machen kann. Diese Angst lässt sich in der Regel gut kontrollieren und ist nicht weiter bedrohlich. Eine völlig natürliche Reaktion wobei jeder Mensch individuell eine höhere oder niedrigere Angstschwelle hat. Zugeben würde diese Angst insbesondere im professionellen Geschäftsleben wohl niemand, doch ist diese ganz normal. Auf diesem Angstlevel lässt sich gegebenenfalls sogar noch besser, da konzentrierter Verhandeln und Auftreten, wobei eventuell sogar nach außen hin ein besonders bestimmter, gefestigter und angstfrei wirkender Auftritt gelingt.
Doch von außen nicht bemerkbar steigt in Daniel bereits hier ein ganz grundlegendes Angstgefühl auf, das mit der vorliegenden Szenerie eigentlich nicht erklärbar ist. An dieser Stelle könnte Daniel für sich selbst bereits entscheiden herausfinden zu wollen, was in ihm eigentlich vorgeht: Durch das Verstehen des Vorgangs und des Erkennens des Warums adäquat reagieren und das Problem dadurch lösen. Doch natürlich macht er dies nicht: Welcher erfahrene Manager wird sich wohl an dieser Stelle für so etwas Zeit nehmen wollen? Wohl kaum jemand. Wozu auch, da doch nach wie vor die Überzeugung vorherrscht, alles im Griff zu haben, in der Lage zu sein, die innere Angst, warum und woher auch immer, kontrollieren und überspielen, einfach ignorieren zu können.
Würde diese Szenerie an dieser Stelle enden und würde innere Angst verschwinden wäre alles verhältnismäßig normal, es würde sich um eine adäquate Angst handeln. Würde die Szenerie enden, doch innere Angst bestehen bleiben, wäre dies ein Zeichen, sich näher mit sich selbst beschäftigen zu sollen, um sich selbst besser verstehen und mit Ängsten effektiv umgehen zu lernen.
Die Szenerie in unserem Fallbeispiel entwickelt sich allerdings weiter und eskaliert.
Vorgeschichte, Angstaufbau, Höhepunkt und Nachwirkung am Beispiel eines Journalisten.
Daniel: |
Der Artikel ist OK. |
Chef: |
OK? Daniel! Das meinst Du doch nicht ernst?! Du bist mein bester Mann hier! Der ist nicht OK! |
Daniel: |
Wieso? |
Daniel beginnt zu schwitzen. Ihm selbst ist eiskalt. Seine Hände zittern. Der Raum scheint enger zu werden, stechend kaltes grelles blendendes Licht. Daniel konzentriert sich. Er kann zunehmend weniger klar denken. Wie ein Schleier legt sich Angst über sein Hirn.
Daniel (cont.): |
Die Steuerhinterziehung von dem Typ war unglaublich! |
Barbara: |
Die Untersuchung ist längst eingestellt, Daniel. Wie kommst Du darauf? |
Chef: |
Das gibt’s doch nicht … |
Daniel wird es schwindelig, er bekommt schlecht Luft. Kann aber alles verbergen. Von außen betrachtet wirkt Daniel zickig, keiner merkt seinen Zustand.
Daniel: |
Und die zwei Millionen Schmiergelder? |
Chef: |
Sag Du es uns! Wie kommst Du darauf? |
Barbara: |
Daniel? Alles klar? |
Daniel sitzt auf verlorenem Posten. Er kann sich nicht wie sonst »charming« herausreden. (POV) Herzrasen, Stechen in der Brust. Der Ton verschwimmt. Daniel gibt alle Kraft nicht aufzufallen. Er hat Angst. Keine Ahnung warum, wieso, woher – viel stärker als sonst. Er wird still, konzentriert sich aufs Atmen – jetzt nur nicht umfallen! Objektiv betrachtet ist das Schweigen fast ein Schuldeingeständnis. Der Chefredakteur springt wütend auf.
Chef: |
Ich habe Dir blind vertraut. Mein Fehler! Wie kommst Du dazu… |
Daniel sieht seine einzige Chance: Angriff ist die beste Verteidigung. Auch er springt auf…
Daniel: |
Verdammt! Es war so! Jede Woche ein neues Drama – Scheiße! Ihr lebt von mir! |
Barbara: |
Daniel! Setz Dich! |
Chef: |
Bitte? |
Daniel: |
Jede Woche eine neue Scheiß-Story für dieses Käseblatt… |
Chef: |
Das Dich verdammt gut bezahlt! |
Daniel: |
Ihr könnt mich mal! |
Es baut sich in Daniel etwas Ungewöhnliches auf. Barbara ist dem Protagonisten Daniel offensichtlich wohlgesonnen und agiert unterstützend, also ungefährlich. Der Chef agiert vorwurfsvoll, aber nicht bedrohlich, aktuell verärgert, aber vermutlich nicht nachhaltig negativ eingestellt. Es sind also wohl keine nachhaltigen negativen Konsequenzen zu erwarten.
Daniel allerdings setzt in diesem Stadium der Szenerie nun deutlich fort, stärker als gewöhnlich zu reagieren, obwohl er mit Sicherheit für gewöhnlich ausreichend Erfahrung, Professionalität wie innere Stärke hat, adäquat zu handeln, was auch als selbstverständlich »wie immer« von ihm von außen betrachtet erwartet wird. Unter normalen Umständen ist dies sicher auch kein Problem für Daniel.
Wie oftmals natürlich im Leben entwickelt sich in unserem Fallbeispiel die Szenerie allerdings in diesem Fall unglücklicherweise eskalierend weiter – auch weil Daniel für seine Verhältnisse ungewöhnlicherweise kein Mittel hat, adäquat und souverän zu reagieren wie sonst im Regelfall. Denn Daniels inneres Angstlevel steigt und lässt ihm weder die Kraft noch die Ruhe, die äußere Sachlage in seinem Sinne zu steuern und unter Kontrolle zu bringen. Sein Kopf »macht zu«, er fängt an, zu reagieren anstatt zu kontrollieren, und fokussiert zunehmend darauf, die innere Angst anstatt die Situation zu kontrollieren, um nicht nach außen hin ängstlich zu wirken. Daniel fokussiert zunehmend darauf, selbstbewusst zu erscheinen, und bedient sich eines ihm gängigen Manuals, ein automatisches Reagieren mit dem Ziel, genügend Kraft und Aufmerksamkeit zu sichern, um die innere Angst zu kontrollieren – automatisch, nicht durchdacht, aus der Not der Situation heraus. Da von außen betrachtet der Hintergrund fehlt, kann Daniels Verhalten von der Außenwelt nicht verstanden werden und wird folglich falsch interpretiert – in unserem Fallbeispiel als überheblich und arrogant, was zu weiterer Eskalation führt, die Daniel natürlich eigentlich genau vermeiden will. Die Auseinandersetzung entfernt sich vom kontrollierbaren Inhalt und wird zunehmend persönlich, also weitaus schwieriger zu kontrollieren. Hierfür fehlt es Daniel immer mehr an inneren Ressourcen, da diese zunehmend zur Kontrolle seiner Angst verwendet werden müssen. Daniel reagiert gereizt aggressiv, er geht in den Angriff, um von sich abzulenken, unbewusst, automatisch, eine Schutzreaktion.
Situative Angst kann wie adäquate Angst völlig natürlich und normal sein. Realistische und irreal realistische Angst kann im Ergebnis für den Betroffenen in dessen Erleben völlig gleich sein. Eine Unterscheidung zwischen real und irreal ist oftmals schwer zu definieren, da Bezugsgrößen und Anhaltspunkte fehlen sowie auch eine Unterscheidung zwischen subjektivem Erleben und objektivem Betrachten von innen wie außen bewertet insbesondere in der Phase des Auftretens der Angst kaum möglich ist.