Drehe die Herzspindel
weiter für mich
Christine Lavant zum 100.
Herausgegeben von Klaus Amann,
Fabjan Hafner und Doris Moser
Wallstein Verlag
Sonderband literatur/a
Eine Publikation des
Robert-Musil-Instituts der Universität Klagenfurt
Gedruckt mit freundlicher Unterstützung von
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek.
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet
diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;
detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über
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© Wallstein Verlag, Göttingen 2015
www.wallstein-verlag.de
Vom Verlag gesetzt aus der Stempel Garamond
Umschlaggestaltung: Susanne Gerhards, Düsseldorf,
unter Verwendung einer privaten Fotografie
Druck: Hubert & Co, Göttingen
ISBN (Print) 978-3-8353-1652-2
ISBN (E-Book, pdf) 978-3-8353-2746-7
ISBN (E-Book, epub) 978-3-8353-2747-4
Vorwort
I
FRIEDERIKE MAYRÖCKER
»das Selfie der Christine Lavant«
CHRISTINE LAVANT
Immer näher dem Milchstraßenrand
MAJA HADERLAP
unter dem hundsstern
CHRISTINE LAVANT
Das ist die Wiese Zittergras
CHRISTOPH W. BAUER
zittergras. vaganten-ekloge
CHRISTINE LAVANT
Ich verlege die Ortschaft von links nach rechts
KERSTIN HENSEL
Ortschaft. Für C. Lavant zum 100. Geburtstag
CHRISTINE LAVANT
Versuche den winzig gewordenen Mond
ARNE RAUTENBERG
versuch über den winzig gewordenen mond
CHRISTINE LAVANT
Herbst
HANSJÖRG SCHERTENLEIB
Herbst – reloaded
SILKE ANDREA SCHUEMMER
Kreuzaufladung
STEFFEN POPP
Hunde und Schlitten
II
CHRISTINE LAVANT
Wie pünktlich die Verzweiflung ist!
RAPHAEL URWEIDER
ich nehme eine zeile mit nur eine zeile
CHRISTINE LAVANT
mir ist es oft, als ob die Erde sich
ANDREAS ALTMANN
Atemleise Chöre durch das Augenlicht
EVELYN SCHLAG
meine letzte stimme
ULF STOLTERFOHT
Wolfsberg-Variationen
III
MICHAEL KRÜGER
Christine Lavant
PETER HAMM
Etwas über Christine Lavant
DOROTHEA GRÜNZWEIG
Das Walten, die Gewalt der Bilder.
Zu den Gedichten Christine Lavants
ILMA RAKUSA
Wer hat Angst vor Christine Lavant?
CHRISTINE LAVANT
Es riecht nach Schnee
TERESA PRÄAUER
Es riecht nach Schnee.
Zu einem Gedicht von Christine Lavant
IV
CHRISTINE LAVANT
Wo treibt mein Elend sich herum
MARLENE STREERUWITZ
actio personalis
MONIKA RINCK
Mondkork.
Zur Frage des Adressaten. Zwölf Vorstellungen.
Keine gleicht der anderen
KONSTANTIN AMES
lavant
V
FERDINAND SCHMATZ
Christine Lavant.
Das Selbst-Bestimmen des Namens
JULIAN PÖLSLER
Das Wechselbälgchen.
Filmdrehbuch (Ausschnitt, Arbeitsfassung)
ANN COTTEN
Die Sprache als Roß oder Mittel des Transports.
Die Dichterin als Sklave der Wirklichkeit
und der Sprache zugleich
ULJANA WOLF
Stürzung der Masterblume.
Christine Lavant übersetzen
(mit Hildemine Pam Dick und Jane Flow)
VI
CHRISTINE LAVANT
Das Selbst-Bestimmen des Namens
KATHRIN SCHMIDT
Unebenes Gedächtnis
GABRIELE KÖGL
Der Sonnenapfel ist ein Lavanttaler
SIBYLLE LEWITSCHAROFF
Die schwere, schwere Bürde der Welt.
Aus einem Interview
Die Autorinnen und Autoren
Drehe die Herzspindel weiter für mich,
denn wenn du mich losläßt, hänge ich morgen
mein Augapfelpaar in ein Spinnwebennetz
und überwache von dort dein Geschick
und ordne die Botschaft der Knoten.
Dann wirst du spüren: Es sieht mich so an!
Es sieht mich an, wie die Welt mich verläßt;
der Sonnenvogel im Apfelast
und das Mondnest unter dem Dache
samt dem Ei meines Schlafes.
Christine Lavant
Am 4. Juli 2015 jährt sich der Geburtstag der österreichischen Dichterin Christine Lavant zum einhundertsten Mal. Ihr wohl berühmtester Leser, Thomas Bernhard, hat Lavants Gedichte als »das elementare Zeugnis eines von allen guten Geistern mißbrauchten Menschen als große Dichtung« bezeichnet. Doch in Christine Lavants Dichtung ist weit mehr zu entdecken als der Ausdruck existentiellen Leidens.
Zu Lavants 100. Geburtstag haben wir eine Reihe von Autorinnen und Autoren eingeladen, Lavant neu zu lesen. Die Zugänge zur Dichtung Christine Lavants sind so vielfältig und vielschichtig wie ihre Texte – und wie die dichterische Herkunft ihrer Autorenkollegen. Anekdotisches Erinnern steht neben hermeneutischer Spurensuche, avantgardistische und postmoderne Lesarten stehen neben experimentellen und traditionellen, konventionelle Lektüren neben solchen gegen den Strich, Zwiegespräche neben Monologen, Einzelgedichte neben Gedichtzyklen und Essays. Die üblichen thematischen Schwerpunkte der Lavant-Lektüre wie Natur, Spiritualität, Hadern mit Gott, Lieben und Leiden, treten in den Hintergrund zugunsten neuer Perspektivierungen ihres Werkes unter poetologischen, sozialen, politischen oder feministischen Aspekten.
Die Autorinnen und Autoren verändern und vergrößern den Echoraum von Lavants Dichtung durch die Auseinandersetzung mit Christine Lavants Poetik, mit dem unbedingten Formwillen ihrer Gedichte, der Kompromisslosigkeit ihrer Prosa, der Universalität ihrer Themen. »Wenn ich dichtete,« schrieb Lavant am Beginn ihrer Karriere an einen väterlichen Förderer, »risse ich jede Stelle Eures Daseins unter Euren Füssen weg und stellte es als etwas noch nie von Euch Wahrgenommenes in Euer innerstes Gesicht.« Vielleicht sind es dieser Ernst, dieser Anspruch, diese Dringlichkeit des Schreibens, die nicht nur die Lavant-Leser von jeher gefangen nehmen, sondern die offenbar auch in ganz besonderer Weise diejenigen ansprechen und anstacheln oder aufregen, die selber schreiben.
Lavant neu gelesen haben Andreas Altmann, Konstantin Ames, Christoph W. Bauer, Ann Cotten, Dorothea Grünzweig, Maja Haderlap, Peter Hamm, Kerstin Hensel, Gabriele Kögl, Michael Krüger, Sibylle Lewitscharoff, Friederike Mayröcker, Julian Pölsler, Teresa Präauer, Steffen Popp, Ilma Rakusa, Arne Rautenberg, Monika Rinck, Hansjörg Schertenleib, Evelyn Schlag, Ferdinand Schmatz, Kathrin Schmidt, Silke Andrea Schuemmer, Ulf Stolterfoht, Marlene Streeruwitz, Raphael Urweider und Uljana Wolf. Ihnen allen danken wir für das Drehen der Herzspindel und für das Weiterweben am Text.
Die Herausgeber
(unter Tränen unter Palmen:
ist wie Erdbeben wenn du auf
Reisen gehst und mich ver-
lassest : eruptiv, schmeckt
wie Zitronen : amour fou mit
Werner Berg, hinfällig starre
ich ins Rad der Zeit)
»eigentlich heisze ich Christine Thonhauser, trage 1 Kopftuch von Wolle gegen Kopfneuralgie, bin stigmatisiert. Meine Andacht ist eine Lanze, will nicht dasz das Lamm Gottes geschoren wird, wandele unter verdorrenden Apfelbäumen, abnehmender Tagmond und frühe Schwalben. Heute wurde ich wach ohne zu wissen wer ich sei, geblendet sind meine Augenhöhlen, der Schlange hab’ ich den Schlüssel entrissen, wer haucht so kalt in mein Genick, Engel steh’ auf und verschaff’ mir die Ortschaft Paris, ich verlege die Ortschaft von links nach rechts, Vater ich bringe den FUNKER zurück, Kunst ist Rhythmus, so Kurt Schwitters. Bisweilen Eppich und Pfaffenhut, fremd geht der Schlaf an mir vorbei, mein Schatten kann über Wasser gehen, Liebfrauenhaar und Ingeräusch, »cool kitsch«, so Martin Kubaczek, hinfällig starre ich ins Rad der Zeit, 1 feines blondes, Nest von Hahnenfusz = ich war ganz baff . . . . . . . . . . . .
ich weisz dasz ich vergangen bin und mich
auch noch vergangen habe,«
17.7.2014
Immer näher dem Milchstraßenrand
dreht sich der Hundsstern die Steppe zurecht,
während mein Halbtraum durch Mondviertel schleicht
und vor der Wachsamkeit flüchtet,
die im Steppenwind nachkommt.
Gestern warf ich mein Herz hinauf,
als Hundekuchen war es noch gut,
aber der Tiefschlaf verfehlte die Zeit,
weil er die Blätter der Milchsterne fragte:
Für keinmal, für einmal, für immer?
Gierig schaut mir der Hundsstern heut zu,
wie ich die Knochen des Rückgrates rüttle,
doch keiner will mir vom Leibe gehn,
denn jeder ist wachsam und listig und bellt
eine Botschaft hinauf, die der Steppenwind schluckt,
bevor er das Mondviertel abreißt.
nicht gottverlassen, denn gott stand
am gartenzaun, als man ihn anderswo
vermutete. nicht verrückt, auch wenn
das mädchen sah, wie der mann
die gestirne musterte und eine zigarette
rauchte. du musst gar nichts glauben,
diesen satz legte er in ihre gedanken,
ohne sich umzudrehen. er werde sich
unter die südlichen berge zum schlafen
legen wie ein hund vor sein herrenhaus,
erklärte der nächtliche gast und ging
quer über das feld. im wortfieber liegend
fand man das mädchen, kontaminiert
mit abwesenheit. ihre augen zogen den
mond als blasse worthülse an den tag
und die gräser tasteten aus dem dunkel
nach ihr. himmel und erde lasteten schwer
auf der zunge. es roch nach schnee.
Das ist die Wiese Zittergras
und das der Weg Lebwohl,
dort haust der Hase Immerfraß
im roten Blumenkohl.
Die Rosenkugel Lügnichtso
fällt auf das Lilienschwert,
das Herzstillkräutlein Nirgendwo
wird überall begehrt.
Der Hahnenkamm geht durch den Tau,
das Katzensilber gleißt,
drin spiegelt sich die Nebelfrau,
die ihr Gewand zerreißt.
Der Mohnkopf schläfert alle ein,
bloß nicht das Zittergras,
das muß für alle ängstlich sein,
auch für ein Herz aus Glas.
erklär mir keiner das landleben
stacheldrahtzäune gab es und
bauern auf der jagd nach fußbällen
unter den reifen ihrer traktoren
zerplatzen träume eine jugend lang
inspizierte ich mehr kaulquappen als
mädchen krötenaugen umrundeten
meine lippen wenn der mond ins
regenwasser sprang und eins wurde
mit meinem gesicht nachts lag ich
im zittergras die sterne zu zählen
lediglich geröll flimmert heute dort
oben selbst im hintersten winkel
wissen telefone über alles bescheid
werden befindlichkeiten global
schwärmt der phrasenteufel von
welthaltigkeit da stehe ich nun
in dummgeschwätzter zeit
über mir nur wolkenbatzen die
zur befürchtung sich verdichten
schwarz wird mir vor augen
vom nahen dorf glockenstimmen
im bannkreis der kröte rieselt
eine dichterin mir in den sinn und
vergils achte ekloge freilich schön
könnten carmina den mond auch
wieder an den himmel locken
Ich verlege die Ortschaft von links nach rechts,
dann mußt du nimmer im Beinhaus wohnen,
das bleibt für immer am Aber-Ort
und ohne ewige Ampel.
Vielleicht wirst du rechterhand frieren,
weil anfangs die Sonne noch nicht gehorcht,
vielleicht braucht sie sieben Gezeiten,
um über den Brustkern zu kommen,
der so vielfältig hart ist?
Drüben hat noch kein Mond gewirkt,
es ist dort alles wie vor der Zeit;
wir werden linksseitig werben müssen
sanftmütig-dämonisch und halbschlaf-klug
um jeden dienstbaren Atem,
der noch halbwegs getreu ist.
Um meinetwillen geschieht das nicht,
ich würde auch links wie im Schoße Gottes
erwachen ohne zugrunde zu gehn
und Blei oder Strohhalme kauen.
Du aber, der du im Beinhaus wohnst
und das Öl der ewigen Ampel verzehrst,
du mußt dich unter den Lungenflügeln
insgeheim über die Grenze bringen
ins Land, das noch nichts von der Sündflut weiß
und wo der Mond noch nie aufging.
für C. Lavant zum 100. Geburtstag
Ich verlege die Ortschaft nicht mehr
Von links nach rechts Noch und noch
Finden wir uns
In gedengelten Welten des Glaubens
Aber mein Gott
Brät mir keine Sünden über
An allen Früchten vergehe ich mich ungestraft Ein Kerl
Kommt und sagt er sei ein Kerl
Das ist das ganze Geheimnis
Ich habe keinen dienstbaren Atem für irgendwen
Und kein Begehr mich über Gnade zu freuen
Verlegte Ortschaft: mein Kopf darin
Haut die Sense links rechts
Versuche den winzig gewordenen Mond
aus dem Himmel zu blasen.
Dein Atem reicht nicht einmal dafür noch aus!
Wie willst du dann die aufgeloderte Sonne
über deinem Herzen kühler machen
oder gar sie verschieben?
Sage zu deinem Herzen, daß früher oder später
alle Hexen verbrennen müssen.
Auch die guten entgehen dem Feuer nicht,
weil Gott ihre magische Asche braucht,
um seine Erwählten damit zu salben.
Sage, er haßt diese Asche nicht,
weil sie trotz allem aus Unschuld kommt
und vielen gemeisterten Leiden.
Lehre, wenn du jetzt Atem holst,
dein Herz in die Mitte der Sonne treten
und tilge gänzlich aus deinem Blut
den Namen der Hölle.
Niemand glaubt dir das Wort –;
und das, was dich brennt,
weiß allein seinen eigenen großen Namen,
der erschütternder ist als alle Zeichen am Himmel.
wie kleinlaut sich die tage neigen
die sichel ab und zu
nen kopf rollen lässt
was bleibt? ich kenne einen
der sammelt rituelle schädelschalen von menschen
für menschen beschnitzt
mit skeletten feuer knochen
und aasfressern dunkel ist diese kapala
vom jahrhundertealten grind
bitte um eine handvoll reis
bitte um eine handvoll sterne
am nachthimmel bettelnde hände
der unaufhaltsame tag beginnt
der nächste innere shitstorm
will überstanden sein weil
ich nicht bei mir bin
aus niederlagen siege mache
kann ich nicht bei dir sein
zurück am nachthimmel der einschlafhammer
benutzt du nicht zu große worte?
ich lese sie auf (wie reiskörner)
du öffnest derweil die letzte matroschka
und von der seele bleibt nurmehr ein see
(spiegel des anderen)
In den feuchten Gründen
Wogen Nebelschleier
Sturmgepflügte Blätter
Wirbeln um den Weiher
Durch die Wolkenfetzen
Brechen Sonnenstrahlen,
Jene letzten, schönen,
Die so golden malen
Und die Wipfel schweigen
Und die Bäume neigen
Lebensmüd ihr Haupt.
Schweigend liegt ringsum das graue Land
Der Regen nur rauschet sein Lied
Ein Frösteln die Fluren durchzieht.
Die triefenden Zweige hängen so müd
Gealtertes Laub sie umfällt.
Gar vieles liegt in dem ewigen Lied,
Das der Regen den Fluren erzählt.
Drum schweigen sie auch so unentwegt
Und wollen nur hören und lauschen,
Was alles der Regen hineingelegt
In sein melancholisches Rauschen.
Regen Regen
nichts als Regen
das ewig gleiche Lied
seit ungezählten Tagen
Am Kamm des Hügels
ziehen Schafe
Müd die Büsche
Müd die Bäume
ihre Äste schreiben Worte
auch wenn sie keiner
jemals lesen wird.
Schweigend liegt ringsum das graue Land
Den Dohlen reicht der Himmelsstreif
uns ihre Künste vorzuführen.
Im Flur aus Gras steht schon die Nacht
sie wartet still jedoch auf wen?
Ein dunkles Rauschen
steht in unsren Köpfen.
Der Weiher wird zum Spiegel
der Wald zum lichten Dom
die Äste liegen wie Gebein doch
durch die Wolkenfetzen schimmert: nichts.
für Christine Lavant
Krummbucklig ich
die Nachzehrerin die Zeterin zertretene
heb ich Krumen klaub sie auf
Finsterung Behausen in den Klauen
Krumm vor Krumenbuckelei mein Wiedergang
das Wiederverhängnis am Gängelband
die Kreuzwegbeugung leinengleich geführt
stellvertretend hebt das Bücken nichts
Bleibt das Kummerbündnis hier zu glauben
dass im Scharren nur ein Knöchel
von der andren Seite nach mir greift
dass mir ein Keimling zustößt
wie Gewölbe diese Wurzel mich durchschlägt
dass sich vielleicht
auf allen Vieren eine Hand mir reicht
Hunde und Schlitten gleit ich durch Abendliche
über Städte die auch in der Luft sind – herleuchten –
eine Steinform
und in der Luft
auf der Gegenschräge, Sangskrümme, schwebend
die Kartause, kübelnder Napf, den die Getriebene
glänzend, gescheuerte
Leere, dem Firmament hinstellt
Kanülen durchfährt sie, gelöste, krampfende Glieder
Spinnlein, in deren Schwebespur Tropfen hängen
Demante, ein erdnahes
Licht- und Tropentandem
auf der Gegenschräge, mit Glockenfüßen – Gott –
Treten, schwarz radelt ET im Mond über Hollywood
das blanke Rasiermesser
wo er Auge ist blickt nichts
Hunde und Schlitten gleit ich durch Abendliche
mir Komplizierte, sie zwinkern, ich übertrete, -kufe
aber das ist wie Meere
glätten mit Menschenhänden
Wie pünktlich die Verzweiflung ist!
Zur selben Stunde Tag für Tag
erscheint sie ohne jede List
und züchtigt mich mit einem Schlag.
Dann stieben Funken um mich her,
mein Herz ruft alle Engel an,
der Himmel aber ist ein Meer
und Jesu treibt in einem Kahn
sehr weit am andern Rand der Welt,
dort, wo die Helfer alle sind,
und meine letzte Hoffnung bellt
am Ufer durch den Gegenwind.
Ich spür dann, daß mich niemand hört,
und sammle still die Funken ein,
mein Herz – das knisternd mich beschwört –
wird nach und nach zum Feuerstein.
ich nehme eine zeile mit nur eine zeile
auf eine reise und behalte sie ganz weise
nur für mich und teile sie nicht teile
nichts an keinem ort wo ich verweile
auf meine weise lese ich dann diese zeile
und frage mich nicht wer und wessen
und ob ich atem hätte diesen mond vergessen
zu machen oder sonnen zu vermessen
ein atmen ist ja an sich ein geschenk
wie auch das leben jedes gelenk
jede bewegung nicht selbstverständlich
und jede geduld ist wie alles endlich
Wie pünktlich die Verzweiflung ist!
zur blauen stunde nacht für nacht
erscheint sie ohne jede List
und zündelt dann mit aller macht.
Dann stieben Funken um mich her,
die dunklen engel hängen vor
und jede decke wird zu schwer
die melodien sonst in meinem ohr
sehr weit am andern Rand der Welt,
die mir sonst lieb und tröstlich sind
nun stille und mein blick verstellt
nur flammen zweifel gegenwind
ich weiß die engel sind nicht nett
und sammle still die Funken ein,
und liege starr, das harte bett
wird nach und nach zum Feuerstein.
wieder brach ich bei dem nachbarn ein
und sie hatte tür und fenster offen
doch ihre augen waren fest geschlossen
so konnt ich unbemerkt beim nachbarn sein
dumm sie sah sie mich und aus ihrem mund
kam schluchzen bitten und verbohrtes drohen
während hier die hühner vor mir flohen
die katze und ich vor dem alten hund
doch ich ging nicht nahm mir wieder nur
ein haustier das noch gerne leben wollte
und der mond verlachte mich und rollte
stundenlang ganz rasch aus seiner spur
bitter trocknen ihr die augen ein
bitter rinnt mir schlaftrunk durch die kehle
bitter betet sie für meine arme seele
und schenkt mir ihr verlassensein
Mir ist es oft, als ob die Erde sich
jetzt atemleise meinem Blick entzöge,
und eine fremde Landschaft tritt für sie,
wie eine Bilderschrift, um alles Schauen.
Wohl weiß ich noch die Namen mancher Dinge
und sage: Wolke, Tauwind, Birnbaum, Mond! –,
doch haftet jedem solche Sanftmut an,
wie früher nur dem Bild der toten Mutter.
Und auch die neue Gegend ist verschlossen,
gleich einem Garten, den ein Herr bewohnt,
der mich erwartet für viel spätre Zeit.
Das läßt mich nun in allem so allein,
daß ich mich manchmal aus mir selber hebe,
um was Vertrautes in den Raum zu tun,
aus dem die Erde atemleise flieht.
kirschblüten liegen auf tannenzweigen, die den baum
dem himmel näher bringen. von einem moment
auf den anderen knicken der roten tulpe auf dem tisch
in der vase vier blätter ab. dem blut wird der weg
abgeschnitten. du sitzt auf dem stuhl in der küche.
es schließen bilder gesichter. das schlesische dorf
mit den älteren schwestern. die puppe im feuer. soldaten
und schreie im hals. vertreibung. die ankunft in sachsen.
das kältere schweigen. dienstmädchendienste. der sohn
vom hauptmann, die einsamen jahre. arbeit im brauhaus.
die liebe, ein nest. der gemeinsame sohn. das leben
der langsamen schritte. die enkel. der tod des geliebten.
die blumen. meine schweigsame mutter wird still, schläft ein