Erfolgsfaktor HR Brand
Den Personalbereich und seine Leistungen als Marke managen
von Marco Esser und Bernhard Schelenz
www.publicis-books.de
Vollständige ePub-Ausgabe von Marco Esser, Bernhard Schelenz, „Erfolgsfaktor HR Brand“,
ISBN 978-3-89578-380-7, (Printausgabe)
ISBN 978-3-89678-702-7
Verlag: Publicis Publishing
© Publicis Erlangen, Zweigniederlassung der PWW GmbH
Inhaltsverzeichnis
HR Brand
1 |
Alles dreht sich ums Image: |
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Die „graue Maus“ HR |
2 |
Ein Brand, den keiner kennt? |
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Warum HR Werbung braucht |
3 |
Die Macht der Marke nutzen: |
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Der Weg ins Bewusstsein |
4 |
HR Brand braucht Management: |
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Am Anfang steht die kritische Analyse |
5 |
Werkzeuge für den HR Brand Manager: |
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Was ein Markenmanager können muss |
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Der Marke Personal ein Gesicht geben: |
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Die Positionierungsroute |
7 |
Fortschritte belegbar machen: |
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Seriöse Erfolgskontrolle |
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Fallbeispiel: HR-Markenkommunikation in der Commerzbank |
8 |
HR auf dem Weg in eine gemeinsame Zukunft: |
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Die neue Commerzbank entsteht |
9 |
„Menschen machen den Erfolg“: |
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Die HR-Story |
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Bitte mitmachen! |
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Die Gestaltung der HR-Markenkommunikation |
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Perspektiven: Einsichten und Seitenblicke |
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HR Brand: |
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Kennzeichen und Wirkungsverstärker moderner Personalarbeit |
12 |
Noch wichtiger als ein positives Image: |
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Ein HR Brand kann den Personalern endlich mehr Selbstbewusstsein geben |
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Einheit in der Vielfalt: |
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„Deine Marke – Meine Marke“ |
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Social Media für Personaler: |
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Dialogaufbau in eigener Mission |
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Wahre Schönheit kommt von innen: |
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HR Brand als Aufgabe des Personalressorts |
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Anders denken, anders handeln: |
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Ausbruch aus dem Teufelskreis |
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Wie wir die Dinge benennen, so begegnen wir ihnen: |
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Naming-Prozesse im Kontext der HR-Markenarbeit |
18 |
Über die Vorteile einer Liaison: |
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Was HR von Marke lernen kann |
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Fazit und Ausblick |
19 |
Ihnen gehört die Zukunft: |
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HR Brand und sein Management |
HR als Marke?
Selbstverständlich!
Wer den Begriff „HR Brand“ bei Google eingibt, stößt unter anderem auf ein russisches Ranking für Arbeitgeber-Image – und seit kurzem auch auf eine spannende Diskussion. Ob in Fachmagazinen oder in Foren: Die Themen Personal und Marke werden in einem Atemzug genannt. Die gute Idee hat plötzlich viele Väter – und Mütter.
„Darf das Personalressort mit seinen Leistungen ‚Marke’ sein?“ haben wir uns bereits im Jahr 2005 gefragt, als ein Kunde mit dem Auftrag an die Agentur herantrat: „Verhelfen Sie HR zu mehr Reputation in unserem Unternehmen!“ Während in Bernhard Schelenz aus seiner langjährigen Erfahrung in der Personalkommunikation die Erkenntnis reifte, dass für organisatorische Einheiten – „Abteilungen“ – dieselben Mechanismen gelten wie für das Unternehmen selbst, fand Marco Esser aus der langjährigen Erfahrung mit der gesamten Bandbreite der Personalarbeit und ihren Dienstleistungen und Produkten 2008 zum Thema „HR Brand“. Beide fragten sich, was die Personalarbeit nachvollziehbar voranbringt, und kamen zu dem Schluss, dass das Image der Personaler und das Ansehen von HR hier entscheidende Erfolgsfaktoren sind.
Unsere Antwort: Das Personalressort darf nicht nur, es muss eine Marke sein!
HR Brand® ist die Lösung, um das Profil der Personaler zu schärfen und ihre Leistungen glaubhaft zu vermitteln. Denn eine Marke ist Sinnstifter, Treibstoff und Katalysator. Sie lebt von dem Vertrauen, das man ihr entgegenbringt, davon, dass sie Markenversprechen einlöst, dass sie glaubwürdig, unverwechselbar und so konkret wie möglich ist.
Dienstleistungen der Personalressorts sind oft nicht greifbar. Zugleich werden sie emotional erlebt und subjektiv beurteilt. Wird hingegen die „Marke Personal“ in punkto Leistungsqualität positiv wahrgenommen, nehmen Erfolg und Ansehen dieser Unternehmensabteilung zu. Human Resources muss sich dafür intern im Bewusstsein von Management, Führungskräften und Mitarbeitern nachhaltig als Top-Dienstleister mit Top-Mitarbeitern, Top-Konzepten und Top-Produkten präsentieren. Nicht zuletzt, um sich selbst zu legitimieren.
Umso diffuser Personaler innerhalb der Unternehmen wahrgenommen werden, desto leichter scheint ihre Expertise verzichtbar zu sein. Arbeiten die Personalressorts nicht konsequent daran, sich zu positionieren und die unternehmerischen Ziele zu erfüllen, laufen sie Gefahr, dass einzelne Tätigkeitsbereiche eventuell ausgelagert werden. Gänzlich überflüssig wird das eigene Personalressort, wenn externe Trainer bessere Qualifikationen anbieten, externe Berater bessere strategische Ansätze und externe Buchhalter bessere Abrechnungen liefern. Denn die Leistungen der Personaler stehen in Konkurrenz, werden ständig hinterfragt und sind in Zeiten des War for Talents und des demografischen Wandels eigentlich so wichtig wie nie zuvor.
Statt diesen Herausforderungen klare Profile und Kompetenz entgegen zu setzen, glauben viele HR-Verantwortliche noch, mit Rezepten von gestern die Arbeitswelt von morgen managen zu können – und merken nicht, dass sie sich damit angreifbar und überflüssig machen. Die Lösung „HR Brand“ erspart ihnen nicht, sich zu wandeln. Im Gegenteil. Sie ist kein Mäntelchen, unter dem „weitermachen wie bisher“ gedeihen kann. Sie kostet Zeit und Geld. Wer Personal zur Marke macht, der muss sich ins Detail darauf einlassen, dass Prozesse hinterfragt werden, dass exakte Definitionen notwendig sind – und dass in der HR-Abteilung vielleicht kaum ein Stein auf dem anderen bleibt.
Die Mühe lohnt sich. Denn so wenig greifbar der Begriff „Marke“ für viele Personaler (noch) ist, so elementar ist sie für den Erfolg. Der gute Ruf, die Attraktivität als Bereich und die Bindung der Mitarbeiter machen den feinen Unterschied aus, wenn HR seine Ziele erreichen will. Es gilt, die Mitarbeiter der Personalressorts zu Markenbotschaftern zu machen, den HR Brand nach innen und außen leben. Das Image von Human Resources wird über Personen „verkauft“. Zugleich müssen die Dienstleistungen und Produkte den Leistungsanspruch so gut wie nur irgend möglich erfüllen. Denn auch die internen und externen „Kunden“ müssen Human Resources als positive Marke erleben. Eines ist sicher: Die Marke Personal existiert – auch wenn bisher nicht jeder sie wahrgenommen hat.
Wir sehen HR Brand nicht als Konkurrenz zur Unternehmens-, beziehungsweise zur Arbeitgebermarke. Der Unterschied ist, dass HR Brand das Personalimage ausdrückt, Employer Brand dagegen das Arbeitgeberimage und die Corporate Brand das Image des gesamten Unternehmens. Eng abgestimmt und geführt, stärken sich Corporate Brand, Employer Brand und HR Brand. Human Resources muss sich innerhalb der Firmen eigenständig positionieren und eigene Subbrands wie „Health Management“ oder „Diversity Management“ entwickeln und pflegen. Dank einer konsequenten Markenführung in der Kommunikation, für einzelne Dienstleistungen oder Produkte, entsteht ein unverwechselbares Profil der Marke Personal und seiner Untermarken.
Gleichzeitig sind wir überzeugt, dass HR Brand im Unternehmen nur dann erfolgreich etabliert wird, wenn seine Umsetzung nicht auf Konfrontationskurs betrieben wird. Das Unternehmensmarketing und die -kommunikation begreifen wir als starke und kompetente Partner, die konsequent auf dem Weg von der Personalabteilung zum HR Brand einbezogen werden sollten. Wir haben in diesem Buch die Grundlagen des Markenwissens für den Personalbereich adaptiert und Begriffen definitorische Klarheit gegeben. Außerdem geben wir Tipps, mit welchen Instrumenten und welcher Kommunikation die Marke Personal am besten vermittelt wird. Kernbegriffe sind Strategie und Kreation, Realisation und Evaluation. So ist ein Handwerkskoffer für Personal- und HR Brand Manager entstanden, der Ideen und wichtiges Rüstzeug enthält, um Human Resources zu einer starken Marke zu machen. Dieses Praxishandbuch ist anwendungsbezogen. Unsere Absicht war es nicht, eine theoretische Marken-Enzyklopädie mit unterschiedlichsten Begriffsauffassungen zu Marke und deren methodischen Ansätzen zu schaffen.
Im ersten Kapitel befassen wir uns mit dem Ist-Zustand der Personaler-Wahrnehmung, den Herausforderungen für HR und dem Zwang zur Veränderung.
In Kapitel 2 begründen wir, warum das Personalressort zur Marke werden muss und definieren theoretische Grundlagen des Begriffs „HR Brand“.
In Kapitel 3 verdeutlichen wir die Macht der Marke und wie positiv sie bei der Mitarbeitermotivation wirkt, gleichzeitig führen wir Grundbegriffe wie „Touchpoint-Management“ ein.
In Kapitel 4 zeigen wir, unter welchen Voraussetzungen ein HR Brand effizient und effektiv eingeführt werden kann: von der Analyse des „Ist-Zustands“ – Wie ist die Reputation von HR im Unternehmen? – über die Markenarchitektur bis zur Führung von Subbrands.
In Kapitel 5 findet sich alles, was in den „Werkzeugkoffer“ eines HR Brand Managers gehört – ein Paket mit den Grundlagen für erfolgreiches Markenmanagement.
In Kapitel 6 erläutern wir Kernbegriffe wie „PR für HR“: kurzum alles, um HR Brand nicht nur ein Image, sondern auch Substanz zu verleihen.
Kapitel 7 hat das Kommunikations- und Marken-Controlling zum Thema. Dafür stellen wir zwei alternative Modelle vor.
Der zweite Teil gewährt einen Blick in die Praxis: Am Beispiel der Commerzbank AG belegen wir, dass sich ein HR Brand erfolgreich einführen lässt. Detailliert beschreiben wir die dafür notwendigen Prozesse und Instrumente.
Im dritten Teil kommen Fachleute zu Wort, die ihre Sicht zum Thema HR Brand darlegen und damit wertvolle Einsichten und Seitenblicke liefern. Da das Thema so facettenreich und komplex ist, haben wir Gastautoren, Personal- und Kommunikationsexperten unterschiedlichster Couleur Raum gegeben, ihre Sicht auf Personal als Marke darzustellen. Ihre Beiträge zeigen, welche Perspektiven HR Brand hat.
Das Thema HR Brand kommt mit Macht – es wird die Personalkommunikation der Zukunft entscheidend prägen.
Mannheim/Mainz im Oktober 2010
Marco Esser und Bernhard Schelenz
HR Brand
1 Alles dreht sich ums Image:
Die „graue Maus“ HR
Auf der Cocktailparty, man kennt das: Gläser in der Hand, Smalltalk, nette Leute – weniger nette Leute. Stellen wir uns vor, die Gäste dieser Cocktailparty wären die internen Kunden des Human-Resources-Bereichs eines Unternehmens. Welches Image hätte dann der Herr (oder die Dame) vom Personalressort bei Geschäftspartnern, Führungskräften und Mitarbeitern? Gut, den Muff von Stehpult und Ärmelschoner verströmt er nicht mehr. Er ist der zuverlässige Kollege aus der Verwaltung; Personalentlohnung und -verwaltung sind sein Ding. Er ist freundlich und durchaus serviceorientiert, arbeitet recht zügig und gilt als zuverlässig.
Eher Attribute der „grauen Maus“ eines Unternehmens. Und die „graue Maus“ hat Schwächen. Wer von den internen Kunden einen kompetenten Mitarbeiter-Coach sucht, fahndet eher extern danach als intern. Lediglich 31 Prozent der Befragten einer Studie zum „HR-Image“ (Prof. Christoph Beck, Andreas Schubert, Dr. Jennifer L. Sparr: Die Personalabteilung im Spiegel ihrer Zielgruppen, 2009) erleben ihre Personalabteilung als Kompetenzträger in Sachen Mitarbeiter-Betreuung. Als „suboptimal“ gelten darüber hinaus Personal- und Organisationsentwicklung, eher unterentwickelt werden bedarfs- und bedürfnisgerechte Dienstleistungen wahrgenommen. Was dem Personaler kaum zugetraut wird, ist Innovationskraft – und was er nicht gut kann, zeigt die Studie auch: informieren und kommunizieren. Kurzum: Der Kollege vom HR-Ressort ist zur Cocktailparty nur eingeladen worden, weil er nun mal dazu gehört. Auf die Idee, mit dem Langweiler danach noch ein Bier trinken zu gehen, kommt keiner der Gäste.
Grund: Das Profil der Personaler ist unscharf. Resultat einer unternehmerischen Denke, die Personalarbeit als Appendix des Produktionsprozesses ins Leben gerufen hat. Mit der Philosophie des „Business-Partners“ haben sich die HR-Abteilungen zumindest großer Unternehmen zwar inzwischen ein durchaus tragfähiges Geschäftsmodell geschaffen, doch in der Wahrnehmung zahlreicher interner Kunden sind sie nach wie vor primär Verwaltungseinheiten mit einem Weiterbildungsangebot.
Die Chancen der Märkte nutzen
Das Meinungsbild bezüglich HR verkennt die Kraft, die im HR-Ressort steckt, und ihre immense Bedeutung für den Erfolg eines Unternehmens. Globalisierung, Technisierung und Deregulierung bieten Firmen heute große Chancen – und setzen sie zugleich einem nie dagewesenen Wettbewerbsdruck aus. Nur wer in der Lage ist, seine Geschäftstrategien schnell zu definieren und sie zügig, wirkungsvoll und wirtschaftlich umzusetzen, wird auf diesen komplexen und dynamischen Märkten die Nase vorn haben. Den Mitarbeitern kommt eine Schlüsselrolle zu. Nur die Unternehmen, die sich mit durchdachter und konsequenter Personalstrategie Wettbewerbsvorteile verschaffen, werden sich auf den Märkten von heute und morgen positionieren und halten können. Die Boston Consulting Group hat in der Studie „Creating People Advantage 2009“ vorrangig vier Herausforderungen für die Personalarbeit definiert:
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Qualifizierte Mitarbeiter und Führungskräfte sind Ressourcen, die knapper werden als je zuvor. |
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Die Beschäftigten werden im Durchschnitt älter, und es gibt weniger Nachwuchs. |
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Qualifizierte Mitarbeiter und Führungskräfte sind Ressourcen, die knapper werden als je zuvor. |
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Die Beschäftigten werden im Durchschnitt älter, und es gibt weniger Nachwuchs. |
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Unternehmen entwickeln sich zu globalen Organisationen. |
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Dass sich die Mitarbeiter in den Unternehmen emotional wohlfühlen, ist heute wichtiger denn je. |
Die Studie sieht die Verknappung bei qualifiziertem Personal als Resultat „dramatischer Veränderungen“ bei den wirtschaftlichen Strukturen und den Erwartungen der Beschäftigten. „Mitarbeiter sind unser wichtigstes Kapital“, dieser Terminus – oft wohlfeiles Lippenbekenntnis des Managements – wird in zahlreichen Unternehmen Grundlage des Denkens werden müssen. Denn Mitarbeiter sind das wichtigste Kapital der Firmen, und ihre Bedeutung wird zunehmen. Das Schicksal der Unternehmen wird davon abhängen, ob sie künftig ausreichend qualifiziertes Personal an sich binden können.
Dem Wandel stellen
Der demografische Wandel, lange vielen Firmenchefs nur als abstraktes Szenario aus der virtuellen PowerPoint-Welt präsent, verändert bereits die Arbeitswelt. Noch vor wenigen Jahren war es das Ziel von zahlreichen Unternehmen, mit den Instrumenten aus dem großen Umstrukturierungs- und Vorruhestandskoffer Belegschaften zu verringern. Die ersten haben bereits festgestellt, welches Know-how dabei „freigesetzt“ wurde – und dass es immer schwieriger wird, Schlüsselpositionen zu besetzen. Als „Top-Herausforderung“ wurde der demografische Wandel bereits in der HR-Trendstudie von Kienbaum von rund der Hälfte der Befragten identifiziert (HR-Trendstudie 2008, Managementberatung Kienbaum). Fest steht: Der demografische Wandel ist ebenso real wie der „War for Talents“, der nicht nur die guten Absolventen von wirtschaftswissenschaftlichen und juristischen Fakultäten zu Rohdiamanten erhebt, sondern auch dafür sorgt, dass der Installateur um die Ecke händeringend nach Azubis sucht, die den Dreisatz beherrschen.
Die Internationalisierung der Märkte stellt HR zudem vor große Aufgaben. Mit der Expansion in neue Märkte sind sie gefordert, sich einer wachsenden Komplexität im Personalbereich zu stellen – vor allem dann, wenn Mitarbeiter unterschiedlicher Nationalität und Kulturen integriert werden müssen. Womit letztlich auch das Thema „Wohlfühlfaktor“ verbunden ist. Früher blieb ein Mitarbeiter nach der Ausbildung in einem Unternehmen, machte dort Karriere und ging schließlich in den Ruhestand. Zumindest blieb er einer Branche treu. Diese Lebenswege werden rar. Der Arbeitnehmer überlegt heute sehr viel genauer, ob und warum er eine Stelle annimmt. Er wägt die Opfer ab, die er für den Job zu bringen bereit ist, und berücksichtigt auch viel stärker als früher familiäre Aspekte. Tenor: Arbeit ist nicht alles. Der Druck der Wirtschaft, räumlich flexibel zu sein, und der Trend, sich beruflich im Leben neu zu orientieren, tun ein Übriges dazu, dass um jeden Arbeitnehmer jeden Tag aufs Neue geworben werden muss.
Boston Consulting hat 2009 in der genannten Studie über das Talentmanagement in der Befragung von rund 4.700 Personalverantwortlichen und Führungskräften in 83 Ländern besonders kritische Personalfragen identifiziert, denen sich Unternehmen künftig stellen müssen (Boston Consulting Group: „Creating People Advantage“, 2008). Sie wurden in drei strategische Kategorien unterteilt:
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Die besten Mitarbeiter entwickeln und binden. |
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Das beschreibt die Herausforderungen in den Bereichen Talent Management, Verbesserung der Führungsqualitäten (Leadership) sowie die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben (Work-Life Balance). |
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Auf Veränderungen vorbereiten. |
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Hier sind Demografie-Management, Change-Management, Transformation der Unternehmenskultur sowie Globalisierungs-Management zusammengefasst. |
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Die Organisation befähigen. |
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HR muss sich zur „Learning Organization“ entwickeln und als strategischer Partner agieren. |
Nur Unternehmen, die sich diesen Herausforderungen stellen, werden in der Lage sein, sich nachhaltige Wettbewerbsvorteile zu sichern, prophezeit Boston Consulting.
Mit dem Wort „Herausforderungen“ wird jedoch kein einziger Mitarbeiter geworben oder begeistert. Im Gegenteil, es verstärkt die Befürchtungen, künftig den Anforderungen nicht mehr gewachsen zu sein. Kein Wunder, bekommt der Angestellte doch statt des freundlichen Werbens um seine Person oft sowohl im Unternehmen als auch von außen Unsicherheit vermittelt. Die Finanz- und Wirtschaftskrise hat offenbar bei zahlreichen Leistungsträgern Demotivation, weniger Engagement und Wechselbereitschaft ausgelöst. So zumindest nehmen es die deutschen Personalentscheider wahr (Kienbaum HR-Trendstudie 2009). Das Beratungsunternehmen hatte 127 Personalverantwortliche führender Unternehmen befragt. Fazit: Change Management und Talent Management stehen ganz oben auf der Agenda – für mehr als die Hälfte der Befragten sind das laut Kienbaum-Studie die zentralen Herausforderungen des HR-Managements. Zugleich setzen 84 Prozent der Befragten auf eine intensive HR- und Krisenkommunikation, um die Leistungsbereitschaft und Produktivität der Belegschaft zu sichern.
Eine klare HR-Agenda ist gefordert
„Tue Gutes und rede darüber“ könnte also eine Schlussfolgerung sein. Doch damit ist es nicht getan. Das „Darüber-Reden“ muss glaubwürdig mit Strategien und Prozessen unterfüttert sein, damit es bei den HR-Kunden wahrgenommen und adäquat gewürdigt wird. Notwendig ist daher eine klare HR-Agenda, die sich im Schnittfeld unternehmerischer Anforderungen und denen des internen und externen Personalmarkts bewegt. Ihre Themen können zum Beispiel „Führung“, „Gesundheit“, „Chancengleichheit“, „Talent Management“, „Change Management“ oder „Diversity“ sein.
Die Führungskräfteentwicklung ist ein ganz zentrales Thema, das bei vielen Unternehmen erst nach und nach in den Fokus rückt. Oft aufgerüttelt von schlechten Werten bei Mitarbeiterbefragungen, beginnen sie, der Führungsqualität ihrer Vorgesetzten endlich die Bedeutung beizumessen, die ihr zukommt. Manko: Oft hat bei den Karrierewegen innerhalb der Firmen die fachliche Expertise die entscheidende Rolle gespielt. Ob die frischgebackene Führungskraft in der Lage ist, einem Mitarbeiter auch nur in die Augen zu sehen, wenn sie mit ihm spricht, interessierte kaum. Geschweige denn, ob plausibel Ziele mit den Mitarbeitern vereinbart wurden, motiviert, gefördert, gefordert oder gar glaubhaft kommuniziert wurde.
Dabei sind zum Beispiel Führungskräfteentwicklung und Talent Management zwei Seiten einer Medaille. Nur wer sich vom Vorgesetzten ernst genommen und gefördert fühlt, wird vollen Einsatz beim Job zeigen und ein Weiterkommen innerhalb der Firma anstreben. Darüber hinaus vermitteln Führungskräfte die Werte und Ziele eines Unternehmens und seiner Organisationseinheiten. Ihre Vorbildfunktion und damit der Einfluss auf Engagement und Entwicklung ihrer Mitarbeiter ist gar nicht hoch genug einzuschätzen. Und die Führungskräfte leisten einen kritischen Beitrag zur Wertschöpfung in immer komplexer werdenden Organisationsabläufen. Wer hier als Unternehmen an den notwendigen Ressourcen spart, die Führungskräfte zügig und umfassend weiterzuentwickeln, spart an der Substanz. Eine Firma braucht neben diesen Ressourcen klar definierte spezifische Führungsmodelle, um die Mitarbeiter mit Führungsverantwortung zu beurteilen und sie gezielt zu entwickeln.
Während die Führungskräfteentwicklung in vielen Unternehmen gleichsam gerade aus dem Dornröschenschlaf erwacht, hat der „Kampf um die sieben Zwerge“ längst alle Firmen erfasst. Das Talent Management genießt in sämtlichen Regionen und Branchen Top-Priorität. Wer sich heute nicht um Gewinnung, Entwicklung und Bindung seiner Mitarbeiter mit hohem Potenzial kümmert, sorgt sicher dafür, dass sein Unternehmen verkümmert. Das Talent Management erfasst alle: Manager, Spezialisten oder andere Mitarbeiter mit „Luft nach oben“ – quer über alle Organisationsebenen hinweg. „Unternehmen könnten schon bald feststellen, dass es leichter ist, Kapital zu beschaffen, als Talente zu finden“, prophezeit die Boston Consulting Group, schließlich stünden potenziellen Kandidaten immer mehr Optionen zur Verfügung. Gute Leute, das ist kein Geheimnis, können wählen. Und wen der Headhunter nicht anruft, der hat mit wenigen Klicks im World Wide Web genügend Alternativen zum derzeitigen Aufgabengebiet auf dem Schirm.
Nach innen und außen kommunizieren
So kommen Unternehmen nicht umhin, ihr Angebot und ihre Marketingaussagen nach innen und außen zu kommunizieren. Sie müssen offensiv um die Talente werben und stetig neue Zielgruppen identifizieren, die potenzielle High Potentials beherbergen. Unabdingbar ist auch, dabei die strategische Ausrichtung des Unternehmens zu berücksichtigen. Sind künftige Schwerpunktthemen abgedeckt? Wird die internationale Ausrichtung adäquat begleitet? Ist das Unternehmen für Veränderungen des Marktes gewappnet? Nur drei Faktoren, die es dabei zu berücksichtigen gilt. Und: Nur wer es schafft, die Mitarbeiterentwicklung und -bindung erkennbar systematisch zu betreiben, wird erreichen, dass sie von den Menschen innerhalb und außerhalb des Unternehmens positiv identifiziert wird.
Bei den Themen Chancengleichheit oder Gesundheit wird schnell in einen Bereich vorgestoßen, der einst in Unternehmen maximal als lästige Pflichtübung wahrgenommen wurde. Das betriebliche Gesundheitsmanagement beispielsweise erschöpfte sich in bester Tradition der Bismarck’schen Sozialgesetzgebung auf das Notwendige, um den Vorschriften zu genügen. Arbeitssicherheit und die Formel, ab wie vielen Arbeitnehmern ein Betriebsarzt für mehr als 30 Minuten pro Woche anwesend sein musste, bestimmten die Diskussion um die Gesundheit der Arbeitnehmer. Ein Kostenfaktor – so die Meinung der meisten Manager.
Auch hier hat längst ein Umdenken eingesetzt. Der Zusammenhang zwischen Gesundheit, Motivation und Produktivität ist den Personalverantwortlichen bekannt. Insofern gewinnt die Prävention zunehmend an Bedeutung, zugleich zwingt der demografische Wandel dazu, dass sich die Firmen Gedanken machen müssen, wie sie ihre Mitarbeiter länger gesund und leistungsfähig erhalten. Immer mehr geraten dabei Faktoren in den Fokus, die früher als vernachlässigbar eingeschätzt wurden: Die psychischen Belastungen der modernen Arbeitswelt, mit ihren immer höheren Anforderungen. Der Mensch muss mit einem Hirn, das noch auf die Anforderungen der Steinzeit programmiert ist, Informationsflut, ständige Erreichbarkeit und Arbeitsverdichtung bewältigen.
Work-Life Balance und Diversity bleiben wichtig
Beim Thema Chancengleichheit hat sich hingegen seit der Steinzeit ein wenig getan. Immer mehr Vorstände erkennen, dass es unternehmerisches Harakiri ist, die Fähigkeiten und Fertigkeiten von Mitarbeitern nur unzureichend zu nutzen, bloß weil sie Rock statt Hose tragen. In die Diskussion um Frauenquoten oder Frauenförderung soll hier nicht eingestiegen werden. Nur soviel: Der demografische Wandel und die Verknappung bei den qualifizierten Mitarbeitern wird manche Diskussion obsolet machen. Auch wer glaubt, dass beispielsweise Mitarbeiter mit Migrationshintergrund, Lesben oder Taubstumme ein Unternehmen nicht voranbringen können, irrt. Es gilt, sie dort einzusetzen, wo sie ihre Fähigkeiten optimal entfalten. Erst wenn ein Unternehmen die Vielfalt seiner externen Kunden widerspiegelt, legitimiert es sich in deren Augen – und kann schneller auf Veränderungen reagieren – beziehungsweise Entwicklungen mit moderieren – statt ihnen ausgeliefert zu sein.
Weil die Top-Leute nicht mehr sklavisch an einem Arbeitgeber kleben, werden die Unternehmen verstärkt die Themen Work-Life Balance und Diversity priorisieren müssen. Längst genügt es nicht mehr, ausreichende Gehälter zu zahlen. Wer heute eine Stelle auswählt, achtet sehr wohl auf „weiche Faktoren“: Was ist mit Kinderbetreuung? Kann ich auch mal ein Sabbat-Jahr machen? Was ist, wenn Vater zum Pflegefall wird? Nur drei der Fragen, die sich qualifizierte Mitarbeiter stellen. Auch Faktoren wie Arbeitszeitflexibilität oder Vergütungen, die zum Teil nicht-monetäre Aspekte als Anreize enthalten, werden immer wichtiger werden. So sind zum Beispiel manche ältere Mitarbeiter bereit, über das Erreichen der Altersgrenze hinaus tätig zu sein, wenn sie mehr Urlaubstage bekommen als jüngere Kollegen. Jüngere Mitarbeiter dagegen haben Vorstellungen vom und Erwartungen an ihren Arbeitsplatz, die nur noch wenig mit den traditionellen Bildern gemein haben. Sie zu gewinnen und zu binden, erfordert HR-Konzepte, die die Mitarbeiter in ihrer Lebenswelt abholen und sie für das Unternehmen adaptieren, statt junge Talente in „Das war schon immer so“-Strukturen zu pressen.
Vom Zwang zur Veränderung
Wahrnehmbare Veränderungen sind also angesagt, um ein Unternehmen zukunftsfest zu machen. Boston Consulting hatte in der Studie „Creating People Advantage 2009“ als zweite strategische Kategorie „Vorbereitung auf Veränderungen“ definiert, um das zu leisten. Das Demografie-Management war dabei als „besonders kritische Personalfrage“ identifiziert worden. Unternehmen, schreibt Boston Consulting, müssten sich dabei mit zwei Risiken auseinandersetzen: Verlust von Kapazität und Know-how, wenn Beschäftigte in den Ruhestand gehen, sowie weniger Produktivität wegen des höheren Altersdurchschnitts der Belegschaft. Diese demografischen Risiken lassen sich nur reduzieren, wenn die Firmen Mitarbeiterangebot und -bedarf systematisch für unterschiedliche Wachstumsszenarien analysieren. So stellen sie fest, welche Mitarbeiter voraussichtlich benötigt werden, welche Qualifikationen sie aufweisen sollten und wann sie gebraucht werden. In der Studie heißt es weiter: „Gleichzeitig müssen die Firmen industrieübergreifend die Auswirkungen der demografischen Entwicklung analysieren und verstehen und dann gezielt fokussierte Maßnahmen ergreifen, um sie zu adressieren beziehungsweise abzumildern.“ Als Mittel empfehlen die Berater, neue Karrierewege zu schaffen oder bestehende anzupassen und zu optimieren. Arbeitspläne gehören auf den Prüfstand, Gesundheitspläne ebenso, um die älter werdenden Mitarbeiter möglichst lange leistungsfähig und motiviert zu halten – und damit produktiv.
Bei den Themen Change-Management und Transformation der Unternehmenskultur hat Boston Consulting nach wie vor gewisse Ressentiments des Managements ausgemacht. Sie gelten als „softe Themen“. Ein Fehler, so die Studie. Alle Veränderungen müssten messbar in der Organisation eines Unternehmens verankert werden – auch Change-Management und Unternehmenskultur. Je zügiger Änderungsprozesse umgesetzt werden, desto schneller werden das Management dieser Veränderungen sowie die Transformation der Unternehmenskultur zu kritischen Fähigkeiten. Insbesondere in der Technologie- und Konsumgüterbranche sowie bei der öffentlichen Hand sieht die Studie diese Entwicklung. „Trotzdem stellt Change die schwierigste Herausforderung für Unternehmen dar“, heißt es weiter, „ganz besonders dann, wenn es um komplexe Veränderungen geht, bei denen viel auf dem Spiel steht.“ Unternehmen müssten daher ein integriertes Konzept auf die Beine stellen, das sowohl die organisatorischen und operativen Veränderungen berücksichtigt als auch das Mitarbeiter-Verhalten. Fortschritte müssten dabei rigoros nachgehalten und gemessen werden, fordert Boston Consulting, schließlich gelte es, Pläne und Budget einzuhalten. Wer hier in der Verantwortung ist, hat das Beratungsunternehmen auch benannt: das HR-Ressort.
Strategische Kategorie Nummer drei ist das Globalisierungs-Management. Die Globalisierung ist vor allem für große Unternehmen ein Thema, denn sie erschließen sich internationale Märkte selbst – oder werden von Mitbewerbern aus dem Ausland gefordert. Dabei spielen schnell wachsende Volkswirtschaften wie China oder Indien ebenso eine Rolle wie beispielsweise Brasilien oder Russland: sämtlich Märkte mit vielen Chancen – und oft wenig kalkulierbaren Risiken. Die größte HR-Aufgabe ist es, die richtigen Mitarbeiter zur richtigen Zeit am richtigen Standort in der richtigen Position zu haben. Dass zu einer globalen Ausrichtung mehr gehört, als in der Gehaltsabrechnung Rubel in Euro umzurechnen, versteht sich von selbst. Die Zusammenarbeit muss länder- und kulturübergreifend effektiv und effizient zugleich ablaufen. Dazu muss im Unternehmen ein Verständnis für den Umgang mit anderen Kulturen geschaffen werden, denn nur, wenn sie und ihre Menschen ernst genommen werden, erschließen sich langfristig vertrauensvolle Geschäftsbeziehungen.
Die Organisation zukunftsfest aufstellen
Die Menschen mitnehmen – das gelingt nur mit glaubwürdigen Konzepten und einem organisatorischen Überbau, der die genannten Ziele verfolgt und mit vielfältigen Instrumenten stützt. Boston Consulting fordert daher für den Bereich Human Resources, dass er zu einer Learning Organization wird, die in einer von Innovation und rasanten Veränderungen bestimmten Welt einen klaren Wettbewerbsvorteil hat. Eine „lernende Organisation“ bedarf jedoch einer sorgfältigen Planung, um die gezielt ausgewählten Mitarbeiter optimal zu schulen. „Nur wenige Unternehmen gaben an, dass sie den idealen Weg gefunden haben“, so die Studie, „um ihren Mitarbeiter auf den Umgang mit der Komplexität und der Schnelligkeit einer immer globaleren Wirtschaft vorzubereiten.“ Das sei ein besonders wichtiges Thema, da die nationalen Bildungssysteme potenziellen Mitarbeitern meist nicht die diejenigen Fähigkeiten vermittelten, die sie brauchen, um in Zukunft mithalten zu können, heißt es weiter. Boston Consulting muss nicht tief in die Glaskugel blicken, um daraus zu schlussfolgern, dass die Unternehmen künftig noch mehr Geld in Fort- und Weiterbildung investieren müssen. Signifikant mehr Geld. Auch hier ist HR gefordert, die Defizite aufzuzeigen und die notwendigen Programme zu implementieren, um eine Belegschaft zu erhalten, die den Aufgaben von heute und morgen gewachsen ist. Bestenfalls sogar den Aufgaben von übermorgen.
Das geht nur, wenn die Personalressorts auch in die unternehmerischen Planungen für morgen und übermorgen involviert sind. Sie müssen ein strategischer Partner des Managements sein. Ein Status, den sie bereits in zahlreichen Firmen genießen, aber er wird noch wichtiger werden. Dabei ist spannend, wie unterschiedlich die Wahrnehmung strategischer Partnerschaft ist. Während die HR-Verantwortlichen in der Studie Creating People Advantage 2009 behaupten, ihr Unternehmen habe die Personaler als strategische Partner akzeptiert, stellen die Nicht-HR-Führungskräfte dieser „Partnerschaft“ ein eher bescheidenes Zeugnis aus. Es bestehe laut der Studie noch sehr viel Verbesserungsbedarf in Bezug auf die Entwicklung des Personalbereichs zum strategischen Partner. Überspitzt gesagt: Die HR-Ressorts sind überall ein strategischer Partner – nur hat das noch niemand gemerkt. Boston Consulting sieht den Schlüssel zum Erfolg darin, dass die Personalverantwortlichen über die Erfahrung verfügen und das Geschäft gut genug kennen müssen, um wirklich als ernstzunehmender Partner an unternehmerischen Entwicklungen beteiligt zu werden. Und: „Eine weitere Erfolgsvoraussetzung besteht in der Fähigkeit der HR-Abteilung, sich selbst zu optimieren, und zwar sowohl organisations- und führungstechnisch, als auch durch Automatisierung und die Nutzung von Shared Services oder Outsorcing.“
Emotion statt seelenloser Verwaltung
All das zeigt, dass Human Resources entlang des gesamten HR-Management-Prozesses – von der Rekrutierung bis zur Trennung – Produkte und Dienstleistungen anbieten muss, die einerseits ein hohes Maß an unternehmerischer Relevanz besitzen, also die Wettbewerbskraft stärken, und die andererseits von Mitarbeitern und Managern rational verstanden und emotional wertgeschätzt werden. Emotionalität ist wichtig: Wird das HR-Ressort als seelenloser Verwaltungsapparat und nicht als kompetenter und professioneller Partner wahrgenommen, kann HR seine Rolle nicht glaubhaft erfüllen. Der Personalbereich wird nur dann erfolgreich sein, wenn er alle Zielgruppen für sich und seine Leistungen einnimmt. HR muss es gelingen, mit seinen Botschaften Kopf und Herz zu erreichen.
Zwar ist das Bild der HR-Ressorts eher unscharf, ihre Dienstleistungen scheinen kaum greifbar zu sein, aber ihr Tun wird oft eher emotional wahrgenommen und damit auch entsprechend subjektiv beurteilt. Die Folge: Negative Erlebnisse prägen sich im Gedächtnis der Leistungsnutzer nachhaltig ein. Problemlose Abläufe dagegen sind bei den (internen) Kunden indes weniger präsent, werden als selbstverständlich vorausgesetzt. „Hinsichtlich des HR-Images stellt sich zu Recht die Frage, ob und wenn ja, inwieweit den internen Kunden bewusst und transparent ist, welche Aufgaben und auch Erfolge die Personalabteilung im Unternehmen überhaupt wahrnimmt beziehungsweise realisiert“, befindet die Studie „HR-Image 2009“ von der FH Koblenz und YouGovPsychonomics.
Die Personalressorts haben ein erkennbares Transparenzproblem, Informationsbedarf und -angebot differieren deutlich. Wie diffus die Personalressorts wahrgenommen werden, zeigt sich in der Häufigkeit der Antworten in der Kategorie „teils-teils“. „Dies deutet zum einen darauf hin, dass die Informations- und Kommunikationsleistung von HR in den Unternehmen sehr unterschiedlich gehandhabt wird, beziehungsweise zum anderen bei den internen Kunden noch eine weitgehende indifferente Wahrnehmung diesbezüglich existiert“, schreiben die Verfasser der Studie. Als Konsequenz daraus muss das Personalressort nicht nur für positive Eindrücke sorgen – es müssen vielerorts zunächst einmal überhaupt greifbare Eindrücke erzeugt werden.
Im Kern geht es darum, dass der HR-Bereich sein Leistungsangebot imagewirksam transparent macht und sich selbst profiliert. Die Vorteile liegen auf der Hand:
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Mitarbeiter und Führungskräfte sehen, welchen Nutzen HR bringt. Ihre Gegenleistung: Engagement und Loyalität. |
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HR stärkt seine eigene Identität. Und handelt so zielgerichtet auf einer verbindenden Wertebasis. |
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HR gewinnt im Unternehmen an Überzeugungskraft. Es wird in seiner Rolle als Partner für Management, Führungskräfte und Mitarbeiter ernst genommen. |
Erfolgsfaktor: die Marke Personal
Dabei haben die Personaler (noch) ein ganz anderes Image im Blick: das ihres Unternehmens. „Eine klar positionierte Arbeitgebermarke ist das wichtigste Instrument im Wettbewerb um qualifizierte Arbeitskräfte“, heißt es in der HR-Trendstudie 2008 von Kienbaum. 83 Prozent der Befragten hatten gesagt, das Thema Arbeitgeberimage (Employer Branding) habe einen mittleren oder hohen Stellenwert im Unternehmen – und hatten 2007 noch ein Viertel der Befragten Employer Branding als Instrument zur Lösung der demografischen Herausforderung bezeichnet, waren es 2008 bereits doppelt so viele. „Da die Erwartungen an den Arbeitgeber steigen und zugleich der Kandidatenpool kleiner wird, müssen Unternehmen einen unverwechselbaren und glaubwürdigen Arbeitgeberauftritt aufbauen, pflegen und kommunizieren“, befindet Kienbaum-Geschäftsführer Erik Bethkenhagen. „Strategisches Employer Branding wird zur Lösung für den Personalengpass, der durch die demografische Entwicklung entsteht.“
Die Wertigkeit des Employer Branding bestätigt auch das Capgemini Consulting HR-Barometer 2009. Die Personalverantwortlichen haben daraus gelernt, dass ein eindeutiger Zusammenhang zwischen der Beliebtheit eines Unternehmens und dessen Erfolg beim Recruiting und Retention besteht. Für Capgemini ist das Thema Arbeitgeberimage ein echter „Newcomer“ – so deutlich war es nie zuvor im Fokus der HR-Verantwortlichen. Es steht bereits für jedes zweite Unternehmen ganz oben auf der Agenda, wenn es darum geht, Top-Leute zu finden und zu halten. Es sei subjektiv und meist auch objektiv schöner, für einen „Great Place to Work“ tätig zu sein, befindet Capgemini. Manche Unternehmen seien von den Arbeitgeberrankings regelrecht angestachelt worden, etwas für ihr Arbeitgeberimage zu tun.
Oft haben die Auswertungen der damit verbundenen Befragungen auch Schwachstellen aufgedeckt, mit deren Beseitigung sich die Arbeitssituation und ihre Wahrnehmung bei der Belegschaft positiv verändert haben. So gibt es Firmen, die umfangreiche Prozesse in Gang gesetzt haben und unter Beteiligung von Mitarbeitern, Führungs- und Managementebene wirklich vorangekommen sind. Wenn der Lohn kein höherer Platz in irgendeinem Ranking ist, so merken diese Unternehmen an höherer Produktivität, effizienteren Prozessen und geringeren Krankheitsquoten, dass etwas passiert ist.
Die Fallen der Rankings
Ranking ist eben nicht alles. Die Beliebtheit eines Unternehmens korreliert deutlich mit zwei Faktoren: Größe und Bekanntheit. Dann gibt es noch den „Branchen-Bonus“. Manche Firmen gelten als attraktiv, weil aus der Qualität ihrer Produkte darauf geschlossen wird, dass das Unternehmen ebenso gut ist. Eine Gedankenverbindung, von der bei den Rankings vor allem Automobilhersteller und IT-Firmen profitieren, aber auch ein Unternehmen wie Lufthansa lebt zu wesentlichen Teilen vom Imagetransfer der Faszination Luftfahrt auf eine Marke. Nachteil dieser Korrelation: Das Image der Marke platzt wie eine Seifenblase, wenn das Produkt-Portfolio schwächelt. Wie schnell das gehen kann, erlebte der japanische Autohersteller Toyota 2009. Nachdem Toyota in den Vereinigten Staaten unterstellt wurde, defekte Bremssysteme hätten mehrere tödliche Unfälle verursacht, brach der Umsatz nicht nur in den USA deutlich ein. Der weltweite Imageverlust des Fahrzeugherstellers, der trotz Massenfertigung Qualität und Zuverlässigkeit verkörperte, war dramatisch.
Kein Wunder, dass viele Talente sich bei der Arbeitsplatzwahl zunehmend weniger an den Rankings orientieren, sondern die „Hidden Champions“ suchen. Die Mittelständler, die zwar über das Kreisgebiet hinaus manchmal „Nobodys“ sind, in der Branche jedoch einen guten Namen haben, sichere Arbeitsplätze und die Chance zur persönlichen Selbstverwirklichung gleichzeitig bieten.
Die Capgemini-Studie hat auch herausgefunden, dass Personaler durchaus willens sind, beim Thema Empoyer Branding externe Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Manches Unternehmen hat diesbezüglich zu lange „im eigenen Saft geschmort“. Impulse von außen sind also willkommen und oft unabdingbar, um sich beim Arbeitgeberimage weiterzuentwickeln. Wichtig ist hierbei die enge Zusammenarbeit von internen und externen Fachleuten. Nur wenn die Unverwechselbarkeit eines Unternehmens in eine Strategie eingebracht wird, verhindert das, dass das Eigene einer Firma im Marken-Mainstream untergeht. Es ist die Kunst eines Beraters, die Individualität eines Unternehmens hervorzuheben und die Marke nach innen und außen zu stärken.
Wo bleibt das eigene HR-Image?
Doch so offen die Personalmanager für das Thema Arbeitgeberimage und Markenbildung als Personalfindungs- und -bindungsinstrument sind, so wenig haben sie diesen Faktor für sich erkannt. Sie selbst werden in ihren Unternehmen als wenig greifbar, als identitätslos wahrgenommen. Auf der Cocktailparty des Unternehmens stehen sie am Rand. Ihr Bild schärft sich nur, wenn sie versagen oder als Kontrahent wahrgenommen werden. Der Traum vom Businesspartner, dessen Qualitäten geschätzt werden und der auf Augenhöhe mit den anderen Bereichen eines Unternehmens agiert, wird in der Realität zum Albdruck. Geht es im Unternehmen hart auf hart, wird allzu oft schnell klar, dass das Personalressort eher als das „hässliche Entlein“ dasteht. Ungeliebt, aber eben vorhanden und irgendwie dabei.