Elizabeth Amber
Der Ruf des Satyr
Roman
Aus dem Amerikanischen
von Silvia Gleißner
Knaur e-books
Elizabeth Amber ist das Pseudonym einer erfolgreichen amerikanischen Autorin, die sich mit ihrer Satyr-Serie erstmals der Romantic Fantasy widmete. Elizabeth Amber lebt mit ihrem Ehemann in der Nähe von Seattle.
Weitere Informationen zur Autorin finden Sie auf ihrer Website: www.elizabethamber.com
Bei Vollmond verwandelt sich Dane in einen Satyr, ein mythisches Wesen, das nur für die Leidenschaft lebt. Doch in einer dieser Nächte passiert etwas Besonderes: Er begegnet einer Frau, die ihn mehr fasziniert als jede andere … und die es gar nicht geben dürfte. Denn Eva ist ein weiblicher Satyr, der einzige auf der ganzen Welt!
Die amerikanische Originalausgabe erschien 2010 unter dem Titel Dane bei Kensington Books, New York.
eBook-Ausgabe 2012
Knaur eBook
© 2010 Elizabeth Amber
Für die deutschsprachige Ausgabe:
© 2012 Knaur Taschenbuch
Ein Unternehmen der Droemerschen Verlagsanstalt
Th. Knaur Nachf. GmbH & Co. KG, München
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise –
nur mit Genehmigung des Verlags wiedergegeben werden.
Published by Arrangement with KENSINGTON PUBLISHING CORP., New York, NY, USA.
Redaktion: Kathrin Stachora
Covergestaltung: ZERO Werbeagentur, München
Coverabbildung: FinePic®, München
ISBN 978-3-426-41314-2
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Elizabeth Amber
In den vergangenen Jahrhunderten lebten die Herren von Satyr im Verborgenen über ganz Europa verstreut und hüteten die alten Weinberge des Weingottes Bacchus. Bis zum Jahre 1820 war ihre Zahl jedoch geschwunden, bis nur noch wenige übrig waren, um das geheiligte Portal zu schützen, das die Erdenwelt mit der Anderwelt verband – einem Parallelreich, bewohnt von Satyrn, Kobolden, Nereiden, Feen und anderen mythischen Wesen. Dreißig Jahre später gestattete ein Vertrag diesen Wesen, in größerer Zahl durch das Portal zu kommen, und die Satyrn vermehrten sich in Italien. Andere Völker hingegen hatten nicht so viel Glück. Eine schwere Seuche brach aus, die allgemein nur »die Krankheit« genannt wurde und Frauen von nichtmenschlichem Blut befiel. Viele von ihnen starben oder wurden unfruchtbar.
Nun schreibt man das Jahr 1880. Der Reiseverkehr zwischen beiden Welten ist größtenteils eingeschränkt, außer zu geschäftlichen oder diplomatischen Zwecken, die ausdrücklich vom Rat der Anderwelt genehmigt wurden. Dafür wurde ein Landstrich, der sich von der Toskana aus nach Süden bis Rom erstreckt, so gründlich mit Zaubern belegt, dass die Einwanderer aus der Anderwelt unbemerkt bleiben.
Und doch – die Magie, die dieses Gebiet umhüllt, ist zerbrechlich, und die Gefahr, von Menschen entdeckt zu werden, stellt für einen kleinen Klan von Satyrn in Rom eine ständige Bedrohung dar. Diese Brüder von altem königlichem Blut sind mit der Aufgabe betraut, Artefakte, Relikte und Antiquitäten zu sichern, die einst von ihren Ahnen geschaffen wurden und nun von Archäologen ausgegraben werden.
Mit dem Nahen eines jeden neuen Monats drängt ihr Blut sie, dem Ruf des Vollmonds zu folgen und dem Verlangen nach fleischlichen Genüssen nachzugeben. Diesen sinnlichen Ruf zu verleugnen bedeutet Verderben. Ihm zu folgen, Wonne.
Rom, Italien
Erdenwelt im Jahre 1880
Dieux! Wo zum Teufel ist es nur?«
Durch einen Hain aus dichtstehenden Olivenbäumen drang der Klang der Frauenstimme an sein Ohr. Ein Hauch des frühen Oktoberwinds wirbelte silbergrüne Blätter an knorrigen Ästen durcheinander, so dass die Frau abwechselnd zu sehen war und wieder aus dem Blickfeld verschwand, während sie in ihrer Handtasche herumwühlte. Sie ging in dieselbe Richtung wie er, und als sie an ihm vorbeikam, wandte er seinen Kopf, so dass er ihr mit den Augen folgen konnte.
Perfekt! Nun würde er heute Nacht nicht auf Jagd gehen müssen.
Doch er befand sich noch immer im Stadium des Übergangs. Noch hatte er die Kontrolle nicht vollständig erlangt, also behielt er die Information ihrer Anwesenheit im Hinterkopf, um sich später damit zu beschäftigen. Dante atmete tief die kühle Luft der Dämmerung ein und fuhr fort, sich langsam seinen Weg zu bahnen, in ein Bewusstsein, das einem anderen gehörte – Dane, seinem widerstrebenden Wirt.
Es ist zu deinem eigenen Besten, beschwichtigte Dante ihn. Zu deinem Schutz. Wenn der Morgen kommt, bin ich wieder verschwunden. Nun ruhe dich aus. Schlafe!
Doch Dane ignorierte seine Beschwichtigungen und kämpfte weiter gegen ihn an, mit einer inneren Stärke, die ebenso bewundernswert wie vergeblich war. Jemand, der so willensstark wie Dane war, unterwarf sich natürlich nicht gern. Diese Zeitspanne des Übergangs mutete immer seltsam und unbehaglich an, ließ sie doch Erinnerungen aufkommen, die sie beide lieber vergessen hätten. Also ging Dante vorsichtig vor, voll Zuversicht, dass er letztendlich doch Erfolg haben würde. So, wie er auch in der Vollmondnacht letzten Monat erfolgreich gewesen war – und in all den Vollmondnächten davor, seit mehr als der Hälfte von Danes Leben.
Nach wenigen Augenblicken hatte er die vollständige Kontrolle erlangt. Nun war er Dante. Keine eigenständige Person, sondern eher eine alternative Persönlichkeit, die in Danes Geist schlummerte und nur in Erscheinung trat, wenn es notwendig war. Bei Gelegenheiten wie dieser.
Langsam richtete er sich aus seiner Kauerstellung auf dem Waldboden auf. Er streckte die breiten Schultern, um sich einmal mehr an dieses vertraute Gebilde aus Muskelmasse und Knochen zu gewöhnen, das er nun bewohnte. Dieses Bewusstsein, und damit dieser Körper, gehörten gegenwärtig ihm, und er war nun bis zum Morgengrauen Herr darüber.
Die Knöpfe des maßgeschneiderten Leinenhemdes, das er trug, standen offen, und der weiße Stoff hob sich hell schimmernd gegen die dunkler scheinende Haut seines wohlgeformten Oberkörpers ab. Er streckte die Hände aus und bemerkte, dass sie schmerzten. Ihm fiel die Axt am Boden auf, etwa einen Meter von ihm entfernt, die gehackten Holzscheite und die aufgeschichteten Zweige, frisch abgeschlagen von verdrehten Baumstämmen in der Nähe.
Ah ja, nun erinnerte er sich! Als der Bewusstseinsübergang eingesetzt hatte, waren sie gerade bei der Arbeit gewesen.
Er und Dane.
Zwei Facetten desselben Verstandes. Zwei Bewohner eines einzigen Körpers.
Und es war ein Körper, den die Frauen bewunderten, den sie begehrten und über den sie ins Schwärmen gerieten. Knapp zwei Meter groß, muskulös, mit breiten Schultern und schmalen Hüften. Der Kopf auf dem kräftigen Hals zeigte ein männliches Gesicht mit kantigem Kinn und markanter Nase und war von strubbeligen schwarzen Haaren gekrönt. Das Gesicht wies eine ausgeprägte Ähnlichkeit mit denen seiner Brüder auf. Und überdies wären seine Züge schon beinahe zu schön gewesen, um wahr zu sein, hätte es da nicht eine Besonderheit gegeben. Die Augen unter den geraden Brauen spiegelten die Umgebung in eisigem Silber wider und ließen ihn fremdartig erscheinen, und als stammte er nicht von dieser Welt. Was ja auch zutraf.
Durch den Stoff seiner Hose hindurch spürte er jenes Merkmal, das ihn wohl am meisten zu etwas Andersartigem machte. Eines, das er in diesen Nächten genoss. Liebevoll strich er mit seinem Daumen über dessen beachtliche Länge, als würde er eine Waffe schärfen, die präzise dazu geschaffen war, Lust zu bereiten und zu empfangen. Kräftig und stolz ragte seine Erektion bereits empor und ließ sich in seiner Hose kaum noch bändigen.
Dieser Schwanz, der ihnen beiden gehörte, symbolisierte den ganzen Umfang von Dantes Rolle. Er war das sexuelle Wesen – nur ein Aspekt des großen Ganzen, das Herr Dane Satyr darstellte. Er erschien immer dann, wenn lustvolles Verlangen in diesem Körper erwachte. Er genoss diese seine Rolle. Und Dane beneidete ihn darum. Gierte danach für sich selbst.
Ein Geräusch, das wie ein Schlag klang, drang an sein Ohr. Die Frau. Natürlich wusste er noch, dass sie hier war, denn mit einer kleinen Ecke seines Verstandes hatte er ihre Spur die ganze Zeit über verfolgt. Nun fand sein Blick sie wieder.
Sie bewegte sich ungezwungen durch den Hain, in dem Glauben, sie wäre allein. Hier und da hielt sie inne, um mit einem kräftigen Zug ein oder zwei unreife Oliven von einem Ast abzureißen, die sie sich dann an die Nase hielt und einsteckte, als würde sie Proben sammeln. Die Oliven waren frühestens in einem Monat reif genug, um gepflückt zu werden, deshalb wunderte er sich etwas über ihr Tun. Doch nur kurz, denn Neugier gehörte nicht zu seinen Schwächen. Dane allerdings besaß davon mehr als genug. Und man hatte ja gesehen, wohin sie beide das gebracht hatte.
In der Ferne hinter ihr berührte die Sonne gerade den Horizont: ein riesiger orangefarbener Ball hinter den Zypressen, die auf dem Hügel gegenüber in Reih und Glied standen und deren schwarze Silhouetten wie Gitterstäbe anmuteten, die die untergehende Sonne einkerkerten. In ihrem Licht wirkte die helle Haut der Frau wie Gold, die Schatten ihrer Züge ließen ihr Gesicht anmutig erscheinen, und ihr dunkles Haar erinnerte an schwarze Kohle. Sie trug ein hübsch geschnittenes Kleid nach der neuesten Mode in einem sittsamen Grauton, der gut mit den Bäumen hier harmonierte. Sie war wohl zwanzig Jahre alt, vielleicht auch ein wenig älter. Und gut gebaut.
Er lächelte. Sie befanden sich erst seit ein paar Wochen hier, doch diese neue Welt gefiel ihm schon jetzt. Viele Frauen aus den unterschiedlichen Völkern in der Anderwelt, die für gewöhnlich als Gespielinnen für seinesgleichen dienten, waren einer Krankheit zum Opfer gefallen, die sie entweder getötet oder ihnen die Fähigkeit geraubt hatte, Nachkommen von Satyrblut zur Welt zu bringen. Nur noch die Mitglieder des Rates genossen den Luxus, ihre eigenen Frauen haben zu können. Doch hier musste man die Frauen nur direkt vor der eigenen Haustür aufsammeln.
Seine Beute verschwand auf eine Lichtung, und er ging hinter ihr her und beobachtete sie. Sie hielt den Kopf gesenkt und betrachtete etwas, das sie in den Händen hielt. Ein kleines Buch. Mit einer Hand, die in einem Handschuh aus Spitze steckte, blätterte sie eine Seite um, und eine steile Falte erschien zwischen ihren dunklen Brauen, als sie die Stirn runzelte bei dem Versuch, im schwindenden Licht den Text zu entziffern.
»Also wirklich, Maman! Was soll ich mit diesem Gekritzel anfangen? Hättest du das nicht besser zustande bringen können, gerade etwas so Wichtiges?« Sie sah sich um und fächelte dabei in offensichtlicher Ungeduld das goldgeränderte Buch hin und her.
Er besaß eine natürliche Gabe dafür, sich lautlos und unbemerkt fortzubewegen – ein Talent, das durch ein Jahrzehnt Training und Felderfahrung als Tracker in der Anderwelt noch verbessert worden war. Und so bewegte Dante sich geräuschlos in ihre Richtung, fest entschlossen, ihr den Weg zur Straße abzuschneiden. Sie wusste es zwar nicht, aber sie war hier gerade im passendsten Moment aufgetaucht. Die Nacht brach herein. Eine ganz besondere Nacht für jene von Danes Art. Sobald der Mond aufging, würde es beginnen.
Er ließ seinen Blick kurz prüfend über den Hain schweifen. Er war geschützt. Dane persönlich hatte die Umgebung erst heute Morgen mit Schutzzaubern belegt. Sollten Menschen diesem Ort zu nahe kommen, würden sie sich von Kräften abgeschreckt fühlen, die sie nicht verstanden. Da diese Frau es geschafft hatte, dennoch hier einzudringen, konnte er nur annehmen, dass sie von Anderweltblut sein musste.
Erneut betrachtete er sie. Sie war schlank, aber wohlgeformt. Eine Fee vielleicht. In dieser besonderen Nacht würde auch ihr Blut in Wallung kommen, wenn auch nicht so sehr wie das des Satyrs. Nicht so sehr wie sein eigenes. Wenn man nur zehn Stunden im Monat lebte, war man verständlicherweise besonders begierig.
Ein leichter Windstoß streifte seinen Rücken und rauschte hinter ihm durch Misteln, Betonien, Zichorien, Fenchel, Rosmarin und Safran, die dort auf dem Waldboden wuchsen. Er beobachtete, wie die Brise in Richtung der Frau wehte und seinen Duft mit sich trug.
Als der Windhauch ihre Röcke bauschte und Strähnen ihres Haars aufwirbelte, erstarrte sie in ihrer Bewegung – wie ein Waldgeschöpf, das plötzlich und intensiv Gefahr wittert. Ihre Augen wandten sich in seine Richtung, zwei smaragdgrüne Blitze. Seine Augen wurden schmal, und er lächelte, erfreut über das, was er in ihrem Blick gelesen hatte. Erkennen. Nur Wesen aus der Anderwelt konnten einander am Duft wahrnehmen. Diese Bestätigung seiner anfänglichen Vermutung ließ das Blut ein wenig schneller in seinen Adern pochen. Eine Frau aus seiner eigenen Welt versprach ein weit interessanteres Zusammentreffen als eine menschliche Frau.
»Dies ist Privatgrund.« Er trat aus den Schatten des Waldes auf die kleine Lichtung, auf der sie stand. Sie fuhr herum, und ihre Röcke wirbelten das Laub um sie herum auf. Er blähte die Nasenflügel und wartete darauf, dass der Windhauch ihm ihren Duft zutragen würde. Schon bald würde er wissen, um welche Art Wesen es sich handelte.
Als ihr Duft ihn erreichte, umfing ihn die feine, köstliche Wahrnehmung wie eine liebkosende Berührung. Seine Sinne analysierten die Nuancen und verglichen sie mit den ihm bekannten, und ein Prickeln der Erkenntnis lief ihm über die Haut. Sein Körper kam zu einer verblüffenden Schlussfolgerung, was ihre Abstammung anging, nur den Bruchteil einer Sekunde, bevor sein Verstand es registrierte. Er konnte förmlich spüren, wie seine Augen sich weiteten, sein Herz kurz aussetzte und das Blut in seinen Adern stockte.
»Götter, wer … was bist du?«, fragte er.
Auf der Stelle verharrend, starrten sie sich einfach gegenseitig an, mit nichts als einem Dutzend Metern Waldboden und schockiertem Schweigen zwischen ihnen. Selbst die Luft um sie herum schien den Atem anzuhalten.
Dann wirbelte sie auf einem elegant beschuhten Fuß herum und flitzte los. Sie entwischte ihm!
So plötzlich, wie es ausgesetzt hatte, begann sein Blut wieder, zu pochen und heiß und ekstatisch durch seine Adern zu strömen. Seine Jagdinstinkte waren voll erwacht, und mit Leichtigkeit bahnte er sich seinen Weg durch den Wald von Danes Ahnen, als er in einem schrägen Winkel auf sie zulief. Ihre Röcke verfingen sich im dichten Unterholz und ließen sie langsamer werden, was ihm zugutekam.
Er ließ eine Hand vorschnellen und bekam sie vorn um die Taille zu fassen, zog sie mit dem Rücken an sich und raubte ihr damit den Atem. Im Gegensatz zu ihm war sie zart, ihr Rücken ließ sich leicht von seinem breiten Brustkorb umschließen. Ihre üppigen Hüften drückten gegen seine harten Oberschenkel. Ihr Haar strich seidig an seinem Hals entlang.
Der ganze Wald schien zu verstummen, als er sie an sich zog. Er neigte seinen Kopf und vergrub sein Gesicht in ihrem Haar, tief ihren Duft einsaugend. Sie fühlte sich so richtig an – sie passte so perfekt –, und das erschütterte ihn bis ins tiefste Mark.
»Wer bist du?«, fragte er wieder.
»Niemand. Ich bin niemand.«
Lange Momente vergingen, und sie waren allein im Universum, ineinander verschlungen, wie eingehüllt in einen Kokon. Die Vögel verstummten, doch sein Blut sang. Die sanfte Melodie eines nahen Baches schwand dahin, doch ihre Herzen schlugen heftig. Sein kräftiger Körper erschauderte unter einer Welle der Lust. Seine Hoden zogen sich zusammen, sein Schwanz wurde steif, all seine Sinne stellten sich auf sie ein.
Er fühlte, wie Dane sich irgendwo in ihm rührte, wie jemand, der sich im Schlaf umdreht. Ihre Anziehungskraft war so stark, dass sie sogar ihn erreichte. Wer ist sie?, flüsterte Dane, doch auch seine Frage blieb unbeantwortet.
Dante drängte ihn vorsichtig tiefer in ihr gemeinsames Unterbewusstsein, wo er bleiben musste, bis diese Nacht vorüber war. Er hatte Dane die letzten dreizehn Jahre beschützt und sah keinen Grund, jetzt damit aufzuhören. Nicht solange in dieser Welt noch immer Gefahr für sie bestand.
Unter seiner Handfläche fühlte er das feste Mieder unter ihrem grauen Seidenkleid. Er überlegte, wie er sie auf kürzestem Wege dazu bringen konnte, dass sie ihm gestattete, es auszuziehen. »Hab keine Angst vor uns! Wir sind wie du.«
»Wir?« Sie schüttelte den Kopf und zerrte an den Händen an ihrer Taille, widersetzte sich der Anziehung, die er auf ihre Person und ihre Sinne ausübte. »Wovon sprechen Sie, Monsieur? Ich bin nur versehentlich hierhergekommen auf meiner Suche nach Blumen als Tischschmuck für heute Abend. Ich wusste nicht, dass das Haus bewohnt ist. Wenn Sie mich bitte gehen lassen – mein Fuhrwerk ist gleich dort drüben.« Sie deutete in Richtung der Straße, zog dann den Arm zurück und rammte ihm die Spitze ihres Ellbogens in die Rippen, während sie versuchte, sich loszureißen.
Er runzelte verblüfft die Stirn und konnte gar nicht begreifen, dass sie ihn offenbar nicht wollte. »Warum wehrst du dich?«, raunte er mit verführerischer dunkler Stimme in ihr Haar. »Die Nacht kommt, und mit ihr der Ruf des Vollmonds.«
Sie schnappte nach Luft und wandte sich ihm ruckartig zu. Ihr Blick wirkte misstrauisch, doch in den Tiefen ihrer Augen flackerte Erkenntnis auf.
Mit dem Rücken seiner Finger fuhr er über ihre bleiche Wange. »Du weißt, wovon wir sprechen«, bezichtigte er sie sanft. »Von der Veränderung, die über uns kommt, wenn die Sonne untergeht.« Jedes seiner Worte war mit einem Zauber behaftet, einem Lockmittel, um ihre Sinne einzulullen.
»Nein.« Sie schüttelte den Kopf, als wollte sie damit seine Berührung abschütteln, seine Bezauberungen und seine Absichten ihr gegenüber. Er fühlte, wie ihre Magie mit seiner eigenen um die Vorherrschaft rang, und ein lustvoller Schauer jagte durch seinen Körper. Doch innerhalb von Sekunden hatte seine Magie sich in ihr Bewusstsein geschlichen und beeinflusste sie sichtbar. Ihr Körper war noch immer halb abgewandt, doch sie hatte sich entspannt und war nicht länger im Begriff, zu fliehen. Ihre Miene war weicher geworden, und ein Anflug von Röte überzog ihre Wangen. Ihre Finger hoben sich und strichen leicht über ihre Lippen, dann sanken sie hinab an ihr Mieder und fuhren ruhelos an der Linie ihres Ausschnitts entlang.
»Götter!«, flüsterte er. »Jedermann dachte, Wesen wie du seien nur ein Mythos.« Er strich eine Haarsträhne hinter ihr Ohr zurück und betrachtete jede Nuance ihres ihm zugewandten Gesichtes, während er über sie nachdachte. Wer sie war. Warum sie hierhergekommen war.
»Ich bin eine Fee«, protestierte sie schwach.
Er lachte leise in sich hinein. »Kleine Lügnerin!«
Dane mit seinem unstillbaren Wissensdurst würde Fragen an sie haben, wenn sie sich mit dem Anbruch des nächsten Morgens trafen. Sollte er dann ruhig Antworten finden. Doch diese Nacht galt dem Vergnügen. Seine Handfläche lag warm an ihrer Wange, als er einen Beruhigungszauber sprach.
»Bleib!«, raunte er. »Bleib heute Nacht bei uns!«
Ihr Wille, gegen ihn – und gegen ihre eigene Natur – anzukämpfen, geriet ins Wanken. Ihre Schultern gaben nach, und ihre Arme wurden schlaff. Etwas traf seine Stiefelspitze: ihr kleines Buch. Ihr Kopf sank nach hinten an seine Schulter, und er fühlte, wie ihr Körper sich weich an ihn schmiegte. Als er ihre Lippen an seinem Hals spürte, wusste er, dass er sie gewonnen hatte. Aber es war noch nicht genug, sie mit magischer List zu umwerben. Er wollte, dass sie sich mit Leib und Seele nach ihm sehnte, und er würde nicht eher zufrieden sein, als bis sie ihn darum anflehte, sie auszufüllen. Er führte ihre Finger an die Verschlüsse ihres Mieders und half ihr dabei, die ersten davon zu öffnen.
Plötzlich überkam ihn eine merkwürdige Taubheit, und seine Finger begannen, herumzutasten, seine Bewegungen wurden unkoordiniert und unsicher. Sein Griff um ihren Körper lockerte sich. Nicht weil sie erneut einen kläglichen Versuch unternommen hätte, ihn abzuschütteln, sondern wegen … etwas anderem. Etwas stimmte nicht.
Dante fühlte, wie er schwankte, und sein Bewusstsein erbebte wie die Oberfläche eines Teiches, die aufgewühlt wurde und Wellen schlug. Seine Hände fielen von ihr herab, als der Schatten einer anderen Präsenz sich in sein Bewusstsein drängte. Dane? Nein, das konnte nicht sein! Und doch war es so.
Aber noch nie zuvor war Dane während einer sinnlichen Begegnung wieder zum Vorschein gekommen. Es war nicht sicher für ihn. Was, wenn sie wiederkamen und ihn an diesen furchtbaren Ort zurückschleppten? Er war schon einmal deshalb in einer Irrenanstalt gelandet. Das nächste Mal würde es ihn vielleicht töten. Das konnte Dante nicht zulassen! Dane zu beschützen war alles, wofür er lebte.
Weißt du denn nicht mehr, wie es war … vorher?, warnte Dante ihn. Ist dir deine geistige Gesundheit so unwichtig? Du musst dich verborgen halten! Schlafe!, flüsterte er ihm zu.
Verschwinde aus meinem Kopf, verdammt noch mal!, stieß Dane hervor. Ich brauche dich nicht!
Fassungslos konnte Dante nur mit nutzlos herabhängenden Armen dastehen, während er immer weiter verblasste und unaufhaltsam seinen Zugriff verlor auf …
Dane sog scharf die Luft ein und ließ damit seine eigene Seele in seinen Körper zurückströmen. Sein Bewusstsein, die wesentliche Essenz seines Daseins, floss zurück in seinen Körper wie Wein in einen Kelch. Er war wieder er selbst. Allein in seiner Haut.
Er öffnete die Augen, blinzelte anfangs, während er die Welt um sich herum sah, als wäre er unter Wasser. Als würde er ertrinken. Einen Augenblick lang war er orientierungslos, seine Sicht verschwommen, und er verlor beinahe das Gleichgewicht, bevor es ihm gelang, sich wieder aufzurichten. Seine Hände fanden einen Halt. Eine Frau.
Sie stand mit dem Rücken an ihn gelehnt, ihr Körper bildete eine warme, nachgiebige, süße Last in seinen Armen. Seine Handflächen fuhren ihre Rippen entlang und strichen über die Rundungen ihrer Taille und ihrer Hüften. Irgendwie wusste er, dass er sie festhalten musste – so, als wäre sie die Verbindung zu seinem Bewusstsein. Zu seiner Rettung.
In unzusammenhängenden Lichtblitzen kehrte die Umgebung in sein Blickfeld zurück. Er befand sich noch immer in dem Hain. Das Letzte, woran er sich erinnern konnte, war, dass er dort gearbeitet hatte, hier auf seinem neu erworbenen Grundstück. Er hatte Weinreben abgehackt, damit sie die Bäume nicht erstickten.
Und dann war dieser Bastard Dante aufgetaucht. Er hatte die Kontrolle über ihn übernommen, über sein Bewusstsein und seinen Körper. Wollte beides benutzen, um an seiner Stelle die ganze Nacht lang zu vögeln. Und behauptete auch noch, es wäre alles zu Danes eigenem Besten – so wie jeden Vollmond. Doch diesmal hatte Dane den Bastard daran gehindert!
Wie er das gemacht hatte, war allerdings die große Frage. Es hatte irgendetwas mit ihr zu tun, mit dieser Frau, die unerklärlicherweise hier mit ihm in der nahenden Dunkelheit stand, den Kopf an seiner Brust, mit ihrem wundervollen Körper, der sich widerstandslos seiner intimen Erforschung hingab.
Ihr blassgraues Mieder war teilweise aufgeknöpft und enthüllte die Rundungen voller weißer, perfekt geformter Brüste. Für diesen Teil des weiblichen Körpers hatte er schon immer eine besondere Zuneigung empfunden. Wie in einem Traum sah er seine Hand unter den Stoff gleiten und die feinen Goldkettchen aufnehmen, die sie trug. Ihre Brust war kühl und fest unter seinen Fingern. Er fand eine rosige Brustwarze und reizte sie, indem er mit den kühlen Metallgliedern immer wieder darüberstrich, bis sie sich hart aufrichtete.
Sie stöhnte und berührte sein Handgelenk, während ihre Schenkel sich rastlos an seinen rieben. Sein Schwanz wurde steif, und er keuchte auf, als die Empfindungen ihn fast in die Knie gehen ließen. Seine Hand fand die beachtliche Länge seiner Erektion und ergriff sie durch den leichten schwarzen Wollstoff, der kaum noch standhielt.
Er war steif. Er. Nicht Dante. War. Steif.
Noch nie zuvor in seinem Leben hatte er den heißen Schauer seiner eigenen Erektion erfahren. Drängend drehte er sie zu sich herum, halb fürchtend, dass sie vielleicht auch nur ein Geist war und dahinschwinden würde. Sie war hübsch, mit rabenschwarzen Wimpern und Haaren und leicht geröteten Wangen. Sein Schwanz stand dick und hungrig zwischen ihnen und zuckte voller Begierde, sie zu kosten. Es war ein Geschenk, ein Wunder, das von dieser betörenden Fremden ausging.
Sein Arm neigte sich über ihren Rücken, und seine Hand glitt an ihren Nacken und hielt sie, während sein Mund sich auf ihren senkte. Ihre Finger fuhren durch sein Haar, als sie seinen Kuss erwiderte. Sie schmeckte nach Magie.
Er atmete ihr Aroma ein und stellte fest, dass sie stark nach Anderwelt duftete. Seine geschärften Sinne gingen das Spektrum an Aromen in diesem Duft durch wie die Farben eines Regenbogens. Ungewöhnlich komplex – ein Hauch von Zitrus und Würze, ein Anflug von Feenzauber und ein aufregendes Gewirr anderer Düfte. Doch schließlich war er ein Tracker, und bald würde er die genaue Mischung dieser Nuancen kennen.
Sekunden später zuckte sein Kopf zurück. Er packte sie an den Schultern und starrte sie fassungslos an.
»Du bist … Nein, das ist nicht möglich …« Doch ihr Duft war eindeutig. Sie war Satyr – wie er. Noch nie in der Geschichte hatte es eine Frau seiner Art gegeben!
»Was bist du?«, fragte er und schüttelte sie leicht. Er musste hören, dass sie es eingestand.
Schläfrige Augen in der Farbe von Frühlingsklee erwiderten seinen Blick. »Ich bin Leere. Verlangen.« Sie erhob sich auf die Zehenspitzen und rieb ihre Lippen an seinem Mund. »Füll mich!«, flüsterte sie.
Sein Hunger wallte auf und ließ ihn alle Zurückhaltung vergessen. Drängend presste er sie mit dem Rücken gegen den Stamm eines jahrhundertealten Olivenbaums, der einst von seinen Ahnen hier gepflanzt worden war, und umschloss sie mit seinem kräftigen Körper. Seine Hände glitten über ihre Taille, ihren Oberkörper, ihre Brüste und machten sich mit ihren Formen vertraut.
»Ja, wir werden tun, was unseresgleichen heute Nacht tun muss«, raunte Dane an ihren Lippen, und seine Stimme klang rauh vor Verlangen. »Aber wenn der Morgen dämmert, wirst du meine Fragen beantworten!«
»Oui, Monsieur«, hauchte sie, und ihr Blick war dunkel vor Leidenschaft und doch seltsam ausweichend.
Sie wollte ihn, ob aus angeborener Sehnsucht heraus oder aufgrund Dantes Magie – das wusste er nicht, und es war ihm auch nicht mehr wichtig. Er führte ihre Hand tiefer zwischen ihre Körper an seine enorme Erektion, die seine Hose zu sprengen drohte, und begann dann mit seiner Hand, die Verschlüsse zu öffnen. Sein Schwanz schnellte aus seinem wollenen Gefängnis und schmiegte sich direkt in ihre warme Handfläche.
Ein raubtierhaftes Knurren drang aus seiner Kehle, als sie seinen Schaft ergriff, mit Fingern, die seinen Umfang kaum ganz erfassen konnten. Durch gesenkte Wimpern hindurch funkelten seine silbrigen Augen erregt, als er ihr Gesicht betrachtete, während er seine Hüften zurückbog und damit seine Männlichkeit in einem langen lustvollen Zug in ihrer Hand bewegte. Dann stieß er seine Hüften vorwärts und zog sich erneut zurück, so dass die Umklammerung ihrer Hand in voller Länge über seinen Schaft rieb, bis sie schließlich seine Eichel hielt.
Sein ganzer Körper erschauderte heftig unter dem lustvollen Reiz. Bis zu diesem Augenblick hatte er noch nie das Pochen seiner Männlichkeit unter der erotischen Berührung einer Frau gefühlt – oder das genussvolle Brennen der ersten Lusttropfen, die sich auf seiner Eichel sammelten. Dinge, die für andere Männer von Potenz selbstverständlich waren. Sie fand die Samenperlen und verrieb sie mit ihrem Daumen. Ihre Augen weiteten sich, als ob all das auch für sie neu wäre. Mit verruchtem Wagemut, der so gar nicht zu ihrer unschuldigen Miene passen wollte, hob sie den Daumen an ihre Lippen und kostete ihn.
Als hätte sie damit die Lunte an einem Pulverfass entzündet, explodierte seine Leidenschaft. Mit einer Hand ergriff er ihre beiden Handgelenke und drückte sie über ihrem Kopf gegen die glatte silbrige Baumrinde. Ihre Brüste hoben sich aus der Öffnung in ihrem Mieder und reizten ihn mit jedem ihrer Atemzüge.
Ein bestrumpfter Schenkel glitt zwischen seinen Beinen hinauf und rieb sanft neckend an seinen Hoden. »S’il vous plaît!«, flüsterte sie.
»Götter, ja!«, stieß er hervor. Er drückte seinen Mund auf ihren und teilte ihre weichen Lippen. Seine Zunge drang in ihren Mund ziemlich genau so ein, wie sein Schwanz schon bald ein anderes Paar Lippen spreizen und in eine andere weibliche Öffnung eindringen würde. Mit seiner freien Hand schob er ihre Röcke nach oben.
Zu jeder anderen Zeit hätte er weniger hastig gehandelt. Doch es war Vollmond, und der Drang, sich in sie zu versenken, hämmerte in ihm, stärker als das Schlagen seines Herzens oder das Arbeiten seines neugierigen Verstandes. Obwohl sein Körper seit seinem achtzehnten Lebensjahr unter jedem Vollmond die sinnlichen Rituale der Vereinigung beging, erinnerte er sich an kein einziges Mal. Doch heute Nacht hatte er Dante bezwungen. Dieses Mal würde er sich an das erinnern, was er tat.
Er schob ihre zarte Unterwäsche beiseite. Und als er seinen begierigen Schwanz zwischen ihre Beine führte, bewegte sie sich leicht und öffnete sich für ihn. Fleisch traf auf Fleisch, ihr Atem kam stoßweise, und ihr erstickter verlangender Aufschrei löste eine lustvolle Woge männlichen Verlangens in ihm aus, die seinen Schaft an ihrer feuchten Scham entlangreiben ließ. Zielsicher fand er ihr heiß pochendes Zentrum, schmiegte sich an sie und ließ sich vom Nektar ihrer Leidenschaft benetzen. Ihre Blicke trafen sich und hielten einander fest …
Hoch über ihnen raschelten die Blätter der Bäume im leichten Wind und teilten sich, um Platz für den unverwandten Blick des Mondes zu machen, der ebendiesen innigen Moment wählte, um sie zu betrachten. Sein Licht liebkoste die ineinander verschlungenen Körper und sandte ihnen seinen Ruf.
»Süße Höllen!« Scharf sogen Danes Lungen die Luft ein, als diese neue göttliche Gebieterin die Herrschaft über ihn ergriff und befahl, dass er sie ehren sollte in der Art, wie seine Ahnen es getan hatten. Sie verlangte, dass er die Wandlung durchlebte, dass er die Rituale beging, wie es in dieser Nacht von allen Satyrn gefordert war. Er hob sein Gesicht ihrem Licht entgegen und stöhnte auf – ein dunkler, sinnlicher Laut, der durch die exotische, samtweiche Nacht drang.
»Bitte!«, erklang ein drängendes Flüstern. Die Frau aus Fleisch und Blut in seinen Armen.
Doch nun war er im Banne des Mondes gefangen und konnte nur warten und fühlen, wie er in Mondlicht getaucht wurde und die Wahrnehmung sich in seinem Körper ausbreitete, vom Gesicht über seinen Hals, seine muskulöse Brust, Rippen und schließlich seinen Bauch. Unter dem Stoff seiner Hose spross weicher flaumiger Pelz auf seinen Oberschenkeln und Waden, so fein, dass er kaum sichtbar war. Doch dies markierte den Beginn der Wandlung, die ihn – zumindest für jene, die in dieser Welt zu Hause waren – zu etwas Abartigem machen würde, wenn sie es denn wüssten.
Noch nie hatte Dane die Wandlung bewusst erlebt, und so gierte er nun danach wie ein Verhungernder. Immer weiter steigerte sich sein Verlangen. Gleich, wenn der Griff des Mondes ihn wieder freigab, würde er die Frau in seinen Armen herumdrehen. Er würde ihre Röcke hinten heben und sich an ihre beiden Öffnungen schmiegen. Denn wenn der Ruf des Mondes sich erst durchgesetzt hatte, würde er eine andere Art der Vereinigung mit ihr brauchen – eine zweifache.
Ein Stöhnen drang von ihren Lippen, die rosig und feucht von seinen Küssen waren – so, als hätte sie seine Gedanken gelesen.
Plötzlich verhärtete sich sein Unterleib in einem brutalen Krampf, der ihn vollkommen unvorbereitet traf. Er griff sich an die Bauchgegend. Die andere Hand ließ ihre Handgelenke los und ballte sich an der Baumrinde zur Faust. Lange Augenblicke vergingen, während er von einer Lust gepeinigt wurde, die so durchdringend war, dass sie fast schon schmerzte.
Ihre Arme, die nun frei waren, sanken langsam zu ihren Seiten herab. In ihren schönen klaren Augen sah er Furcht aufsteigen. Vor ihm oder vor sich selbst? Er runzelte die Stirn. Hatte Dante sie tatsächlich irgendwie mit einem Zauber belegt? War das der Grund, warum sie so willig gewirkt hatte?
»Gehen Sie weg! Lassen Sie mich gehen!« Ihre Stimme zitterte.
Mit seinem Körper hielt er sie noch immer fest an den riesigen alten Baumstamm gedrückt. »Hast du denn noch nie gesehen, wie ein Mann deiner Art die Wandlung durchlebt hat?«, stieß er hervor.
Sie presste ihre zitternden Hände flach gegen seine Brust. »Nein! Ich weiß nicht, wovon Sie da reden. Ich …«
»Es beginnt in mir, hier und jetzt«, unterbrach er ihre kläglichen Versuche, zu leugnen. Er ergriff ihre Hand und drückte sie auf seinen Unterleib hinab, so dass sie die harten verkrampften Muskeln dort spüren musste. Und die Wahrheit nicht leugnen konnte: Er war ein Mann ihresgleichen, und sie wusste es.
Sie zögerte, und er kämpfte gegen das drängende Verlangen an, dort weiterzumachen, wo er aufgehört hatte und sich in sie zu rammen, gleich, ob sie wollte oder nicht.
»Du wirst dich nicht genauso verändern wie ich heute Nacht, doch du musst etwas fühlen! Als du achtzehn Jahre alt wurdest, hast du nicht …«
»Nein!« Sie riss ihre Hand los und kämpfte gegen ihn an, sie leugnete, was er im Begriff zu sagen war. »Ich bin nicht wie Sie!«, rief sie.
Doch bevor er sie der Lüge bezichtigen konnte, wurden seine Finger plötzlich ungelenk und seine Bewegungen unkoordiniert. Er streckte sie und versuchte, die Taubheit abzuschütteln. »Nein … Götter, noch nicht! Nicht jetzt!«
Dante war zurückgekehrt. Und er wollte diese Frau für sich selbst.
So muss es sein!, flüsterte die Stimme in seinem Kopf.
Dane verzog das Gesicht zu einer Grimasse, während er Dantes Übernahme mit aller Kraft seines Wesens bekämpfte. Und doch wusste er, dass es vergeblich war. Er betrachtete die Frau vor sich eingehend und versuchte, sich jeden ihrer Züge einzuprägen. Die Gewissheit, dass er nicht in der Lage sein würde, zu beenden, was er mit ihr angefangen hatte, kam einer bitteren Pille gleich. Doch er würde sie wiederfinden, später, das schwor er sich. Bis dahin musste sie beschützt werden. Irgendwie.
»Was ist los mit Ihnen?« Dane sah, wie ihre Lippen sich bewegten und die Worte formten, doch sie klang weit entfernt, als würde sie ihm entgleiten. Sie starrte ihn mit weit aufgerissenen ängstlichen Augen an. Nun ja, nicht direkt ihn. Sie schien um ihn herum zu blicken – links, rechts, über seinen Kopf –, doch nicht direkt auf ihn.
»Bleib! Du wirst mich schon bald brauchen, zwischen deinen Schenkeln«, murmelte er.
»Nein! Ich kann nicht.«
Doch sie wollte. Das konnte er in ihrem Gesicht sehen. »Bleib!«, bat er wieder mit rauher Stimme. »Und sei es nur, weil du meinen Schutz brauchst. Wegen dem, was du bist. Vor denen, die dir Schaden zufügen wollen …«
Sie wich zurück und schüttelte den Kopf. Sie verleugnete ihn, sich selbst und das, was sie war.
Schmerz fuhr wie ein Blitz durch seinen Kopf. Er taumelte und suchte am nächsten Baumstamm Halt. Wie lautet dein Name?, fragte er verzweifelt, doch seine Worte waren lautlos. Er verlor sie. Er verlor sich selbst.
Er presste die Fingerknöchel an seine Stirn und versuchte, den Eindringling zurückzudrängen. Doch es war zwecklos. Er fühlte, wie er versank und sein Bewusstsein ihm entglitt wie Wasser bei Ebbe. Er konnte nicht standhalten … wurde verdrängt von …
Dante hatte wieder die Kontrolle. Er schwankte leicht und schauderte kurz, bevor er rasch sein Gleichgewicht wiedererlangte. Er hatte Schmerzen. Seine Hand glitt an seinen Bauch und ertastete dort die harten geballten Muskeln. Mit Einbruch der Nacht war die Luft im Hain kühler geworden. Und der Mond war erschienen und badete ihn nun in seinem wundervollen Licht – und sinnlichem Verlangen.
Wo war die Frau? Er hob den Blick und sah sie. Sie hatte ihn und seine Zauber abgeschüttelt und sich von ihm entfernt. Sie war weit genug weg, um ihm zu entwischen, in seinem derzeitigen geschwächten Zustand, während die Wandlung ihn überkam.
Wie hypnotisiert sah sie voller Faszination zu, wie seine Finger über seinen Bauch strichen. Die zunehmende Dunkelheit überschattete die Lücke, die vorn in seiner Hose aufklaffte, und sie konnte nur raten, was darin gerade vor sich ging. Die widerstreitenden Gefühle waren leicht auf ihrem Gesicht abzulesen. Sie hatte Angst, noch länger hier mit ihm zu verweilen, doch sie konnte sich auch nicht dazu durchringen, zu gehen.
Er strich mit der Hand über seine Männlichkeit. »Komm her!«, lockte er sanft. Er stand zwischen ihr und der Straße, und er hoffte, das würde ausreichen, um sie davon abzuhalten, sich zu entfernen, während er die Wandlung durchmachte.
Sie wich weiter zurück und schüttelte den Kopf. »Wie können Sie es wagen, Ihre Zauber auf mich anzuwenden!«
Er hob eine Augenbraue. Sein Blick war unverwandt auf sie gerichtet, seine Stimme ruhig. »Du bist feucht für uns, und das nicht wegen irgendwelcher Magie. Und trotz all deiner Beteuerungen bist du geblieben, um mehr zu bekommen.«
Doch er konnte ihre Antwort nicht hören, denn ein plötzlicher brennender Schmerz durchfuhr ihn, und er krümmte sich und stützte die Hände auf seine Oberschenkel, um nicht zu fallen. Ein Muskel an seinem Kiefer zuckte, und er stöhnte rauh auf, während er von einer ganzen Reihe Krämpfe geschüttelt wurde. Lange Momente vergingen, während er darauf wartete, dass der Schmerz nachließ.
Er fühlte, wie sie näher und näher schlich. Sie kam zu ihm! Er öffnete die Augen und sah sie vor sich kauern, zu seinen Füßen. Sie streckte ihre blassen Finger aus, und er fühlte, wie sie etwas unter seinem Stiefel hervor an sich riss.
Es gelang ihm, ihr Handgelenk zu fassen. Ihre Blicke trafen sich, und er runzelte die Stirn. »Warum bist du nicht davon betroffen?«
»Weil ich nicht bin, was Sie denken«, antwortete sie. Sie riss sich los. Er war schwach, zu schwach, um sie festzuhalten.
Und dann krabbelte sie fort von ihm und wirbelte das Laub in ihrer Eile, ihm zu entfliehen, auf. Sie hielt etwas umklammert. Das Buch. Das hatte sie vorhin fallen lassen. Es hatte unter seinem Stiefel gelegen, und sie war nur näher gekommen, um es sich zurückzuholen.
Wortlos wich sie wieder zurück und beäugte ihn dabei, als handelte es sich bei ihm um eine gefährliche Viper. Dabei presste sie das Büchlein an ihre Brust, als wollte sie damit ihr Herz daran hindern, herauszuspringen. Sie sah misstrauisch und unsicher aus, weil sie hier mit ihm allein war, doch gleichzeitig wirkte sie zutiefst fasziniert davon, Zeuge seiner Wandlung zu werden. So sehr, dass sie es nicht über sich bringen konnte, zu gehen.
Er richtete den Blick auf sie. »Geh nicht! Deine Natur zu verleugnen, wird nichts ändern. Du wirst uns schon bald brauchen, zwischen deinen Schenkeln«, äußerte er. Genau das, was Dane auch gesagt hatte.
Und dann kam das Mondlicht wieder über ihn, noch intensiver, und ließ alle Farbe aus seiner Haut weichen und steigerte seine lustvolle Sehnsucht fast bis ins Unerträgliche. Sein Rücken bog sich durch, und ein urtümliches Grollen – halb Lust, halb Schmerz – drang aus seiner Kehle und erschütterte förmlich die Blätter an den Bäumen, während die letzte körperliche Veränderung der Vollmondnacht in ihm stattfand. In silbernes Mondlicht getaucht, stand er da und fühlte, wie seine Arme sich weit ausstreckten und seine Hände sich zu Fäusten ballten. Sein Gesicht hob sich der schimmernden Scheibe am nachtschwarzen Himmel entgegen, um ihr zu huldigen.
Nur Augenblicke später war es so weit. Nun war er vollständig verwandelt und bereit, die Rituale der Nacht zu beginnen. Seine Hand schloss sich um den dicken Schaft, der aus seinen Lenden ragte, während die andere seinen eben erst entstandenen Zwilling umfasste, der sich nur ein paar Zentimeter darüber erhob. Der Vollmond hatte ihm diesen zweiten Schaft aus Muskeln und Sehnen beschert – diesen zweiten Schwanz, der aus seinem Bauch gesprossen war. Hoch und steif ragte er aus seinen Lenden empor und zuckte vor Begierde. Er strich mit seinen Händen die jeweils etwa fünfundzwanzig Zentimeter entlang und verrieb mit den Daumen die feuchten Lusttropfen, die sich auf beiden Spitzen gebildet hatten.
In der Ferne hörte er die Frau durch das Gestrüpp brechen. Gleich darauf vernahm er das Getrappel ihres Pferdewagens, als sie den Hügel hinabfuhr. Sie floh. Rannte vor ihm davon – und vor ihrem eigenen Verlangen. Sie war taub gegenüber allem, was er ihr vielleicht noch sagen wollte. Bevor er sich mit dem Morgengrauen wieder entfernte, würde er jede Erinnerung an sie aus Danes Gedächtnis tilgen. So wie er die Erinnerung an andere, weit grausamere Liebhaber aus seinem Gedächtnis getilgt hatte – damals, vor zwölf Jahren.
Instinktiv schlug er den Weg zu dem Tempel ein, der sich auf Danes Grundstück befand und den er direkt geradeaus vor sich schimmern sah. Weit unten im Tal konnte er den Schein der Lichter erkennen, dort, wo die Archäologen bis spät in die Nacht arbeiteten. Die Ausgrabungen im Forum gingen rund um die Uhr, Woche für Woche. Sie waren dabei, Relikte und Artefakte freizulegen, die schon seit Jahrhunderten dort verborgen lagen.
Und Geheimnisse.
Geheimnisse, die von Dane ferngehalten werden mussten.
Mit klopfendem Herzen kämpfte Mademoiselle Evangeline Delacorte darum, den schmalen Bronzeschlüssel in das Schloss des schmuckvollen schmiedeeisernen Tores zu bekommen. Eine schwierige Aufgabe, weil ihre Hände in den Spitzenhandschuhen so stark zitterten.
Ihr Gesicht war gerötet, wie im Fieber mit einer unseligen Krankheit, die sie regelmäßig und mit immer größerer Gewalt befiel. Menschliche Frauen in ihrem Bekanntenkreis beklagten sich wahrscheinlich in der Ungestörtheit ihrer Salons beim Tee mit Freundinnen über ihre monatliche Blutung. Sie hingegen musste Stillschweigen bewahren zum Thema ihrer eigenen, ungewöhnlicheren monatlichen Beschwerden, zu ihrer eigenen Sicherheit und zum Wohle derer, die sie beschützte.
»Odette? Pinot?«, rief sie und rüttelte mit wachsender Verzweiflung an dem Schlüssel im Schloss. Warum sperrte er denn nicht? Während sie sich panisch abmühte, sah der Mond am italienischen Himmel nur träge auf sie herab. Wie viel Zeit hatte sie noch? Fünfzehn Minuten? Zehn? Noch nie hatte sie die Zeit so knapp werden lassen. Direkt hinter dem Tor befand sich ein kleiner Garten und dahinter die Eingangstür ihres Stadthauses. Nur noch Augenblicke, bevor sie zusammenbrach.
Plötzlich zuckten Lichtblitze über den Himmel über ihr und barsten auseinander wie feurige Schneebälle. Sie fuhr heftig zusammen, und der Schlüssel fiel klirrend auf das Kopfsteinpflaster zu ihren Füßen.
Sie fluchte unterdrückt. »Muss denn jede Nacht irgendjemand Berühmtes in diese lächerliche Stadt kommen?« Sie bückte sich, schwang ihre Röcke beiseite und suchte den Boden rund um sie herum ab.
Schritte erklangen, und sie blickte beunruhigt auf. War ihr der Mann aus dem Hain gefolgt? Doch es handelte sich nur um eine Gruppe feiernder Menschen, die an ihr vorbeieilte auf dem Weg zu irgendeiner römischen festa. Jahrzehntelange Ausgrabungen auf dem Forum entlang der Via Sacra hatten eine zügellose Faszination für alles Mythologische ausgelöst. Die Leute waren kostümiert. Welche Ironie, dass sie sich genau als solche Wesen verkleideten, die sie und andere Übersiedler aus der Anderwelt mit so viel Mühe verborgen hielten!
Der einzige Bacchus in der Gruppe trug einen Kranz aus Olivenzweigen, an seinem Arm eine zarte Elfe. Sie wurden begleitet von einigen Mänaden, einer Fee mit Flügeln, die im schwindenden Licht glitzerten, und Venus, der römischen Göttin der Liebe. Auch ein falscher Satyr war dabei, kostümiert mit einer dunklen Halbmaske und einem Umhang. Ein großer bunter Phallus, der alle Blicke auf sich lenken sollte, ragte von der Schamkapsel, die er trug, in die Höhe.
Du wirst mich schon bald brauchen, zwischen deinen Schenkeln. Fröstelnd erinnerte sie sich an die Worte des Mannes im Hain. Götter! Wie hatte er es erraten, wenn es doch in all den zweiundzwanzig Jahren ihres Lebens niemand sonst erraten hatte?
Neben ihrem Fuß berührte ihre Hand Metall. Der Schlüssel. Als sie wieder aufstand, starrte ihr ein mürrisches Gesicht durch das gewundene Gitterwerk des Tores entgegen. Sie zuckte zusammen und legte eine Hand auf ihr Herz. »Odette! Du hast mich fast zu Tode erschreckt.«
Die Augen der Mulattin, erstaunlich blau im Kontrast zu ihrer kaffeebraunen Haut, wurden schmal. Sie besaß ein verblüffendes Talent dafür, Evas Geheimnisse aufzuspüren, schon seit diese ein Kind gewesen war. Würde sie auch erraten, was vor kurzem in dem kleinen Olivenhain auf dem Aventin vorgefallen war?
Doch Odette warf nur einen vielsagenden Blick auf den Mond.
Sie versuchte, das störrische Türschloss von innen her mit den Händen aufzubekommen, und als sie sprach, verfiel sie in das für sie übliche Kauderwelsch, bestehend aus einer Mischung ihrer Anderwelt-Muttersprache und einem undefinierbaren Dialekt aus dem italienischen Bergland. »Bist spät, Mademoiselle! Ich hab Pinot geschickt, dass er dich sucht«, sagte sie und bezog sich damit auf den kleinen Kobold, der ihnen als Kutscher, Hausdiener und Zuträger von Klatsch und Tratsch diente. »Hab mir schon Sorgen gemacht, dass de da draußen bist und tot im Tiber schwimmst wie die andern.«
»Offensichtlich nicht. Ich bin vorsichtig.« Eva rang die Hände. »Beeil dich bitte, ja?«
Endlich bewegte sich das Tor und schwang mit einem protestierenden Quietschen auf. Das Geräusch diente ihnen als willkommene Warnung vor Besuchern, daher hatten sie die Scharniere nie geölt. Endlich konnte sie in den Garten. Während Eva hineinstürmte, spähte Odette links und rechts die Straße entlang und beäugte die Leute, die dort flanierten, bevor sie das Tor wieder schloss. Sie hatte sich noch nicht ganz daran gewöhnt, dass sie nicht mehr in dem zwielichtigen Stadtteil in der Anderwelt wohnten, sondern nun eine respektablere Adresse auf dem Kapitol hatten, dem kleinsten der sieben Hügel Roms.
Odette warf das Tor mit einem Schlag wieder zu und kam unbeholfenen Schrittes hinter Eva her. »Wo biste gewesen?«, fragte sie misstrauisch.
»Ich bin nach der Landkarte in Mamans Buch zu dem Hain gegangen.« Eva hielt gerade lange genug inne, um Odette die paar Oliven aus ihrer Tasche in die Hand zu drücken.
»Is’ das alles, was de bekommen hast? Das reicht nich’ mal den Monat lang!«
»Ich hatte Glück, dass ich überhaupt so viel bekommen habe! Das Land ist wieder bewohnt«, rief Eva über die Schulter zurück, während sie durch den kleinen Garten auf das Tor zuhastete.
»Von wem?«
»Nicht jetzt.« Eva schüttelte den Kopf und nickte dann den beiden Mädchen zu, die barfuß und mit großen Augen in der Türöffnung standen. In ihren Nachthemden aus weißem Leinen sahen sie beinahe wie Geistererscheinungen aus. Natürlich waren sie keine Geister, doch ganz menschlich waren sie auch nicht.
»Mademoiselle! Du bist wieder da!«, rief die fünfjährige Mimi und hüpfte aufgeregt auf den Zehenspitzen herum. Neben ihr strich die achtjährige Lena nervös mit dem Ende ihres Zopfes über ihre Lippen – es sah aus, als würde sie an einem Pinsel knabbern.
»Vite, bebes! Kommt mit hinein – ihr alle!«, schalt Eva liebevoll. Sie bückte sich, um die beiden flüchtig zu umarmen, und nahm Lena sanft den Zopf aus dem Mund, während sie ihr beruhigend zulächelte. Dann lief sie an den beiden vorbei ins Haus.
Mit beiden Händen raffte sie ihre Röcke und rannte nicht eben damenhaft die Treppe hinauf. In jeder anderen Nacht hätte Odette sie dafür getadelt.