Konrad Beikircher: Heilije Knöchelcher

Konrad Beikircher ist nicht nur Kabarettist, sondern auch Experte für „heilije Knöchelcher“ – für Reliquien. Das finden wir spannend, und so treffen wir den gebürtigen Südtiroler in seiner heutigen Heimat Köln. Zum Reliquien-Gespräch.

 

 

Herr Beikircher, gibt es einen Heiligen für Kabarettisten?

(giggelt) Der heilige Jokus ... Hihi. Aber nein, für Kabarettisten gibt es keinen eigenen Heiligen! Das hat wohl damit zu tun, dass der größte Kabarettist, der je gelebt hat, bereits ein Heiliger war, der heilige Augustinus.

 

Der heilige Augustinus war ein Kabarettist?

Aber ja! Das sage ich ganz im Ernst und voller Hochachtung. Er zeigte, dass man kabarettistische Aussagen treffen kann, die über Jahrhunderte bleiben und mit denen man etwas verändern kann. Das gelingt  zeitgenössischen Kabarettisten leider nicht, die sind meist nur Durchschnitt. Der heilige Augustinus wurde von einem nicht christlichen Philosophen interviewt über Himmel und Hölle – dieses Gespräch ist uns zum Teil erhalten geblieben. Und der Philosoph fragte, wo denn diese Hölle sei, von der die Christen immer reden. Und Augustinus sagte: „Schauen Sie sich einfach um.“ Diese Antwort finde ich sensationell, tiefgreifend, philosophisch und – ja – kabarettistisch. Aber ich mag den Gedanken, dass es einen Heiligen für Kabarettisten geben könnte!

 

Und wir bräuchten natürlich eine passende Reliquie.

Die Zunge!

 

Oder ein Teil vom Gehirn?

Ja, dat ging auch! Denn Zungen von einigen Heiligen haben wir ja schon konserviert – jut, wie die Dinger heute in den Kästchen aussehen, dat wollen wir jar nicht wissen. Hauptsache, die Zunge ist da.

 

Sie haben sich gerade so schön an einen Satz erinnert – warum reicht vielen Leuten ein Satz nicht? Warum wollen sie eine Reliquie haben?

Wenn wir jetzt mal philosophisch werden wollen, dann liegt der Ursprung darin im magischen Denken. Ich glaube, dass der Mensch ein Bedürfnis hat, an Wunder und an das Jenseits zu glauben. Vom normalen Glauben angefangen bis hin zu den Esoterikern. Dieses magische Denken besagte, dass jeder Busch belebt war, dass jeder Stein, über den ich stolpere, von einem bösen Geist dorthin gelegt wurde. Die belebte Natur, jeder Berg ist eine Gottheit, jeder Quell sowieso. Und das ist noch ganz stark in uns drin. Reliquien sind Rituale zum Anfassen: Wenn ich den Busch anfasse, geht ein Teil seiner Kraft auf mich über. Wir hatten mal eine Putzfrau aus Ghana, die war noch ganz verwurzelt im Naturglauben. Und das war faszinierend, wie ihre Selbstheilungskräfte wirkten, wenn sie zum Beispiel Fieber hatte. Meine älteste Tochter lebt seit einem Jahr in Alaska, und ich habe eine Locke von ihr. Ich bilde mir ein, ein aufgeklärter Mensch zu sein, aber ich habe eine Locke von ihr und fühle mich so mit ihr verbunden.

 

Früher das Schweißtuch der Veronika, heute das Handtuch, mit dem sich Lady Gaga die Stirn wischt und das sie in die Menge wirft?

Ganz genau, das funktioniert immer noch. Elvis hat immer seinen Schal in die Menge geworfen, Udo Jürgens verschenkt manchmal seinen Bademantel nach der Show. Das mögen Menschen, und das sind Devotionalien. Da sind wir alle nicht aufgeklärt. Die christlichen Kirchen halten natürlich diese Tradition aufrecht, weil sie wissen: Das Volk braucht das. In Bonn gibt es die Helenenkapelle, uralt ist die. Und letztens kam der Meisner da  vorbei, und der hatte in seinem Reliquienschrank noch wat jefunden, wat er mitjebracht hat: einen Fingernagelvon der heiligen Helena, mit dem is er jekommen. In einem Reliquiar natürlich. Ein Riesen-Brimborium. Das funktioniert heute auch noch. Gut, vielleicht nicht mehr so wie vor 30 Jahren, aber es hat hohe Beachtung gefunden.

 

Wohin sind Sie denn schon gewallfahrtet?

Nach Ittenbach, da ist der Christophorus. Glaub ich zumindest, sonst bin ich zum falschen Heilijen jewallfahrtet.

 

Sie haben sich verwallfahrtet!

(lacht) Aber das hat die Kirche schon immer schlau gemacht, das Bedürfnis der Menschen nach etwas Fassbarem in Traditionen zu gießen.

 

Weihnachten und seine Symbolik zum Beispiel. Gibt es die Krippe Jesu eigentlich noch?

Aber sicher! Weihnachten hat aber noch viel kuriosere Reliquien. (kichert los, lacht)

 

Er lacht schon!

Dat darf man jar nich laut sagen. Aachen hat die Josefshosen!

 

 

Oho!

Ja, die werden immer noch alle sieben Jahre ausgestellt, soweit ich weiß. Das war Josefs Beinkleid, und in dieses Beinkleid wurde Jesus gewickelt. Man sagt also auch, dass es die Windeln Jesu sind. Um die Zeit Karls des Großen herum ist diese Reliquie nach Aachen gekommen. Natürlich gibt es immer wieder irgendwelche Historiker, die sagen, dass die Hosen nicht echt sind. Ich finde, dass das völlig egal ist. Genau so egal, wie ob in einer Kopfschmerztablette Traubenzucker oder ein medizinischer Wirkstoff ist: Wenn die Kopfschmerzen weg sind, sind sie weg. Und wenn ich ein frommes Gefühl habe und ein paar Tage lang zu meinen Mitmenschen christlich bin, weil ich die Josefshosen gesehen habe, dann ist das doch wunderbar. Es gibt aber noch eine wunderschöne Reliquie – dat muss ich aber auf Lateinisch sagen, falls Kinder das Interview hier lesen.

 

Bitte sehr, die Eltern können es sich ja heimlich übersetzen.

Es gibt das Praeputium Jesu.

 

Bitte? Sie scherzen.

Aber nein. 57 Kirchen weltweit behaupten, dass sie das heilige Praeputium Jesu haben.

 

Oha. Das ist rein körperlich nur schwer möglich.

Wunder kann man nicht addieren.

 

Den Satz notiere ich mir. Aber will man ein Praeputium wirklich verehren? Ich meine, ein Armknöchelchen – okay. Aber ...

Nee, da will man eigentlich nicht hinpilgern, gell. Dat ist schon eigenartig. Dat kann man sich ja gar nicht so umdrehen, dat dat schön ist. Gut, es wurde auch nie eine zentrale Reliquie, der heilige Rock in Trier hat eine ganz andere Bedeutung.

 

Sie als gebürtiger Südtiroler: Ist die alpenländische Frömmigkeit anders als die rheinische?

Ja. Die rheinische Frömmigkeit ist bauernschlau, das ist die alpenländische nicht. Die rheinische Frömmigkeit entspricht eher dem, wie man rund um Neapel glaubt. Da gibt es einen Witz, den man auch hier in Köln  erzählen könnte: Ein Fischer fährt aufs Meer raus, ein Gewitter zieht auf. Der Fischer merkt, dass er es nicht mehr rechtzeitig zum Ufer schafft, und betet: Heiliger Januarius, wenn du mich beschützt, dann spende ich Geld für die Armen. Es beginnt zu regnen. Er ruft: Heiliger Januarius, wenn du mich beschützt, dann gehe ich jeden Sonntag in die Kirche! Es beginnt zu hageln. Er schreit: Heiliger Januarius, wenn du mich rettest, dann soll mein Sohn Priester werden! Das Gewitter hört schlagartig auf, der Fischer rudert an Land und lacht glücklich: Ha, heiliger Januarius, jetzt hab ich dich aber drangekriegt. – Das ist typisch für die rheinische Frömmigkeit. Man macht ein Geschäft mit dem Himmel. Das ist in Westfalen völlig anders und in den Alpen auch. Im Gebirge sind Angst und Schutzsuche viel direkter, da wird man von der Natur stärker mit Gefahren konfrontiert. Die Frömmigkeit in den Alpen ist gar nicht so kaufmännisch wie die rheinische.

 

Aber Sie haben sich in Köln wohlgefühlt?

O ja, die Frömmigkeit hier ist ganz genau die meine. (lacht)

 

Für den unwahrscheinlichen Fall, dass Sie einmal zur Ehre der Altäre erhoben werden, Herr Beikircher ...

Wat heißt da „unwahrscheinlicher Fall“?!

 

Verzeihen Sie, also nehmen wir das mal an. Welchen Körperteil würde der heilige Beikircher denn gern als Reliquie zur Verfügung stellen?

Ich sage mal so: Ich bin der Ansicht, dass man ohnehin das Konzept ändern sollte. Man sollte in der Kirche davon wegkommen, verstorbene Heilige zu bemühen, man sollte hinkommen zum Konzept des lebenden Heiligen. „Santo subito“, das hatten wir ja schon bei Johannes Paul II. Ich fände es toll, wenn man schon zu Lebzeiten heiliggesprochen würde und dann eben auch entsprechende Vorteile hätte.

 

Die erste Reihe im Dom.

Ja, und einen festen Platz in der Straßenbahn.

 

Sie verwechseln das mit dem Ehrenbürger.

Nee nee, der Lebendheilige würde sich bemühen müssen, den Rest seines Lebens heilig zu leben – denn sonst würde er ja alles wieder abgenommen kriegen, und er würde wieder degradiert werden. Ich fände das eine spannende Variante. Aber was von mir würde sich als Reliquie eignen? Hm. Bauchspeicheldrüse geht nicht, weil ich Diabetiker bin. In der Leber hab ich auch so'n Zeuch. Wat nehmen wir dann da? Ah: die Kniescheibe. Ich bin sehr für die Kniescheibe. Ich helfe dann von der Ewigkeit aus bei Kniescheibenvorfällen.

 

 

Biografie

Auch wenn Konrad Beikircher perfekt Kölsch spricht, wurde er nicht in Köln geboren: 1945 erblickte er das Licht der Welt in Bruneck (Südtirol). 1965 kam er nach Bonn und studierte dort Musikwissenschaft, Psychologie und Philosophie. Er arbeitete als Gefängnispsychologe in Siegburg und wurde dann freischaffender Kabarettist. Er lebt heute in Bad Godesberg. 2012 wurde ihm das Bundesverdienstkreuz Erster Klasse verliehen.

Promis sind Menschen – 20 Stars vor dem Diktiergerät

Michael Defrancesco, Rhein-Zeitung

Published by: epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de

Copyright: © 2014 Rhein-Zeitung/Michael Defrancesco

ISBN 978-3-7375-0417-1

Peter Kraus: Sugar Sugar Peter

Mei, sieht der gut aus: Peter Kraus (75) lümmelt beim Interviewtermin in seinem Stuhl. Bein über der Lehne, spitzbübisches Lächeln im Gesicht. Der Alt-Rock'n'Roller ist schlaksig, bestens gelaunt. Ein Sugarsugarbaby.

 

 

Wenn man sich durch Ihre Biografie liest, ist das wie eine Zeitreise. Wo bewahren Sie Ihre ganzen Erinnerungen auf?

Das Immaterielle bewahre ich in meinem Herzen auf, für alles andere gibt es in Zürich ein Museum. Bei mir zu Hause stehen in der Garage nur meine Oldtimer, und an den Wänden hängen ein paar Bilder. Aber das war es schon. Das Gestern war wunderschön, aber ich möchte mir vor allen Dingen den morgigen Tag schön machen und nicht dem gestrigen Tag hinterhertrauern.

 

Aber ein paar Erinnerungen müssen wir gemeinsam aufpolieren, wenn Sie mögen. Was fällt Ihnen spontan ein, wenn ich „Johnny“ und „Das fliegende Klassenzimmer“ sage?

Ja, in dem Film hab ich gespielt. Das war sensationell, ich war damals 13 Jahre alt, als gedreht wurde, und ich war 14, als der Film ins Kino kam. In der Schule war ich der King, der Junge, der in einem Kinofilm mitgespielt hat. Die Lehrer forderten mich auf, ein Referat über das Filmgeschäft zu machen, was ich natürlich überhaupt nicht konnte. Und ich war bei den Lehrern endgültig unten durch, als ich mir von meiner Gage – ich bekam damals 1500 Mark – für 250 Mark ein knallrotes Rennrad mit zwölf Gängen gekauft habe. Und mit dem bin ich in die Schule geradelt, während die Lehrer noch mit ihren schwarzen Eseln gefahren sind – und die waren ganz schön neidisch und haben mir prompt schlechtere Noten gegeben. Da hab ich dann das Rennrad lieber wieder daheim gelassen und bin wieder mit dem alten gefahren.

 

 

Wundervoll! Gehen wir weiter, das nächste Stichwort laute „Sugarbaby“.

(lacht) Das ist meine Visitenkarte! Es ist ein Hit, und die Leute rufen mir auf der Straße nicht „Peter“, sondern „Sugarbaby“ zu. Das ist einfach so. Ich singe das Lied auch immer noch sehr gern, nicht, weil es so besonders gut wäre, sondern weil es einfach faszinierend ist. Schauen Sie, ich habe damals mit einer Stilrichtung begonnen, die damals verrucht war, und man war der Meinung, dass dieser Spuk bald vorbei wäre. Und heute glänzen immer noch die Augen der Menschen, wenn ich Rock'n'Roll singe! Ich bin 75, singe das Lied, und die Leute himmeln mich an. Das ist wie ein Märchen.

 

Welches Sugarbaby singen Sie an?

Oh, ich sehe die Sugarbabys bis zur zehnten Reihe im Konzert. Aber man darf sich da nicht eine einzelne Frau aussuchen, das geht nicht. Man muss immer das ganze Publikum ansingen. (schmunzelt) Ich singe das Lied jetzt auf der Abschlusstournee auch in einem neuen Gewand, das hat schon viel mitgemacht: Es gibt Bigband-, Swing- und A-cappella-Versionen – das Lied ist unverwüstlich.

 

Da passt doch das nächste Stichwort: Conny Froboess.

Sie hat mit mir den 75. gefeiert, da habe ich mich sehr gefreut.

 

Warum haben Sie immer noch freundschaftlichen Kontakt?

Weil wir kein Liebespaar waren. (lacht) Sie wollte zum Theater und eine respektierte Schauspielerin werden, ich wollte lieber Entertainer werden, Regie führen.

 

Eine weitere Erinnerung: Stichwort Heinz Rühmann.

Mit dem habe ich den „Pauker“ gemacht – da hätte ich gern weitergearbeitet an diesen Projekten. Das waren ja durchaus ernsthafte Filme. Aber dann kam meine Rock-'n'-Roll-Karriere und der dann entstehende Wunsch nach Musikfilmen dazwischen. Aber mein Ziel war es ursprünglich wirklich, interessante Filme zu drehen. Zum Rühmann persönlich können die Wenigsten etwas sagen, man hat ihn auch beim Drehen immer nur sehr selten zu Gesicht bekommen. Ich bin aber durchaus stolz, dass ich als junger Mensch, der noch keine abgeschlossene Ausbildung hatte, mit den Größten des deutschen Filmgeschäfts drehen durfte. Man könnte sagen, dass sie meine Schauspiellehrer waren: Gert Fröbe, Hans Moser, Heinz Rühmann, Hans Albers – mit denen durfte ich drehen.

 

Sie sagten eingangs, dass Sie eigentlich lieber auf den morgigen Tag blicken wollen: Wie schafften Sie das all die Jahre, mit der Zeit zu gehen?

In diesem Beruf kann man sich über 60 Jahre hinweg nur einen Namen bewahren, wenn man mit der Zeit geht. Sonst gehst du unter. Aber es ist nicht einfach.

 

Als Sie begonnen haben, gab es Schallplatten mit A- und B-Seite und Telefone mit Wählscheibe. Heute gibt es Smartphones und Facebook.

Ja, in Facebook bin ich heute auch.

 

Sie schreiben selbst?

Aber natürlich.

 

Sie malen heute in Ihrer Freizeit, Sie haben einen Weinberg: Wie passt das mit Ihrem Rock'n'Roll im Blut zusammen?

Für mich ist Rock'n'Roll ein Lebensgefühl, eine Hymne an die Jugend: „Nehmt euer Leben selbst in die Hand!“ Damals in den 50ern hat die Mama für alle gekocht, und der Papa hat den Kindern gesagt, was sie zu tun und zu lassen haben. Auch noch mit 19 Jahren, die lebten einfach brav unter der Obhut der Eltern. Und ich habe gesagt: „Nein, gebt Gas! Denkt euch selbst etwas aus!“ Und das habe ich mein ganzes Leben lang durchgezogen. Das ist für mich Rock'n'Roll: an sich selbst zu glauben und dann den Weg zu gehen, den man selbst als richtig ansieht. Und dann nicht abzuweichen, nur weil man glaubt, man müsste jetzt mal rasch irgendeinem Trend folgen. Das ist für mich Rock'n'Roll! Und so sehe ich mein Herz. Leute sagen mir immer wieder, dass ich mich nicht verändert habe. Ich bin mir selbst sehr treu geblieben, ich hab mir nie ein Tattoo stechen lassen, weil das alle getan haben und ich dachte, dass ich da hinterherhecheln müsste. Dieses Gefühl ist viel entscheidender als die reine Musik – die singe ich jetzt wieder auf der Bühne, das ist schön, ja.

 

Aber nicht mehr so wild wie früher, hm?

Ah – wir sind ja harmlos geworden. (lacht) Früher haben die Mütter ihren Kindern meine Platten weggenommen, weil sie Angst hatten, ich würde die Kinder verderben. Später kamen dann die Mütter an und haben sich bei mir entschuldigt – wenn sie gewusst hätten, dass nach mir noch schrecklichere Musik kommen würde, wären sie froh gewesen, wenn die Kinder meine Sachen gehört hätten.

 

Wenn Sie heute Rock'n'Roll singen, dann träumen Sie also nicht von ewiger Jugend und tun so, als wären Sie 20 – sondern Sie sagen: „Ich bin ich, so kann man mit Rock'n'Roll alt werden.“

Ja genau. Das ist auf den Punkt gebracht. Ich will heute nicht mehr einen 20-Jährigen spielen, nein.

 

Rock'n'Roll ist aber immer auch mit den USA verbunden. In den 50ern haben wir die Staaten vergöttert, heute sind wir sauer auf die Amis, weil sie uns abhören ...

Das stimmt schon. Ich bin mit Sinatra und Dean Martin aufgewachsen, habe die amerikanischen Musicalfilme geliebt, ich bin sehr amerikalastig in meinem Elternhaus aufgewachsen. Ich bin in Schwabing aufgewachsen, und um die Ecke war der amerikanische Sender AFN. Da bin ich oft hingeradelt, und die Amis waren immer so nett zu mir! Ich wusste damals gar nicht, was deutsche Musik war. (lacht) Erst als ich mal bei einer Tournee Fred Bertelmann traf, da wusste ich dann, wie deutsche Musik klingt. (schmunzelt) Dieses freiheitliche Lebensgefühl der USA hat mich schon sehr geprägt. Aber heute ist Amerika nicht mehr das Nonplusultra für mich, ich bin heute sehr stolz auf deutsche Musik und deutsche Musiker. Es ist heute eine Ehre für mich, wenn ich einen Song von Udo Lindenberg, von Rosenstolz oder auch mal von den Prinzen singen kann.

 

Das Musikgeschäft hat sich geändert, hm?

Unglaublich, ja. Wenn ich allein daran denke, wie langfristig wir damals geplant haben: Mein Produzent und ich haben uns über die nächsten zehn Jahre unterhalten! Nicht über die nächsten zehn Wochen wie heute.

 

Wurden Sie verträglicher bejubelt?

Ja. Der Jubel war damals ehrlich. Man musste etwas Besonderes leisten, damit gejubelt wurde.

 

Nackig auf einer Abrissbirne hin- und herschwingen hat nicht gereicht?

(lacht) Nein, wir mussten wirklich gut singen, man musste etwas tun für den Jubel. Heute ist das gespenstisch: Bei den großen Konzerten wird von vorn bis hinten gejubelt, ich hab nicht das Gefühl, dass die Leute zuhören. Bei meinen Konzerten war nach dem Jubel Stille, dann konnte ich mit den Fans sprechen, sie haben zugehört. Das gibt es heute nicht mehr.

 

Wird Ihnen der Jubel nach der Abschiedstournee fehlen?

Ach, ich möchte noch ein bisschen was von meinem Leben haben. Tourneen zu machen, war nie mein ganz großes Ding. Um auf der Bühne voll da zu sein, muss ich untertags viel opfern: möglichst lang schlafen, was mir schwerfällt. Wenig reden, nichts unternehmen, sich schonen – das ist für mich ätzend, weil es meinem Lebensgefühl widerspricht. Ich steh gern früh auf, und dann muss was passieren. Und wenn ich abends vor lauter Müdigkeit um 21 Uhr einschlafe, ist das herrlich. Bei einer Tournee lebe ich genau nach dem Gegenteil. Und ich will mir nicht später sagen: „Ach, hättest du doch früher aufgehört und noch mehr das Leben genossen.“ Ich kann ja noch im Fernsehen auftreten!

 

Der Hüftschwung bleibt uns erhalten? Verrenken Sie sich oft?

Pfui! (lacht) Der Hüftschwung bleibt Ihnen noch erhalten, keine Sorge.

 

 

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