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Parkstraße 53
87439 Kempten
Deutschland
ISBN: 978-3-7375-7769-4
Rudolf Jedele, Autor
Geboren 1948 im Schwabenland und viele Jahre seines Lebens damit beschäftigt, für andere Menschen Häuser zu bauen, wobei mein Part in der Gestaltung der Technik in einem Gebäude war. Schon aus diesem Grund war ich stets mit den Themen Energieverbrauch und Umweltschutz besonders eng verbunden.
Darüber hinaus begann ich über die Reiterei und die dadurch entstandene große Nähe zur Natur, schon vor langer Zeit damit, immer mehr Gedanken an das zu verschwenden, was wir unserer Erde antun und an auch, wie es sein könnte, wenn wir den Kollaps herbei geführt haben.
Wohin gehen die Menschen, wenn ein wie auch immer gearteter Super GAU oder ein vernichtender Krieg unser gewohntes Milieu zerstört? Mein Bedürfnis ist es aber nicht trübsinnig und mit hoch erhobenem Zeigefinger zu belehren, sondern einfach durch – möglichst spannende - Unterhaltung das Nachdenken etwas anzuregen.
Wenn ich diesen Roman nicht selbst geschrieben hätte, ich glaube ich würde ihn dennoch mögen und kaufen ….
Shandra el Guerrero |
6 Romane aus der Zukunft unserer Erde. |
Band 1 |
Die Verbannung |
Band 2 |
Ein Volk von Kriegern |
Band 3: |
Brücke der lebenden Toten |
Band 4: |
Kampf um die Rosenstadt |
Band 5: |
Libertad Iberia |
Band 6: |
Nach Süden |
Weitere Bücher von Rudolf Jedele:
L³ - Locker-Lässig-Losgelassen Ein Tor zum Reiten |
Reiten im Gleichgewicht und in Partnerschaft mit dem Pferd. |
Felida |
Fantasy |
In Kürze |
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Kaana |
Fantasy in 3 Bänden über die Reiter der Steppe Kaana in einem Land auf einer Welt, die es vielleicht auch geben könnte |
Königreich der Pferde |
Eine Art Fortführung der Geschichte des Kriegers Shandra el Guerrero. In 4 Bänden erzähle ich die Geschichte von Moira na Perm und den Paesano. |
Beli Wuk |
Diese Geschichte ist eigentlich eine Sage aus der Bergwelt des Balkans. Ich habe aber einen Vater gehabt, dessen Phantasie nicht kleiner war als meine und was er aus Beli Wuk für mich gemacht hat, versuche ich aus meiner Erinnerung heraus wiederzugeben. |
Sangreal |
Mein Lieblingsprojekt, denn es verbindet sehr viele Erkenntnisse und Elemente aus meinem eigenen Leben mit den Figuren des Romans. Die Geschichte eines Pferdes von königlichem Blut, eben „Sang Real“ und seiner Begegnung mit einem Menschen ganz besonderer Art. |
Was bisher geschah….
Ninive, die fliegende Stadt….
Sombra und Shaktar haben gegen eines der härtesten Tabus der fliegenden Stadt verstoßen. Sie müssen beide die Stadt für immer verlassen. Sie werden – getrennt und weit voneinander entfernt - auf der Erde des 7. Jahrtausends nach unserer Zeit ausgesetzt.
Sombras Exil liegt im Südwesten Europas, auf der Hochebene der Grazalema. Dort bringt sie auch ihren Sohn Shandra zur Welt. Shandra wächst hinein in die Jagdgesellschaft des Clans, eines kleinen Volkes, dessen Menschen Hünen sind.
Shandra wird gezwungen in dieser Welt sich selbst zu einem Riesen zu entwickeln, obwohl er nur normal groß ist. So wird Shandra in der Verbannung zum Jäger. Er liebt den Clan und die Grazalema und als eine Invasion durch Krieger des Imperiums von den nebligen Inseln droht, ist Shandra derjenige, der dazu berufen ist, die Grazalema, ihre Schönheit und ihre Herden vor der Vernichtung zu beschützen. Er wird zu Shandra el Guerrero
Zum Krieger der Natur
Shandras Leben ist nicht immer leicht, denn er ist durch seine körperlichen Nachteile gezwungen, ununterbrochen Höchstleistungen zu vollbringen. Ohne seinen Ziehbruder Rollo hätte er es vielleicht gar nicht geschafft.
Da er sich außerdem ständig mit den Bedingungen des Lebens befasst und Änderungen ihm leichter fallen, als den Menschen des Clans, eckt er an. Ganz besonders ab dem Augenblick, da er ein Hengstfohlen davor rettet, von einem Bär gerissen zu werden und sich dieser Hengst „Shaitan“ zu seinem zweitbesten Freund auswächst.
*****
Während eines Handelsbesuchs in der Ansiedlung von El Bosque findet Shandra drei Artefakte, die sein künftiges Leben vollständig verändern. Das magische Schwert „El Lobo Blanco – der weiße Wolf“, eine heilende Haut und das Horn, das Brücken baut, wo keine vorher waren.
Darüber hinaus begegnet er dem Schwertmeister Minaro und dessen beiden schönen Töchtern. Minaro unterweißt sowohl Shandra als auch dessen Ziehbruder Rollo in der Kunst des Schwertkampfes und vieler anderer Kampftechniken, die den jungen Krieger immer weiter auf seinen ungewissen Weg bringen.
Im Waldland S’Andora erholt sich Shaktar von seinen schweren Verletzungen, die er sich im Kampf mit einem riesigen Waran zugezogen hat. Daneben aber kümmert er sich um die Ausbildung seiner Pflegetochter Shakira, als eines Tages eine junge Frau mit ihrem sterbenden Bruder beim Waldvolk auftaucht. Jelena ist die einzig Überlebende eines Stammes am Ufer des riesigen Stromes Volga. Eines Stammes, der von den Anglialbion vollständig ausgerottet wurde. Jelena wird Shakiras beste Freundin.
Edward of Winchester, König des Imperiums, Herr der nebligen Inseln und Anglialbions hat den Auftrag übernommen, die Rückkehr „seines“ Gottes Chriano zur Erde vorzubereiten. Chrianos Zentrum soll sich genau dort befinden, wo Shandra el Guerrero seine Heimat gefunden hat.
Die Bedrohung der Grazalema durch die Anglialbions nimmt immer konkretere Formen an. Der Clan wird um seine Heimat kämpfen müssen und der Kampf wird im Hochland ausgetragen werden, nirgendwo sonst könnte der Clan mit einem hoch überlegenen Gegner zu Recht kommen. Shandra zum Strategen und Schlachtenlenker des Clans ernannt und zusammen mit seinen Beratern entwickelt er einen Plan zur vollständigen Vernichtung der Anglialbions. Shandra schafft ein Volk von Kriegern und gemeinsam mit Freunden sieht der Clan der Schlacht gelassen entgegen.
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Shandras Berufung zum Strategen der Grazalema war ein voller Erfolg.
Die große Schlacht ist geschlagen. Godfrey of Essex vernichtet und die Grazalema gesichert. Doch damit ist nichts gewonnen. Der Rat des Clans muss den Strategen hinaus schicken, um auch das restliche Iberia von Anglialbions und Chrianos zu befreien.
Shandra stellt ein kleines Heer auf, das aber von überragenden Kämpfern nur so strotzt. Die Nordmannen des Dagge ziehen mit ihm und auch Tigran und seine nihilotischen Brüder. Minaro und seine Töchter gehören ebenfalls zum Heer und rüsten die kleine Streitmacht mit den außergewöhnlichen Waffen aus, die sie mit ihrer Schmiedekunst herzustellen in der Lage sind.
Doch ehe sie die Grazalema verlassen, gehen sie alle zusammen auf die Jagd nach dem grauen Bären, denn Shandra hofft, auf diese Weise nicht nur den Zusammenhalt unter den Führern seines kleinen Heeres zu stärken, sondern in ihnen auch die mentalen Kräfte zu erwecken, die notwendig sind, um gegen die Adepten der Anglialbions bestehen zu können.
Im Tal der Bären findet er zwei Wolfswelpen, deren Mutter in einem Kampf mit einem Vielfraß schwer verwundet wurde. Die beiden Wolfsrüden Geri und Freki werden zu weiteren unverkennbaren Markenzeichen des Strategen der Grazalema.
Shandra trifft auf Mikhail Vanderlek und gewinnt die schwarzen Perlen, die hundert Friesenhengste, die Vanderlek eigentlich zu Godfrey of Essex bringen sollte.
Die erste der schwarzen Escadrons wird gegründet und zieht vor die Tore der Stadt Ronda. Die Stadt wird im Handstreich genommen und Shandra öffnet das Gefängnis in der alten Brücke. Er findet dort neben großem Entsetzen und Tod auch eine Überraschung. Es gibt einen Mann, der neun Jahre Gefangenschaft im tiefsten Teil des Gefängnisses überlebte.
Borasta wird ein neuer Verbündeter im Kampf gegen das Imperium Anglialbion.
In der Zwischenzeit hat Jelena in einem Traum das Zeichen zur Weiterreise erhalten und auch Shakiras Träume von einem schwarzhaarigen Krieger, der ihrem Ziehvater verblüffend ähnlich sieht, werden immer intensiver. So zieht sie zusammen mit Jelena aus den Wäldern von S’Andora hinaus und an der „wilden“ Küste des Meeres entlang nach Westen. Irgendwo werden sie beide ihr Schicksal treffen.
Shakira und Jelena hatten ihre Reise wieder aufgenommen. Etwa fünfzehn Monde lang hatten sie sich bei ihren Freunden in den Ruinen von Barcelona aufgehalten. Lehrreiche und auch fröhliche Monde für alle Beteiligten. Der Abschied war ihnen allen schwer gefallen. Die beiden jungen Frauen hatten erstaunt feststellen können, dass auch Lebewesen zu Tränen fähig waren, die nur teilweise menschlicher Natur waren. Die Hermaphroditen von Barcelona – auch Kartouma, Moura, Zaranoa und Singan – hatten fast genau so viel mit Reptilien gemeinsam, wie mit Menschen, doch was sie letztendlich menschlich machte, waren der Sinn für Humor und das Empfinden von Trauer. Lachen und Weinen waren Fähigkeiten, die wohl nur den Menschen vorbehalten waren und deshalb durfte man die Hermaphroditen getrost zu den Menschen zählen.
Eine weitere menschliche Eigenschaft waren Treue und Loyalität. Das Versprechen der Hermaphroditen, den beiden Freundinnen, egal wo auf der Welt zu Hilfe zu kommen, wenn die Not es erforderte, war nicht einfach so dahin gesagt worden, dessen waren die Freundinnen sich sicher.
Sie hatten also Freunde gefunden, die zwar in vielen Dingen anders aussahen und anders waren als Menschen, doch den meisten Menschen hätte man gewünscht, sie wären so menschlich wie diese reptilienhaften Zwitterwesen.
Die Zeit in Barcelona war gut gewesen, aber nun war es auch wieder gut und richtig gewesen, sich auf die Reise zu begeben. Die vier großen und kräftigen Steppenpferde liefen einen gleichmäßigen Trab, der die Meilen förmlich fraß. Die beiden Reiterinnen saßen entspannt und locker in den Sätteln, beobachteten die Umgebung, unterhielten sich – oft lachend – mit einander oder schwiegen einfach und hingen ihren Gedanken nach.
Obwohl die beiden rein äußerlich einen ziemlichen Kontrast bildeten, glichen sie sich seltsamerweise als wären sie zwei Eier, die aus derselben Henne stammten.
Die eine, Shakira, war von mittlerer Größe, dabei schlank und drahtig und zudem schön wie ein Traum mit ihren langen, dunkelbraunen Locken, den tiefblauen Augen und dem sinnlichen, zum Lachen und Küssen wie geschaffenen Mund. Sie war noch nicht siebzehn Jahre alt und das Leben hatte es fast immer gut mit ihr gemeint, sah man vom Verlust ihrer leiblichen Eltern schon in frühester Kindheit ab.
Die andere, Jelena, war beinahe schon eine Riesin, dennoch waren ihre Proportionen perfekt und sie war deswegen nicht weniger schön als ihre dunkelhaarige Begleiterin. Ihr Haar war so blond, dass es beinahe weiß wirkte, lediglich ein ganz feiner Goldton überzog die langen Locken und sorgte dafür, dass jeder Betrachter sie wieder und immer wieder gerne ansah. Ihre Teint war von der Sonne zu einem golden Braun getönt, ihre hellblauen Augen blickten offen in die Welt, doch um den Mund gab es feine Spuren, die darauf hindeuteten, dass sie trotz ihrer Jugend schon schlimme Schmerzen erleben musste.
Sobald diese beiden ungleichen jungen Frauen aber vom Pferd stiegen und sich zu Fuß bewegten, wurde die Ähnlichkeit augenfällig. Dieselben sparsamen Bewegungen, die selbe, perfekt ausbalancierte, fast gleitende Art, zu gehen, die unauffällige Wachsamkeit, die unglaublich gut auf einander eingespielten Handlungen und Reaktionen auf alles was geschah, es war nicht zu übersehen, dass diese beiden Reiterinnen weitaus mehr verband, als trennte.
Sie waren seit langer Zeit gemeinsam unterwegs, mehr als zwei Jahre dauerte ihre Reise schon und die lange Zeit und die vielen Gemeinsamkeiten hatten sie zusammen geschweißt, sie teilten selbst ihre intimsten Gedanken miteinander.
Erstaunlicher Weise hatten sie beide während ihrer Zeit bei den Hermaphroditen keine Träume mehr gehabt und keine Zeichen zum Weiterreisen erhalten. Doch als die Zeichen wieder erschienen, war es bei beiden zugleich geschehen und sie waren schon beim ersten Zeichen sofort aufgebrochen und wieder nach Südwesten geritten.
Am Anfang war es eine angenehme Reise gewesen. Sie hatten zwar Shaktars Spur verloren, aber auch von dem Waran, dieser Höllenbestie sahen sie keine Spuren mehr. Stattdessen wurden sie mit anderen Problemen konfrontiert. Je näher sie Al Andalus kamen, desto häufiger trafen sie auf absolut unangenehme Zeitgenossen.
Ein Höhepunkt dieser unangenehmen Begegnungen lag erst vier Tagen zurück. Sie waren an den Mauern von Murcia vorüber geritten und hatten aus der Ferne beobachtet, wie diese gerade von einem großen Heer berannt und belagert wurden. Einem Heer, in dem Männer und Frauen kämpften, mit denen Shakira und Jelena längst nichts mehr zu tun haben wollten. Menschen aus Anglialbion, wo immer das war. Wilde Krieger, die von einem König losgeschickt worden waren, um Iberia zu erobern. Am Anfang hatten sie mit diesem Gesindel ein paar Mal Kontakt gehabt und sich immer nur Ärger eingehandelt.
Zuerst waren es stinkende Kerle in braunen und schwarzen Kuttenmänteln mit Kapuzen gewesen, die ihnen über den Weg liefen. Sie waren streng genommen die Schlimmsten von allen, denn sie waren nicht nur mental begabt, sondern auch noch religiöse Eiferer, die in ihrem Wahn keine Gnade kannten. Für diese Männer waren Frauen Menschen unterster Kategorie, am ehesten noch gleichzustellen mit dem Viehbestand eines Bauernhofs und Frauen wie Shakira und Jelena – jung, schön, stolz und unabhängig – waren diesen Spinnern ein echter Dorn im Auge. Wäre Shakira nicht in der Lage gewesen, sämtliche von diesen üblen Typen ausgehenden mentalen Angriffe abzublocken, wären sie schon längst in irgendeinem Haushalt als Sklaven gelandet. Ein paar von diesen Stinkern hatten sie umbringen müssen um nicht doch noch gefangen genommen zu werden, danach mieden sie jede Begegnung mit den Kuttenträgern.
Nicht viel besser war, was ihnen als nächstes über den Weg lief. Sie begegneten mehrfach kleineren Gruppen von Männern und Frauen, die ihre Gesichter hinter großen Masken versteckten, die verschiedenen Tierarten perfekt nachgebildet waren. Je weiter sie aber nach Südwesten wanderten, desto größer wurden die Gruppen und desto vielfältiger die Art von Masken, die sie bei diesen Gruppen antraf. Diese Tiermasken bildeten eine Art von Elite unter den Invasoren und waren samt und sondern bodenlos hochnäsig. Von ihnen stammte der Spruch:
Nur ein toter Iberer ist ein guter Iberer….
Mit der ersten Gruppe versuchten Shakira und Jelena noch friedlich zu Rande zu kommen, die zweite Gruppe von fünf Maskierten erschlugen sie nach kaum zwanzig Sätzen, die sie gewechselt hatten, danach mieden sie auch die Tiermasken wie die Pest.
Dann gab es da noch finster blickende Männer, deren Gesichter und Oberkörper über und über mit dicken, blau eingefärbten Spiralnarben überzogen waren. Diese Männer nannten sich Pikten und die Mordlust stand ihnen in die schwarzen Augen geschrieben.
Vierschrötige Kerle, die sich trotz der Hitze ausschließlich mit grauen Wolfsfellen bekleidet außerhalb ihrer Behausungen sehen ließen. Sie sprachen in einer unverständlichen Sprache und nannten sich selbst Polska – Wölfe und kaum weniger Mordlüstern als die Pikten.
Die bärenhaft wirkenden, struppigen Typen mit den gewaltigen, pechschwarzen Vollbärten kannte Jelena schon von früher, sie war zusammen mit ihrem Bruder durch deren Land Bulgar gereist und hatte keine guten Erfahrungen mit ihnen gesammelt.
Grün gekleidete Reiter auf kleinen, wendigen und anscheinend sehr starken Pferde lieferten ihnen ein mehrtägiges Rennen durch die Berge nahe der Ansiedlung Calpe. Die großen Steppenpferde hätten das Rennen wohl verloren, hätten sie nicht buchstäblich im letzten Augenblick eine ausgedehnte Graslandschaft erreicht, die sich über viele Meilen bis hinunter nach Murcia zog. Erst dort hatten sie die grünen Reiter abhängen können.
All das waren Menschen – wenn es denn Menschen waren – denen Menschlichkeit nicht nur ziemlich fremd sondern scheinbar auch noch absolut zuwider war.
Nun, da sie Murcia belagert gesehen hatten, begannen sie noch mehr zu verstehen. Von ein paar Bauern erfuhren sie, dass die Belagerer eben diese Anglialbions waren. Man ließ sie wissen, dass diese wie immer nichts anderes im Sinn hatten, als zu rauben, zu Sengen und zu Morden und dass sie sich bereits an der ganzen Küste bis hinunter nach Almeria herum trieben. Deshalb beschlossen sie, die alte Handelsstraße zu verlassen und einen Weg durch das Landesinnere zu nehmen, von dem sie gehört hatten. Dieser Weg, so sagte man, sollte eher kürzer als der Handelsweg an der Küste sein, aber auch schwieriger zu reisen. Doch viel besser war es, ein paar Tage zu verlieren, als die Freiheit oder gar das Leben.
Es war eine eigenartige Erfahrung, die sie mit diesen so genannten Anglialbions gemacht hatten. Sobald sie den beiden jungen Frauen begegneten, begannen die Fremden zu überlegen, wie sie die beiden jungen Frauen in ihre Klauen bringen konnten. Um das zu erreichen waren sie zu allem bereit und fähig. Auch dazu, sich gegenseitig umzubringen….
So bogen Shakira und Jelena also bei Murcia nach Norden ab und trafen nach zweitägigem Ritt auf einen Händler, der ihnen aus dem Norden entgegen kam. Ein schon älterer Mann mit halbwegs guten Manieren, bei dem sie nicht nur ihre Lebensmittelvorräte ergänzten, sondern auch einen Abend an seinen Wagen verbrachte und seinen Erzählungen lauschten, die er über seine Reisen in Al Andalus zum Besten gab. Der Mann wusste ungeheuer viel und gab es auch gerne an die beiden schönen Reisenden weiter.
So erfuhren sie von einer zweiten Route nach Südwesten, die an einer kleinen Kuriosität – der Ansiedlung Purullena – vorbei zu der Stadt Granada mit ihrer roten Burg führte. Von dort aus so zu verstehen. Sollten sie um den heiligen Berg, den Mulhacen herum wieder nach Osten reisen, hinunter nach Almunecar ans Meer und danach wieder an der Küste entlang bis nach Malaga. Damit würden sie die schlimmste Verseuchung mit Anglialbions und ihren Schergen umgehen. Ein Anführer dieser stinkenden Bande, ein Mann namens Thomas Shifford befehligte die Heere um Almeria herum und was diese Bande dort anrichtete, übertraf Pest, Typhus und Cholera bei weitem.
Der Händler beschrieb die Route als einfach zu reisen, lediglich der Abstieg von der Hochebene bei Gran Escuela hinunter nach Almunecar war sehr gefährlich. Alle anderen Abschnitte waren geradezu ein Kinderspiel, solange man nicht auf Anglialbions stieß.
„Aber ich schätze, diese Geier werden wir vielleicht schon bald wieder los sein. Im Süden ist ein Held aufgestanden, der ihnen wo immer er sie trifft, den Arsch versohlt und sie nach Hause schickt. Man sagt, bei Ronda habe er mehr als fünfzigtausend dieser Seuche erschlagen und bei Antequera gar mehr als achtzigtausend. Und das immer mit einem eigenen Heer das hoffnungslos unterlegen zu sein schien. Wie man hört soll er wohl jetzt gegen Malaga ziehen. Ich bin gespannt, was er dort mit diesem Gesindel aus dem kalten Atlantico anstellen wird.“
Wie immer gab es Informationen, die einer Nachfrage bedurften.
„Was ist das Kuriose an Purullena?“
„Nun, die Leute leben dort nicht in Häusern und Hütten sondern ausschließlich in Höhlen. Sie sind seit unerdenklichen Zeiten Töpfer und fertigen wundersame Dinge aus gebranntem Ton. Sie leben dort, wo sie den Ton abbauen.“
Und weshalb sprecht ihr von der roten Burg zu Granada?“
„Lasst euch überraschen. Ihr werdet es wissen, wenn ihr vorbei reitet.“
„Nun, dann sagt uns wenigstens, was ist das gefährliche am Abstieg nach Almunecar?“
Der Händler sah die beiden jungen Frauen prüfend an, dann meinte er:
„Ihr seht nicht aus, als könnte man euch für dumm verkaufen und an Geister glaubt ihr wohl auch nicht, oder? Nun, das habe ich erwartet. Aber dort werdet ihr lernen an Geister zu glauben. Ihr reist durch die Sierra Nevada, die wildeste und verrückteste Bergregion, die selbst ich auf all meinen Reisen gesehen habe. Und ich habe viel gesehen.
Der Abstieg besteht aus unglaublich steilen und ohne jede Sicherung nur aus dem Fels gehauenen Pfaden. Er führt durch eine Bergwelt, die euch die heilige Ehrfurcht eintrichtern wird und in dieser Bergwelt bekämpfen sich die Geister des Mulhacen und seines ewigen Schnees mit denen des Meeres. Ihr könnt am Morgen los reiten und habt bestes Wetter mit schier unendlicher Sicht. Doch plötzlich kommt ein kalter Wind vom Mulhacen und dann fällt Schnee, obwohl es gerade noch brütend heiß in den Felsen war. Der Schnee schmilzt natürlich sofort und dann gehen eure Pferde plötzlich über eine schmierige, glitschige Schicht und schon viele sind in die unwegsamen Schluchten dort gestürzt und wurden nie mehr gefunden.“
„Gut, wir werden also vorsichtig sein. Was versteht ihr unter Atlantico?“
„Das wisst ihr nicht? Nun, im Westen grenzt Al Andalus an ein riesiges, grünes und kaltes Meer, das wir den Oceanos oder den Atlantico nennen. Dieser Oceanos hat keine Grenzen.“
„Nun noch eine letzte Frage. Dieser sagenhafte Rebell gegen die Anglialbions, an was erkennt man ihn?“
„Nun, gesehen habe ich ihn selbst noch nicht. Aber man sagt er sei noch sehr jung, habe langes, pechschwarzes Haar und Augen von einem grün, welches einem Menschen Angst macht. Er nennt sich Shandra el Guerrero und ist zumeist in Begleitung eines blonden Riesen, dem genug Kraft nachsagt, um einem starken Stier mit bloßen Händen das Genick zu brechen.“
Die Informationen des Händlers waren unbezahlbar wertvoll. So taten die Freundinnen ihm den Gefallen und versüßten ihm die Nacht. Erstaunlicherweise hatten sie sogar selbst ihren Spaß daran, obwohl der Mann nicht mehr der Jüngsten einer war….
Shakira und Jelena benötigten einen knappen Mond, um eines Morgens von einem Bergrücken aus zum ersten Mal die Rote Burg und die Stadt Granada zu erblicken. Und dahinter das, was der Händler den heiligen Berg, den Mulhacen genannt hatte.
Sie waren durch eine Bergwildnis geritten, auf schmalen Pfaden in enge Täler und Schluchten hinab gestiegen und auf der anderen Seite wieder auf Berge geklettert, die fast bis in den Himmel zu reichen schienen. Tagelang waren sie im Dämmerlicht eines dichten Urwalds geritten, der ausschließlich aus gigantischen Pinien bestand. Unmengen von Wild waren ihnen über den Weg gelaufen und genauso gut Unmengen von jagenden Tieren. Vom Wiesel über den Vielfraß bis hin zu mächtigen Silberlöwen und riesigen Schwarzbären war alles vertreten, was vierbeinig auf die Jagd ging. Menschen dagegen trafen sie hier so gut wie nicht an. Kaum mehr als ein halbes Dutzend Jäger begegneten ihnen auf diesem Teil ihrer Reise und die sie trafen, waren im besten Fall als maulfaul zu bezeichnen. Zwei von ihnen würdigten sie nicht einmal eines Blickes, geschweige denn eines Wortes.
Nun also standen sie auf dem Bergrücken, blickten nach Südwesten und wurden mit einem grandiosen Ausblick für ihren frühen Aufbruch und den anstrengenden Aufstieg auf diese Höhe belohnt.
Den Hintergrund bildete ein wolkenlos blauer Spätsommerhimmel. Vor diesem Hintergrund ragte ein kegelförmiger Berg auf, der tatsächlich mit seiner Spitze den Himmel erreichte, denn um diese Spitze schlang sich wie eine Stola aus weißem Fell eine große, hellgraue, fast weiße Wolke. Unterhalb dieser Wolke war das zu erkennen, was der Händler als den ewigen Schnee beschrieben hatte, den Gipfelgletscher dieses Berggiganten. Von dort aus ging es hinab und hinab und erst auf etwa der Hälfte der Strecke abwärts verschwanden die Schneefelder und gingen erst in das stumpfe Grau von Geröll und Fels, dann in das Grün von Almmatten und zum Schluss in das Schwarzgrün weiterer, ausgedehnter Pinienwälder über. Vom Fuß des Mulhacen zog sich ein kleines Gebirge nach Osten und Norden und am Ende dieses Gebirges, dort wo die Felsen abrissen und steil in eine riesige Grasebene hinab stürzten, auf der letzten Zinne dieser Berge ragte ein mächtiges Gemäuer aus leuchtend rotem Stein auf, die rote Burg, die Alhambra von Granada. Zu Füßen der Burg lagen die uralte Stadt Granada und daran angrenzend die weitläufige Ansiedlung von Santa Fe und darüber hinaus, nach Westen und Norden zog sich ein hügeliges Grasland soweit das Auge reichte, bis an den Horizont und vielleicht auch noch darüber hinaus. Eine gewaltige Ebene, die – selbst von hier oben aus war das zu sehen – von riesigen Wildherden nur so wimmelte.
Ein Paradies?
Es hätte eines sein können, wären sie nicht beim Aufstieg zu diesem Bergrücken auf Spuren gestoßen, die sie ziemlich aus der Fassung brachten. Zuerst waren es Abdrücke von Mokassins gewesen, die sie auf einem schmalen Pfad entdeckten und sie beide hatten diese Abdrücke sofort erkannt. Vor wenig mehr als sechs oder sieben Tagen war Shaktar diesen Pfad entlang gekommen und kaum einen Tag später der folgte ihm riesige Waran, die mordende Bestie, die seine Spuren nun schon über weit mehr als tausend Meilen verfolgte.
Shakira und Jelena hatten sich mit einigem Entsetzen angeschaut und dann wie auf Kommando laut zu fluchen begonnen, hatten sie doch schon geglaubt dieses Biest für immer aus den Augen verloren zu haben.
Der Ausblick auf Granada, die rote Burg Alhambra und das weite Land verdrängte den Frust über das erneute Auftauchen des Warans zunächst.
Der Händler hatte ihnen erzählt, dass diese rote Burg – die Alhambra - schon weit über fünftausend Jahre alt war und noch niemals erobert werden konnte. Erbaut worden war sie angeblich von den Vorfahren der grün bekleideten Reiter in Diensten der Anglialbions, der Mauren.
Auf der Burg lebte ein Gräfin Sybila, die nicht nur über die Burg sondern auch über die beiden großen Ansiedlungen Granada und Santa Fe und über das gesamte Land im Umkreis von etwa fünf Tagesreisen herrschte. Man sagte von ihr, sie wäre – obwohl sie mächtige Zauberkräfte besitze – eine freundliche, ja sogar fröhliche und den Menschen zugetane Herrscherin, ziemlich gerecht und selten von schlechter Laune. Auch das Führen von Kriegen lag ihr wenig am Herzen, so dass sie ihr Volk nur mit wenig Steuern belasten musste. Dies wiederum förderte den Wohlstand und die Zufriedenheit im Volk erheblich.
War es da ein Wunder, dass der Eroberer von Almeria, dieser Thomas Shifford im Auftrag seines so genannten heiligen König Edward Granada und die rote Burg als nächstes Ziel anvisierte, sobald er Almeria halbwegs befriedet hatte?
Shakira und Jelena legten auf dem Bergrücken eine längere Pause ein, nicht etwa weil sie müde waren, sondern einfach deshalb, weil sie diesen umwerfenden Ausblick noch eine Weile genießen wollten.
Sie hatten einen wunderbaren Rastplatz gefunden. Im Schatten einer mächtigen Pinie gab es einen kleinen Teich, der von einer Quelle gespeist wurde. Ihre Pferde hatten sie abgesattelt und das Gepäck als Ruhekissen und Sitzbank hergerichtet. Die Pferde taten sich am fetten, grünen Gras gütlich und insgesamt war alles recht entspannt.
Sie unterhielten sich – wie so oft – über ihre Ziele und fragten sich, wie weit sie denn noch davon entfernt sein mochten, die Menschen zu treffen, die ihnen das Schicksal zugedacht hatte. Sie unterhielten sich auch über die Vergangenheit, über ihre lange, gemeinsame Reise und – besonders gerne - über die Zeit bei den Hermaphroditen. Der Händler, der ihnen bei Murcia so erschöpfende Auskünfte erteilt hatte, fand ebenfalls mal wieder eine Erwähnung und die beiden waren so sehr in ihre Unterhaltung vertieft, dass sie tatsächlich die Beobachtung ihrer Umgebung vernachlässigten. So schien es jedenfalls, denn sie bemerkten offenbar nicht, dass sie aus einem Eibengebüsch heraus von einem paar gierig blickender wasserblauer Augen und drei paar ebenso gierig stierender dunklen Augen fixiert und von weit aufgesperrten Ohren belauscht wurden.
Wie meist sprachen die beiden Romain und diese Sprache war fast jedem, der in Iberia reiste so geläufig wie die eigene, die Muttersprache.
Shakira und Jelena besprachen ihre nächsten Tagesetappen und waren sich darüber einig, dass sie sich eines nicht entgehen lassen wollten:
Sie beabsichtigten einen Umweg zu reiten um heraus zu finden, wie weit sie wohl den Mulhacen hinauf klettern konnten und welche Aussicht sie von dort haben würden. Da sie nicht wussten, was sie unterwegs erwartete, wollten sie noch ein wenig ausruhen, um danach umso zügiger voran zu kommen.
Um die Erholung an diesem stillen und idyllischen Ort auch vollkommen zu machen, beschlossen sie in dem klaren Wasser des Teichs ein Bad zu nehmen, sich die Haare zu waschen und so auch noch ordentlich auszusehen, wenn sie, was bei der Größe von Granada zu erwarten war, auf Menschen treffen sollten.
Bald darauf planschten die beiden jungen und so schönen Frauen vergnügt im klaren Wasser des Teichs, tauchten wie die Nixen und dann, als sie im sonnigen Teil des Teichufers Seifenkraut fanden, wuschen sie sich gegenseitig die langen Haare. Als sie danach aus dem Wasser stiegen, sich in der Sonne aalten und trocknen ließen, boten sie einen derart schönen und aufreizenden Anblick, dass selbst der älteste Hirsch im Revier noch ins Grübeln gekommen wäre.
Doch wie alles Schöne im Leben musste auch diese Rast zu Ende gehen und noch lange bevor die Sonne ihren Höchststand erreichte, saßen sie auf ihren Pferden und trabten nach Südwesten, dem Fuß des Mulhacen entgegen. Sie waren kaum in den nach unten führenden Pfad eingebogen und von der Anhöhe verschwunden, als vier Männer aus dem Eibengebüsch taumelten und sich – anders kann man es nicht sagen – wie die Idioten gebärdeten. Der Grund dafür war einfach, sie hatten die ganze Zeit mit nackten Füßen in einem Ameisenhaufen gestanden und die großen, schwarzroten Waldameisen fanden das ganz und gar nicht lustig, sie schickten ihre Soldaten um die Eindringlinge zu vertreiben.
Ameisenbisse und die Säure, die diese kleinen Tierchen in die Bisswunden spritzen können äußerst unangenehm sein, aber umgebracht haben sie noch kaum jemanden. So hatten die vier seltsamen Gestalten zwar so rote Füße, dass die Farbe sogar durch die Dreckschicht auf diesen Füßen erkennbar war, doch wirkliche Schädigungen hatten sie nicht davon getragen. Trotzdem fluchten sie auf die beiden Weiber, die wahre Teufelinnen sein mussten, denn nur solche benahmen sich so schamlos wie es diese beiden getan hatten und sie beschworen sich gegenseitig, alles zu tun um diese Weiber einzuholen und sie in den rechten Glauben und zu wahren Zucht und Ordnung zu überführen.
Einer der vier trug eine braune Kutte, die drei anderen waren schwarz gekleidet und alle vier waren unsagbar schmutzig und stanken zehn Meilen gegen den Wind. Verkünder, Prediger Chrianos und Spione der Anglialbions waren bis in die Berge vor Granada vorgedrungen und signalisierten damit, dass es nicht mehr weit bis zu Thomas Shiffords Angriff sein konnte.
Für diesen Tag aber war der Spionageauftrag für die vier Stinktiere vergessen. In Windeseile machten sie sich an die Verfolgung der beiden Reiterinnen und, obwohl sie zu Fuß waren, verloren den Anschluss in dem unwegsamen und schwierigen Gelände den ganzen Tag nicht. Sie lagerten in der Nacht in sicherer Entfernung vom Feuer der beiden Reiterinnen und am nächsten Morgen waren die vier schon lange vor Sonnenuntergang auf, umgingen das Lager der beiden Frauen, schlugen einen weiten Bogen und legten sich in einer engen Schlucht auf die Lauer. Diese Schlucht stellte den einzigen, mit Pferden nutzbaren Zugang zum Mulhacen dar, die Reiterinnen mussten also diesen Weg benutzen.
Ganz still lagen sie hinter ihren Felsen versteckt und warteten auf den Hufschlag von vier Pferden, der die Ankunft ihrer vermeintlichen Beute ankündigte. Alle ihre Sinne waren auf den Weg voraus gerichtet, so bemerkten sie nicht, dass sie längst selbst zu Beute geworden waren. Sie registrierten die großen gelben Augen mit den schmalen, senkrecht stehenden Pupillen nicht, die sie mit gefühlloser Kälte seit geraumer Zeit beobachteten. Sie hörten nicht das leise Rascheln der krallenbewehrten Füße im dürren Gras, selbst den ätzenden Gestand, der plötzlich von einem wechselnden Wind von hinten an sie heran getragen wurde, nahmen sie nicht als störend zur Kenntnis. Sie glaubten vermutlich, es handle sich um ihren eigenen Gestank. Erst als sie ein tiefes, schnüffelndes Geräusch hinter sich hörten und als einer der schwarz gekleideten plötzlich eine lange, schwarze und weit hinein gespaltene Zunge zwischen seinen Füßen herum zucken sah, begriffen die vier, dass sich etwas weitaus schlimmeres, als sie selbst es waren, hinter ihnen befand.
Die Hölle kam über sie und verschlang sie, noch ehe sie begriffen hatten von welcher Art ihr Tod war.
Shakira und Jelena schlichen aus der Felsgruppe gut dreißig Schritt oberhalb des Todesortes der vier Spione weg und huschten lautlos und unbemerkt an der Bestie vorbei, die sich an den vier toten und im Tod noch mehr stinkenden Anglialbions den Wanst vollschlug.
Als sie wieder auf ihren Pferden saßen und nach Norden ritten, um wieder auf den Weg zu kommen, der sie hinunter nach Almunecar führen musste, meinte Shakira zu Jelena:
„Der Berg der Götter. Er trägt seinen Namen nicht zu unrecht. Für uns war er heute tatsächlich ein Geschenk der Götter. Hoffen wir, dass es so bleibt. Aber es ist doch erstaunlich, dass unser vierbeiniger Freund ebenfalls den Weg bis hier her gefunden hat.“
Jelena schnaufte erbittert und raunzte ihre Freundin an:
„Nenn diese Bestie bloß nicht unseren Freund. Er hat meinen Bruder ermordet und bei uns war er auch schon dicht davor. Aber wie hast du gewusst, dass er in der Nähe war?“
„Ich kenne sein Gehirn ziemlich gut, seit er uns damals in den Ruinen von Barcelona verfolgt hat. Dadurch wurde ich rechtzeitig gewarnt, als er plötzlich auf unserer Spur auftauchte und da passte es ja nicht schlecht, dass die vier komischen Lüstlinge sich für uns geopfert haben. Hast du eigentlich bemerkt, dass einer der vier versucht hat, uns mental zu attackieren?“
Jelena schüttelte den Kopf, sie hatte nichts bemerkt. Stattdessen machte sie sich Gedanken darüber, wieso Shaktar nun plötzlich wieder so nahe vor ihnen sein konnte, wo sie doch eine so lange Reisepause eingelegt hatten.
Was immer in dieser Zeit geschehen war, jetzt war die alte Situation wieder hergestellt und schon drei Tage später wurden sie auch wieder mit den überfallenen Dörfern, den zerstörten Hütten und vergifteten Menschen konfrontiert. Die Menschen in diesem Land hatten forthin unter zwei Drachen zu leiden, denn die Anglialbions tauchten ebenfalls immer häufiger auf und gemeinsam mit dem Waran sorgten sie für reichlich Zerstörung im Land.
War es da ein Wunder, dass die Legende vom Todesboten, der Höllenbestie und den Todesengeln neue Nahrung bekam und wieder auflebte?
Doch was hatten die Menschen von Al Andalus denn verbrochen, dass sie vom Schicksal gleich mit zwei schlimmen Ereignissen bestraft wurden?
Almeria konnte – wie so viele Städte an der Küste des Mar Mediterano – auf eine glorreiche Vergangenheit zurück blicken. Doch von dieser Glorie war nicht mehr viel übrig geblieben.
Das Hinterland der Stadt war einstmals ein Garten Eden gewesen. Fruchtbares Schwemmland, von mehreren Flüssen aus den Bergen herunter gespült, lag dieser Garten Eden am Fuß der Sierra Nevada und des Berges der Götter, des Mulhacen. Durch die Kombination Meer, fruchtbarer Boden, ausreichend Süßwasser und mächtige Berge war eine Situation entstanden, die jedes Wachstum enorm begünstigte.
Die Morgensonne heizte das Massiv der Sierra Nevada mächtig auf und wenn die Sonne weiter nach Süden und Westen gewandert war, gaben die Felsen die gespeicherte Wärme wieder ab. So entstand ein Klima des nahezu ganzjährigen Frühsommers. Die Bauern am Golf von Almeria hatten zu früheren Zeiten zwei oder gar drei Ernten im Jahr einholen können.
Dann aber waren die heißen Kriege gekommen und Almeria als eines der wichtigsten Versorgungszentren für Nahrungsmittel war mit am stärksten angegriffen worden. Von der großen Stadt und den alten Häusern war nichts mehr übrig, die Stadt war praktisch eingeebnet worden. Dort, wo die vier größeren Flüsse einstmals ins Meer gemündet waren, hatten die Flammen der Kriege fast unzerstörbare Erdwälle aufgehäuft und sie mit einer glasharten und oft bis zu drei Ellen dicken Schicht aus geschmolzenem Gestein überzogen. Die Flüsse waren angestaut worden und verwandelten das gesamte Hinterland Almerias in einen üblen Sumpf, durch den man nur noch mit Stakbooten oder Flößen zu den Bergen kommen konnte.
Im Osten das Meer, im Süden und Westen der sich viele Meilen weit ausdehnende Sumpf, im Norden die Felswände der Sierra Nevada und nur ein einziger Zugang zur Bucht, eigentlich war Almeria zum Sterben verurteilt gewesen. Nein, falsch, es war schon tot gewesen, bis die Anglialbions kamen.
An den wenigen bewohnbaren Stellen entlang der Küste hatten sich ein halbes Dutzend kleiner Dörfer halten können und die Bewohner dieser Dörfer lebten vom Fischfang und einem eigentlich nicht nennenswerten Handel mit Verwandten, die am Fuß der Sierra Nevada mit ihren Ziegen- und Schafherden und ein paar wenigen Rindern lebten. Sie alle lebten ein ruhiges Leben in großer Abgeschiedenheit und das war in Ordnung für sie.
Eines Tages aber tauchte ein halbes Hundert riesiger Schiffe auf dem Meer auf, segelten in die Bucht und ankerten dort, wo schon in vergangenen Jahrtausenden zahllose Schiffe geankert hatten, innerhalb des Riffs, das ein riesiges, natürliches Hafenbecken bildete.
Fast ein Drittel der gesamten Wasserfläche der Bucht lag innerhalb des Riffs und in diesem Bereich gab es weder bei Sturm noch während der kurzen Wintermonate unruhiges Wasser. Durch das Riff abgeschottet wirkten sich in diesem Becken selbst die Gezeiten nur mäßig stark aus und die Seeleute auf den großen Schiffen mussten das gewusst haben. Wie sonst hätten sie so zielstrebig die Bucht von Almeria ansegeln können?
Die Schiffe stammten von den nebligen Inseln, vom Königreich Anglialbion und sie waren gekommen, um Iberia zu erobern. Jedes der Schiffe trug in seinem Bauch gut tausend Menschen und diese Menschen standen unter dem Kommando eines gnadenlosen Schinders namens Thomas Shifford. Nur ein kleiner Teil der Menschen von den Schiffen waren Krieger. Die allermeisten waren Handwerker und Sklaven und ihre Aufgabe war es, in der Bucht von Almeria möglichst rasch einen Hafendamm – eine Mole – zu bauen und daneben so viel von den Sümpfen trocken zu legen, dass man auf dem Gelände eine Kaserne für mindestens fünfzigtausend Kämpfer errichten konnte.
Vielleicht wäre all das ohne größere Probleme vonstatten gegangen, hätte nicht Thomas Shifford eines Tages die Idee gehabt, sich ein wenig zu amüsieren.
Es war Herbst und zuhause, am Hof von Winchester wurde um diese Jahreszeit zur königlichen Jagd geblasen. Man sattelte die Pferde aus der Zucht von Königin Machilla und dann ging es hinaus ins Land, wo man ein paar leibeigene Bauern auftrieb und sie dann so lange durch den Dreck und den Schlamm jagte, bis sie erschöpft liegen blieben. Die Leibeigenen des Königs hätten sich niemals gegen diese Behandlung gewehrt, sie waren es nicht anders gewohnt. Als nun Thomas Shifford diese Unterhaltung auch in Almeria einführte, musste man sehr rasch feststellen, dass die Fischer nicht so stoisch und gleichgültig reagierten, wie die Bauern auf den nebligen Inseln. Die erste Jagd hatte zwei jungen Maskenkriegern das Leben gekostet. Warum? Weil die vier Fischer, die man durch die Felsenwildnis am Fuß der Sierra Nevada gejagt hatte, plötzlich Hilfe von ein paar Ziegenhirten erhalten hatten. Gemeinsam war es den Männern gelungen, die beiden Frischlinge vom Pulk der Jäger zu trennen und sie – welche Erniedrigung für einen Maskenkrieger – von den Pferden zu zerren und mit großen Steinbrocken zu erschlagen.
Ab diesem Tag war die unversöhnliche Feindschaft zwischen den Bewohnern der Bucht und der Bergregionen und den Invasoren besiegelt. Thomas Shifford gab den Befehl aus, dass jeder Einheimische ab sofort Freiwild war und von jedem Angehörigen seines Heers auch ohne jeden Grund erschlagen werden durfte.
Die Ritter seines Heeres entwickelten aus diesem Befehl und mangels anderer Unterhaltungsmöglichkeiten buchstäblich einen Sport. Fast täglich ritten sie durch die Sümpfe und bis hinauf in die Almen, immer auf der Suche nach Wild, das sie jagen konnten. Nach zweibeinigem Wild, denn einen Hirsch, einen Wolf, eine Antilope zu jagen war langweilig. Nur das edelste Wild zählte und etwas Edleres gab es nicht, als Menschen.
Auf diese Weise schafften Thomas Shifford und seine wenigen Krieger es in kürzester Zeit, aus verschlossenen und abgeschieden lebenden Fischern und Hirten aufsässige Rebellen zu machen, die seine Herausforderung annahmen und ihm einen ununterbrochenen Kleinkrieg lieferten, der viel öfter als es Thomas Shifford lieb war, mit Siegen der Einheimischen endete.
Thomas Shifford begriff nicht, welches Kuckucksei er sich da selbst gelegt hatte. Anstatt von einer sicheren Basis aus in Richtung Murcia und – viel wichtiger – in Richtung Sierra Nevada und Granada operieren zu können, hatte er sich einen heftigen Unruheherd im eigenen Haus geschaffen. So verfügte er auch über keinen einzigen Kundschafter aus den Reihen der Einheimischen. Sie starben lieber, als sich den Anglialbions zu beugen und ihnen als Wegbereiter ins Landesinnere zu dienen.
Eine Situation, die nicht zufrieden stellend war und Thomas Shifford nur deshalb nicht noch mehr Sorgen machte, weil der Vizekönig in Malaga ihm konsequent die Stange hielt und ihn bis nach Winchester in Schutz nahm. Doch um mit dem Problem fertig zu werden, griff er zu immer härteren Mitteln.
Er ließ die Rebellen durch seine Mentalisten aufspüren und er ließ niemand am Leben, der seinen Häschern in die Fänge geraten war. Er verlangte und bekam ein Kontingent piktischer Söldner und diese zweibeinigen Wölfe schickte er nun zusammen mit seinen Maskenrittern auf die Jagd nach den Rebellen und zusammen richteten diese ein furchtbares Blutbad unter den Einheimischen an.
Die Reaktion kam prompt.
Plötzlich gab es an der gesamten Bucht keinen Fischer mehr. Dann, eines Tages brach unter den Invasoren eine üble Seuche aus und als man nachforschte, fand man heraus, dass die aus den Bergen kommenden Bäche und Flüsse mit Tierleichen vergiftet worden waren, das Trinkwasser in der Bucht wurde knapp.
Thomas Shifford schickte seine Jäger nun vermehrt in die Berge und verlangte und erhielt ein Kontingent Polska – Wölfe, denn diese stammten ebenfalls aus Bergregionen und waren dort sogar den Pikten überlegen.
In dieser Situation tauchte von Norden her kommend plötzlich eine Legende an der Bucht auf. Die Einheimischen erzählten schreckliche Geschichten von einem Todesboten, von einer höllischen Bestie, die ihm auf dem Fuß folgte und von zwei wunderschönen Engeln, die aber fast genauso tödlich waren wie die Bestie.
Thomas Shifford gab nichts auf solche Ammenmärchen, er war es gewohnt mit harten Fakten umzugehen und so ignorierte er jeden Hinweis auf mysteriöse Vorgänge vollständig. Von ihm stammte der Spruch
„Die Iberianer sollen sich vor mir fürchten. Damit sind sie beschäftigt genug, dann brauchen sie keine Todesboten, Teufel und schreckliche Engel mehr.“
Eines Tages, kurz vor der Wintersonnwende, befand er sich zusammen mit seinen Speichelleckern, seinen Kurtisanen und seinen vielen legalen Kindern und Bastarde auf einem Ritt entlang der Küste nach Murcia hin. Sie hatten nichts Besonderes vor, doch in diesen Wintermonaten war es in Almeria fast wie in Winchester. Es gab viele trübe und neblige Tage und der Gestank aus den Sümpfen legte sich den Menschen auf die Atemwege und auf das Gemüt.
Der alte Handelsweg folgte nicht überall der unmittelbaren Küstenlinie. Manchmal gab es Abkürzungen über kleinere Berge hinweg und – die Alten waren sehr gute Baumeister gewesen – sogar Tunnel und Stollen, die unter dem einen oder anderen Berg hindurch führten und noch völlig sicher benutzbar waren.
Die gesamte Gesellschaft bestand aus etwa vierzig Reiterinnen und Reitern und an der Spitze des Zuges ritt Thomas Shifford in Begleitung seines Kämmerers und besonderen Vertrauten, Robert de Guilome. Sie ritten in einem gemütlichen Schritt geradewegs in einen ziemlich langen Tunnel hinein und kaum hatten sie das Sonnenlicht hinter sich gelassen und die Pechfackeln angezündet, scheuten plötzlich ihre Pferde und weigerten sich auch nur noch einen Schritt vorwärts zu gehen. Sie stiegen und drängten rückwärts, der ganze Zug geriet durcheinander und dann gelang es einem der Pferde, sich der zügelnden Hand seines Reiters – oder seiner Reiterin – zu entziehen und in panischer Flucht aus dem Tunnel zu rasen. Die Flucht eines einzelnen Pferdes löste sofort eine Massenpanik aus. Fast niemand mehr im Zug war noch in der Lage, sein Pferd zu kontrollieren, eines nach dem anderen gingen die Tiere durch. Innerhalb kurzer Zeit waren nur noch Thomas Shifford und Robert de Guilome im Tunnel, kämpften mit ihren scheuenden und bockenden Hengsten und fluchten lauthals ihre Erbitterung hinaus, als die Pferde plötzlich und von einem Moment zum nächsten jede Panik fallen ließen und förmlich zu Standbildern erstarrten. Dann trat eine vollkommen in düsteres Schwarz gekleidete Gestalt aus der Finsternis des Tunnels, stellte sich breitbeinig in die Mitte des Weges. Über der linken Schulter hatte die Gestalt einen großen, prall gefüllten Sack liegen und seine Stimme klang spöttisch als er meinte:
„Meine Herrschaften, vielleicht wären sie besser beraten, wenn sie wie ich zu Fuß gingen. Als Reiter scheinen sie mir eher schlecht geeignet zu sein.“
Schon der unüberhörbare Spott in dieser Bemerkung brachte Thomas Shifford zur Weißglut, denn wenn er etwas nicht vertrug, dann war es Spott auf seine Kosten. Auf so etwas kannte er in aller Regel nur eine Reaktion.
„Stich ihn ab!“
Sein Befehl galt Robert de Guilome und dieser war nicht weniger dumm und arrogant wie sein Herr und deshalb genauso humorlos und gegen Spott empfindlich, wie dieser.
Er zog die Reiterlanze aus ihrer Halterung hinter dem Sattel, legte sie ein, hämmerte seinem Hengst die Sporen in die Flanken und zwang ihn gegen den Schwarzen anzugaloppieren.
Was nun geschah, erlebten die beiden Anglialbions wie einen bösen Traum. Niemals hatten sie einen Menschen sich so schnell bewegen sehen, wie diesen schwarz gekleideten Fremden. Plötzlich flog der schwarze Sack wie eine riesige Fledermaus durch die Luft, traf Thomas Shifford vor der Brust und fegte ihn mühelos vom Pferd. Fast zugleich hatte der Schwarze ein langes, schwarzes Schwert gezückt und als Robert de Guilome schon triumphierend den tödlichen Stich ansetzen wollte, zuckte die schwarze Klinge wie ein Schemen durch die Luft und aus der hölzernen Lanze wurde in einem Augenblick Brennholz. Entsetzt starrte Guilome auf den jämmerlichen Stummel unter seinem Arm, dann durchzuckte ihn ein brennender Schmerz am rechten Oberschenkel und als er hinunter sah, erblickte er sein eigenes Bein und es lag auf dem Boden.
Es dauerte ein paar Atemzüge, bis er begriff, was da geschehen war, dann begann er wie ein wahnsinniger zu kreischen, er warf seinen Lanzenstummel weg, gab seinem Pferd mit dem noch vorhandenen linken Bein den Sporn und es kam wie es kommen musste. Mit nur noch einem Bein vermochte er sich nicht mehr im Sattel zu halten, er stürzte wie ein nasser Sack zu Boden, knallte mit dem Kopf voran auf den steinigen Untergrund und dann ertönte ein Geräusch, als hätte man einen trockenen Ast geknickt. Robert de Guilome hatte sich im Sturz das Genick gebrochen, somit spielte der Verlust seines Beines keine große Rolle mehr.
Thomas Shifford hatte sich vom Boden aufgerappelt, den schweren Sack zur Seite getreten und nun stand er mit kampfbereitem Schwert in geduckter Haltung auf der Straße und wartete darauf von dem Schwarzen attackiert zu werden. Zu seinem Erstaunen bückte dieser sich bei der Leiche Guilomes, wischte seine Klinge an dessen Kleidung ab, steckte sie in die Scheide und wandte sich an Thomas Shifford.