Ja, auch ich mag den geistvollen Humoristen mehr als den plumpen Witzeerzähler, auch ich bin mehr ein Freund des Floretts als des Schwertes, wenn es um Humor geht, und auch ich höre einem vor Pointen sprühenden Vortrag lieber zu als einer Aneinanderreihung von unzusammenhängenden Witzen.
Wir alle gelten lieber als jemand, der Humor hat, als dass man uns als Witzeerzähler abstempelt. Wir wollen lieber witzig sein als Witze zu erzählen und wir mögen es gar nicht, wenn gegen Ende der Party ein Witz nach dem anderen erzählt wird.
Und doch ist das ein Buch über das Erzählen von Witzen. Denn Humor hat Regeln, Lachen ist der Erfolg harter Arbeit und immer dann, wenn Menschen lachen, wendet jemand bestimmte Techniken an, mit denen er sich unter Umständen lange beschäftigt hat.
Der Unterschied zwischen Humor und Witz besteht ja oft darin, dass die Witze, die erzählt werden, keinen Zusammenhang haben und oft schon sehr oft erzählt worden sind. Beim Kabarett, in der Comedy oder bei einem geistvollen Redner passen die Pointen zum Inhalt, bauen aufeinander auf und sind womöglich frisch und unverbraucht. Nicht weil es diese Art Witz noch nicht gab – die Anzahl der Witztechniken ist endlich – sondern weil wir die Pointe in diesem Zusammenhang, mit diesen Hauptfiguren zu diesem Thema noch nie gehört haben.
8Dies ist kein Buch, das Witze definiert, kein Buch, das Lachen erklärt und kein Buch, das dem Unterschied zwischen Witz und Humor auf die Schliche kommen will.
Doch seit über 40 Jahren bin ich auf der Suche nach allem, was komisch ist. Und schon immer wollte ich wissen, was Lachen ist, warum wir lachen und wie ich das beeinflussen kann. Ich habe meine Schauspiellehrer mit Fragen bestürmt, Filme und Theaterstücke analysiert und mir alle Bücher darüber gekauft, wie man Menschen zum Lachen bringen kann.
Durch meine Coaching- und Trainingsarbeit mit Schauspielern, Rednern und Moderatoren habe ich Tipps und Hilfen gesammelt, wie Pointen besser funktionieren oder was gute Pointen stört oder behindert. Ich habe Komödien inszeniert, ich habe Drehbücher für Film, Fernsehen und die Industrie geschrieben, und ich habe Pointen für Speaker geschrieben, Hunderte von Reden analysiert und überlegt, wie man sie besser machen könnte. Ich habe also eine große Erfahrung, wie man Pointen setzt und Zuschauer bestens unterhält. Daraus entstand dieses Buch.
Eine Pointe ist, wörtlich genommen, eine Zuspitzung. Und sie ist etwas sehr diffiziles. Ein Atemzug zu viel, eine Pause zu wenig – und die Pointe ist weg. Auf der Bühne fällt ein Schuss. Bild fällt runter. Keiner lacht. – Auf der Bühne fällt ein Schuss. Einundzwanzig, zweiundzwanzig, dreiundzwanzig…. Bild fällt runter. Großer Lacher.
Witze sind nicht überall angebracht und es gibt eine Menge Gelegenheiten, bei denen eine pointierte Bemerkung fehl am Platz wäre. Humor ist manchmal riskant, ein schlechter Witz zur falschen Zeit kann der Karriere schaden. Man sollte wissen, wo man was erzählt und in welcher Dosis. Und 9manchmal ist es besser, einen Witz herunterzuschlucken als ihn zu erzählen.
Aber die meisten von uns lachen so gerne. Sie freuen sich über jeden Witz und können davon nicht genug kriegen. Und wenn Sie sich professionell mit der Unterhaltung anderer Menschen beschäftigen, dann kommen Sie nicht darum herum, sich zu überlegen, wie das alles genau funktioniert.
Ich weiß nicht, warum Sie dieses Buch gekauft haben. Aber egal, ob Sie Witze erzählen wollen oder nach mehr Humor für Ihre Vorträge oder Ansprachen suchen, egal ob Sie Ihr Radio- oder Kabarettprogramm verbessern wollen oder Ihre Fähigkeiten als Komödienregisseur oder Schauspieler. Oder vielleicht wollen Sie einfach nur, dass die Leute lachen, wenn Sie es darauf anlegen. Für Sie alle habe ich dieses Buch geschrieben.
Die meisten meiner Witze werden Sie wohl nicht komisch finden. Ich lache auch nicht mehr, wenn ich das alles immer wieder lese. In Zeiten, in denen jede Pointe im Internet zu jedem Thema Tag und Nacht verfügbar ist, wird es richtig schwer, etwas wirklich Neues zu finden. Aber in Zukunft sollen ja Sie die Witze selbst erfinden und Ihren eigenen Stil entwickeln. Dieses Buch hilft ihnen dabei, die Pointen genau richtig zu setzen und andere Menschen zum Lachen zu bringen.
Viel Spaß dabei!
Gräfelfing, im November 2018
Michael Rossié
Dieses Buch enthält viele Pointen. Aber es ging mir nicht darum, Sie mit dem Lesen von Witzen zu unterhalten. Dieses Buch ist in erster Linie ein Arbeitsbuch. Ich wollte wissen, wie Witze funktionieren, und warum sie so oft nicht funktionieren. Sie finden in dem Buch unzählige Tipps, Pointen zu verbessern und Menschen zum Lachen zu bringen, außerdem viele Übungen, wie Sie Witze verbessern können.
Andere zum Schmunzeln oder zum Lachen zu bringen, ist zunächst einmal nichts anderes als ein Handwerk, ein schweres Handwerk noch dazu. Und dieses Handwerk kann man lernen.
Für Drehbücher gibt es einen sogenannten Script-Doctor, der fertige Drehbücher umschreibt, verbessert oder mit Pointen würzt. Deshalb enthält dieses Buch diese Übungen, bei denen Sie selbst die Möglichkeit haben, schlechte Witze zu überarbeiten und zu korrigieren. Die Übungen sollen Ihnen helfen, sich die verschiedenen Tipps einzuprägen. Denn etwas, das man tut, merkt man sich leichter als wenn man es nur liest. Außerdem hoffe ich, dass die Übungen Spaß machen. Manche sind sehr einfach, manche können ganz schön knifflig sein.
Meine Lösungsvorschläge sind natürlich nicht Lösungen im Sinne der Lösungen einer mathematischen Aufgabe. Es sind immer Möglichkeiten, wie man Pointen verbessern kann. Man kann das immer auch ganz anders machen. Entscheiden muss dann Ihr ganz persönlicher Geschmack. Es wäre ja wunderbar, wenn ich Sie noch auf ganz andere Ideen gebracht hätte.
Die Frage können wir gleich übergehen. Das ist viel zu kompliziert. Da gibt es dicke Wälzer, nach deren Lektüre ich auch nicht klüger war. Nach so vielen Jahren, in denen ich mich mit Humor beschäftigt habe, bin ich der Meinung, dass es DEN Witz einfach nicht gibt. Es gibt so viele Dinge, über die wir lachen, dass man das nicht in einem Satz definieren kann.
Es gibt Gesetzmäßigkeiten und bestimmte Merkmale, es gibt gute und schlechte, es gibt lange und kurze und es gibt bekannte und unbekannte Witze. Man kann Witze nach Kategorien einteilen, wie die Irrenwitze, die Kalauer, die Antiwitze. Aber was ein Witz genau ist, sprengt dieses Buch in jedem Fall. Wir wollen hier praktisch daran arbeiten, komischer zu werden, anstatt lange zu definieren, was wir denn machen. Das überlasse ich gerne den Wissenschaftlern und Philosophen, die dazu ja auch schon eine Menge Seiten produziert haben.
Lutz Röhrich schreibt in seinem wunderbaren Buch Der Witz: „Während mit Schwank schon seit dem ausgehenden Mittelalter eine lustige Geschichte bezeichnet wird, ist Witz erst seit dem 19. Jahrhundert ein Ausdruck für eine lachenerregende Textgattung. Im 16. Jahrhundert war der Schwank DIE 12literarische Mode. Witz im heutigen Sinne entstand dagegen erst sehr allmählich im Laufe der letzten anderthalb Jahrhunderte. Der Witz ist also, geistesgeschichtlich gesehen, relativ jung.“1
Wenn ich einen Witz machen will, sage ich die Wahrheit.
Es gibt nichts Komischeres.
(George Bernhard Shaw)2
Der Begriff Wahrheit spielt in der Literatur über Witze eine ganz besondere Rolle. „Gute Witze erzählen immer ein bisschen die Wahrheit“, schreibt Oswald Neuberger3. Und bei Gene Perret4 heißt es: „Menschen mögen es, im Humor die Wahrheit zu erkennen. Das Nachmachen von Prominenten wird schon beklatscht, weil man sie erkennt. Ich werde oft belacht, wenn ich die Geschichte erzähle, wie meine Frau und ich im Kindergarten andächtig der tollen Vorstellung… untalentierter Kinder zugesehen haben. Jeder lacht, weil er sich erkennt.“
Wir lachen also umso mehr über einen Witz oder eine Pointe, je mehr die Pointe mit uns und dem zu tun hat, was wir erleben, je mehr wir darin eine Wahrheit erkennen, die wir so oder ähnlich schon einmal bemerkt haben. Durch den Witz wird uns etwas bewusst. Witze über Nachbarn sind nun mal komischer als Witze über grönländische Walfänger oder Tischsitten in Namibia.
Wenn wir keine Wahrheit über uns selbst erkennen, weil es zu übertrieben ist und wir die Situation nicht wiedererkennen, verziehen wir keine Miene.
Komisch wirkt ein harmloser unschädlicher Fehler.
(Aristoteles)
Wir können nur dann herzhaft lachen, wenn im Witz niemand verletzt wird. Wenn der, der auf der Bananenschale ausrutscht, gleich wieder aufsteht, finden wir es komisch. Wenn der anschließend ins Krankenhaus kommt oder wenn es die eigene Oma ist, bleibt uns das Lachen im Halse stecken. Lesley Bown5 schreibt: „Mitleid steht dem Lachen entgegen…. bei persönlicher Betroffenheit lachen wir nicht.“
Helden von Filmen, von Geschichten, von Romanen lernen meistens etwas, von einigen Kunstfilmen einmal abgesehen. Die Protagonisten reifen, wachsen, entwickeln sich. Und es macht Spaß, diese Entwicklung zu verfolgen.
Bei Witzen und in Comedy-Programmen findet eine solche Entwicklung nicht statt. Der Protagonist in Witzen bleibt immer dumm oder arrogant oder macht dieselben Fehler. Manchmal besteht unsere Freude gerade darin, dass wir einen bestimmten Fehler mit großer Vorfreude erwarten. Eine Entwicklung findet einfach nicht statt.
Selbstbewusstsein ist nicht komisch, auch Stolpern ist nicht komisch, nur beides zusammen.
(Max Frisch)
14Nicht nur in Krimi oder Drama spielen die Konflikte, die durch die Kombination von Gegensätzlichem entstehen, eine sehr große Rolle. Das gilt genauso für die Komik. Reibung ist eine Voraussetzung für gute Pointen.
Komisch ist, wenn dem Protagonisten etwas passiert, was er auf jeden Fall vermeiden will.
Der Angeber fliegt auf die Nase…
Der Eitle wird so richtig schmutzig…
Oder wenn jemand etwas will, was nicht zu ihm passt oder wofür er nicht geeignet ist.
Der Stotterer will auf die Bühne.
Der Handwerker gibt den Grafen.
Wenn ein Priester flucht, ist das deutlich komischer als bei einem Taxifahrer. Wenn jemand nackt im Hauptbahnhof steht, ist das deutlich komischer als wenn er nackt am Strand steht. Das folgende Zitat hat mir Jürgen von der Lippe erzählt:
Ich fresse Informationen und scheiße ein Buch.
(Emile Zola)
Wenn das ein Autor von Drehbüchern für italienische Splatterfilme gesagt hätte, wäre das nicht komisch. Die Tatsache aber, dass ein angesehener Schriftsteller sein eigenes Buch, also ein hohes Kulturgut, als Prozess eines einfachen Ausscheidungsprozesses bezeichnet, regt zum Lachen an. Komisch wird es also immer dann, wenn ich zwei Dinge miteinander verbinde, die nicht zueinander gehören.
Es gibt unzählige Paare, mit denen viele Witze gemacht werden: Professor und Student, Arzt und Patient, Oberkellner und Gast, Gerichtshof, Kindergespräch, Examenssituation. Lutz Röhrich6 zählt eine Menge berühmter Figuren und Paare15 auf, wie Tünnes und Schäl, Antek und Frantek, Klein-Erna, Heini, Graf Bobby und Mucki, Frau Sarasin und Frau Merian aus Basel, Kare und Lucke aus München.
Komikerduos setzen sich immer aus zwei möglichst unterschiedlichen Charakteren zusammen: Der weiße Clown und der dumme August, Dick und Doof, Tom und Jerry.
Zwei naive Friseurinnen oder zwei skrupellose Rechtsanwälte sind keine ideale Voraussetzung für das Entstehen von Humor. Deswegen funktionieren auch viele Comedy-Formate im Radio nicht. Die handelnden Personen sind sich einfach zu ähnlich. Da wird das Schreiben von Geschichten zu einer echten Herausforderung.
Je größer die Gefahr, desto größer die Komödie.
(John Vorhaus)7
Ähnlich wie bei jeder guten Geschichte sollte es auch im Witz um etwas gehen. Der Einsatz sollte möglichst hoch sein. Es muss etwas auf dem Spiel stehen. Ein abgebranntes Haus führt zu schöneren Pointen als ein verlorener Euro. Ihren Figuren muss es so richtig schlecht gehen, sie müssen in einer wirklich schwierigen Situation stecken. Wenn es wirklich um etwas geht, können echte komische Momente entstehen. Am besten geht es um alles. Eine Situation, in der es nur um Gewinnen oder Verlieren geht, erzeugt die größten Lacher. Dass trotzdem nichts passieren wird, haben wir ja schon vorausgesetzt.
Ein Ehepaar steht gemeinsam unter der Dusche, als es an der Tür klingelt. Die Frau wirft sich ein Handtuch um 16und geht öffnen. Vor der Tür steht der Nachbar. Der holt tief Luft und sagt: „Verdammt nochmal, das wäre mir 500 Euro wert, wenn ich Ihren wunderschönen Körper nur einmal kurz sehen könnte.“
Die Frau überlegt kurz. „500 Euro? Jetzt bar auf die Hand?“ Der Mann nickt. Sie öffnet das Handtuch und zeigt sich wie Gott sie schuf. Er überreicht ihr 500 Euro und sie schließt die Tür.
Wieder unter der Dusche fragt ihr Mann, wer da geklingelt habe. Sie antwortet: „Es war nur der Nachbar!“
„Und?“, fragt er, „hat er Dir die 500 Euro gegeben?
“8
In diesem Witz ist der Einsatz ein Blick auf eine nackte Frau. Wenn wir den Einsatz erhöhen, wird der Witz besser. In einer anderen Version dieses Witzes geht es um einen deutlich höheren Betrag oder der Freund erschleicht sich einen Beischlaf. Das überzeugt mich noch mehr als der flüchtige Blick auf die Frau.
In einer dritten Version dieses Witzes kommt ein Rechtsanwalt bei einer Frau des horizontalen Gewerbes mehrmals zum Zuge und nachdem er die Quittung für die Bezahlung mehrerer heißer Nächte erhalten hat, präsentiert er einen Erbschein über genau den Betrag, den er gerade ausgegeben hat. Je höher der Einsatz, desto stärker der Witz.
Dazu gibt es einen bekannten Versuch9: Personen sollten Ratten aus einem Käfig nehmen, die als zahm bzw. bissig geschildert wurden, um eine Blutprobe zu ziehen. In der Bedingung starke Angst wurde die Ernsthaftigkeit der Situation noch durch bestimmte Gegebenheiten verstärkt: Es stand Blut in Gläsern von vorausgegangen Abnahmen vor den Versuchspersonen, sie hatten einen Laborkittel und 17Handschuhe gegen Bisse anzuziehen. Als die Versuchspersonen das Tier aus dem Käfig nehmen sollten, mussten sie feststellen, dass es sich um eine Spielzeugratte handelte. Je größer die Angst vorher war, desto größer das erleichterte Lachen der Versuchspersonen.
Theater entfaltet sich in der Dialektik von Spielen und Zuschauen; der Theatersituation liegt die Vereinbarung der Beteiligten zugrunde, sich auf diese Dialektik einzulassen.
(Martin Brauneck)10
Lachen über einen Witz ist etwas Aktives. Das heißt, dass sich der Zuhörer entscheiden muss, ob er lachen will oder nicht. Sie sind also auf das Wohlwollen Ihrer Zuhörer angewiesen.
Natürlich gibt es auch den Fall, dass jemand herzhaft lachen muss, obwohl er sich vorgenommen hatte, keine Miene zu verziehen. Die Pointe war einfach stärker.
Aber der Normalfall ist, dass ich bereit sein muss, mich zu amüsieren. Ich muss an all die ausgefallenen Plätze in Gedanken mitgehen wollen, verrückten Menschen zuhören wollen und so manche logische Lücke akzeptieren.
Unter Theaterleuten gilt das Samstagspublikum als besonders dankbar. Die wollen es unterhaltsam finden, die wollen lachen. So ein Wochenende ist kostbar. Man hat frei, man könnte die Zeit auch mit der Familie verbringen. Wenn man sich da schick anzieht, sich ins Auto oder den Bus setzt, teure Karten bezahlt, auf harten Stühlen sitzt und an der Garderobe den falschen Mantel wiederbekommt, sollte schon ein 18bisschen Amüsement dabei rausspringen. Deswegen setzt man alles daran, den Abend auf Biegen und Brechen super zu finden.
Wenn Sie jetzt den Zuhörern noch ein kleines bisschen sympathisch sind, wenn Sie als netter Mensch rüberkommen, der ehrlich und demütig versucht, andere Menschen gut zu unterhalten, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass Ihr Publikum mitmacht, größer. Und wenn der rechts und die links von mir sich alle köstlich amüsieren, lasse ich allen Widerstand fahren und bin bereit, mir von Ihnen einen schönen Abend bereiten zu lassen.
Es gibt auch Unterhalter, die bissig sind und mit schwarzem Humor zum Lachen verführen, aber das ist in meinen Augen nur etwas für Profis. Das ist ein Balanceakt, und die Möglichkeit abzustürzen ist ziemlich groß.
Nur diejenige Verwechslung ist komisch, die wir selbst durchschauen, während sich die anderen auf der Bühne lächerlich machen.
(Eike Christian Hirsch11)
Spätestens seit dem Kasperletheater wissen wir, dass es großen Spaß macht, klüger zu sein als die Puppen auf der Bühne. Die Kinder wissen immer mehr als der Kasperle. Auch ein Filmformat wie „Versteckte Kamera“ beruht auf dem Effekt, dass wir wissen, was gleich kommt, die hereingelegten Opfer aber nicht.
Helitzer12 schreibt: „Wenn Darsteller und Zuschauer nicht wissen, was hinter der Tür ist, dann ist es Mystery. Wenn 19nur der Darsteller nicht weiß, was hinter der Tür ist, die Zuschauer aber schon, kann das komisch sein.“
Wenn also im Bühnenboden ein Loch ist, sollten wir das wissen, bevor der Schauspieler die Bühne betritt. Wenn wir dabei sind, wie jemand im Wandschrank versteckt wird, wissen wir, dass ihn gleich jemand entdecken wird. Wenn der Lehrer Fritzchen eine sehr intellektuelle Frage stellt, ahnen wir, dass darauf eine sehr lapidare Antwort kommt. Je mehr Witze wir kennen, je mehr Witzkonstruktionen wir schon durchschaut haben, desto schneller finden wir uns in jedem neuen Witz zurecht.
Du kannst so tun, als wärest du ernsthaft.
Aber du kannst nicht so tun, als wärest du lustig.
(Mae West)13
Witze zu erzählen ist immer ein Risiko. Nicht nur, dass man riskieren muss, dass einen alle verständnislos angucken, weil sie über diese blöde Pointe nun mal nicht lachen können. Nein, es gibt auch viele Witze, die in bestimmten Situationen unpassend sind, weil sie gegen gesellschaftliche Normen verstoßen. Und das tun viele Witze mit Lust. Auch ich habe schon für Witze sehr gemeine Kommentare kassiert. Doch dieses Risiko muss ich eingehen.
Natürlich ist nicht jeder Tabubruch ein Lacher, aber wenn ein Witz mit den Dingen spielt, die wir uns sonst nicht sagen trauen, weil sie zu intim, zu ordinär oder nicht gesellschaftsfähig sein, steigert das die komische Wirkung. Sobald in einer 20Gesellschaft Witze erzählt werden, kommt unweigerlich der Punkt, an dem wir unter die Gürtellinie abtauchen.
Scheiß
Meine Frau kam letzte Nacht aus dem Schlafzimmer mit diesem typischen „Macht das neue Kleid mich nicht doch fett?“ Ich sagte: „Nein, Schatz, was dich fett macht, sind die Speckpolster an deinem Hintern.“14
Wenn der Ehemann hier von den paar Gramm mehr am Gesäß schwadronieren würde, wäre der Witz halb so komisch.
Mitarbeiter in der Herrentoilette zum Chef: „Hier ist der einzige Ort, wo ich mir Ihnen gegenüber was rausnehmen darf.“ Chef: „Aber ich fürchte, auch diesmal werden Sie den Kürzeren ziehen.“
Ja, wenn man sich das trauen oder wenn einem das einfallen würde. Der Witz als Ausdruck der heimlichen Phantasien.
Eine Sekretärin stürzt herein und schreit: „Etwas Schreckliches ist passiert: Der Chef hat sich soeben aufgehängt.“ Einer will sofort hinauseilen, um sich um den Chef zu kümmern. Da hält ihn die Sekretärin zurück: „Nicht so hastig, er ist noch nicht tot!“
Dieser Witz ist so böse, weil hier ein Tabu gebrochen wird. Es spielen bei den Tabubrüchen vor allen Dingen drei Bereiche eine Rolle. Fast alle Ausscheidungen unseres Körpers sind in Gesellschaft anderer ein Tabu.
21Wie ist Ihre Verdauung? – Scheiße!
Außerdem alles, wovor wir uns ekeln, von der Spinne bis zu Menschen ohne Manieren.
„Herr Ober, in meiner Suppe schwimmt ein Hörgerät!“ – „Was haben Sie gesagt?“
Und auf das wichtigste Thema haben Sie schon gewartet.
Zwei Dinge sind ihm im Leben wichtig. Sex und Lachen. Unglücklicherweise bekommt er beides gleichzeitig.
Uni München. Der Sexualforscher ruft Babette an: „Entschuldigung, da gibt es eine Unstimmigkeit in Ihrem Fragebogen. Bei Häufigkeit des Sexualverkehrs schreibt Ihr Mann einmal wöchentlich und Sie jede Nacht, mindestens einmal.“ Darauf Babette: „Ja, aber doch nur, bis unsere Wohnung abbezahlt ist.“
Einen längeren Ausflug in den sexuellen Bereich spare ich mir hier, Sie verstehen das auch ohne Beispiele.
Also überlegen Sie sich zweimal, ob Sie einen Witz aus diesen Kategorien wirklich erzählen wollen. Amerikanische Entertainer empfehlen, immer mit einem Sex-Witz aufzuhören. Es gibt Schätzungen, nach denen 25 % aller Witze Sexwitze sind.
Aber nur weil Ihre Zuhörer lachen, müssen die das nicht richtig finden. Sie haben gelacht – aber unter Niveau. Es kann sein, dass viel gelacht wird, und es ist allen im Nachhinein peinlich. Der Kater kommt immer nach dem feuchtfröhlichen Abend.