Zielgruppe dieses Ratgebers sind alle, die sich mit dem Gedanken tragen, eine GmbH zu gründen, sich an einer bestehenden GmbH zu beteiligen oder dort das Amt des Geschäftsführers zu übernehmen. Nur die Kenntnis zumindest der Grundlagen des GmbH-Rechts ermöglicht es Ihnen, die Vorteile dieser Gesellschaftsform möglichst effektiv zu nutzen und die Gefahren zu vermeiden, die mit einem Engagement trotz der „beschränkten Haftung“ insbesondere vor Eintragung der Gesellschaft und im Fall einer finanziellen Krise zwangsläufig verbunden sind.
Inzwischen ist auch die durch das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts vom 23.10.2008 als „kleine Schwester“ der GmbH ohne Mindestkapital eingeführte Unternehmergesellschaft (UG) in der Rechtspraxis fest etabliert. Das vorliegende Buch informiert sowohl darüber, was bei der Gründung einer GmbH oder UG zu beachten ist, als auch, was diejenigen beachten müssen, die eine bereits früher gegründete GmbH führen.
Zahlreiche neue Gerichtsentscheidungen – sowohl zu Fragen, die erst durch die Umgestaltungen des Jahres 2008 aufgeworfen worden sind als auch zu „klassischen“ Problemen der GmbH – sind in der Neuauflage berücksichtigt worden. Da alle Entscheidungen des BGH seit 2000 im Internet kostenlos gelesen und auch heruntergeladen werden können, geben wir für die Leser, denen die juristischen Fachzeitschriften nicht zur Verfügung stehen, bei diesen Entscheidungen außer einer gedruckten Fundstelle auch Datum und Aktenzeichen an, so dass jeder Internetnutzer auf sie zugreifen kann.
Es versteht sich, dass man in einem Buch dieses Zuschnitts nicht auf alle in der Praxis auftretenden Fragen eine Antwort finden wird. Es kann und will auch die Beratung durch den Notar und den Steuerberater im Einzelfall nicht ersetzen. Wir hoffen aber, dass derjenige, der sich mit den in dieser Einführung vermittelten Informationen VIvertraut gemacht hat, auch dem Beratungsgespräch mit einem Fachmann besser gewachsen sein und mehr Gewinn daraus ziehen wird.
Entsprechend seiner Zielsetzung beschäftigt sich dieser Grundriss ausführlich mit dem, was vor und bei der Gründung einer GmbH zu bedenken ist. Da aber nicht jede GmbH mit Glück am Geschäftsverkehr teilnimmt und deshalb die GmbH in der Krise, die Auflösung und Liquidation in der Rechtspraxis große Bedeutung haben, ist auch diesen Fragen Raum gewidmet.
Die am häufigsten vorkommenden und im Text behandelten Rechtsgeschäfte sind im Formularteil durch Muster der entsprechenden Notarurkunden illustriert. Es versteht sich, dass die dort verwendeten Namen und Handelsregisternummern frei erfunden sind und Ähnlichkeiten mit existierenden Personen oder Gesellschaften rein zufällig wären.
Für Hinweise und Anregungen aus dem Kreis der Benutzer sind wir stets dankbar.
Lauf a.d. Pegnitz/Nürnberg, im April 2017 |
Wolfram Waldner |
a. a. O. |
am angegebenen Ort |
a. F. |
alte Fassung |
AFG |
Arbeitsförderungsgesetz |
AG |
Aktiengesellschaft |
AktG |
Aktiengesetz |
AnfG |
Gesetz über die Anfechtung von Rechtshandlungen eines Schuldners außerhalb des Insol- venzverfahrens |
Anm. |
Anmerkung |
AO |
Abgabenordnung |
ArbGG |
Arbeitsgerichtsgesetz |
AÜG |
Arbeitnehmerüberlassungsgesetz |
AuslG |
Ausländergesetz |
BAG |
Bundesarbeitsgericht |
BayObLG |
Bayerisches Oberstes Landesgericht |
BB |
Betriebs-Berater (Zeitschrift) |
BeurkG |
Beurkundungsgesetz |
BFH |
Bundesfinanzhof |
BFH/NV |
Sammlung der Entscheidungen des Bundes- finanzhofs |
BGB |
Bürgerliches Gesetzbuch |
BGBl. |
Bundesgesetzblatt |
BGH |
Bundesgerichtshof |
BMF |
Bundesministerium der Finanzen |
BSG |
Bundessozialgericht |
BStBl. |
Bundessteuerblatt |
BZRG |
Bundeszentralregistergesetz |
DB |
Der Betrieb (Zeitschrift) |
d. h. |
das heißt |
EGBGB |
Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch |
EStDV |
Einkommensteuer-Durchführungsverordnung |
XVIEStG |
Einkommensteuergesetz |
EuGH |
Europäischer Gerichtshof |
FamFG |
Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit |
FG |
Finanzgericht |
FGPrax |
Praxis der Freiwilligen Gerichtsbarkeit (Zeitschrift) |
GastG |
Gaststättengesetz |
GbR |
Gesellschaft des bürgerlichen Rechts |
GewO |
Gewerbeordnung |
GewStG |
Gewerbesteuergesetz |
GmbH |
Gesellschaft mit beschränkter Haftung |
GmbHG |
GmbH-Gesetz |
GmbHR |
GmbH-Rundschau (Zeitschrift) |
GNotKG |
Gerichts- und Notarkostengesetz |
GrEStG |
Grunderwerbsteuergesetz |
GüKG |
Güterkraftverkehrsgesetz |
HandwO |
Handwerksordnung |
HGB |
Handelsgesetzbuch |
h. M. |
herrschende Meinung |
HRA |
Handelsregister Abteilung A |
HRB |
Handelsregister Abteilung B |
HRV |
Handelsregisterverordnung |
i. d. F. |
in der Fassung |
IHK |
Industrie- und Handelskammer |
InsO |
Insolvenzordnung |
KAGG |
Gesetz über die Kapitalanlagegesellschaften |
KG |
Kommanditgesellschaft |
KGaA |
Kommanditgesellschaft auf Aktien |
KStG |
Körperschaftsteuergesetz |
KWG |
Gesetz über das Kreditwesen |
LStDV |
Lohnsteuer-Durchführungsverordnung |
MoMiG |
Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Vermeidung von Missbräuchen |
n. F. |
neue Fassung |
NJW |
Neue Juristische Wochenschrift (Zeitschrift) |
XVIINotBZ |
Zeitschrift für die notarielle Beratungspraxis |
NZG |
Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht |
OFD |
Oberfinanzdirektion |
OHG |
Offene Handelsgesellschaft |
OLG |
Oberlandesgericht |
PBefG |
Personenbeförderungsgesetz |
RGBl. |
Reichsgesetzblatt |
Rpfleger |
Rechtspfleger (Zeitschrift) |
RVG |
Rechtsanwaltsvergütungsgesetz |
StGB |
Strafgesetzbuch |
StVG |
Straßenverkehrsgesetz |
UG |
Unternehmergesellschaft |
UmwG |
Umwandlungsgesetz |
ZIP |
Zeitschrift für Wirtschaftsrecht |
ZPO |
Zivilprozessordnung |
Hinweis
Die römische Ziffer hinter einem Paragraphen bezeichnet die Nummer des Absatzes, die arabische Ziffer die Nummer des Satzes.
Hinweis
Die Literatur zur GmbH im Allgemeinen und zu einzelnen Problemen im Besonderen ist selbst für den Fachmann kaum noch überschaubar. Wir geben eine Auswahl weiterführender Literatur an, in der man wiederum Schriften zu Einzel- und Spezialfragen verzeichnet findet.
Bartl/Fichtelmann/Koch/Schlarb/Schmitt, GmbH-Recht, 7. Aufl. 2014
Baumbach/Hueck, GmbH-Gesetz, Kurzkommentar, 21. Aufl. 2016
Beck’sches Formularbuch GmbH-Recht, 2010
Beck’sches Handbuch der GmbH, 5. Aufl. 2014
Dinkhoff, Der faktische Geschäftsführer in der GmbH, 2003
Dötsch/Geiger/Klingebiel, Verdeckte Gewinnausschüttung/Verdeckte Einlage, 2004
Haas, Anstellungsvertrag des GmbH-Fremd-Geschäftsführers, 2. Aufl. 2011
Haunhorst/Schmidt, Die GmbH, 14. Aufl. 2008
Heckschen/Heidinger, GmbH-Gestaltungspraxis, 3. Aufl. 2014
Hoffmann/Liebs, Der GmbH-Geschäftsführer, 3. Aufl. 2009
Huber, Der Beirat, 2004
Jaeger, Der Anstellungsvertrag des GmbH-Geschäftsführers, 6. Aufl. 2016
Janssen, Verdeckte Gewinnausschüttungen, 11. Aufl. 2013
Langenfeld/Miras, GmbH-Vertragspraxis, 7. Aufl. 2015
Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz, 19. Aufl. 2016
Melot de Beauregard, Das Anstellungsverhältnis des GmbH- Geschäftsführers, 2011
Meyer-Landrut, Formular-Kommentar GmbH-Recht, 3. Aufl. 2016
Meyke, Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers, 3. Aufl. 2000
XXMichalski, GmbHG. Kommentar, 2. Aufl. 2010
Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 3: GmbH, 4. Aufl. 2012
Neumann, VGA und verdeckte Einlagen, 2. Aufl. 2005
Oppenländer/Trölitzsch, Praxishandbuch der GmbH-Geschäftsführung, 2. Aufl. 2011
Passarge/Torwegge, Die GmbH in der Liquidation, 2. Aufl. 2014
Preißer/Acar, Die Unternehmergesellschaft, 2016
Prühs, Anstellungsvertrag des GmbH-Gesellschafter-Geschäftsführers, 3. Aufl. 2011
Prühs/Prühs, GmbH-Geschäftsführer: ABC der Haftungsrisiken, 3. Aufl. 2014
Rauch/Schnüttgen, Die Gesellschafterversammlung der GmbH, 2013
Reichert/Weller, Der GmbH-Geschäftsanteil, 2006
Reiserer/Heß-Emmerich, Der GmbH-Geschäftsführer, 3. Aufl. 2008
Roth/Altmeppen, Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, 8. Aufl. 2015
Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbH-Gesetz, 5. Aufl. 2013
Schauhoff, Handbuch der Gemeinnützigkeit, 3. Aufl. 2010
Schmidt/Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, 5. Aufl. 2016
Scholz, Kommentar zum GmbH-Gesetz, 11. Aufl. 2012/2015
Sernetz/Haas, Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung bei der GmbH, 2003
Spörlein/Tausend, Handbuch für den Geschäftsführer der GmbH, 19. Aufl. 2008
Tillmann/Mohr, GmbH-Geschäftsführer, 10. Aufl. 2013
Tillmann/Winter, Die GmbH im Gesellschafts- und Steuerrecht, 6. Aufl. 2015
Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG. Kommentar, 2. Aufl. 2013/2016
XXIVolkelt, Die Unternehmergesellschaft (UG), 3. Aufl. 2015
Wicke, GmbHG. Kommentar, 3. Aufl. 2016
Wilhelm, Kapitalgesellschaftsrecht, 3. Aufl. 2009
Die Bedeutung, die die GmbH im heutigen Wirtschaftsleben hat, wird wohl am besten durch die Entwicklung der Gesamtzahl aller deutschen GmbHs nach dem Krieg illustriert: Gab es 1953 nur 27.907 GmbHs, so stieg ihre Zahl bis Ende 1968 auf 67.416, erreichte Ende 1980 255.940 und am 31.12.1992 schließlich 549.659 mit einem Stammkapital von 251,8 Milliarden DM. Die Bundesstatistik wird über dieses Datum hinaus nicht fortgesetzt, so dass die heutige Anzahl nicht genau angegeben werden kann; zum 1.1.2015 hat eine private Zählung bei allen Handelsregistern die Zahl von 1.156.434 ergeben. 105.341 dieser GmbHs sind Unternehmergesellschaften. Dabei steht die „kleine“ Gesellschaft mit wenigen Gesellschaftern ganz im Vordergrund; 99,7% der GmbHs erzielen jährliche Umsätze von weniger als 50.000.000 €. In der genannten Zahl sind aber auch etliche „Karteileichen“ enthalten. Die Gesamtzahl der umsatzsteuerpflichtigen Kapitalgesellschaften (die also außer den GmbHs auch die 15.716 Aktiengesellschaften und 294 Kommanditgesellschaften auf Aktien enthält) betrug nach einer Auswertung des Unternehmensregisters im Jahre 2009 lediglich 599.326.
Die GmbH wurde durch das GmbHG vom 20.4.1892 (RGBl. S. 477) in das Rechtsleben eingeführt. Der Gesetzgeber beabsichtigte, neben der Aktiengesellschaft eine zweite Form der Kapitalgesellschaft zu 2schaffen, in der unternehmerischer Einsatz von Kapital ohne persönliches Engagement und ohne Risiko möglich sein sollte.
In diesem Haftungsprivileg und gleichzeitig gegenüber dem Recht der Aktiengesellschaft wesentlich einfacherer rechtlicher Gestaltung und Handhabung liegt auch heute noch der Hauptgrund für die Beliebtheit und Attraktivität der GmbH bei Unternehmensgründungen. An ihr hat auch das nicht sonderlich hohe Ansehen dieser Gesellschaftsform – man denke etwa an die Auflösungen „Gehste mit, biste hin“ oder „Gesellschaft mit beschränkter Hochachtung“ für das Kürzel GmbH – wenig ändern können.
Das Recht der GmbH (Gesetz i. d. F. vom 20.5.1898, RGBl. S. 846) ist in den Jahren 1980, 1985, 1998 und vor allem 2008 grundlegend umgestaltet worden.
Neben die GmbH mit einem Mindeststammkapital von 25.000 € ist seit 2008 die „Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)“ – abgekürzt UG (haftungsbeschränkt) – getreten, bei der keine Untergrenze des Stammkapitals besteht und die daher äußerstenfalls mit einem Stammkapital von 1 € gegründet werden kann. Der Gesetzgeber wollte damit die „Flucht“ in die vergleichbare englische Gesellschaftsform der Limited (vgl. dazu V. 7., S. 30) eindämmen. Wenn im Folgenden von „der GmbH“ die Rede ist, ist damit auch die UG gemeint, wenn nicht ausdrücklich etwas anderes gesagt wird.
An den Grundlagen des GmbH-Rechts haben diese Gesetzesänderungen allerdings nicht gerührt. Nach wie vor stehen deshalb zwei Gesichtspunkte im Vordergrund, wenn eine GmbH neu gegründet wird:
(1) Bei der GmbH haften die Gesellschafter nicht mit ihrem ganzen Vermögen, sondern grundsätzlich nur auf den Betrag des Stammkapitals der Gesellschaft. Eine Haftung der Gesellschafter (sog. Durchgriffshaftung) ist grundsätzlich ausgeschlossen und kommt nur in Fällen offensichtlichen Missbrauchs (ein Beispiel bei OLG Naumburg, GmbHR 2008, 1149) in Frage.
(2) Die GmbH ist eine juristische Person. Ihr, nicht den Gesellschaftern, „gehört“ das von ihr betriebene Unternehmen, den Gesellschaftern gehören nur Anteile an der GmbH. Das höchste englische 3Gericht hat diese Tatsache für die Limited, die englische Schwester der GmbH, schon im Jahre 1897 in Sachen Salomon gegen A. Salomon & Co. Ltd. auf den Punkt gebracht: „Either the limited company was a legal entity or it was not. If it was the business belonged to it and not to Mr. Salomon.“ Diese Trennung wird sogar dann konsequent durchgeführt, wenn eine GmbH nur einen einzigen Gesellschafter hat. Wird bei diesem beispielsweise eine Sache gepfändet, die der GmbH gehört, kann die GmbH gegen den Gläubiger auf Freigabe des ihr gehörenden Gegenstands klagen (BGH, 16.10.2003 – IX ZR 55/02, ZIP 2003, 2247).
Die rechtliche Selbstständigkeit der GmbH ist von besonderer Bedeutung, wenn die GmbH einen Handwerksbetrieb hat. Eine natürliche Person dürfte ein solches Geschäft nicht betreiben, wenn sie nicht in die Handwerksrolle eingetragen ist, also – von Ausnahmen abgesehen – nicht die Meisterprüfung abgelegt hat (§ 1 HandwO). Bei der GmbH genügt es, wenn diese in die Handwerksrolle eingetragen ist, wozu es wiederum genügt, dass sie einen (angestellten) Meister beschäftigt.
Wie bereits der Name „Gesellschaft mit beschränkter Haftung“ nahelegt, steht das Haftungsprivileg bei der GmbH in der Regel im Mittelpunkt des Interesses. Zwar ist die GmbH – insbesondere nach den 1980 eingeführten Vorschriften zum Schutz der Gesellschaftsgläubiger – kein Freiraum für wirtschaftliches Handeln bei völligem Risikoausschluss; es ist, wie sich zeigen wird, nicht einmal so, dass die Haftung der Gesellschafter in jedem Fall und unter allen Umständen auf den Betrag des Stammkapitals beschränkt ist. Trotzdem ist die GmbH nach wie vor die beliebteste Organisationsform, wenn die Haftung einer natürlichen Person für Forderungen in möglicherweise existenzbedrohender Höhe ausgeschlossen werden soll.
Zum Verständnis dieses Haftungsprivilegs ist es erforderlich, sich klar zu machen, wie Haftung im Rechtsleben entstehen kann. Haftung ist das Einstehenmüssen für eine Verbindlichkeit gegenüber einem Dritten. Sie kann dadurch entstehen, dass sich eine Person zur Erbringung einer Leistung verpflichtet. Ein typisches Beispiel hierfür ist der Abschluss eines Vertrages. Bei einem Kaufvertrag über ein Auto verpflichtet sich der Verkäufer, das Auto zu übereignen, der Käufer, den Kaufpreis zu bezahlen. Bei der Aufnahme eines Darlehens verpflichtet sich der Darlehensgeber zur Hingabe des vereinbarten Geldbetrages, der Darlehensnehmer zur Rückzahlung. In beiden Fällen haben die Schuldner ihre Verpflichtung bewusst auf sich genommen.
Verbindlichkeiten können aber auch aus dem bloßen Verhalten einer Person entstehen, ohne dass diese den Willen hatte, sich zu verpflichten. Wer durch Verletzung der Verkehrsvorschriften einen Verkehrsunfall verursacht, haftet dem Unfallkontrahenten auf Schadensersatz allein wegen seines schuldhaften Verhaltens. Es gibt sogar Ansprüche, die sowohl vom Willen als auch vom Verhalten des Verpflichteten unabhängig sind, weil sie sich unmittelbar aus dem Gesetz ergeben. Ein Beispiel ist die Verpflichtung zur Zahlung von Grundsteuer, die sich allein aus dem Umstand ergibt, dass eine Person Grundbesitz hat.
Für eine Verbindlichkeit haftet der Verpflichtete grundsätzlich mit seinem ganzen Vermögen. Wenn gegen ihn eine vollstreckbare gerichtliche Entscheidung ergangen ist, kann der Gläubiger seinen Anspruch im Wege der Zwangsvollstreckung in alle Vermögenswerte des Schuldners durchsetzen. Lediglich die für den Schuldner zur Führung eines menschenwürdigen Lebens unentbehrlichen, sog. „unpfändbaren Sachen“ (§ 811 ZPO) und, bis zu einer bestimmten Höhe, der Pfändungsfreigrenze, das Arbeitseinkommen des Schuldners (§ 850 ZPO) sind der Pfändung entzogen. Von diesen (und einigen weiteren) Ausnahmen abgesehen ist das Vermögen sowohl gegenständlich wie auch betragsmäßig unbeschränkt Vollstreckungsobjekt.
5Besonders geregelt ist die Haftung für ererbte Verbindlichkeiten. Beim Tod eines Menschen gehen dessen Vermögen und dessen Verbindlichkeiten auf den oder die Erben über. Diese können jedoch ihre Haftung auf den Nachlass beschränken und dadurch verhindern, dass wegen Schulden des Erblassers in ihr eigenes, nicht ererbtes Vermögen vollstreckt wird.
Der Name „Gesellschaft mit beschränkter Haftung“ legt nahe, dass bei der GmbH eine ähnliche Regelung wie bei einem Erbfall vorliegen könnte. Insoweit führt die Bezeichnung allerdings in die Irre: Die Haftung der Gesellschafter für Verbindlichkeiten der GmbH ist nicht etwa „beschränkt“ – sie haften vielmehr überhaupt nicht: Die GmbH ist eine selbstständige – juristische – Person, und die sie treffenden Verbindlichkeiten schlagen nicht auf die Gesellschafter durch.
Wie bei der Geburt eines Menschen entsteht mit der Gründung einer GmbH und deren Eintragung in das Handelsregister neues Leben. Das Lebewesen GmbH ist nicht aus Fleisch und Blut. Es entwickelt jedoch wirtschaftliche Aktivität und wird rechtlich wie eine natürliche Person behandelt. Um diese Wesensgleichheit deutlicher zu machen, spricht man nach vollzogener Entstehung einer GmbH von der Entstehung einer „juristischen Person“. Damit wird zum Ausdruck gebracht, dass die GmbH wie eine natürliche Person entsteht, lebt und agiert und irgendwann – jedoch nicht notwendigerweise – wieder erlischt. Ebenso wie die natürlichen Personen kann die GmbH als juristische Person Rechte und Pflichten haben, Verbindlichkeiten eingehen, Grundstückseigentümer sein, Erbe werden, klagen und verklagt werden (§ 13 I GmbHG); sie ist rechtsfähig.
Dadurch unterscheidet sich die juristische Person von anderen Personenvereinigungen, z. B. dem nicht eingetragenen Verein, der Gesellschaft bürgerlichen Rechts, der OHG und der KG. Diese Vereinigungen besitzen nur eingeschränkte Rechtsfähigkeit. Damit ist 6gemeint, dass sie gerade nicht in jeder Beziehung rechtsgleich mit natürlichen Personen sind.
Die OHG und die KG können unter ihrer Firma Rechte erwerben und Pflichten begründen (§ 124 HGB). Sie sind damit den juristischen Personen angenähert, unterscheiden sich aber von diesen dadurch, dass zwangsläufig mindestens ein Gesellschafter persönlich für alle Gesellschaftsverbindlichkeiten haften muss.
Neben der GmbH bilden insbesondere der eingetragene Verein und die AG rechtsfähige juristische Personen. Diese treten zwischen die Gesellschafter und die Geschäftspartner der Gesellschaft. Damit wird klar, warum im eigentlichen Sinn des Wortes keine Haftungsbeschränkung durch die GmbH begründet wird: Ein Gläubiger der GmbH kann einen Anspruch gegen diese nicht durch Vollstreckung in das Vermögen des Gesellschafters durchsetzen. Das Privatvermögen des Gesellschafters haftet nicht, es haftet nur das Vermögen der GmbH (§ 13 II GmbHG). Bereits der Anspruch des Gesellschaftsgläubigers ist nicht gegen den Gesellschafter, sondern nur gegen die Gesellschaft gerichtet. In ihrer Person ist der Anspruch auf einem der oben beschriebenen Wege entstanden. Der Gesellschafter ist damit nie in die Stellung des Schuldners gekommen, was eine Haftung von vornherein ausschließt.
An Stelle einer Haftungsbeschränkung findet wirtschaftlich gesehen eine Haftungsabwälzung statt. Die juristische Person der GmbH ist nicht selbstlos tätig. Ihr Zweck besteht in der Regel darin, für die Gesellschafter Gewinn zu erwirtschaften. Diese statten sie deshalb mit Kapital aus und erhalten sie am Leben. Da die Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft nicht selbst einzustehen haben, trifft sie aus den Geschäften der GmbH kein Risiko. Der maximale Schaden für die Gesellschafter besteht darin, dass das ihr zugewendete Kapital verloren geht. Es ist letztendlich diese Schadensbegrenzung, die mit dem Namen „Gesellschaft mit beschränkter Haftung“ ausgedrückt werden soll.
Trotz der beschriebenen Gleichbehandlung darf natürlich nicht übersehen werden, dass es wesentliche Unterschiede zwischen der natürlichen Person und der juristischen Person der GmbH gibt. 7Diese Unterschiede beruhen zum einen darauf, dass die GmbH als fiktives Wesen in eigener Person weder sprechen noch denken kann. Ein weiterer Unterschied besteht darin, dass die GmbH auch nicht sterben kann. Sie kann aber aufgelöst und vollständig abgewickelt und dadurch beendet werden. Einen Nachlass oder eine Erbschaft nach einer beendeten GmbH gibt es nicht.
Demgegenüber löst das Gesetz die zuvor genannten Probleme auf herkömmliche Weise, d. h. ähnlich wie bei gleich gelagerten Fällen natürlicher Personen. Auch hier gibt es bei Kindern und Geisteskranken die Situation, dass eine Person unfähig ist, Entscheidungen zu treffen und für sich selbst zu handeln. Diese Geschäftsunfähigkeit wird dadurch überwunden, dass eine zweite Person als gesetzlicher Vertreter bestellt wird. Bei Kindern sind dies beide Eltern gemeinsam. Bei einem Geisteskranken nimmt der gerichtlich bestellte Betreuer die Aufgabe der Vertretung wahr.
Bei der GmbH wird die mangelnde Handlungsfähigkeit dadurch ausgeglichen, dass sie Organe hat: Die Gesellschafterversammlung denkt für sie und trifft Entscheidungen („Hirn“ der GmbH), der Geschäftsführer handelt für sie entsprechend diesen Entscheidungen („Arm“ der Gesellschaft).
Für dritte Personen, die mit der Gesellschaft Verträge abzuschließen haben oder an diese Ansprüche herantragen, ist der Geschäftsführer der alleinige Ansprechpartner. Soweit die Entscheidung über das Anliegen nicht in seine Kompetenz fällt, hat er es weiter an die Gesellschafterversammlung zu tragen. Wenn deren Entscheidung ergangen ist, handelt der Geschäftsführer nicht als Vertreter der Gesellschafterversammlung, sondern der Gesellschaft dem Dritten gegenüber, schließt den angebotenen Vertrag bzw. lehnt ihn ab oder erfüllt den geltend gemachten Anspruch für die Gesellschaft bzw. weist ihn zurück.
Im letzten Falle ist der Anspruchsteller darauf angewiesen, seinen Anspruch gerichtlich geltend zu machen. Hierbei hat er zu beachten, dass die juristische Person der GmbH sein Gegenüber ist. Die GmbH kann, wie oben dargestellt, Trägerin von Rechten und Pflichten sein. Sie kann ihre Ansprüche vor Gericht selbst geltend machen 8und hat für die gegen sie erhobenen Forderungen vor Gericht selbst einzustehen. Damit ist die GmbH als Auswirkung ihrer Rechtsfähigkeit auch parteifähig. Ihre mangelnde Fähigkeit, sich im Prozess selbst zu artikulieren und Prozesshandlungen vorzunehmen (Prozessfähigkeit) wird entsprechend ihrer Geschäftsunfähigkeit dadurch ausgeglichen, dass der Geschäftsführer als gesetzlicher Vertreter an ihrer Stelle handelt.
Wenn also beispielsweise die in unserem Muster Nr. 2 des Anhangs (S. 195) gegründete GmbH verklagt werden soll, muss geklagt werden gegen „die Ritter Aquarienbedarf GmbH mit dem Sitz in Hausen, gesetzlich vertreten durch ihren Geschäftsführer Gotthold Ritter, Hausen, Bürgermeister-Schnack-Straße 12“. Falsch wäre es, gegen den Geschäftsführer Gotthold Ritter selbst zu klagen; diese Klage wäre gegen die falsche Person gerichtet und daher abzuweisen.
Wenn dagegen in der Klageschrift nur der Name der GmbH erscheint und der Geschäftsführer nicht angegeben ist, kann die Klage nicht zugestellt werden. Zur Zustellung gehört die Entgegennahme der Klageschrift, und letztere stellt eine natürliche Handlung dar, die von der GmbH selbst nicht ausgeführt werden kann. Ohne die Bezeichnung der natürlichen Person, welcher der Postbote die zuzustellende Klageschrift aushändigen soll, kommt das Verfahren erst gar nicht in Gang.
Der Geschäftsführer kann im Prozess auch nicht als Zeuge vernommen werden. Die Waffengleichheit der Parteien fordert vielmehr, dass er sich nur als Sprachrohr der GmbH äußern kann. Er kann deshalb nur als Partei vernommen werden.
Die GmbH als juristische Person ist damit mit allem ausgestattet, was für die Teilnahme am Rechtsverkehr notwendig ist: Mit der Gesellschafterversammlung hat sie ein Willensbildungsorgan, das die notwendigen Entscheidungen trifft. Mit dem Geschäftsführer besitzt sie ein Organ, das sie nach außen vertritt und die Beschlüsse ausführt. Darüber hinaus besitzt sie ein Gesellschaftsvermögen, mit dem sie die Gesellschafter ausgestattet haben und das als Startkapital für ihre Tätigkeit dient.
Es ist leicht einzusehen, dass immer wieder versucht wird, die GmbH als Schutzschild gegen Vollstreckungsversuche von Privatgläubigern der Gesellschafter einzusetzen. Die dargestellte rechtliche Selbstständigkeit der GmbH als juristische Person begünstigt ein solches Vorgehen. Zahlt ein Gesellschafter 25.000 € als Einlage an die GmbH, so sind diese 25.000 € seinen Gläubigern ebenso entzogen, als wenn er sie an die Bank zur Abdeckung bestehender Schulden oder an einen Autohändler zur Leistung des Kaufpreises für einen Pkw bezahlt hätte. Der Privatgläubiger des Gesellschafters kann sich in allen drei genannten Fällen nicht an die Empfänger der Zahlung halten, weil er ihnen gegenüber keine Anspruchsberechtigung besitzt.
Trotzdem kann der Gesellschafter durch die GmbH nicht ohne weiteres Vermögen beiseiteschaffen. Durch die Zahlung an die GmbH hat nämlich der Anteil des Gesellschafters an Wert gewonnen. Der Gesellschaftsanteil ist ein vermögenswertes Gut, das wie das Eigentumsrecht an einer Sache oder eine Forderung dem Vollstreckungszugriff unterliegt. Die Zwangsvollstreckung in einen GmbH-Anteil erfolgt entsprechend § 857 ZPO: Der gerichtliche Pfändungs- und Überweisungsbeschluss ist dem Geschäftsführer in seiner Funktion als gesetzlicher Vertreter der GmbH zuzustellen; die Forderung des Vollstreckungsgläubigers ist dann aus dem Erlös bei der Veräußerung des Anteils zu befriedigen.
Es nutzt auch nichts, wenn im Gesellschaftsvertrag die Abtretung von besonderen Voraussetzungen abhängig gemacht ist oder sogar ganz ausgeschlossen ist (§ 15 V GmbHG). Auf den Geschäftsanteil wird nämlich § 851 II ZPO angewandt, und damit auch in diesem Fall die Pfändung zugelassen; die Pfändbarkeit als solche kann ohnehin nicht wirksam ausgeschlossen werden.
Nicht erfolgreich ist auch die Variante, dass im Gesellschaftsvertrag vereinbart ist, dass ein gepfändeter Gesellschaftsanteil ersatzlos eingezogen werden soll. Zwar ist die Vereinbarung einer solchen Einziehung grundsätzlich möglich. Die Pfändung des Gesellschaftsanteils 10würde sich dann als Schlag ins Wasser erweisen, der Vollstreckungsgegenstand löst sich gewissermaßen in Luft auf. Zwar wäre in diesem Fall der Gesellschafter um seinen Anteil gebracht; die Vollstreckung hätte dem Gläubiger jedoch außer Kosten und Gebühren nichts eingebracht. Er hätte deshalb wohl von vorneherein darauf verzichtet.
Dem hat die Rechtsprechung jedoch dadurch einen Riegel vorgeschoben, dass sie eine unentgeltliche Einziehung im Pfändungsfall für unwirksam erklärt hat. Sie lässt zwar bei der Einziehung Abstriche vom wahren Vermögenswert zu (vgl. die Regelung in den §§ 10 und 13 des Gesellschaftsvertrags in Muster Nr. 4 des Anhangs, S. 200 ff.); grundsätzlich setzt sich aber die Pfändung des eingezogenen Geschäftsanteils an dem unverzichtbaren Abfindungsanspruch des Gesellschafters fort.
Bei einer Einpersonen-GmbH (s. unten 2. Kap. X. 1., S. 86) können die Gläubiger eines Gesellschafters die Vermögensübertragung außerdem anfechten und das ihm entzogene Vermögen „zurückholen“, weil diese GmbH jedenfalls nach Ansicht des BGH (NJW 1995, 659) als „nahe stehende Person“ ihres Schuldners im Sinne von § 3 AnfG gilt – so vertraulich können Juristen von einer juristischen Person sprechen!
Der Weg des Vollstreckungsgläubigers, der in den GmbH-Anteil seines Schuldners vollstrecken will, ist also zwar dornenvoll, endgültig können Vermögenswerte durch Einbringung in eine GmbH dem Gläubigerzugriff jedoch nicht entzogen werden.
Wenn schon vorhandenes Vermögen über die Einlage in eine GmbH vor dem Gläubigerzugriff nicht gesichert werden kann, so ist daran zu denken, Verbindlichkeiten auf die GmbH abzuwälzen. Diese Möglichkeit beruht wiederum darauf, dass die GmbH eine eigenständige Rechtsperson ist: Ebenso wenig wie die Gesellschaft für Privatschulden der Gesellschafter haftet, haben diese für Verbindlichkeiten der Gesellschaft einzustehen.
11Es liegt deshalb nahe, dass die Gesellschafter risikoreiche Geschäfte durch die GmbH abwickeln lassen. Sie könnten auch daran denken, die Gesellschaft dazu einzusetzen, auf ihren Namen Waren einzukaufen, deren Gebrauch dann unentgeltlich den Gesellschaftern zur Verfügung gestellt wird. Auf diese Weise bleiben die Gesellschafter von der Haftung frei und erlangen trotzdem geldwerte Vorteile.
Wer mit dieser Überlegung die Errichtung einer GmbH oder den Eintritt in eine solche plant, sollte an folgendes denken: Grundsätzlich ist die Haftungsabwälzung in der dargestellten Form möglich, in der Praxis funktioniert sie jedoch nur sehr eingeschränkt, und das aus zwei Gründen.
Zum einen unterliegt die GmbH der Zwangsvollstreckung und muss mit ihrem Vermögen für die eingegangenen Verpflichtungen geradestehen. Jedes Teil ihres Anlage- und Betriebsvermögens, vorhandene Rechte und Grundstücke, können ihr gepfändet werden. Ihr gesamtes Vermögen kann aber auch im Rahmen einer Insolvenz beschlagnahmt und im Ganzen verwertet werden. Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist die GmbH aufgelöst (s. unten 4. Kap. I. 2., S. 161), so dass die Haftungsüberwälzung grundsätzlich nur für eine beschränkte Zeit möglich ist.
Sie stößt daneben auf ein praktisches Hindernis, das oft übersehen wird. Eine GmbH mit dem Mindeststammkapital von 25.000 € und erst recht eine Unternehmergesellschaft mit noch niedrigerem Stammkapital genießt im allgemeinen Geschäftsverkehr als solche keinerlei Kredit. Es wird sich zwar vielleicht ein Geschäftsmann finden, der einer GmbH auf Kredit Waren liefert, ohne dass ihm Sicherheiten gestellt werden. Bankkredite wird sie in der Regel aber nur erhalten, wenn einer oder mehrere Gesellschafter als Mitschuldner oder Bürgen fungieren oder ihr Privatvermögen verpfänden. Oft vergessen die Banken dabei allerdings, die Vorschriften des BGB über Verbraucherkredite zu beachten, die nicht für die GmbH, wohl aber nach der Rechtsprechung für den Gesellschafter als Privatperson als Mitschuldner gelten und haben dann das Nachsehen. Immer wieder einmal kommt es auch vor, dass jede Vorsichtsmaßregel unterlassen wird. Nur so sind nämlich spektakuläre GmbH-Insolvenzen mit Millionenschäden für die Gläubiger zu erklären. In der Regel 12muss aber eine GmbH, die nicht mit betrügerischen Mitteln arbeitet, damit rechnen, dass sie für jeden geliehenen Cent Sicherheiten stellen muss und sie damit in der Regel strenger behandelt wird als eine natürliche Person. Von daher sind der Haftungsabwälzung auf die GmbH von vorneherein sehr enge Grenzen gesteckt.
Die Rechtsprechung zog diese Grenzen zeitweise noch enger, hat aber in den letzten 20 Jahren mehrmals mit neuen Auffassungen überrascht. Zunächst hatte der BGH angenommen, dass der Allein- oder Mehrheitsgesellschafter einer GmbH, der gleichzeitig deren alleiniger Geschäftsführer ist und sich außerdem als Einzelkaufmann unternehmerisch betätigt, wie in einem „faktischen Konzern“ haftet, d. h. den Gläubigern der GmbH stets zur Zahlung verpflichtet bleibt, wenn diese mit ihrer Forderung gegen die Gesellschaft ausgefallen sind (BGH, NJW 1991, 3142). Dann wäre die mit einer GmbH bezweckte Haftungsbeschränkung bei der beschriebenen Fallgestaltung praktisch gegenstandslos. Später wurde diese Rechtsprechung ganz aufgegeben (BGH, 17.9.2001 – II ZR 178/99, NJW 2001, 3622) und ein Schutz des Stammkapitals und der Gesellschaft überhaupt vor existenzvernichtenden Eingriffen der Gesellschafter angenommen. Nach diesem Konzept hafteten die Gesellschafter einer GmbH den Gläubigern auf Schadensersatz, wenn sie der GmbH planmäßig deren Vermögen entzogen und auf eine andere ihnen gehörende Gesellschaft verlagerten, so dass die GmbH in eine masselose Insolvenz getrieben wurde, während eine andere GmbH den Geschäftsbetrieb weiterführte (BGH, 20.9. 2004 – II ZR 302/02, NZG 2004, 1107). Heute beurteilt der BGH derartige Praktiken (nur noch) unter dem Gesichtspunkt der missbräuchlichen Schädigung des im Gläubigerinteresse zweckgebundenen Vermögens; Ansprüche bestehen hiernach dann, wenn eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung nach § 826 BGB anzunehmen ist (BGH, 16.7.2007 – II ZR 3/04, NJW 2007, 2689). Die Entscheidung zum Skandal um die Werften der „Bremer Vulkan“ (BGH, 13.5. 2004 – 5 StR 73/03, NJW 2004, 2248) zeigt übrigens, dass sich Geschäftsführer dabei nicht nur unkorrekt verhalten, sondern auch leicht wegen Untreue (§ 266 StGB) strafbar machen können.
Im Recht der GmbH wird sehr viel Wert auf den Gläubigerschutz gelegt (§§ 30 ff. GmbHG). Dieser Schutz basiert auf dem Grundkonzept, dass die Gesellschafter die Gesellschaft bei der Gründung mit einem gewissen Vermögen ausstatten, der Wert dieses Vermögens im Handelsregister eingetragen wird und den Gläubigern der Gesellschaft als Haftungsfonds gewährleistet sein soll. Dieses Vermögen heißt Stammkapital und darf nicht mit dem Gesellschaftsvermögen verwechselt werden. Das Stammkapital gibt nur an, mit welchem Vermögen die GmbH bei ihrem Entstehen ausgestattet wurde. Der Betrag des Stammkapitals bleibt deshalb in der Regel während der gesamten Zeit des Bestehens einer Gesellschaft oder wenigstens über mehrere Jahre hinweg gleich. Das Gesellschaftsvermögen hingegen ändert sich von Tag zu Tag und gibt den Betrag wieder, der als Erlös bei der Liquidation der Gesellschaft erzielt werden könnte. Das Stammkapital und das Gesellschaftsvermögen sind nur am Tag der Gründung der Gesellschaft gleich. Wie schnell eine Differenz zwischen beiden Werten entstehen kann, zeigt folgendes
BEISPIEL: Die Gesellschafter einer Transport-GmbH legen zur Gründung zusammen einen Geldbetrag von 25.000 € ein. In diesem Augenblick betragen Stammkapital und Gesellschaftsvermögen je 25.000 €. Am darauf folgenden Tag wird vom Kapital der Gesellschaft ein Lastkraftwagen gekauft, der wieder einen Tag später einen Totalschaden erleidet und nur noch den Schrottpreis von 500 € wert ist. Das Stammkapital der Gesellschaft beträgt nach wie vor 25.000 €. Das Gesellschaftsvermögen dagegen ist auf 500 € gesunken.
Der Fall zeigt exemplarisch, warum für einen Geschäftspartner der GmbH die Feststellung von deren Stammkapital im Handelsregister allein wenig Wert hat. Haftungsgrundlage ist für ihn allein das gegenwärtige Gesellschaftsvermögen, und dieses kann verständlicherweise in seiner täglichen Veränderung nicht im Handelsregister eingetragen sein.
14Trotzdem ist das Stammkapital von großer Bedeutung: Es ist nämlich die unterste Grenze, bis zu der das Gesellschaftsvermögen durch Leistungen an die Gesellschafter vermindert werden darf.
Das Gesellschaftsvermögen darf also durch Geschäftsverluste, z. B. einen Autounfall oder Fehlspekulationen in Warentermingeschäften, unter das Stammkapital absinken. Es muss aber zunächst einmal aufgebracht worden sein und darf nicht durch direkte oder indirekte Zuwendungen an die Gesellschafter vermindert werden.
Die Gesellschafter sind also verpflichtet, der Gesellschaft zunächst einmal Vermögen im Wert des Stammkapitals zuzuführen. Dies muss nicht bei der Gründung geschehen (Näheres s. unten 2. Kap. V., S. 56 ff.). Die Zahlungen an die Gesellschaft können in Raten von unterschiedlicher Höhe und unterschiedlichem zeitlichem Abstand geschehen. Sie brauchen auch für die einzelnen Gesellschafter weder absolut noch relativ gleich zu sein. Für die Gläubiger der Gesellschaft kommt es ausschließlich darauf an, dass die Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft verpflichtet sind, insgesamt das Stammkapital aufzubringen. Soweit dies noch nicht geschehen ist, besteht ein Anspruch der Gesellschaft gegen ihre Gesellschafter, den der Gläubiger pfänden und sich zur Einziehung überweisen lassen kann (§ 835 ZPO). Im Fall der Insolvenz einer GmbH wird es die erste Tätigkeit des Insolvenzverwalters sein, die Einlagen auf das Stammkapital nachzuprüfen und einen etwaigen Fehlbetrag von den Gesellschaftern einzufordern. Das Stammkapital ist deshalb keineswegs ein beliebig einzusetzender Betrag, sondern eine Summe, auf die alle Gesellschafter haften – wenn einer nicht zahlen kann, für dessen Anteil mit (§ 24 GmbHG).
Nicht nur die Zahlung des Stammkapitals, sondern auch seine Erhaltung zugunsten der Gesellschaftsgläubiger ist im GmbHG geregelt (§§ 30 bis 34 GmbHG).
15§ 30 I GmbHG bestimmt, dass das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen der Gesellschaft nicht an die Gesellschafter ausbezahlt werden darf. Maßgebend sind dabei die Buchwerte in der Bilanz (BGH, GmbHR 1990, 209). Entfaltet ein Gesellschafter-Geschäftsführer keinerlei Tätigkeit, so verstößt eine Vergütung für ihn gegen das Auszahlungsverbot (OLG Düsseldorf, GmbHR 1990, 134). Eine verbotene Umgehung des Auszahlungsverbots ist regelmäßig auch die Zahlung an ein von einem Gesellschafter beherrschtes Unternehmen und die Gewährung eines Darlehens von der Gesellschaft an einen Gesellschafter (OLG Hamm, GmbHR 1994, 472); ist dieser zugleich Geschäftsführer, ist die Darlehensgewährung durch § 43a GmbHG ohnehin verboten. Bei verbotener Auszahlung ist der Gesellschafter zur Rückzahlung an die Gesellschaft verpflichtet. Allerdings hat das MoMiG das sog. „Cash-Pooling“, nämlich das zentrale Cash-Management in Konzernen für erlaubt erklärt (§ 30 I 2 GmbHG). Es ist deshalb heute erlaubt, wenn eine Muttergesellschaft Liquidität von den Tochtergesellschaften abzieht und bei der Muttergesellschaft zentral für alle Konzerngesellschaften verwaltet, wodurch oft bessere Zinserträge erzielt und/oder unnötige Kreditzinsen vermieden werden.
Der Anspruch aus § 31 GmbHG auf Rückgabe eines verbotswidrig weggegebenen Vermögensgegenstands wird in der Regel dann geltend gemacht, wenn die GmbH insolvent geworden ist. Tritt nach der Weggabe eine Wertminderung ein, haftet der Empfänger für diese, wenn er nicht beweisen kann, dass die gleiche Wertminderung eingetreten wäre, wenn der Vermögensgegenstand bei der Gesellschaft verblieben wäre (BGH, 17.3.2008 – II ZR 24/07, NZG 2008, 467). Der Insolvenzverwalter hat sich mit dem Geschäftsverlauf der Gesellschaft zu befassen. Anhand der Geschäftsunterlagen lässt sich in der Regel sehr leicht feststellen, wann das Vermögen der GmbH unter das Stammkapital abgesunken ist. Soweit nach diesem Zeitpunkt Vermögenswerte an die Gesellschafter geflossen sind, wird sie der Insolvenzverwalter erforderlichenfalls im Klageweg zur Insolvenzmasse zurückfordern. Eine Aufrechnung gegen Forderungen aus § 31 GmbHG ist nicht möglich (BGH, 27.11.2000 – II ZR 83/00, NJW 2001, 830), und die Forderung bleibt auch dann bestehen, 16wenn später das Stammkapital wiederhergestellt wird (BGH, 29.5. 2000 – II ZR 118/98, NJW 2000, 2577).
Bei unkontrollierbarer Vermischung von Privat- und Geschäftsvermögen kann der Gesellschafter den Gläubigern sogar mit seinem gesamten Privatvermögen persönlich haften („Durchgriffshaftung“, BGH, 14.11.2005 – II ZR 178/03, NJW 2006, 1344). Das Fehlen doppelter Buchführung reicht allerdings hierfür nicht aus. § 30 GmbHG ist sehr weit auszulegen und umfasst nicht nur offene Auszahlungen wie z. B. Gewinnausschüttungen, sondern auch verdeckte Zuwendungen wie z. B. Gehaltszahlungen. Vermögenszuwendungen der Gesellschaft sind allerdings dann nicht zurückzuerstatten, wenn von den Gesellschaftern dafür angemessene Gegenleistungen erbracht wurden. Als Beispiel sei der Fall einer kleinen Handwerks-GmbH genannt, deren Gesellschafter Ehegatten sind, der Mann als Geschäftsführer, die Frau als Sekretärin für die Buchhaltung in den Diensten der Gesellschaft. Solange das Gesellschaftsvermögen das Stammkapital nicht unterschreitet, sind die Eheleute nach GmbH-Recht nicht gehindert, für sich „Phantasiegehälter“ zu vereinbaren (ob das Finanzamt sie akzeptiert, ist eine andere Frage, vgl. dazu 6. Kap. I., S. 178 ff.). Sobald aber Unterdeckung eintritt, greift § 30 GmbHG ein, und Gehälter, die das übliche Gehalt derartiger Bediensteter übersteigen, stellen eine unzulässige Rückgewähr der Geschäftsanteile dar.
Als Auszahlung im Sinn der genannten Vorschriften ist auch die Zuwendung von geldwerten Gebrauchsvorteilen, z. B. eines Pkws, anzusehen; auch Zahlungen an Dritte können den Anspruch aus § 31 I GmbHG auslösen (OLG Düsseldorf, GmbHR 2017, 239). Der Schutz der Gesellschaftsgläubiger rechtfertigt eine solche ausdehnende Auslegung des Aushöhlungsverbots in § 30 GmbHG.
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