Veröffentlicht im Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg, April 2017
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ISBN Printausgabe 978-3-499-63215-0 (1. Auflage 2017)
ISBN E-Book 978-3-644-40038-2
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ISBN 978-3-644-40038-2
Für Doris, Klaus und Meena
Es regnet. Und wie es regnet. Ich liege in einem Steinbruch lang gestreckt auf nacktem, schlammigem Fels und versuche, mit meinem Körper eine Reihe fossiler Fußabdrücke, aber vor allem die in sie gepresste Abformmasse, vor den heranrauschenden Wassermassen zu schützen. Warum ich das mache?
Weil ich Paläontologe bin. Zugegeben, das ist erklärungsbedürftig.
Bereits die Nacht zuvor hatte es so sehr geschüttet, dass der Campingplatz knapp zehn Zentimeter hoch unter Wasser stand. Nur ein Zentimeter mehr und das Wasser wäre durch den Eingang in mein Zelt gelaufen. So aber hatte es sich damit begnügt, in Form von Feuchtigkeit langsam durch den Zeltboden zu dringen … Es gibt doch nichts Schöneres, als in einem klammen Schlafsack aufzuwachen! Dabei hatte der Tag nach den nächtlichen Überflutungen noch gut angefangen. Im Gegensatz zu vielen Urlaubern auf unserem niederländischen Campingplatz waren die meisten Teilnehmer unseres Grabungsteams recht gut ausgerüstet. Wir platschten einer nach dem anderen leicht verschlafen in unser Gemeinschaftszelt und versammelten uns am Frühstückstisch. Die Verpflegung stammte aus dem nächstgelegenen Supermarkt, und da wir uns in den Niederlanden befanden, durfte Vla natürlich nicht fehlen. Für den heutigen Tag sei abwechselnd Sonne und Regen angekündigt, erklärte der Grabungsleiter. Wenn es zu schlammig würde, wären wir gezwungen, Pausen zu machen; allerdings werde die Zeit langsam knapp und die Funde der letzten Tage müssten noch vollständig geborgen werden. Außerdem müsse die Reptilienfährte im Gestein, die wir die letzten anderthalb Wochen systematisch freigelegt hatten, noch abgegossen werden, um später Kopien herstellen zu können.
Wir packten unsere Rucksäcke, warfen das Grabungsequipment in die VW-Busse und machten uns auf den Weg zum nahe gelegenen Kalksteinbruch in Winterswijk. Einige besonders Hartgesottene unter uns fuhren die Strecke vom Campingplatz jeden Morgen mit dem Rad, ich hingegen nutzte wie immer die Gelegenheit, auf der Rückbank noch etwas zu dösen. Als wir den Steinbruch erreichten, war es bereits angenehm warm, was mich an die letzten Tage denken ließ. Die Luft in der Grube hatte sich manchmal auf fast 40 °C aufgeheizt, und wir arbeiteten die meiste Zeit mit feuchten Tüchern unter dem (leider vorgeschriebenen) Helm.
Die Ausrüstung wurde wie immer auf Schubkarren verteilt, und wir gelangten über einen Feldweg zur Rampe, die in Serpentinen ins Innere des Steinbruchs hinabführte. An diesem Tag hatte ich Glück, da die Schubkarren bereits von anderen Teammitgliedern geschoben wurden.
Nein, das Glück bestand nicht etwa darin, mir etwas Arbeit erspart zu haben, sondern in der kleinen, aber angenehmen Tatsache, nicht bei lebendigem Leib gefressen zu werden. Beim Weg in und aus dem Steinbruch wurde unsere Gruppe nämlich regelmäßig von schwarzen Wolken aus Bremsen angefallen. Natürlich beschleunigten dann alle, wild um sich fuchtelnd, ihren Schritt. Die Bremsen folgten ihren Opfern jedoch meist nicht weit in den heißen Steinbruch hinein, sondern kehrten um, sobald man die Rampe erreicht hatte. Auf ihrem Rückweg versammelten sich dann die Schwärme bei den langsamsten Tieren unserer Herde (denjenigen, die ächzend die Schubkarren vor sich herschoben). Wenn man sich in dieser ungünstigen Position wiederfand, hatte man die Wahl: Entweder setzte man die Schubkarre ab, um jeden Landeversuch mit gezielten Schlägen zu unterbinden – allerdings kam man dann noch langsamer voran –, oder man blieb auf Kurs, packte die Schubkarre fester, biss die Zähne zusammen und hoffte darauf, die Rampe zu erreichen, bevor der Blutverlust sich bemerkbar machen würde.
Im Steinbruch angekommen bauten wir unser Grillzelt (also: Sonnenschutz, Regendach, Schattenspender) auf der mittleren Sohle auf. Hier befand sich die fossilreichste Schicht. An dieser Stelle sollte ich vielleicht erklären, wie der Steinbruch aufgebaut war: Man stelle sich ein rechteckiges Loch im Boden vor. Es ist rund 30 Meter tief und im Durchmesser mehrere hundert Meter breit. Die grauen Wände fallen senkrecht ab. Alle paar Meter beginnt eine neue Sohle, sozusagen eine Kante, die wie ein Stockwerk fungiert, und von der aus die darüberliegende Wand abgebaut werden kann. Die einzelnen Sohlen sind durch schräge Rampen verbunden, sodass die tiefer liegenden Ebenen zugänglich für Lastwagen sind. Auf einer dieser Sohlen hatten wir die letzten Tage eine Schicht mit Fossilien abgebaut, und mehrere Stücke warteten nun darauf, vollständig aus dem Gestein geborgen zu werden.
Unterdessen machte sich unser Präparator daran, auf der Rampe, die zur untersten Sohle führte, die zweite Überdachung aufzubauen, um die dort freigelegte Fährte mit Silikon abzugießen. Das Zelt über der Fährte war wichtig, da Regen angekündigt war: Nasses Silikon härtet nicht aus.
An dieser Stelle möchte ich kurz für einige Feststellungen unterbrechen: Die Gesteinsschichten unseres Steinbruchs entstanden im Erdzeitalter der Trias vor rund 240 Millionen Jahren. So weit ist das für den Paläontologen noch nichts Ungewöhnliches. Auch dass versteinerte Knochen gefunden wurden, war nicht der einzige Grund dafür, warum wir eine größere Grabung durchführten. In Winterswijk war eine andere Sache hochinteressant: Neben fossilen Knochen konnten auch Fußabdrücke an derselben Fundstelle gefunden werden – ein seltener Glücksfall. An den meisten paläontologischen Fundstellen kommen entweder Spuren oder Knochen vor, beides zusammen ist höchst selten (und lässt jedes Paläontologenherz höher schlagen). Noch ungewöhnlicher wurde die Tatsache dadurch, dass die Spuren von Landlebewesen stammten (man kann sie sich vom Aussehen ungefähr wie Eidechsen vorstellen), die Knochen in den darüberliegenden Schichten aber verschiedenen Meeresreptilien zuzuordnen waren. Dieses Phänomen lässt sich unter anderem durch Meeresspiegelschwankungen erklären. Über einem flachen Wattbereich, der durch Gezeiten immer wieder trockenfiel, hatten einige Reptilien der Trias auf der Suche nach angeschwemmter Nahrung ihre Fußabdrücke hinterlassen. Einige tausend Jahre später (geologisch gesehen eine wirklich kurze Zeit!) war der Meeresspiegel etwas gestiegen und das ehemalige Watt nun vollständig von Wasser bedeckt. Die sich darüber ablagernden Schichten enthielten jetzt keine Fußabdrücke mehr, doch dafür die Knochen von Meeresreptilien. Sofern Sie an diesem Punkt mit Begriffen wie «Schichten» noch nichts anfangen können, keine Sorge, wir werden uns im Laufe der nächsten Kapitel gemeinsam das nötige Hintergrundwissen für eine erfolgreiche Fossilienjagd aneignen.
Kehren wir jetzt zurück zur Arbeit im Steinbruch. Die Hitze der letzten Tage war endlich vorüber, es war bewölkt und kühl genug, um die Arbeit mit Hammer und Meißel erträglich werden zu lassen. Glücklicherweise ließ auch der angekündigte Regen auf sich warten. Letzteres änderte sich jedoch nach der Mittagspause.
Ein Sommerregen, ähnlich stark wie der, der die Nacht zuvor unseren Campingplatz unter Wasser gesetzt hatte, ergoss sich über der Grabungsstätte. Das Gestein war binnen kürzester Zeit von grauem Kalkschlamm bedeckt, der ein vernünftiges Arbeiten unmöglich machte. Beinahe das gesamte Grabungsteam quetschte sich samt Rucksäcken und wichtiger Ausrüstung unter das Grillzelt auf der mittleren Sohle. Lediglich unser Präparator harrte am Fuß der nächsten Rampe unter seinem Zelt aus, wo er noch immer damit beschäftigt war, die freigelegten Fährten mit Silikon abzugießen. Während um uns herum die Welt unterging, konnten wir ihn als kleine Gestalt weiter unter uns beobachten. Mit der Zeit fiel mir auf, dass er unter seinem Unterstand relativ aktiv war und ständig hantierte. Nach etwa einer Viertelstunde stand ich auf, nahm meinen Rucksack und ließ den Grabungsleiter wissen, dass ich mal zum anderen Zelt laufen würde, um zu sehen, ob ich mich nicht nützlich machen könne. Nach wenigen Metern war ich bereits nass bis auf die Knochen und bereute meinen Entschluss. Doch als ich etwa die Hälfte der Strecke zügig zurückgelegt hatte, begann ich wirklich zu rennen. Denn nun konnte ich erkennen, warum unser Präparator die ganze Zeit im Zelt hin und her lief. Neben mir bewegte sich das ganze Wasser, das oben im Steinbruch niedergegangen war und nun einen Weg zum Abfließen suchte. Die Fährte, die wir die Tage zuvor freigelegt hatten, befand sich auf dem untersten Abschnitt dieser Rampe. Wir hatten eine Rinne gegraben, die etwa zwei Meter lang, 50 Zentimeter breit und rund zehn Zentimeter tiefer war als das sie umgebende Gestein. Sie war jetzt mit Silikon ausgefüllt, um die Fußabdrücke, die sich darin befanden, abzugießen. Doch während das Silikon durch das zweite Grillzelt von oben vor Regen geschützt war, flossen gerade große Mengen an Wasser die Rampe herab, nur um auf die von uns gegrabene Rinne zu treffen, die wir um jeden Preis trocken halten mussten, da wir weder das Silikon noch die Zeit für einen zweiten Abguss hatten. Das alles verstand ich erst, als ich das Zelt erreichte und sah, wie unser Präparator notdürftig einen Damm aus Grabungsutensilien, seinem Rucksack und allem, was sonst noch so vorhanden war, um den Abgussbereich errichtete. Ich warf sofort meinen Rucksack auf den provisorischen Damm, und gemeinsam begannen wir, mit den Spitzhacken eine zweite Abflussrinne zu hacken. Ein Teil des Wassers konnte so zwar umgeleitet werden, aber immer noch drohte das Silikon nass zu werden. Nun blieb nur noch eins: Wir legten uns jeder auf eine Seite der ausgegrabenen Fährte und bildeten mit unseren Körpern und den beiden Dämmen aus Rucksäcken ein schützendes Viereck.
Hier lag ich also nun, fluchend, umgeben von Schlamm, Wasser und Silikon, und hatte einen Heidenspaß.
Glücklicherweise kamen bald noch weitere Mitglieder des Teams zu uns herab (wahrscheinlich hatten sie bemerkt, dass etwas nicht stimmte, nachdem wir uns mehrere Minuten auf den Boden gepresst hatten). So konnten wir gemeinsam den Bereich vollständig trocken halten. Kurz danach hörte auch der Regen auf. Wir waren nass, dreckig und erschöpft – aber die Fährte hatte es überstanden. Am Ende des Tages war jeder glücklich und zufrieden, denn auch wenn man als Paläontologe normalerweise die meiste Zeit am Rechner verbringt, ist man in solchen Momenten, in denen man sich auf Fossilienjagd Wind und Wetter aussetzt und sich die Hände schmutzig macht, ganz in seinem Element.
Auch wenn diese Frage für mich einfach zu beantworten sein sollte, stellt sie sich als ähnlich schwierig dar wie die Frage nach der Henne und dem Ei (die wir übrigens im Laufe dieses Buches noch klären werden). Während andere Kinder abwechselnd Feuerwehrmann, Tierarzt oder Astronaut werden wollten, wollte ich, soweit ich zurückdenken kann, Paläontologe werden. Es gab keinen konkreten Anlass. Als ob es von Anfang an in meiner genetischen Programmierung verankert gewesen wäre, stand dieses Ziel immer für mich fest. Ein «Davor» gab es nie. Dementsprechend lautete die Antwort auf die berühmte Was-willst-du-werden-Frage all die Jahre immer im Brustton der Überzeugung: «Paläontologe!» Falls es in meiner Entwicklung überhaupt einen Zeitpunkt gegeben haben sollte, an dem noch die Chance bestand, einen Pfad einzuschlagen, der Geld, Ruhm, Sicherheit, Freizeit, Anerkennung – sprich, eine Karriere außerhalb der Wissenschaft – geboten hätte, dann war diese Gelegenheit spätestens nach einem Schlüsselereignis in meiner Kindheit passé.
Im Bonner Stadtbezirk Beuel gibt es nämlich ein kleines Bächlein, den Vilicher Bach, an dem ganze Generationen von Kindern schon Staudämme errichtet haben. Er mündet, ohne sonstige nennenswerte Besonderheiten, zwischen Feldern und Wiesen in den Rhein. Dort wird er von einer kleinen Brücke überspannt, die bei vielen Spaziergängern sehr beliebt ist. Heute ist sie aus Backsteinen, doch vor 25 Jahren bestand ihr Korpus aus Schieferblöcken. Dorthin nahm mich mein Vater eines Tages mit – ich war damals gerade vier Jahre alt. Bewaffnet mit Hammer und Meißel gingen wir auf Fossilienjagd. Wie wir später noch sehen werden, sind die Chancen, fündig zu werden, eigentlich fast immer sehr gering. Doch dank einer glücklichen Fügung (oder vielleicht einem größeren geologischen Wissen, als ich meinen Eltern an dieser Stelle zugestehe) bestand diese Brücke tatsächlich aus Gestein, das sich vor 400 Millionen Jahren auf dem Grund eines Meeres abgelagert hatte. Die chemischen Bedingungen auf dem Ozeanboden, der zu dieser Zeit ungefähr dort lag, wo heute der Hunsrück ist, waren so günstig, dass Lebewesen, die damals das Zeitliche segneten, im Sediment überliefert (fossilisiert) werden konnten.
Dies alles wussten wir jedoch noch nicht, als wir mit vereinten Kräften einen lockeren Block aus der Brücke zogen. Mein Vater drückte mir das Werkzeug in die Hand, umgriff meine Finger, und gemeinsam spalteten wir den Schiefer (sofern Sie für Ihre Kinder keine Karriere als Geologen im Sinn haben, steht dies auf der Liste der Dinge, die Sie vermeiden sollten, ganz oben). Und dann folgten gleich zwei Glücksmomente nacheinander: Ich hatte eigenhändig meinen ersten Stein auf der Suche nach einem Fossil gespalten. Und noch besser: Ich war tatsächlich fündig geworden! (Meines Wissens nach wurden diese Gehirnprozesse noch nie untersucht, aber ich bin fest davon überzeugt, dass ein Paläontologe, der ein Fossil findet, einem Spieler gleicht, der gerade den Jackpot geknackt hat. Sie können sich vorstellen, dass die Zukunftsprognose eines bereits vorbelasteten Kindes nach einem solchen Rausch völlig hoffnungslos war.)
Vor mir lag eine schwarze Schieferplatte, auf der helle Abdrücke zu sehen waren, die eindeutig einmal zu etwas Lebendigem gehört hatten … und jetzt gehörte sie mir! Ich wusste zu diesem Zeitpunkt natürlich nicht, was dort auf dem Stein zu sehen oder wie alt das Fossil war (es handelte sich um die Reste einer Seelilie), aber ich wusste, dass das, was ich in den Händen hielt, irgendwann einmal aktiv gewesen war, pulsiert und sich abgeplagt hatte, also: vor langer, langer Zeit gelebt hatte! Zu einer Zeit, in der noch kein Mensch vorhanden war, der es beobachten, verstehen oder untersuchen konnte! Jetzt, Millionen Jahre später, blickte ich als Erster auf dieses Lebewesen und hielt einen kleinen Funken einer im Abgrund der Zeit untergegangenen Welt in den Händen. Na gut, zugegeben, als Vierjähriger lässt sich dieser Gedanke noch nicht ganz fassen, wahrscheinlich drückte ich meine Begeisterung eher durch wildes Herumhüpfen und stolze Ausrufe aus («Papa! Papa! Ein Fossil!» – Ja, ich sagte schon mit vier Jahren Fossil. Wie gesagt, ich war früh ein hoffnungsloser Fall). Doch auch wenn sich die Erkenntnis, dass ein Fossil eine Brücke über die Dimension der Zeit hinweg in eine ansonsten verlorene Epoche schlagen kann, erst später vollständig einstellte, so glühte bereits damals die Faszination des (vergangenen) Lebens stark in meinem kindlichen Bewusstsein.
Die Frustration war anschließend jedoch groß, als mein Vater intervenierte, während ich versuchte, den nächsten Block aus der Brücke zu schlagen. Sein «Hey! Ich kann dich hier jetzt nicht die Brücke abreißen lassen» ist mir auch heute noch sehr präsent. Und trotzdem bleibe ich bei dem Standpunkt, den ich damals vergeblich vertreten habe … auch dieser Block war bereits locker gewesen!
Meine berufliche Zukunft stand also fest. Nun lagen zwischen mir und meinem Beruf allerdings noch einige Jahre Kindergarten und Schule. In dieser Zeit sammelten sich in meinem Kinderzimmer naturgemäß Tonnen von Dinosaurierspielzeug an. Was bei anderen Kindern ein Hobby war, grenzte bei mir fast schon an Obsession. Ganz besonders schlimm war es für mich, als ich sechs Jahre alt war und Jurassic Park erschien. Meine Mutter entschied, dass der ganze Film für einen Sechsjährigen zu viel sei: Wir sollten den Film deshalb gemeinsam und in Abschnitten schauen. 20 Minuten pro Tag. Sie können sich sicher denken, wie begeistert ich von dem Vorschlag war. Nachdem ich nach der ersten Zwangsepisode unglaublich frustriert war, nutzte ich die erstbeste Gelegenheit, als meine Eltern außer Haus waren. Ich fand die Kassette und schaute den ganzen Film. Die nächsten Nächte bekam ich kein Auge zu – aber das war es absolut wert gewesen.
Oft erreichen mich Anfragen von Schülern, was sie denn machen müssten, um Paläontologen zu werden. Die wichtigste Voraussetzung ist meiner Meinung nach Faszination. Die meisten erfolgreichen Paläontologen haben sich über Jahrzehnte hinweg eine kindliche Begeisterung für ihr Fach und Fossilien erhalten. Dabei ist es längst nicht erforderlich, Dinosaurier-Fan zu sein. Es ist ganz egal, ob man sich für fossile Pflanzen, Einzeller oder Muscheln interessiert, solange man Leidenschaft mitbringt. Die Begeisterung kann auch aus der Faszination für Biologie entspringen und muss nicht an ausgestorbene Lebewesen gebunden sein. Viele gute Paläontologen stammen ursprünglich aus der Biologie. Beide Fächer, Paläontologie und Biologie, teilen das Interesse an der lebendigen Natur.
Zusätzlich zu einer Begeisterung für Biologie sind gute Englischkenntnisse natürlich unerlässlich. Nicht nur ist die Fachliteratur zu einem Großteil auf Englisch, auch muss man in der Lage sein, an internationalen Konferenzen teilzunehmen und mit Kollegen im Ausland zu kommunizieren. Darüber hinaus gibt es während der Schulzeit wenig, was man unmittelbar für eine Karriere als Paläontologe machen kann. Abgesehen vielleicht von der Möglichkeit, sein Schülerpraktikum an einem Institut oder in einem Museum zu absolvieren.
Der erste größere Schritt kommt nach dem Abitur, wenn man sich entscheidet, zu studieren. Paläontologie ist dabei in der Regel kein eigenes Studienfach. Man hat die Möglichkeit, Geowissenschaften zu studieren – Paläontologie ist traditionell Teil dieses Studiums – oder Biologie, was bedeutet, dass man Paläontologie als Nebenfach wählen kann. Hier sei angemerkt, dass es nichts bringt, Archäologie zu studieren. Die größte Gemeinsamkeit von Archäologie und Paläontologie dürfte sein, dass beide Fächer immer für das jeweils andere gehalten werden. Archäologen arbeiten eng mit Historikern zusammen, um menschliche Artefakte und Überreste aus dem Boden zu holen. Paläontologen arbeiten eng mit Geologen zusammen, um Fossilien im Gestein zu finden. Archäologie beschäftigt sich also mit der Geschichte des Menschen, während Paläontologie die Geschichte des Lebens untersucht. Abgesehen von einer sehr kleinen Schnittmenge im Laufe der Entwicklung des Menschen liegen zwischen den beiden Fächern also in der Regel Millionen von Jahren. Wenn man ein geologisches Studium bevorzugt, dann sollte man sich eine Uni aussuchen, die in den Geowissenschaften eine starke Paläontologie bietet (in meinem Fall war das Bonn), damit man am Ende des Studiums zwar seinen Abschluss als Geologe hat, aber den Ausbildungsschwerpunkt auf Fossilien legen kann. Der Vorteil eines geowissenschaftlichen Studiums ist, dass es einem leichter fällt, die Zusammenhänge zu verstehen, um Fossilien zu finden und ihre Umwelt zu interpretieren. Der Nachteil ist, dass man sich meistens relativ viel über die Biologie der Lebewesen zusätzlich aneignen muss. Hier hat man wiederum mit einem Studium der Biologie naturgemäß Vorteile.
Doch egal, für welchen Weg man sich entscheidet, am Anfang steht immer die Faszination für das Leben und die Natur um uns herum – und vor unserer Zeit.
«Wozu das Ganze?» Diese Frage bekommt man als Paläontologe wahrscheinlich ähnlich häufig zu hören wie Leute, die Byzantinistik oder Medizingeschichte studiert haben. Sie ist auch nicht unberechtigt, immerhin wird der größte Teil der Grundlagenforschung mit Steuergeldern, beispielsweise über die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), finanziert. Von daher dürfen Sie als Bürger durchaus nachfragen, wieso ein Teil Ihres Geldes für die Suche nach Fossilien verwendet wird. Ich muss Sie jedoch warnen: Je nachdem, ob Sie eher der kurzfristige oder langfristige Anlegertyp sind, kann es sein, dass die Antwort Ihnen nicht gefällt.
Um es vorwegzunehmen: Paläontologie ist zu einem sehr großen Teil Grundlagenforschung. Das Ziel ist es, mehr über die Welt um uns herum zu erfahren. Ob daraus eine praktische Anwendung und letzten Endes ein finanzieller Nutzen entsteht, spielt keine Rolle. Oft wird Wissenschaft, bei der es darum geht, neues Wissen zu erlangen, jedoch mit Produktentwicklung verwechselt – einem Prozess, bei dem am Ende das Ziel steht, etwas in der Hand zu halten. Oh, ich sehe schon, wie einige von Ihnen beginnen, sich innerlich unwohl zu fühlen. «Wie, kein direkter Nutzen? Nur forschen um der Forschung willen? Und dort gehen meine Steuergelder hin? Könnte man nicht wenigstens an etwas forschen, was den Weg für eine Anwendung ebnet?»
Wenn Sie das so sehen, müssen Sie sich folgende Problemstellung vor Augen führen: Wissenschaft schafft Wissen über Dinge, über die wir noch nichts wissen. Wenn wir aber noch nichts über etwas wissen, wie sollen wir dann vorher wissen, ob es irgendwann nützlich wird?
Als Marie Curie Ende des 19. Jahrhunderts komische Strahlen und ungewöhnliche Elemente untersuchte, konnte niemand ahnen, was die Entdeckung der Radioaktivität für Folgen haben würde (die neben den negativen Konsequenzen ja unzählige positive Effekte hatte und beispielsweise revolutionäre medizinische Verfahren möglich machte).
Wenn Sie in den 70ern im Bereich der Islamwissenschaften geforscht haben, wurden Sie wahrscheinlich oft ob der Wahl ihres Studienfachs schief angesehen. Und auch hochabstrakte Mathematik ist im Zeitalter der digitalen Verschlüsselung plötzlich relevanter denn je. Sie sehen also: Wir können nie wissen, ob Erkenntnisse letzten Endes einen praktischen Nutzen bringen und sozusagen eine Rendite abwerfen. Aber die Geschichte zeigt uns wieder und wieder, dass die wertvolle Ressource Wissen immer an ihrem Anfang durch Grundlagenforschung gewonnen wird.
Falls Sie jedoch gnadenlos materialistisch veranlagt sein sollten und immer noch auf die praktische Anwendung warten, nenne ich Ihnen ein paar Beispiele, in denen Paläontologie im Alltag von Nutzen war und ist.
Stellen Sie sich vor, Sie würden versuchen, eine geologische Karte zu erstellen, mit der man auf einen Blick sehen könnte, in welchen Regionen sich das Graben nach Bodenschätzen lohnt. Vor diese Aufgabe sah sich der englische Geologe William Smith Anfang des 19. Jahrhunderts gestellt. Anders als heute besaß er keine physikalischen Messmethoden, um festzustellen, ob zwei Gesteinsschichten an verschiedenen Orten dasselbe Alter besaßen. Doch er erkannte als einer der Ersten, dass man bestimmte Fossilien dazu nutzen konnte, Schichten desselben Alters auch über große Distanzen hinweg zu korrelieren. So gelang es ihm, mit Hilfe von sogenannten Leitfossilien die erste geologische Karte von England und Wales zu erstellen, deren Grundmuster bis heute gültig ist. Besonders stützte er sich hierbei auf die häufigen Fossilien von wirbellosen Tieren wie Korallen, Muscheln oder Ammoniten (die uns noch mehrfach begegnen werden). Bis zum Aufkommen moderner Verfahren spielten Fossilien dementsprechend eine wichtige Rolle im Bergbau. Eine Fortsetzung dieser Arbeit auf wesentlich genauerem Level betreiben heutzutage viele Mikropaläontologen. So kann man Foraminiferen, kleine Einzeller, über die wir ebenfalls noch mehr hören werden, dazu einsetzen, Bohrköpfe auf den Meter genau durch Schichten von ehemaligem Meeresboden zu dirigieren, um Ölvorkommen zu finden.
Darüber hinaus gibt es auch winzige Fossilien, die selbst als Rohstoff gewonnen werden. Kieselgur, auch Diatomeenerde genannt, ist ein Gestein, das sich aufgrund seiner Leichtigkeit und hohen Porosität unter anderem ideal als industrieller Filter eignet. Falls Sie ein Pferd besitzen, sind Sie eventuell auch schon einmal mit Kieselgur als Nahrungsergänzungsmittel in Kontakt gekommen. Dieses vielseitig genutzte Gestein besteht vollständig aus den Gehäusen von fossilem Plankton. Diese winzigen Kieselalgen (Diatomeen) treiben in Seen und Meeren in so großer Zahl, dass ihre Schalen unter günstigen Bedingungen gesteinsbildend sein können.
Eine andere Anwendung der Paläontologie, bei der Bohrungen zum Tragen kommen, ist die Analyse von Bohrkernen von Seesedimenten. Hierfür wird von einem Schiff oder einer schwimmenden Plattform eine Bohrung in den Seeboden durchgeführt, bei der Bohrkerne von mehreren Meter Länge gewonnen werden. In den fein geschichteten, ruhig abgelagerten Lagen des Seebodens lassen sich anschließend einzelne Jahreszyklen erkennen, sodass man jeder Position in den Kernen ein genaues Alter zuordnen kann. Hier setzten Paläobotaniker an. Sie untersuchen die fossilen Pflanzenpollen, die sich in den Seesedimenten abgelagert haben, und ordnen diese den jeweiligen Mutterpflanzen zu. So kann man die Zusammensetzung der Vegetation in der Umgebung des Sees durch die Zeit hinweg rekonstruieren. Daraus wiederum lässt sich auf die Temperatur und den Niederschlag, und deren jeweilige Veränderung durch die Zeit hinweg, schließen. Sie können sich sicher vorstellen, dass die Zahl solcher Untersuchungen in den letzten Jahrzehnten mit dem immer drängender werdenden Problem des Klimawandels zugenommen hat. Denn nur wenn wir in der Lage sind, das Klima der Vergangenheit genau zu rekonstruieren, lassen sich Aussagen über die Zukunft machen. Und an dieser Stelle leistet die Paläobotanik einen wichtigen Beitrag.
Neben der Klimaforschung kann die Paläontologie auch dazu beitragen, unsere Umwelt zu erhalten, in dem vergangene Ökosysteme besser verstanden werden. Denn auch hier gilt, dass Prognosen wesentlich besser gestützt werden, je mehr wir über die Vergangenheit wissen.
Und nicht zuletzt arbeiten Paläontologen auf der ganzen Welt hart daran, täglich Kindern – und Erwachsenen, die sich ihr inneres Kind bewahrt haben – in Museen vor riesigen Dinosaurierskeletten oder wunderschönen Muschelsammlungen leuchtende Augen zu bescheren, bei denen der Weihnachtsmann vor Neid erblassen würde. Und das sogar das ganze Jahr über!
Um es vorwegzunehmen: Wenn Sie Fossilien finden wollen, dann werden Sie sich die Hände schmutzig machen müssen. Und die Klamotten. Und die Schuhe. Zusätzlich zu dem körperlichen Einsatz, den eine Grabung verlangt, ist Hintergrundwissen hilfreich, denn ansonsten ist die Chance sehr hoch, dass Sie am Ende zwar mit schmutzigen, aber leeren Händen dastehen.
Je nach Region, der Zusammensetzung des Teams und der zu findenden Fossilien können paläontologische Grabungen ganz unterschiedlicher Natur sein. Allen ist jedoch eines gemein: Am Anfang steht der Blick in eine geologische Karte. Eventuell sind Sie einer solchen bereits einmal begegnet. Sie gehört zu der Sorte von bunten Karten, mit denen man ziemlich wahrscheinlich auf Anhieb nichts anzufangen weiß.
An dieser Stelle sei mir ein kurzer Exkurs in unseren Untergrund verziehen, denn um Fossilien zu finden, müssen wir zuerst verstehen, wo wir sie suchen müssen. Der erste Schritt hierfür besteht darin, die Trinität der Gesteine zu verstehen.
Aus geologischer Sicht lässt sich jedes Gestein weltweit einer von drei Kategorien zuteilen: magmatisches, metamorphes und Sedimentgestein. Oder, um es aus der Sicht eines Paläontologen (etwas vereinfacht) darzustellen: keine Fossilien, (de facto) keine Fossilien und potenziell fossilführend.
Von den drei Kategorien sind, wenn man sich die gesamte Zusammensetzung der Erdkruste ansieht, die Sedimentgesteine mit Abstand die am wenigsten häufige Gruppe. Glücklicherweise ist allerdings ein guter Teil der Erdoberfläche – also der Ort, an dem sich die meisten von uns hauptsächlich aufhalten – von Sedimentgestein bedeckt.
Wenn Sie jetzt das Buch weglegen und Ihre Wanderschuhe schnüren wollen, um mit Hammer und Meißel bewaffnet loszuziehen, dann sollten Sie vorher unbedingt weiterlesen. Denn leider enthält der Großteil der Sedimentgesteine keine Fossilien, und ich gebe Ihnen mein Wort, dass Sie dieses Buch schneller zu Ende gelesen haben werden, als dass Sie mit einem Schuss ins Blaue erfolgreich wären. Also entspannen Sie sich, ziehen Sie die Wanderschuhe wieder aus, legen sich auf die Couch und lassen Sie uns die Suche nach der Nadel im Heuhaufen methodisch angehen.
Die Entstehung magmatischen Gesteins beginnt im Erdinnern, wenn heiße Schmelze (Magma) nach oben steigt. Ein großer Teil dieser Schmelze steigt sehr langsam auf. An dieser Stelle sei kurz erklärt, in welchen Zeiträumen Geologen denken, wenn sie von «schnell» und «langsam» reden. Zum Vergleich: Sie schaffen es wahrscheinlich eher, in der Warteschleife bei einer Servicehotline einen Mitarbeiter ans Telefon zu bekommen, als dass Sie einem Magmareservoir bei seinem langsamen Aufstieg zuschauen könnten. Dieser Vorgang, der dem Aufsteigen eines Klumpens in einer Lavalampe (einer sehr langsamen, sehr großen, sehr warmen Lavalampe) ähnelt, braucht mehrere Millionen Jahre (da ist das Stündchen in der Wartschleife doch schon fast vergessen, oder?). Durch den trägen Aufstieg des Magmas kühlt sich die Schmelze schrittweise ab und hat dadurch Zeit, vollständig auszukristallisieren. Die daraus entstehenden Gesteine nennt man Plutonite. Sie sind dadurch gekennzeichnet, dass sie vollständig aus großen, gut sichtbaren Mineralen aufgebaut sind. Ein bekanntes Beispiel, das jeder schon einmal gesehen haben dürfte, ist Granit. Falls Sie sich also mal gefragt haben, ob in Ihrer Granittischplatte ein Fossil eingeschlossen sein könnte, lautet die Antwort leider «Nein» (da sie ja schon fest wurde, bevor sie die Erdoberfläche erreichte).
Magma ist allerdings nicht immer an den langsamen Weg gebunden. Vulkane sind Zeugen von geologisch schnellem Aufstieg flüssigen Gesteins. In Fällen, in denen das Magma sehr schnell nach oben gelangt, können die Folgen von interessant bis hin zu Pompeji reichen – je nach Volumen des jeweiligen Reservoirs (der Magmakammer), dem Druck und der chemischen Zusammensetzung. Die hierbei entstehenden Gesteine sind vielfältig, allerdings lassen sie sich relativ gut von ihren Verwandten, den Plutoniten, unterscheiden. Da das Magma sehr schnell aufgestiegen ist, hat die Schmelze keine Zeit, abzukühlen, und so fehlt das charakteristische kristalline Bild der Plutonite. Vielmehr ist die Grundmatrix (die Hauptkomponente des Gesteins) so fein, dass man keine einzelnen Minerale mehr ausmachen kann. Das bekannteste Beispiel für diese Gruppe dürfte der Basalt sein.
Vulkanite und Plutonite machen die magmatischen Gesteine aus, und man kann leicht verstehen, warum sie für die Suche nach Fossilien nicht vielversprechend sind. Der Grund ist schlicht und ergreifend der, dass sich die Magmen im Erdinneren befinden, während sich die Fossilien an der Erdoberfläche aufhalten. Sollte die Schmelze wie beim Granit also in der Magmakammer erstarren, und damit bereits im Erdinneren, so hat sie nie ein lebendes Wesen gesehen, bevor sie die Erdoberfläche als festes Gestein erreicht. Und auch wenn die ganze Suppe als Lava flüssig an die Erdoberfläche gelangt, sind die Bedingungen für die Erhaltung organischen Materials denkbar ungünstig. Stellen Sie sich einmal vor, was mit einer Zimmerpflanze (oder einem Dinosaurier, wenn Sie sadistisch veranlagt sind) passiert, wenn Sie sie in Lava werfen.
Während aber in Plutoniten, also den langsam aufsteigenden Gesteinen, gar keine Fossilien erhalten sein können, so gibt es tatsächlich einige wenige Fälle, in denen in vulkanischem Gestein früheres Leben überliefert wurde. Das vielleicht bekannteste Beispiel ist ein fossiler Wald, der im Naturkundemuseum in Chemnitz ausgestellt ist. Er wurde von Aschewolken und pyroklastischen Strömen (so werden sehr heiße, schnelle Wolken aus Gas und kleinen Partikeln genannt, denen man sicher nicht im Weg stehen will) bedeckt und anschließend durch die Kieselsäure des Gesteins verkieselt, also chemisch umgebaut. Hierbei wurden die einzelnen Stämme in ihrer Form erhalten. Diese Fälle von Fossilien in vulkanischem Gestein sind jedoch extrem selten und setzen eine perfekte Mischung von Eruptionstyp, Umgebung, dem unglücklichen Lebewesen, Chemismus und glücklichem Zufall voraus, sodass man als Wissenschaftler nicht auf derartige Funde hoffen kann. Das berühmte Beispiel der überlieferten kauernden Menschen in Pompeji ist auch nicht wirklich vielversprechend, wenn wir uns von archäologischen Zeiträumen (wenige tausend Jahre) hin zu geologischen bewegen. Es ist sehr fraglich, ob die beeindruckenden Personen noch als solche zu erkennen wären, nachdem mehrere Meter neuer Gesteinsschichten die vulkanischen Lagen um ein Vielfaches komprimiert hätten.
Neben den magmatischen Gesteinen gibt es noch einen weiteren Gesteinstyp, dessen Entstehung im Erdinneren verhindert, dass er Fossilien enthält.
Metamorphe Gesteine (Umwandlungsgesteine) nennt man sämtliche Gesteine, die einmal nahe der Erdoberfläche oder auf ihr gebildet wurden und anschließend hohem Druck und/oder hoher Temperatur ausgesetzt waren. Das wahrscheinlich bekannteste Beispiel dürfte Marmor sein. Hierbei handelt es sich ursprünglich meist um normalen Kalkstein (ein Sedimentgestein), dessen Minerale durch Druck und Temperatur umgewandelt wurden. Es gibt auf diesem Planeten nur zwei Orte, an denen so viel Druck und derart hohe Temperaturen herrschen, dass sie Gestein großräumig beeinflussen: im Erdinneren und in einem gnadenlos überfüllten ICE zum Frankfurter Flughafen, dessen Klimaanlage aufgrund der hohen Außentemperaturen ausgefallen ist. Während der Zug aufgrund einer Weichenstörung erst einmal steht, wenden wir uns tektonischen Platten zu. Sie driften mit wenigen Millimetern bis Zentimetern pro Jahr und sind damit ein wenig langsamer als der durchschnittliche ICE, dafür aber immer pünktlich. An den Grenzen zweier sich aufeinander zubewegender Platten kann es passieren, dass eine der beiden abtaucht. Dabei schiebt sich eine Platte unter die andere und verschwindet im Erdinneren. Das Gestein, das so, einem Fließband gleich, tiefer in die Erde befördert wird, ist zunehmend höheren Drücken und Temperaturen ausgesetzt. Durch diese Einflüsse ist es möglich, dass das Gestein teilweise völlig neue Minerale bildet und so seinen ursprünglichen Charakter vollständig verliert. Auch kann es durch die Bewegung des Gesteinskörpers zu einer «Verzerrung» kommen, die dazu führt, dass das Gestein Schlieren aufweist. Am einfachsten kann man sich Metamorphose so vorstellen: Man schichtet unterschiedlich gefärbte Lagen Kuchenteig übereinander, streckt den Stapel ein- bis zweimal mit dem Nudelholz und knetet ihn anschließend ein wenig durch. Nach dem Druck und der Bewegung folgt der Backofen. Das Ausgangsprodukt wird sich – je nach Intensität und Dauer der Prozedur – deutlich von den ursprünglichen Teiglagen unterscheiden. Sofern man mit dem Nudelholz einen Druck von mehreren tausend Kilobar ausüben und der Backofen mehrere hundert Grad Celsius über einen langen Zeitraum aufrechterhalten kann, wird man feststellen, dass Gestein eine Gemeinsamkeit mit Teig hat: Es verhält sich wie eine formbare und bewegliche Masse. Besonders mit Blick auf die langen geologischen Zeiträume wirken heiße Gesteine einfach wie sehr zähe Flüssigkeiten.
Die Prozesse der Metamorphose von Gesteinen sind zwar unglaublich spannend, allerdings für unsere Ausgangsfrage, wo sich Fossilien verbergen, nicht weiter hilfreich. Denn an dieser Stelle dürfte jedem klar sein, dass Fossilien in metamorphen Gesteinen meistens entweder vollständig verschwinden oder hinterher wie ein Gemälde von Salvador Dalí aussehen.
Falls es Ihnen jetzt wie mir als Student in den Vorlesungen geht und Sie sich fragen: «Wo finde ich denn überhaupt mal irgendwelche Fossilien?», dann möchte ich Sie nicht länger auf die Folter spannen.
Sedimentgesteine sind sämtliche Gesteine, die sich an der Erdoberfläche bilden. Bei ihrer Entstehung kommen biogene, chemische und mechanische Prozesse zum Tragen. So kann es sich bei Sedimentgestein beispielsweise um Gipsablagerungen durch Rückstände ausgetrockneter Gewässer handeln, um Sandstein aus Ablagerungen von Wüsten und Flüssen oder beispielsweise um einen Kalkstein, der auf riffbildende Organismen zurückzuführen ist. Ihre Bildung an der Erdoberfläche ist die erste Voraussetzung dafür, dass Sedimentgesteine Organismen einschließen können, bevor diese zerfallen. Die Faktoren, die dies im besten Falle ermöglichen, sind ungemein vielfältig. Sie reichen vom potenziellen Transport des Organismus über die chemischen Bedingungen des umgebenden Mediums, die Zersetzungsprozesse bis hin zu den Eigenschaften des Sediments. Der Forschungsbereich, der die Prozesse untersucht, die sich von den Todesursachen (sozusagen paläontologische Forensik) bis hin zur Versteinerung erstrecken, nennt sich Taphonomie. Sie sehen schon: Auch wenn Sedimente, anders als magmatische und metamorphe Gesteine, das Potenzial besitzen, die Zeugnisse von vergangenem Leben überhaupt einzuschließen, so ist das noch keine Garantie, dass das auch passiert. Wie einer meiner Professoren in seinen Vorlesungen sagte: «Es sterben andauernd Lebewesen, die nicht erhalten werden. Ein Fossil ist ein Sonderfall, da lief sozusagen etwas schief.» Dementsprechend sind auch die meisten Sedimente nicht fossilführend. Nur wenn die chemischen und physikalischen Bedingungen perfekt sind, können Überreste tatsächlich versteinern. Für uns ist an dieser Stelle vor allem wichtig, dass Sedimentgestein aufgrund seiner Entstehung überhaupt die Möglichkeit bietet, die Überreste von vergangenem Leben einzuschließen.
Als Nächstes stellt sich die Frage, nach was für Lebewesen wir suchen. Sollten Sie gerne einen Seeigel finden wollen, wäre es wenig erfolgversprechend, wenn wir in Sedimenten suchten, die sich aus Wüstensand gebildet haben. Wir müssen also unsere Sedimente nach ihren Herkunftsorten unterteilen. Man kann eine grobe Unterteilung in tiefmarine Sedimente (zum Beispiel feinkörnige Tiefseeablagerungen), flachmarine Gesteine (unter anderem Kalke, die in einer flachen Lagune entstanden), fluviatile Sedimente (etwa Ablagerungen aus ausgetrockneten Flussarmen), lakustrine Sedimente (Seeablagerungen) und terrestrische Sedimente (beispielsweise Schuttfächer, die sich am Hang von Gebirgen sammeln) vornehmen. Während man auf der Suche nach Landlebewesen in der Regel bis auf die tiefmarinen Ablagerungen in allen Bereichen fündig werden kann, sind im Meer lebende Organismen meist nur auf die beiden marinen Sedimenttypen beschränkt. Dies wird in der Praxis wiederum dadurch ausgeglichen, dass Ablagerungen auf dem Land viel exponierter sind. Wind und Wetter führen zu stärkerer Erosion und damit dazu, dass Landablagerungen häufiger wieder verschwinden. Meere hingegen bieten in ihrer Eigenschaft als «Auffangbecken» ideale Bedingungen für die Bildung und Erhaltung von Sedimenten.
Manche Sedimente erhalten Fossilien also besser als andere. Doch auch sie sind meistens nicht voll davon: Häufig kommen sie in wenigen Gesteinsschichten vermehrt vor, während der Rest überhaupt keine enthält. Ähnlich wie bei der Suche nach Rohstoffen ist den Gesteinen von außen nicht immer anzusehen, wie vielversprechend sie sind. Und vergleichbar ist auch die Freude, wenn man tatsächlich eine fossilführende Schicht findet. Hier kann ich aus eigener Erfahrung sagen, dass man sich in solchen Momenten wie ein Goldsucher fühlt, der nach mehreren Versuchen endlich einen Flussarm entdeckt, auf dessen Grund es funkelt. Man schlägt ein Gestein auf, und die Augen fallen auf etwas, das von dem normalen Muster abweicht. Ein Gefühl der Aufregung überkommt einen, die Spannung steigt, man schaut es sich näher an, und wenn es sich tatsächlich um ein Fossil handelt, ist die Aufregung meist groß (auf einer Grabung zu sein, wenn plötzlich ein Teilnehmer die anderen zu sich ruft, um ihnen etwas zu zeigen, ist eine ganz besondere Erfahrung, die sich nur schwer mit einem alltäglichen Erlebnis vergleichen lässt).
Bei größeren Fossilvorkommen spricht man, wie auch im Bergbau, von Lagerstätten. Diese Fossillagerstätten sind die Eldorados der Paläontologie und lassen sich in zwei Typen unterteilen: in Konservat- und Konzentratlagerstätten. Erstere weisen meist wenige, dafür sehr gut erhaltene Fossilien auf, Letztere ermöglichen große Mengen an Funden, jedoch in der Regel von schlechterer Qualität. Man kann das