Als ich Mitte 1997 für sechs Monate nach Cuba ging, beschränkten sich meine Spanischkenntnisse auf die üblichen, aus schlechten Western und der Trickfilmserie „Speedy Gonzales – Die schnellste Maus von Mexiko“ bekannten Wörter und Sprüche: „Buenos días, amigo“; „Muchas gracias, señorita“; „Hasta la vista“; „Ándale“ und natürlich das unvermeidliche „Ay, caramba“.
Wie nicht anders zu erwarten, folgte die schmerzhafte Erfahrung, dass mit diesem rudimentären Grundwortschatz kein gepflegter Small-Talk möglich ist. Ich sprang also ins kalte philologische Wasser: Beim mühsamen Erlernen des cubanischen Spanisch halfen mir der Kauderwelsch Band 16 „Spanisch – Wort für Wort“, ein Taschenwörterbuch, meine Latein- und Französisch-Kenntnisse aus der Schule und viele geduldige Cubanerinnen und Cubaner, denen ich an dieser Stelle ganz herzlich danken möchte.
Heute bin ich der Überzeugung, dass es wesentlich eleganter ist, vor dem Bereisen eines fremden Landes einen Intensivkurs an der Uni oder der Volkshochschule zu belegen, oder sich entsprechendes Wissen mit geeigneter Literatur und Tonträgern o. ä. autodidaktisch anzueignen.
Doch selbst wenn man bereits leidlich Spanisch spricht und vielleicht sogar schon einige Zeit in Spanien verbracht hat, wird man auf Cuba immer wieder mit umgangssprachlichen Äußerungen konfrontiert, die zwar fest im alltäglichen Sprachgebrauch verankert sind, pero uno mismo no entiende ni papa („aber man selbst versteht nicht einmal Kartoffel“, also rein gar nichts).
Dieses Büchlein soll dabei helfen, auch die cubanische Alltags-, Jugend- und Slangsprache zu verstehen, die mit dem europäischen „Hochspanisch“ oft nur noch die Grammatik gemeinsam hat (bzw. hin und wieder nicht einmal diese).
Sprachen sind zu allen Zeiten sehr dynamische Gebilde gewesen. Daher kann es vorkommen, dass manche hier aufgeführten Begriffe nicht mehr in allen cubanischen Regionen üblich sind, bzw. von der urbanen Avantgarde in La Habana schon wieder durch ganz andere ersetzt wurden.
Da jede Sprache in lexikalischer Hinsicht ein Fass ohne Boden ist, kann diese Sammlung nicht vollständig sein. Ich freue mich daher auf Verbesserungsvorschläge aus dem Leserkreis.
Viel Spaß bei unserem Streifzug durch die cubanische Umgangssprache!
Jens Sobisch
Zu diesem Buch ist zusätzlich begleitendes Tonmaterial (AUDIO Cuba Slang) als MP3-Download erhältlich unter https://www.reise-know-how.de/produkte/kauderwelsch-aussprachetrainer-und-audio/audio-cuba-slang-mp3-1239
Auch erhältlich auf Audio-CD unter
https://www.reise-know-how.de/produkte/kauderwelsch-aussprachetrainer-und-audio/audio-cuba-slang-audio-cd-851
Hörproben: In ausgewählten Kapiteln im Konversationsteil dieses Buches können Sie sich unter den dort angegebenen Links Ausschnitte aus AUDIO Cuba Slang anhören.
Diese Wort- und Phrasensammlung könnte man grob in zwei Teile gliedern:Es geht los mit typisch cubanischen Ausdrücken, die Ihnen in bestimmten Situationen begegnen können, z. B. auf der Straße, in guagua und cocotaxi, in der Salsa-Bar, usw. Das sind nicht immer Slang-Ausdrücke.
Im zweiten Teil geht es dann um die echte Umgangssprache. Wiederum sind die Ausdrücke grob nach Situationen sortiert, aber Überschneidungen lassen sich nicht vermeiden. Zu diesem zweiten Teil möchte ich einiges anmerken. Aus wissenschaftlicher Sicht ist Slang eine „Low-Level-Sprache“, die von den unteren sozialen Schichten ausschließlich gesprochen wird, da ihnen die „Hochsprache“ nicht geläufig ist. Ich verstehe Slang anders, und zwar als die Sprache, die von den Leuten im alltäglichen Leben gesprochen wird, wenn man nicht auf Etikette achten muss. Da wimmelt es von „Spezialausdrücken“ und „unfeinen“ Wörtern.
Gerade bei letzteren ist es nötig, recht genau zu differenzieren. Auch bei uns kann ja z. B. das Wort „Scheißkerl“ je nach Situation und angesprochener Person mal durchaus freundlich, mal höchst beleidigend sein. Auch werden sich zwei Männer an der Theke anderer Ausdrücke für Frauen bedienen, als wenn eine Frau dabei zuhört.
Ich habe stets versucht, die deutsche Übersetzung der Ausdrücke auf dem gleichen Sprachlevel zu halten. Trotzdem ist bei der Anwendung Vorsicht geboten. Völlig vulgäre Ausdrücke sind im Buch immer durch ein * oder gar zwei ** gekennzeichnet, damit Sie beurteilen können, ob Sie diesen Ausdruck selbst aktiv verwenden wollen.
Abwertende Ausdrücke und Beleidigungen sind sowieso nicht zum Gebrauch, sondern lediglich zum Verstehen aufgeführt!Im Anhang des Buches sind alle Ausdrücke dieses Buches noch einmal stichwortartig und alphabetisch geordnet aufgelistet. Die Seitenzahl dahinter gibt an, wo das Wort erwähnt wird und demnach auch die Übersetzung steht. Hört man zum Beispiel den Ausdruck „¡Aquí hay cuatro gatos!“, findet man unter dem Stichwort gato die entsprechende Seite.
Das Spanisch der Cubaner unterscheidet sich nicht nur vom europäischen Hochspanisch (castellano), sondern auch von dem der anderen lateinamerikanischen Länder. Den Latinos gemeinsam ist, dass statt des persönlichen Fürwortes der zweiten Person Plural vosotros (ihr) für gewöhnlich ustedes (Ihr, Sie), also die Form für die höfliche Anrede, verwendet wird. Entsprechend wird auch das Verb in die dritte Person Plural gesetzt.
„Wo geht ihr hin?” heißt auf Standardspanisch also ¿Adónde vais vosotros? Latinos fragen hingegen: ¿Adónde van ustedes? Eine der in Spanien üblichen sechs Konjugationsendungen, nämlich die regelmäßig auf -áis / -éis endende, wird also nicht benutzt.
Generell hat jedes mittel- oder südamerikanische Volk seine eigenen Redewendungen und Wortschöpfungen. Diese sind zum einen Überbleibsel afrikanischer und indianischer Sprachen (guagua, das cubanische Wort für Omnibus, ist z. B. wohl indianischen Ursprungs). Zum anderen haben Latinos große Freude daran, neue Wörter und Redewendungen zu erfinden bzw. vorhandenen Begriffen weitere Bedeutungen zu geben.
Auf Cuba spricht man sehr schnell. Die Endsilben entfallen oft ganz oder verschmelzen mit der vorletzten Silbe. Besonders betroffen davon sind das g, das d und das s. So klingt descarado (unverschämt) in der Umgangssprache etwa wie de(s)carao. Gerne werden auch ganze Wörter weggelassen oder miteinander verbunden: Voy pa’llá statt Yo voy para allá (Ich gehe dorthin).
Anders als in Spanien wird ein c vor e und i nicht wie das englische „th“, sondern eher wie ein deutsches „ß“ ausgesprochen. Ein h wird am Wortanfang nicht behaucht, ist also nicht zu hören: hacer (machen) hört sich also etwa wie „aßerr“ an.
Vielen Ausländern bereitet es Schwierigkeiten, das r nicht im Rachen, sondern mit Hilfe von Zungenspitze und Gaumendauch zu bilden. Ein beliebtes Merksätzchen, mit dem cubanische Kinder diesen für das Spanische charakteristischen Laut einüben, lautet:
R con R cigarro, R con R carril, rápido corren los carros por las líneas del ferrocarril.
Zu Deutsch: R und R – Zigarre, R und R – Schiene, schnell fahren die Waggons auf den Gleisen der Eisenbahn.
Eine angeblich todsichere Methode, als Deutsch-Muttersprachler das Zungenspitzen-r zu erlernen, besteht darin, immer wieder „bedaunes Bedötchen“ (braunes Brötchen) oder „gedünes Gedas“ (grünes Gras) vor sich hin zu sagen. Der Clou dabei ist, dass die Zunge bei den „d“ genau an der Stelle liegt, wo korrekterweise auch das spanische r gebildet wird. Hat man diese Übung nun etwa eine Million mal wiederholt, sollen diese Sprüchlein ganz von selbst zur richtigen Artikulation des Zungenspitzen-r führen.
Ein s in der Wortmitte oder am Wortende wird von vielen Cubanern wie ein sehr weiches „ch“ ausgesprochen oder ist gar nicht zu hören. Beispielsweise klingt dann los niños frescos (die frechen Kinder) unsauber ausgesprochen wie lo’ niño’ fre(h)co’. Das leicht gerollte einfache r wiederum wird in manchen Wörtern, besonders am Wortende, zu einem l: motor etwa hört sich dann mehr oder weniger wie motol an.
Die Ähnlichkeit mit dem andalusischen Dialekt lässt auf dessen Einfluss schließen. Tatsächlich waren 60 % der Eroberer und die ersten administrativen Vertreter der spanischen Krone in der neuen Welt Andalusier. Überdies mussten alle spanischen Abenteurer, die ein neues Leben in Amerika beginnen wollten, zunächst in die Handelsmetropole Sevilla ziehen, um nach Monaten oder Jahren des Wartens die erforderliche Genehmigung (licencia) zum Übersiedeln zu erlangen. Den damaligen andalusischen „Slang“ nahmen sie gleich mit.
Das heute auf den Kanarischen Inseln (Islas Canarias) gesprochene Spanisch hat vom Klang her wohl die größte Ähnlichkeit mit dem Cubanischen.
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