Im Andenken an mein erstes Pferd Schnitzer
(1973 -1996)
Der Autor ist promovierter physikalischer Chemiker, reitet seit 1978 und hält eigene Pferde seit 1986
Bibliographische Information Der Deutschen Bibliothek:
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über
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Copyright 1996 2008 Dr. Stefan Brosig
Herstellung und Verlag: Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN: 978-3-7322-5188-9
Umschlaggestaltung: Stefan Brosig, Jörg Endrich
Photos: Stefan Brosig, fotolia®, digital stock®, zeno.org®
nachdem eine frühere Zusammenfassung meines Besitzertrainerlehrganges am Direktorium für Vollblutzucht und Rennen zunehmend auf Interesse stößt, habe ich mich entschlossen, das Buch noch einmal zu überarbeiten.
Sinn des Buches ist es, eine Lücke in der Reitsportliteratur schließen zu helfen. Jahrhundertelang ist das Wissen um das Training des Rennpferdes nur von Mund zu Mund weitergegeben worden, vom Trainer an seine Jockeys und Auszubildenden, die es dann wiederum, während ihres eigenen Trainerlebens, an die eigenen Jockeys und Auszubildenden weiterreichten. Schriftlich sind Trainingsmethoden allenfalls bruchstückhaft in „Biographien“ großer Pferde niedergelegt worden. Deren Training weicht aber oft genug vom Standard ab, da geniale Pferde häufig etwas anders angepackt werden müssen, um ihr volles Leistungspotential zu erschließen.
Mehr Literatur findet man über Intervalltrainingsmethoden, die einige Zeit in den USA modern waren. Da sie jedoch die in sie gesetzten Erwartungen nicht erfüllen konnten, kommt man auch dort wieder von ihnen ab.
Das klassische Training, wie es sich über Jahrhunderte empirisch entwickelte und wie es, mit geringfügigen Abweichungen, weltweit betrieben wird, ist hingegen erschöpfend nirgendwo schriftlich niedergelegt.
Dieses Buch basiert auf dem Besitzertrainerlehrgang, an dem ich 1995 beim Direktorium für Vollblutzucht und Rennen in Köln teilgenommen hatte.
Es weicht aber in einigen wesentlichen Punkten (z.B. Fütterung) von ihm ab, nämlich, wenn es sich um Ansichten von Heinz Jentzsch, der Welt erfolgreichstem Galopprenntrainer, geht. Als Naturwissenschaftler vertraue ich eher den Erfahrungen dieses alten Pferdemannes, bei dem ich als Helfer im Stall gearbeitet hatte, als rein theoretischen medizinischen oder ernährungswissenschaftlichen Vorgaben, die sich von Jahr zu Jahr ständig ändern. Theorie muß sich stets an der Praxis messen, nicht umgekehrt!
Viele Pferdetrainer sind der Ansicht, für Galopptraining könne man keine starren Regeln aufstellen, es sei reine Gefühlssache. Zweifelsohne ist das richtig. Aber wenn das Training von Rennpferden auch zweifellos eine Kunst ist, für die nur wenige wirklich begnadet sind, so benötigt doch jeder Künstler, sei er Maler, Musiker oder eben auch Trainer von Rennpferden, ein Handwerkzeug, und dessen Gebrauch kann man erlernen! Ein jeder macht dann damit später, seiner Begabung gemäß, was er kann.
Dieses Buch habe ich für all diejenigen geschrieben, die Interesse am Rennsport haben, dabei aber nicht bloß hin und wieder auf die Rennbahn gehen, sondern einmal genauer wissen wollen, wie diese vierbeinigen Athleten fit gemacht werden.
Es ist auch für alle jene Pferdebesitzer gedacht, die ihrem Reitpferd ein professionelleres Galopptraining geben wollen und die hiervon nur unklare Vorstellungen haben, wobei ich diesen Leuten zeigen möchte, daß etwas weniger Training manchmal mehr sein kann.
Außerdem will ich versuchen, den Profis aus dem Reitsportlager die Augen für das Training der Galopper zu öffnen, und eine Erklärung für die in deren Augen äußerst seltsamen Trainingsmethoden zu geben („Eine Runde herum, und das soll alles sein???!!“).
Ich glaube, daß viele Besitzer und Reiter von „Blutpferden“ aus diesem Buch nützliche Dinge im Umgang mit ihren Pferden lernen können. Dabei darf natürlich nicht alles kritiklos übernommen werden, schließlich sind Pferde ja Individuen, aber was gut ist, das sollte man auch immer übernehmen, und was bei dem betreffenden Tier nicht gut funktioniert, das läßt man eben bleiben.
Vielleicht gehören Sie aber auch nur zu jener (glücklichen) Gruppe, die dieses Buch aus reinem Interesse und ohne Zweckgebundenheit liest?
Ich wünsche Ihnen auf alle Fälle viel Freude beim Lesen und beim anschließenden Training Ihres „Galoppers“!
Stefan Brosig
Stuttgart, im Juli 2008
Die Pferderasse, die am häufigsten auf Rennen zu sehen ist, ist das englische Vollblut. Wie der Name schon sagt, stammt diese Rasse ursprünglich aus England, ist heute aber auf der ganzen Welt verbreitet. Neben Rennen für englische Vollblüter gibt es u.a. auch noch Halbblutrennen, Quarter Horse Rennen, Araberrennen und Rennen für Achal Tekkiner.
Der deutsche Name „Vollblut“ ist etwas irreführend (wie übrigens auch die Bezeichnungen Warmblut und Kaltblut, die mit der Bluttemperatur nichts zu tun haben), passender ist da schon die englische Bezeichnung „thoroughbred“, was so viel bedeutet wie „gründlich durchgezüchtet“. Noch besser gefällt mir allerdings der französische Begriff „pur sang“, d.h. reines Blut, für diese edlen Pferde. Er drückt aus, daß diese Tiere in Reinzucht, also ohne Zufuhr fremden Pferdematerials, gezüchtet werden.
Es muß allerdings bezweifelt werden, daß dieser Grundsatz in früherer Zeit wirklich so streng befolgt wurde, wie es von den Vollblutzuchtverbänden immer dargestellt wird, denn Pferdezüchter hatten schon immer gerne eigene Vorstellungen, was Anpaarungen von Stuten mit Hengsten betrifft. In neuerer Zeit wird solcher Zuchtschwindel, der sicher auch früher schon nur die Ausnahme war, aber mehr und mehr erschwert, da Blutuntersuchungen bei den geborenen Fohlen Pflicht geworden sind.
Theoretisch ist das Stutbuch des englischen Vollblutes, gewissermaßen das Familienstammbuch, allerdings bereits seit 1793 geschlossen. In diesem Jahr erschien von einem Herrn James Weatherby in England das „General stud book“, Band 1, welches aus einem 1791 von Privatzüchtern geschlossenen „Vorbuch“ hervorging.
Oftmals liest man auch, alle englischen Vollblüter gingen auf die drei orientalischen Stammväter Byerley Turk, Darley Arabian und Godolphin Barb zurück, die in den Jahren 1689, 1704 bzw. 1729 nach England kamen. Genaugenommen reichen die Ursprünge aber viel weiter in die Vergangenheit zurück, nämlich bis ins 13. Jahrhundert, als man damit begann, eingeführte Orientalen mit der einheimischen Landrasse zu kreuzen. Nach Dr. Bormann vom Direktorium für Vollblutzucht und Rennen in Köln ist das Erbmaterial dieser drei genannten Hengste daher nur zu ungefähr 80% im männlichen Anteil des Erbmaterials der Vollblüter enthalten, weshalb man sie aber doch mit Fug und Recht als Stempelhengste bezeichnen darf.
Untersuchungen von Pattrick Cunningham (Professor für Tiergenetik an der Universität Dublin) zufolge sei vor allem noch der Curwen Bay Barb zu nennen (geboren um 1699).
Nach Prof. Cunningham, der seine Untersuchungen an in Irland und Britannien geborenen Vollblütern durchführte, stellten die Gene dieser 4 Hengste ein Drittel aller Gene dieser Vollblüter.
Zusammen mit weiteren 6 Pferden (Bethell’s Arabian, White Darcy Turk, der Stute Old Bald Peg, St.Victor Barb, Lister Turk, Leedes Arabian) seien es sogar 50% aller Gene.
Hauptvererber sei dabei gemäß seinen Nachforschungen der Godolphin Barb (Arabian) mit 14,6% vor dem Darley Arabian mit 7,5%, gefolgt mit 5,6% vom Curwen Bay Barbund mit 4,8% vom Byerley Turk. Dies ist in Widerspruch zu anderen Untersuchungen, die stets den Darley Arabian als hauptsächlichen Vererber ansahen. Die Ergebnisse aller dieser Untersuchungen kommen mir daher etwas arabisch, wenn nicht gar spanisch vor!
Das Zeitalter des englischen Vollbluts in Deutschland begann mit den Gebrüdern Biel aus Mecklenburg, die diese edle Rasse auf Englandreisen kennen gelernt hatten. Ab 1842 gab es dann ein norddeutsches Gestütsbuch, ab 1847 das erste Allgemeine deutsche Gestütsbuch (AdGb). (Die Zeichen XX für das englische sowie OX für das arabische Vollblut stammen übrigens vermutlich aus alten preußischen Gestütsbüchern.)
Um einen Zuchtfortschritt zu erzielen, müssen die Produkte der Zucht Prüfungen unterworfen werden. Diese Prüfungen sind bei den englischen Vollblütern die Rennen, von denen es die unterschiedlichsten Arten gibt. Bedeutend für den Zuchtfortschritt sind die sogenannten Zuchtrennen, in denen gleichaltrige Pferde gegeneinander laufen, wobei alle das gleiche Gewicht tragen müssen, Stuten allerdings 2 Kilogramm weniger als Hengste.
Unter den Zuchtrennen finden allgemein die sogenannten klassischen Rennen die höchste Beachtung, in denen jedes Pferd nur einmal in seinem Leben, nämlich im Alter von drei Jahren, starten darf. Auf diese Weise erhält man einen guten Leistungsvergleich, da ältere Pferde im allgemeinen in ihrer Leistung gegenüber den Dreijährigen noch etwas zulegen.
Spätreife oder später im Jahr geborene Pferde sind hier allerdings, obwohl unter Umständen sogar die besseren Pferde, benachteiligt.
Das Alter eines englischen Vollblüters wird immer so berechnet, als ob er am 1. Januar des Geburtsjahres geboren wurde, weshalb die Tendenz in der Zucht dahin geht, möglichst frühe Fohlen zu bekommen, damit sie dann zum Zeitpunkt der Rennen effektiv älter sind, als später im Jahr geborene: „Jeder Tag in der Aufzucht zählt!“
Dabei muß allerdings gesagt werden, daß sich ein frühes Fohlen auf Grund der noch kalten Jahreszeit anfangs nur langsam entwickelt und ein späteres Fohlen diesen Entwicklungsvorsprung relativ schnell aufholt. Heinz Jentzsch, mit 31 nationalen Trainerchampionaten der erfolgreichste Galopprenntrainer der Welt, hält unter unseren klimatischen Bedingungen den März für den günstigsten Geburtstermin, wobei er allerdings die klimatischen Bedingungen in Deutschland als insgesamt zu kalt für die Rennpferdeaufzucht erachtet. Diese Aussage stammt allerdings aus der Mitte der 90-er Jahre, also noch vor der starken Beschleunigung der Klimaerwärmung …….
Von den klassischen Rennen ist das Derby, welches über eine Strecke von 2400 Metern (1½ englische Meilen) führt, das bekannteste. Seinen Namen erhielt es zu Ehren von Edward Smith Stanley, dem 12. Earl of Derby. Nur der Wurf einer Münze soll damals angeblich dem Rennen den Namen des Earl of Derby gesichert haben; der andere vorgeschlagene Name war der von Sir Charles Bunbury, den man auf Grund seiner profunden Sachkenntnis, aber auch seines Führungsstils als Präsident des Jockey Clubs, den „Diktator des Turfs“ nannte.
Das erste Derby wurde 1780 in England gelaufen (und, als sei es ausgleichende Gerechtigkeit für die Namensgebung, gewann hier Sir Charles Bunbury´s Diomed.)
Der gute Engländer spricht das Wort Derby übrigens nicht wie wir amerikanisierten Deutschen „Dörbi“ aus, sondern „Dahbi“.
Das erste deutsche Derby wurde 1869 in Hamburg gestartet. (Die ersten deutschen Vollblutrennen überhaupt fanden 1822 im mecklenburgischen Bad Doberan statt, Wegbereiter waren hier die Gebrüder Biel).
Herr Jentzsch setzt allerdings die Bedeutung des prestigeträchtigen Derbys als Zuchtrennen etwas herab: Das Derby gewinne nicht das beste, sondern das glücklichste Pferd! Grund für diese Ansicht sind die großen Starterfelder von über 20 Pferden, in denen bei schlechtem Rennverlauf das beste Pferd, im galoppierenden Pulk eingemauert, daran gehindert sein kann, sich frei zu entfalten.
Außer dem Derby gibt es als klassische Rennen noch
- das St. Leger über 2800 Meter (Anthony St.Leger war ein Kriegskamerad des Earl of Derby im Siebenjährigen Krieg), das 1776 zum ersten Male stattfand (das Rennen wird in Deutschland unter dem gleichen Namen und über die gleiche Distanz gelaufen);
- die Oaks (1779, benannt nach dem Landhaus des Earl of Derby), ein reines Stutenrennen über 2400 Meter (in Deutschland unter dem Namen „Preis der Diana“ über 2200 Meter führend);
- die 2000 Guineas (1809) über 1600 Meter (in Deutschland Mehl-Mühlhens- Rennen, ehemals Henckel-Rennen, gleiche Distanz); sowie, nur für Stuten,
- die 1000 Guineas (1814) über 1600 Meter (in Deutschland Schwarzgoldrennen, nach der berühmten Stute benannt, gleiche Distanz). (Ein Guinea ist dabei übrigens eine alte englische Zahlungseinheit und entspricht einem Pfund und einem Schilling. Noch heute wird bei Rennpferdeauktionen in England nach Guineas abgerechnet!)
Stuten sind somit als einzige in der Lage, alle 5 klassischen Rennen zu gewinnen, was jedoch bisher nie geschah. Auch scheinen 2 Kilogramm Gewichtserlaubnis nicht auszureichen, den Nachteil an Kraft gegenüber den Hengsten auszugleichen, was z.B. an den Ergebnissen im Derby abgelesen werden kann, in dem Stuten nur sehr selten zum Zug kamen (das letzte Mal 1997 beim 128. deutschen Derby die Stute Borgia, eine Acatenango-Tochter; noch eine Weile weiter zurück in der Vergangenheit holte sich Lustige im Jahre 1955 das Blaue Band). Wären die 2 Kilogramm Gewichtserlaubnis ausreichend, so müßte das Geschlechterverhältnis über lange Zeit gemittelt hingegen ungefähr 50:50 sein.
Der einzige Hengst, der jemals in der Geschichte des deutschen Rennsports alle drei für Hengste offenen klassischen Rennen (die sogenannte dreifache Krone, in England triple crown) gewann, war Königstuhl im Jahre 1979. Der Hengst starb 1995 im Alter von nur 19 Jahren.
Das älteste noch heute in Deutschland gelaufene Rennen ist das erstmalig 1834 in Berlin-Tempelhof und seit 1945 in Köln gelaufene Union-Rennen.
Die meisten Rennpferde im Training stehen in Deutschland immer noch in relativ dunklen, wenn auch geräumigen Boxen. Eine Haltung mit Weidegang, wie sie für andere Sportpferde üblich ist, gibt es nicht, da man befürchtet, das Rennpferd „laufe sich sonst seine Energie herunter“. Für Deckhengste und Zuchtstuten sieht die Sache hingegen anders aus: Hengste haben tagsüber auf großen Koppeln genug Auslauf, wenn auch zur Vermeidung von Unfällen jeder Hengst seine eigene Koppel bewohnt, und hohe Hecken die Sicht zum Nebenbuhler versperren. Stuten dürfen gemeinsam auf weiten Weiden weiden.
Aber selbst eine Boxenhaltung mit Auslauf davor kommt in Deutschland allenfalls bei Freizeitpferden vor: Das trainierte Rennpferd hat keinen Auslauf, keinen Paddock, so ist es in Deutschland Tradition, ganz einfach wohl deshalb, weil hier Grund und Boden rar und teuer sind und es sich keiner leisten will, auf einer Fläche, die für einen Stall mit 100 Pferden reichte, nur 30 Boxen mit Paddocks unterzubringen. (Das wäre auch deshalb unwirtschaftlich, weil dafür vermutlich mehr Personal pro Pferd benötigt würde.) Ein Trainer in Deutschland muß sich also wohl oder übel mit den (alten) beengten Örtlichkeiten zufrieden geben, die er hier vorfindet.
Dabei könnte man, davon bin ich überzeugt, mit Paddocks vor den Boxen unsere deutschen Rennpferde gesünder und belastbarer machen. Auch mit Auslaufboxen könnte man ihnen nämlich nach der Arbeit die Ruhe geben, die sie benötigen. Nach der „Siesta“ könnten die Türen der Boxen dann wieder für den Rest des Tages geöffnet werden, und die Tiere könnten sich frei im Schritt bewegen, was Sehnen und Bänder warm hielte und für ausreichende Gelenkschmierung sorgte.
Wissenschaftliche Untersuchungen haben ergeben, daß das Durchschnittspferd bereits auf einer 30 Quadratmeter großen Fläche fast so viel läuft, wie auf einer hektargroßen Weide, nämlich 5 bis 7 Kilometer am Tag.
Leichte Bewegung über den ganzen Tag wäre auch Verdauung und Atmung zuträglich, und da die Paddocks nicht groß sind, könnte sich das Pferd seine Kraft kaum heruntergaloppieren.
Daß es schließlich nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch möglich ist, bei gesunder Paddockhaltung Rennpferde erfolgreich zu trainieren, zeigt z.B. das Beispiel des sehr erfolgreichen amerikanischen Trainers Darrell Wayne Lukas.
Da es aber allein schon aus Platzgründen in Deutschland schwierig sein wird, Paddockhaltung in Rennställen einzuführen, sollte man sich wenigstens bemühen, das bei Boxenhaltung Machbare zu erreichen. Pferdeboxen sollten dafür so groß wie möglich sein, um den Pferden ausreichend Bewegungsmöglichkeit zu bieten.
Das Tierschutzgesetz schreibt zur Zeit für Pferde eine minimale Boxengröße vor, deren Fläche sich aus der doppelten Widerristhöhe im Quadrat errechnet. Einem Pferd mit einer Widerristhöhe von 1,65 Metern steht demnach eine Box mit einer Fläche von minimal 11 Quadratmetern zu! Auch die Mindesthöhe ist vorgeschrieben: Richtwert sind hier 3 Meter bzw. mindestens doppelte Widerristhöhe.
Diese Bedingungen sind in den besseren deutschen Rennställen meist erfüllt. Für den „zwischenpferdlichen“ Kontakt, gerade für junge Pferde wichtig, wird in deutschen Rennställen allerdings nicht gesorgt. Einzelhaft ist üblich. Das maximal Erlaubte ist der Blick über die Boxentür hinaus zu einem Pferd auf der anderen Seite der Stallgasse, denn die Seitenwände zum Nachbarn sind häufig blickdicht.
Licht und Luft, die ein Auslauf dem Pferd bietet, erhöhen seine Widerstandskraft gegenüber Erkrankungen. Das Sonnenlicht beeinflußt dabei die Knochenbildung und das Wachstum positiv, u.a. durch die Bildung von Vitamin D. (Übrigens schreibt schon der berühmte griechische Geschichtsschreiber Herodot, ungefähr 485 bis vielleicht 429 v. Chr., über die altägyptische Ansicht, daß die Sonne für die Stärke der Knochen verantwortlich sei: Auf den ehemaligen Feldern der Schlachten zwischen Persern und Ägyptern habe er die Ägypter einfach an ihren kräftigen Schädelknochen erkennen können, die nicht einmal mit einem großen Stein zertrümmert werden konnten, wohingegen die Schädel der Perser, die ihr Leben lang Fellmützen trugen, schon löchrig geworden seien, wenn man mit kleinen Steinen danach warf.)
Sonnenlicht beeinflußt überhaupt Psyche und Gesundheit positiv! Es führt auch zu einer Steigerung des Hämoglobingehaltes im Blut, was böse Trainer sonst durch Spritzen von Eigenblut vor einem Rennen künstlich herbeiführen müssen, um die Leistung weiter zu steigern (siehe Kapitel „Doping“. Die Erhöhung der Leistungsfähigkeit, vor allem bei Ausdauersportarten, durch Vermehrung der Anzahl roter Blutkörperchen wird auch beim Menschen angewandt. Hierfür machen die Sportler Höhentraining. In der dünnen Bergesluft muß der Körper sich dem geringeren Sauerstoffpartialdruck dadurch anpassen, daß er vermehrt rote Blutkörperchen bildet. Finden die Wettkämpfe dann in geringerer Höhe statt, so verfügen die Sportler über ein Überangebot, und die Leistung nimmt zu. Auch beim Menschen ist das Spritzen von Eigenblut, „Blutdoping“, verboten.)
Licht erhöht auch noch die körpereigene Synthese von Cortison und anderen Stoffen, die für das körperliche Wohlbefinden und die Regeneration bei Verletzungen nützlich sind.
Eine dieser Substanzen ist zum Beispiel das Zirbeldrüsenhormon Melatonin, das den biologischen Tag-/Nachtrhythmus mitbestimmt und gegen Streß und frühzeitiges Altern wirksam ist. (Durch Bestrahlung mit Tageslicht kann so zum Beispiel der „Jetlag“, das Unwohlsein nach einer Flugreise durch viele Zeitzonen, vermindert werden.)
Auch das Herz wird durch Sonnenlicht gestärkt! (Beim Menschen wurde eine herzstärkende Wirkung um bis zu 40 % gemessen!)
Es ist daher nicht verwunderlich, wenn Pferde der derzeit in der Welt des Galoppsports führenden Gebrüder Al Maktoum nach einer Wintersaison im sonnenüberfluteten Dubai in Europa leistungsstark an die Spitze galoppieren.
Es bleibt allerdings abzuwarten, ob die viele Sonne nicht auch zu einer vorschnellen Alterung führt, wie man sie in südlichen Ländern oft auch an den Menschen erkennen kann.
Dies würde bedeuten, daß solche Pferde gegenüber ihren „unterbelichteten“ Kameraden weniger lange an der Spitze bleiben könnten. Andererseits gäbe es Ihnen gerade im jugendlichen Alter, in dem ja die meisten großen Rennen gelaufen werden, einen Vorteil, da sie über den Winter effektiv einige Wochen, vielleicht auch einige Monate, an Reife gewönnen, während im europäischen Winter ohne Wärme und Licht die körperliche Entwicklung stark verlangsamt ist. (Ein zusätzlicher Monat an Reife bedeutet bei einem zwei- bis dreijährigen Pferd die Fähigkeit, 2 bis 3 Kilo bei gleicher Geschwindigkeit mehr tragen zu können, bzw. über 1600 Meter 2 bis 3 Längen schneller zu sein!) Zudem könnte der biologische Rhythmus, auf den man sonst nur wenig Einfluß hat, durch die extreme Strahlung verschoben werden, so daß dafür am Ende der europäischen Saison ein stärkerer Abfall zu erwarten wäre.
Die vielen Erfolge der letzten Jahre zeigen aber, daß sich auch die deutsche Pferdezucht international durchaus sehen lassen kann! Manduro und Hurricane Run sind nur als die letzten der Erfolgsbringer zu nennen. Vielleicht ist es also doch wieder möglich, in Deutschland bodenständige internationale Spitzenrennpferde zu züchten, so, wie es ja auch bei den Spring- und Dressurpferden der Fall ist!
Vielleicht wäre es auch möglich, den Witterungs- und Klimanachteil, dem unsere deutschen Rennpferde ausgesetzt sind, wenigstens teilweise durch eine Lichttherapie zu kompensieren. Für eine Lichttherapie schlage ich allerdings vor, nicht reine UV-Lampen, Neonleuchten oder IR-Strahler zu verwenden, sondern spezielle Strahler, die versuchen, das natürliche Sonnenspektrum nachzuahmen. Diese könnten in Kombination mit UV-Strahlern (für die Knochenbildung!) angewandt werden. Die Beleuchtungsindustrie hat in den letzten Jahren große Fortschritte bei der preisgünstigen Bereitstellung solcher Strahler gemacht, und es werden heute spezielle Leuchtstoffröhren mit Sonnenlichtspektrum angeboten, die die elektrische Energie mit einem Wirkungsgrad von 20 bis 25 % in Sonnenlicht umwandeln! Zusätzliches Rotlicht (Wärmestrahlung), wie es in den meisten Pferdesolarien eingesetzt wird, wäre hierbei nicht mehr vonnöten, da die gesamten restlichen 75 bis 80 % der elektrischen Leistung der Leuchtstoffröhren sowieso in Wärme umgesetzt werden!
Indem man auf diese Weise die wesentlichen Teile des Sonnenspektrums abdeckt, ist man sicher, daß nicht bisher unbekannte positive Effekte bestimmter Strahlungswellenlängen auf den Organismus vernachlässigt werden, sondern optimal Sonne vorgetäuscht wird.
Immerhin liegt das Emissionsmaximum der Sonne nicht im UV- Bereich und auch nicht im Infrarot, wie es in den meisten Pferde“besonnungs“anlagen erzeugt wird, sondern im sichtbaren Teil des Spektrums bei der Farbe Grün, bei der auch das Auge seine höchste Empfindlichkeit hat. Ich halte es für unwahrscheinlich, daß sich die Natur nach Jahrmillionen der Anpassung an die Sonnenstrahlung der meistemittierten Wellenlänge des Sonnenlichtes lediglich für die optimale Ausnutzung des Sehapparates bedienen sollte! Ein vielleicht auch für die Pferdehaltung wichtiger Effekt, der bei der Behandlung der menschlichen Gelbsucht ausgenützt wird, ist die Beseitigung überschüssigen Bilirubins im Körper durch Bestrahlung mit blauem Licht der Wellenlänge um 460 Nanometer. (Ein Nanometer ist ein milliardstel Meter. Licht ist dann für das menschliche Auge sichtbar, wenn es Wellenlängen zwischen 380 und 780 Nanometern aufweist.) Bilirubin entsteht bekanntlich auch bei der Überfütterung des Pferdes mit Eiweiß. Da blaues Licht auch zu einem erheblichen Anteil im Sonnenlicht enthalten ist, vermindern sich bei Pferden, die ausreichend Sonne abbekommen, vermutlich auch die Folgen einer Eiweißüberfütterung.
Vor allem auch auf die Psyche der Pferde erwarte ich einen positiven Einfluß, ähnlich wie bei depressiven Menschen, deren Befinden sich durch eine Lichttherapie stark verbessern läßt. Die Gefahr, daß ein Rennpferd aufgrund zu starken Trainings sauer wird, ließe sich vermutlich durch die oben beschriebene Methode mindern. Ich denke, daß ein ungefähr einstündiges Bestrahlen des Pferdes nach der morgendlichen Arbeit (auf das sich das Pferd also schon im Voraus freut!) ausreichend ist. Wenn die Strahlungsintensität im sichtbaren Bereich dabei ungefähr 500 Watt pro Quadratmeter betrüge, so hätte man Strahlungswerte, wie sie Rennpferde erhalten, die im Winter in den Golfstaaten trainiert werden. Ob eine Verringerung der Strahlungsintensität bei gleichzeitiger Verlängerung der Bestrahlungsdauer die gleiche Wirkung hat, wie eine kürzere intensivere Bestrahlung ist unklar, da zur Auslösung mancher Wirkungen im Körper bestimmte Schwellenwerte überschritten werden müssen. Wieviel UV-Strahlung optimal ist, läßt sich schwer abschätzen, da sich ihr Anteil im Verhältnis zum sichtbaren Licht sehr stark mit dem Sonnenstand ändert. (UV-Strahlung wird durch dickere Luftschichten bedeutend stärker geschwächt als sichtbares Licht!)
Inwieweit eine Lichttherapie einem Doping nahekommt, oder nur Standortnachteile ausgleichen hilft, ist schwierig zu beantworten. (Bereits in früheren Zeiten fuhren auch schon englische und andere europäische Trainer im Winter mit ihren Pferden in den Süden, z.B. an die Cote d’Azur oder nach Pisa.)
Bei Rennpferden wird sehr auf saubere Einstreu wert gelegt. Damit ist, wenn auch kein direkter Frischluftbereich zugänglich ist, wenigstens die Gefahr der Erkrankung der Atemwege durch Schadgase, wie zum Beispiel Ammoniak oder Schwefelwasserstoff, reduziert. Denn während der Mensch sich schon früh in seiner Entwicklungsgeschichte in schützende, aber auch miefende Höhlen und Bauten zurückzog und gegenüber Schadgasen eine gewisse Resistenz entwickelte, hat das Pferd als ehemaliger Bewohner weiter Steppen stets nur reine Luft eingeatmet. Sein Atmungssystem ist daher für Schadgase besonders empfänglich.
Als Schadgase für Pferde gelten vor allem:
Ammoniak NH3
Schwefelwasserstoff H2S
(Atemwege! Maximal zulässige Konzentration 10 ppm, das sind 0,001 %, besser weniger! Ammoniak entsteht bei der bakteriellen Zersetzung von Harn.)
(Zellgift! Es vermindert die Sauerstoffaufnahme und damit auch die Leistungsfähigkeit des Pferdes. Schwefelwasserstoff entsteht bei bakteriellen Fäulnisprozessen aus schwefelhaltigen Verbindungen der verunreinigten Einstreu. Die Giftigkeit von Schwefelwasserstoff wird oftmals unterschätzt. Sie liegt sogar höher als die von Cyanwasserstoff, der fleißigen Krimilesern unter dem Namen Blausäure bekannt ist. Gefährlich ist dabei auch, daß man das Gas zwar auch in äußerst geringen Konzentrationen noch riecht, der Geruch nach faulen Eiern aber nach kurzer Zeit nicht mehr empfunden wird, so daß man nicht weiter gewarnt ist. Man fällt dann einfach und von einer Sekunde auf die andere ohne Vorwarnung um!)
Kohlendioxid CO2
(Ausatmungsluft, Fäulnisvorgänge. Wirkt ebenfalls leistungsmindernd. Es ist nämlich nicht so, wie vielfach geglaubt wird, daß der Sauerstoffgehalt der Luft für die Leistungsfähigkeit verantwortlich ist; dieser beträgt ungefähr 21 Volumenprozent und verändert sich beim Atmen auch in geschlossenen Räumen kaum. Der Kohlendioxidgehalt hingegen, der in unverbrauchter Luft knapp 0,04 Volumenprozent (mit steigender Tendenz: Das Treibhausgasdilemma!) beträgt, erhöht sich bei der Atmung in geschlossenen Räumen auf ein Vielfaches! Für jedes Volumenprozent, das der Sauerstoffgehalt fällt (eine, relativ betrachtet, geringfügige Änderung) steigt der Kohlendioxidgehalt um ein Volumenprozent (eine Verdreißigfachung der ursprünglichen Konzentration!). Eine Erhöhung der Konzentration von Kohlendioxid in der Umgebungsluft verringert die Aufnahmefähigkeit des Blutes für Sauerstoff.)
Da die meisten Schadgase schwerer als Luft sind, sammeln sie sich am Boden der Box an und gefährden vor allem das liegende und vom Boden fressende Pferd. Ammoniak ist zwar leichter als Luft, doch ist es auf Grund seiner extrem guten Wasserlöslichkeit stark an die Feuchte in der Einstreu gebunden und kommt daher auch hauptsächlich in Bodennähe vor. Auch staubhaltige Luft kann man in erweitertem Sinne als schweres Schad„gas“ auffassen. Damit das liegende Pferd schadgasärmere Luft einatmen kann, wird in neuerer Zeit die untere Boxentür aus Holz mit vertikalen Längsschlitzen versehen, durch die die schweren Gase nach außen abfließen können.
Optimal für gesunde Stalluft ist eine Unterflurlüftung, bei der die Einstreu auf einem Rost liegt, durch den Luft von oben nach unten abgesaugt wird. Damit ist auch die Staubbelastung der Atemwege fast vollkommen beseitigt. Die Luft soll bei dieser Belüftungsmethode mit einer Geschwindigkeit von 0,2 bis 0,6 Metern pro Sekunde von oben nach unten fließen. Mehr wird als unangenehmer Zug empfunden.
(Diese Konstruktionsweise erinnert mich an die von Reinraumlabors. Man spricht hier von einem Laminar-Flow, bei dem extrem fein gefilterte Luft mit ungefähr 0,4 Metern pro Sekunde durch viele Öffnungen in der Decke eingeblasen und durch den Fußboden wieder abgesaugt wird. Eine solche Einblasung ist turbulenzarm und wirbelt daher keinen Staub auf.)
Eine andere einfachere und billigere Lüftungsmethode in Stallungen ist die Schwerkraftlüftung, bei der man ausnützt, daß kalte Luft nach unten sinkt, erwärmte Luft hingegen nach oben durch einen Kamin entweicht. Weiterhin existieren noch die Zwangslüftungsmethoden mit Ventilatoren, bei denen nach Unterdrucklüftung und Gleichdrucklüftung unterschieden wird.
Die Temperatur in einer Pferdebox soll der Außentemperatur folgen, wobei allerdings extreme Spitzen abgemildert werden. Insbesondere soll sie nicht zu warm sein, denn auch Kälte fördert die Bildung von zusätzlichem Hämoglobin der roten Blutkörperchen und wirkt damit leistungssteigernd.
Auch in der Fohlenaufzucht sind gemäß Herrn Jentzsch zu warme Stallungen schädlich.
Zwar wüchsen die Fohlen dort „wie der Teufel“, doch fehle ihnen später die nötige Härte.
Unter 0 Grad tue sich in der Natur dann freilich nicht mehr viel beim Wachstum. Ganz allgemein glaubt Herr Jentzsch, daß das Klima in Deutschland, auch im milden Westen, für die Rennpferdezucht etwas zu kalt ist. (Seit er dies zu mir äußerte, hat sich das Klima bei uns allerdings, vornehmlich durch den Treibhauseffekt, deutlich erwärmt.) Vielleicht ließe sich aber dieser Nachteil durch die bereits erwähnte Lichttherapie wenigstens teilweise kompensieren, wodurch die Pferde schneller heranreiften und schon mit festeren Knochen ins Training kämen. Eine alte züchterische Weisheit besagt, daß jeder Tag in der Aufzucht zählt! Mittels gemäßigt angewandter Lichttherapie ließen sich wohl gerade im wichtigsten ersten Lebensjahr des Fohlens viele Tage, vermutlich sogar einige Wochen, an Entwicklung über den Winter gewinnen!
Die optimale Luftfeuchtigkeit in den Stallungen sollte bei 60 bis 80 % liegen. Bei niedrigeren Werten trocknen die Schleimhäute verstärkt aus, und die Staubbelastung (Schimmelsporen und andere Allergene) erhöht sich. Höhere Werte begünstigen die Schimmelbildung, und Parasiten und Würmer können sich besser vermehren. Bei extrem hoher Luftfeuchtigkeit besteht die Gefahr einer Überhitzung der Pferde, wenn die Verdunstungskälte nicht mehr ausreicht, die vom Körper produzierte Wärme abzuführen.
Im Zusammenhang mit dem Kapitel Pferdehaltung möchte ich noch das Thema Koppen ansprechen. Die Veranlagung zu diesem gestörten Verhalten (nicht das Koppen selbst!) ist wohl erblich. Auslöser kann dann ein traumatisches Ereignis im Leben des Pferdes sein, Magengeschwüre, oder es lernt es einfach von anderen. (Viele bezweifeln das heute, ich habe es aber selbst erlebt!)
Abgesehen davon, daß Koppen (das früher einmal zu den sechs kaiserlichen Hauptgewährsmängeln Dämpfigkeit, Dummkoller, Kehlkopfpfeifen, Koppen, periodische Augenentzündung und Rotz beim Pferdekauf zählte) für den Besitzer extrem nervtötend ist, nutzt es auch die Zähne stark ab und kann (bei manchen Pferden) durch das Schlucken von Luft zu Koliken führen. Für Rennpferde entscheidend ist wohl die Leistungsminderung, die mit dem Koppen einhergeht.
Unabhängig davon, wie das Tier zum Kopper wurde, werden die verschiedensten Mittel angewandt, das Pferd an der Ausübung zu hindern. In den leichten Fällen hilft oft, dem Pferd mehr Abwechslung zu bieten, auch z.B. die Boxen öfter zu wechseln. Schwere Fälle jedoch koppen überall, selbst auf der Koppel und in Gesellschaft anderer Pferde.
Harmloseste Maßnahme für solche Fälle ist das Einschmieren der Stellen, an denen das Pferd mit den Zähnen aufsetzt, mit einer speziellen, übelriechenden Paste oder mit Hufteer (hält leider nicht sehr lange vor). Meistens machen sich die Leute diese Mühe aber nicht und greifen zum Kopperriemen, der den Pferden so stark auf den Kehlkopf drückt, daß das Pferd keine Luft mehr schlucken kann oder will. Es handelt sich hierbei, nicht nur meines Erachtens, um Tierquälerei!
Die wirksamste Methode, das Koppen (nicht jedoch das seltene Freikoppen!) vollständigzu unterbinden, wird leider nur sehr selten angewandt, weil sie nicht mehr vielen Leuten geläufig ist und zudem einen höheren Aufwand erfordert: Die Box muß dergestalt umgebaut werden, daß alle Wände glatt sind! Alle erforderlichen herausstehenden Gegenstände, wie zum Beispiel Tränke oder Futtertrog, müssen um so viel nach unten versetzt werden, daß das Pferd aufgrund der Streckung seines Halses nicht mehr in der Lage ist, beim Aufsetzen Luft zu schlucken. Die Höhe über dem Erdboden, ab der die allermeisten Pferde nicht mehr koppen können, liegt für gewöhnlich etwa auf Höhe des Vorderfußwurzelgelenks.
Ist das Pferd nicht mehr in der Lage, Luft abzuschlucken, wird es für gewöhnlich auch aufhören, mit den Zähnen aufzusetzen. Allerdings sollte man es nicht bei der Beseitigung der schädlichen Symptome bewenden lassen, sondern sollte den Tieren zusätzlich mehr Beschäftigung und Abwechslung bieten. Manche Leute hängen in der Box z.B. einen Ball als Spielzeug für das Pferd auf. Andere verwenden Äste, an denen gerne geknabbert wird. Alles in allem läßt sich sagen, daß man Kopper (billig zu haben!) in einer speziell auf sie zugeschneiderten Umgebung voll leistungsfähig halten kann! (Nervtötend ist es aber allemal.)
Grundfuttermittel für Rennpferde in Deutschland sind nach wie vor Hafer und Heu.
Weißhafer oder Gelbhafer wird selten allein gefüttert, sondern meistens in Mischung mit französischem Schwarzhafer, oder es wird ausschließlich der teuere Schwarzhafer verfüttert. Man achtet bei Hafer darauf, daß er einen hohen Mehlkörperanteil (Stärke) und weniger Eiweiß enthält. Diese Bedingungen erfüllt am besten ein großkörniger Hafer mit einem Litergewicht von 550 bis 650 Gramm. Optimal ist hier der französische Schwarzhafer, der aber in Deutschland nur selten angebaut wird und daher importiert werden muß.
Haferqualitäten
(Gehalte bezogen auf ein Kilogramm Hafer)
Litergewicht in Gramm | Rohfaser in Gramm | Rohprotein in Gramm | Rohfett in Gramm | Mehlkörper in Gramm | Energie in Megajoule | |
flachkörnig | unter 450 | 150 | 127 | 56 | 499 | 10 |
mittel | 450 bis 550 | 103 | 103 | 48 | 582 | 11,5 |
vollkörnig (Prachthafer, Schwarzhafer) | über 550 | 81 | 82 | 42 | 632 | 12,5 |
Unter dem Namen Schwarzgoldhafer (hat keinen Bezug zur gleichnamigen berühmten Stute, die 1940 das Deutsche Derby gewann) ist eine Mischung aus französischem schwarzem und hellem Hafer im Handel.
Der Hafer wird für gewöhnlich ungequetscht verfüttert. Einige Trainer (eigentlich natürlich deren Futtermeister, vermutlich die zweitwichtigsten Leute im Stall!) füttern Mischungen aus Quetschhafer und ungequetschtem Hafer, vielleicht, um das Futter den Pferden schmackhafter zu machen. Ich befürchte allerdings, daß die Pferde damit zu ungenügendem Kauen und Einspeicheln erzogen werden und das Futter einfach herunterschlingen. Die somit ungequetschten und unzerkaut verschluckten Haferkörner werden dann nicht verwertet, sondern verlassen das Pferd rücklings für die Spatzen.
Einem Rennpferd von 1,65 Metern Stockmaß und einem Gewicht von ungefähr 500 Kilo werden pro Tag ungefähr 6 bis 8 Kilo Hafer in 2 oder besser 3 Portionen gefüttert, kleinere Tiere erhalten entsprechend weniger.
Heinz Jentzsch fütterte seinen Rennpferden durchschnittlich 5 bis 6 Kilo Hafer am Tag, Stuten 5 Kilo, Hengste 6 Kilo. Die wenigsten fraßen wohl mehr. Zusätzlich erhielten sie ungefähr 6 Kilo bestes Heu. Sie erhielten aber immer so viel Futter, daß sie ein wenig übrig ließen. Außerdem standen sie wenn möglich auf Stroh, an dem sie den Tag über immer knabbern konnten.
Die Hafermengen mögen einem für die geleistete Arbeit viel erscheinen, zumal ja auch noch ordentliche Mengen an Rauhfutter dazukommen. Bei einem Rennpferd liegt der Energieverbrauch je Kilo Körpergewicht jedoch schon im Ruhezustand deutlich über dem eines Reitpferdes und beträchtlich über dem eines Ponys.
Im allgemeinen läßt sich sagen, daß der Energieverbrauch um so höher ist, je mehr „Blut“ das Pferd besitzt, das heißt, je höher der Vollblutanteil im Erbgut liegt. Nervöse Typen haben dabei einen etwas höheren Bedarf, als die ruhigen Typen innerhalb einer Rasse.
Besonders große Pferde, obwohl (wie große Menschen auch) meistens ruhiger als die kleineren Exemplare („lange Leitung“), sind allerdings im Training oft besonders schwerfuttrig. Ich schätze, daß ein Rennpferd schon im Ruhezustand gegenüber einem gleichschweren Reitpferd einen 10 bis 30 % höheren Energiebedarf hat. Der schon im Ruhezustand gegenüber dem Reitpferd und noch mehr gegenüber den Wildrassen erhöhte Energiebedarf ist meiner Ansicht nach allerdings nicht nur allein auf eine erhöhte Nervosität der Vollblüter zurückzuführen, nervöse Tiere gibt es schließlich auch unter den anderen Rassen, sondern auf die Zuchtselektion, die die Muskulatur des Rennpferdes kompromißlos auf höchste Leistung aus kleinem Muskelvolumen optimiert hat. Sparsamkeit im Energieverbrauch ist für die Rennleistung über relativ kurze Strecken kein Selektionskriterium. Anders ist es bei den Wildrassen, die einen harten Winter bei karger Kost nur durch ihre Genügsamkeit überstehen können müssen.
Die mögliche Energieerzeugung pro Volumeneinheit Muskelmasse ist beim Rennpferd zwar höher als bei den anderen Rassen, doch der Wirkungsgrad des „Motors“, also der Prozentsatz an chemischer Energie in der Nahrung, der in Bewegung (kinetische Energie) umgesetzt wird, ist geringer. Man kann den Vergleich zu Rennwagen anstellen, die ebenfalls in der Lage sind, auf kleinstem Raum höchste Leistung zu erzeugen, allerdings bei enormem Spritverbrauch. Der physikalisch-chemische Grund dafür ist, daß alle Kraftmaschinen genau dann mit dem theoretisch maximal möglichen Wirkungsgrad arbeiten, wenn sie „nahe am Gleichgewicht“ arbeiten. „Nahe am Gleichgewicht“ bedeutet dabei, daß während der einzelnen ablaufenden Teilprozesse nur unmeßbar kleine Temperatur-, Druck- oder Konzentrationsunterschiede auftreten und jeder einzelne ablaufende Prozeß reversibel geführt wird. Dies ist allerdings nur theoretisch möglich, am ehesten nähert man sich diesem Idealfall in langsam ablaufenden Prozessen an.
In den Muskeln des Rennpferdes laufen Prozesse jedoch schnell und bei großen Konzentrationsgradienten der beteiligten chemischen Stoffe ab, daher der geringere Wirkungsgrad gegenüber den anderen Rassen.
Als Heu bevorzugen die Kölner Trainer das französische Crau-Heu. (Crau ist eine südfranzösische Provinz bei der Camargue). Herr Jentzsch verfütterte früher auch schon Schwarzwaldheu, welches ebenfalls gut sein konnte, doch wechselten die angelieferten Qualitäten von Jahr zu Jahr zu stark, und da Herr Jentzsch beim Heu nicht mehr auf den Preis achten mußte, verfütterte er daraufhin ebenfalls das südfranzösische Crau-Heu (zum dreifachen Preis!).
Im folgenden finden Sie beispielhaft eine LUFA-Untersuchung von Crau-Heu des Jahres 2006 (alle Angaben bezogen auf Trockenmasse! Also ohne jegliches Restwasser!):
Erntezeitpunkt Mai 2006 | Erntezeitpunkt Juli 2006 | |
Rohasche | 7,11% | 6,97 % |
Rohprotein | 6,0% | 10,9 % |
Rohfett | 0,9% | 1,9 % |
Rohfaser | 27,8% | 33,4 % |
Stickstofffreie Extraktstoffe | 58,1% | 46,8 % |
Verdauliches Rohprotein | 2,8% | 7,3 % |
Verdauliche Energie | 8,9 MegaJoule/kg | 8,3 MegaJoule/kg |
Kalzium | 0,81% | 1,05 % |
Phosphor | 0,21% | 0,37 % |
Natrium | 0,30% | 0,28 % |
Kalium | 1,63% | 1,44 % |
Magnesium | 0,20% | 0,43 % |
Man erkennt die deutlichen Unterschiede zwischen frühem ersten Schnitt (wegen der milden Witterung in Südfrankreich schon im Mai) und spätem zweitem Schnitt (Juli).
Gutes Pferdeheu soll blattarm und stengelreich sein, von Süßgräsern stammen, einen festen „Griff“ haben, nicht zerfallen, nicht muffig riechen und nicht staubig sein. Solches später geerntetes Heu ist eiweißärmer und für Pferde geeigneter als frühes Heu („Milchfutter“ für Rinder). Die Farbe ist von einem hellen Grün. Unverregnetes gelbes Heu ist zu lange in der Sonne gelegen (es hat einen höheren Vitamin D-Gehalt, aber einen geringeren Vitamin A-Gehalt). Dunkelgrünes Heu ist zu kurz in der Sonne gelegen (weniger Vitamin D, mehr Vitamin A) und es besteht zusätzlich die Gefahr, daß es für eine längere Einlagerung nicht trocken genug ist und nach einiger Zeit muffig wird und schimmelt.
Gerade dickere Stengel benötigen in unseren Breiten 3 volle heiße Sommertage (von morgens bis abends!), um gut durchzutrocknen. Wer sein Heu selbst bereitet, kann als Test des Trocknungszustandes die „Zupfprobe“ machen. Man nimmt hierzu vom ausgebreiteten Heu eine Handvoll, das eine Ende der Halme in die linke, das andere Ende in die rechte Faust und zieht dann die Fäuste dreimal gefühlvoll auseinander. Sind alle Halme gebrochen, so ist das Heu fertig zum Einbringen, halten noch zähe Halme zusammen, so benötigt das Heu noch zusätzliche Trocknungszeit.
Am günstigsten ist es, Heu lose in die Scheune einzubringen, es kann dann auch noch etwas eingesalzen werden, was einer Schimmelbildung entgegenwirkt und das Heu für die Pferde noch schmackhafter macht. Aus Gründen der Platzersparnis wird Heu allerdings heutzutage zu Ballen gepreßt, die sich leichter handhaben und portionieren lassen.
Man muß aber Obacht geben, daß man das Heu nicht zu stark preßt. Es kann dann nämlich nicht mehr atmen und schimmelt leicht oder bekommt im Winter einen muffigen Geruch. Das Pressen muß geschehen, solange noch die Sonne auf das Heu scheint; nach Sonnenuntergang, oder bei Wolkenbildung wird Heu durch aufgenommene Feuchtigkeit sofort klamm, was man sogleich am höheren Gewicht der Ballen feststellen kann.
Heu „arbeitet“ noch 6 bis 8 Wochen, in denen es wegen Kolikgefahr keinesfalls verfüttert werden darf! (Sonnentrocken, ungepreßt und frisch vom Feld, daher nicht klamm, kann man es den Tieren allerdings geben, da dann keine Gefahr von Klumpenbildung im Magen besteht.)
Es werden je nach Größe 7 bis 10 Kilo Heu pro Kopf und Tag gefüttert (wobei nach dem Fressen immer etwas übrigbleiben sollte.) (Die Pferde von Heinz Jentzsch erhielten, wie bereits erwähnt, ungefähr 6 Kilo Heu täglich.)
Wenn man die Futterkammern einiger Trainer betritt, so erinnert es einen hin und wieder an eine Apotheke: hier ein Fläschchen, da ein Säckchen und dort noch einige andere Zutaten. Dies muß nicht unbedingt sein! Wenn das Heu gut ist, so sagte Herr Jentzsch, braucht es nicht mehr viel Zusatz zum Futter. Im übrigen sei es grundsätzlich wichtig, genügend Heu zu geben, weil sonst die Pferde ihr Kraftfutter nicht mehr fräßen. Pferde benötigten nämlich eine Füllung ihrer langen Därme mit Rohfasern um sich wohl zu fühlen! Als Beispiel führte er an, daß man im Frühsommer manchmal im Führring noch Rennpferde mit einem Bauch sehe, wenn alle anderen schon die Figur von Windhunden hätten. Da ein Bauch zusätzliches Gewicht darstellt, welches die Pferde mit sich schleppen müssen (1 Kilo Gewicht mehr macht über ungefähr 1600 Meter 1 Pferdelänge aus), erwartet man nicht allzuviel von diesen Pferden. Aber: Überraschung, gerade diese Tiere gewännen oft! Und wieso? Weil sie sich wohl fühlten!!! Ausgeglichen werden muß allerdings der Mineralienhaushalt, da die Pferde große Mengen an Salzen durch das Schwitzen verlieren.
Ein normaler Salzleckstein reicht nach Theorie der Ernährungswissenschaftler hier nicht aus, um den Verlust auszugleichen.
Hierzu ist allerdings anzumerken, daß eine richtige Theorie auch die Praxis richtig wiedergeben muß. Genau dies ist aber offensichtlich in der Pferdefütterung nicht der Fall! Anders läßt sich nämlich die Beobachtung von Heinz Jentzsch nicht erklären, daß alle Rennpferdetrainer, die von der klassischen Hafer-/Heu-Fütterung abwichen, nach einiger Zeit in der Erfolgsstatistik absackten oder sogar ihren Beruf aufgeben mußten! Dies hatte er nicht nur in Deutschland, sondern auch bei seinen französischen Kollegen beobachten können!
Die Rennpferde von Herrn Jentzsch bekamen einen reinen (weißen) Salzleckstein (Kochsalz) zur freien Verfügung. Minerallecksteine lehnten sie seiner Ansicht nach schon aus Instinkt ab!
Als Ausgleich dafür, daß die Pferde (im Training) kein oder kaum frisches Grünfutter bekamen, erhielten sie einen Vitaminsirup (Peptonic, aus Frankreich). Dies ist in sich logisch, da Heu weiterhin alle Mineralien (und die meisten sekundären Pflanzeninhaltsstoffe) enthält, die frisches Gras auch enthält, aber durch die Trocknung der Gehalt einiger Vitamine vermindert ist.
Herr Jentzsch hatte eine sehr einleuchtende Erklärung für seine offensichtlich höchst erfolgreiche Fütterung seiner Rennpferde. Er sagte, Pferde hätten ja nicht für umsonst diese langen Därme, sondern sie hätten sie, um aus dem Futter, das sie normalerweise in der Natur vorfinden, das herauszuziehen, was sie brauchen!
Dies ist eine sehr moderne und wissenschaftliche Sichtweise, nämlich die evolutionsbiologische!
Mit dieser Sichtweise kann man auch einige negative Wirkungen vorhersagen, die sich aus der Fütterung überschüssiger, unnatürlicher und besonders leicht aufnehmbarer Zusatzstoffe auf die Gesundheit des Pferdes ergeben: Wenn schon die vorderen Abschnitte des Darmes die für den Körper notwendigen Substanzen aufnehmen, werden die weiter hinten liegenden Abschnitte sozusagen arbeitslos und ihre Funktion bildet sich mit der Zeit zurück. Der Darm verlernt seine Funktion teilweise, ähnlich wie ein nicht benutzter Muskel seine Kraft bei Nichtbenutzung einbüßt. Bekommt das Pferd dann wieder natürliches Futter, kann der untrainierte Darm die eigentlich ausreichend vorhandenen, aber gegenüber angereicherten Futtermitteln relativ betrachtet weniger vorhandenen Substanzen nicht mehr in ausreichender Menge aufnehmen, und es entsteht ein Mangel!