Die Autoren Florian Wagenknecht und Dennis Tölle sind Rechtsanwälte in Bonn (www.tw-law.de). Sie bearbeiten in ihrer täglichen Arbeit Fälle aus dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes sowie dem IT- und Urheberrecht. Bereits im Jahr 2010 gründeten sie das Fotorechtsportal www.rechtambild.de, das schnell große Anerkennung fand und tausende Besucher im Monat mit den aktuellen Informationen aus dem Fotorecht versorgt. In zahlreichen Fachvorträgen und Workshops sowie Publikationen in der Fachpresse informieren und dozieren die Autoren über aktuelle Entwicklungen des Foto- und Urheberrechts.
Zu diesem Buch – sowie zu vielen weiteren dpunkt.büchern – können Sie auch das entsprechende E-Book im PDF-Format herunterladen. Werden Sie dazu einfach Mitglied bei dpunkt.plus+: www.dpunkt.de/plus |
Wegweiser zum Fotorecht für Fotografen und Kreative
2., aktualisierte und erweiterte Auflage
Florian Wagenknecht
wagenknecht@tw-law.de
Dennis Tölle
toelle@tw-law.de
Lektorat: Rudolf Krahm
Copy-Editing: Annette Schwarz, Ditzingen
Herstellung: Frank Heidt
Umschlaggestaltung: Helmut Kraus, www.exclam.de
Umschlagfoto: © eyetronic – Fotolia.com
Druck und Bindung: aprinta druck GmbH, Wemding
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der
Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
ISBN:
Buch 978-3-86490-310-6
PDF 978-3-86491-800-1
ePub 978-3-86491-801-8
mobi 978-3-86491-802-5
2., aktualisierte und erweiterte Auflage 2015
Copyright © 2015 dpunkt.verlag GmbH
Wieblinger Weg 17
69123 Heidelberg
Die vorliegende Publikation ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte vorbehalten.
Die Verwendung der Texte und Abbildungen, auch auszugsweise, ist ohne die schriftliche Zustimmung des Verlags urheberrechtswidrig und daher strafbar.
Dies gilt insbesondere für die Vervielfältigung, Übersetzung oder die Verwendung in elektronischen Systemen.
Es wird darauf hingewiesen, dass die im Buch verwendeten Soft- und Hardware-Bezeichnungen sowie Markennamen und Produktbezeichnungen der jeweiligen Firmen im Allgemeinen warenzeichen-, marken- oder patentrechtlichem Schutz unterliegen.
Alle Angaben und Programme in diesem Buch wurden mit größter Sorgfalt kontrolliert. Weder Autor noch Verlag können jedoch für Schäden haftbar gemacht werden, die im Zusammenhang mit der Verwendung dieses Buches stehen.
5 4 3 2 1 0
Das Bild gehört zweifellos zu den fotografischen Ikonen des 20. Jahrhunderts. Ein kleiner, fröhlicher Junge trägt mit stolzgeschwellter Brust zwei beeindruckend große Weinflaschen. Es trägt den poetischen Titel »Tischwein für das Sonntagsmahl: Rue Mouffetard«, Paris, 1954. Der Autor ist kein Geringerer als der berühmte Mitbegründer von Magnum, Henri Cartier-Bresson, und es gilt, zumindest aus monetärer Sicht, als das erfolgreichste Foto des Altmeisters der beobachtenden Fotografie. Nach der Veröffentlichung des liebenswerten Schnappschusses soll dieser jedoch mächtigen Ärger mit dem Vater des Jungen bekommen haben. Mitnichten weil der sich über die ungefragte Ablichtung seines Filius mokierte, sondern weil er, ob der reichlichen Weinration, Angst hatte, künftig als Säufer zu gelten. Das wiederum soll den Fotografen zu der vergrätzten Äußerung genötigt haben, dass man heute als Fotograf immer einen Anwalt dabeihaben müsse. Vielleicht auch ein Grund dafür, dass der Meister sich schon Anfang der 1970er Jahre von der Fotografie abwandte und die Leica gegen den Zeichenstift tauschte. Hätte Cartier-Bresson allerdings die heutige Rechtslage erlebt, er wäre mit Sicherheit verzweifelt.
Abgesehen davon, dass heute kein zurechnungsfähiger Händler mehr einem Minderjährigen zwei Liter Rotwein veräußern würde, der, nebenbei gesagt, weder ausreichend etikettiert ist noch die vorgeschriebenen Warnhinweise zu den Gefahren des Missbrauchs von Alkohol in der Schwangerschaft trägt – heute würde Cartier-Bresson noch ganz anderes Ungemach drohen. Ist doch die ungefragte Publikation der Abbildung eines Kindes ein juristisches Risiko, das man nur noch unter ganz bestimmten Umständen eingehen sollte. Nicht nur dieses Risiko wird nun das bereits in der zweiten Auflage vorliegende Buch mindern helfen.
Cartier-Bresson, der nach dem Motto arbeitete »Fotografieren ist wie Bogenschießen: richtig zielen, schnell schießen, abhauen«, hätte dieses Buch sicher gut gebrauchen können.
Michael Ebert
Mitglied des geschäftsführenden Vorstandes der
Deutschen Gesellschaft für Photographie (DGPh)
August 2015
1 Einführung
2 Ein Foto entsteht – Ein Überblick über die Rechte bei der Personen- und Sachfotografie
2.1 Personenaufnahmen
2.1.1 Die Entstehung des Rechts am eigenen Bild
2.1.2 Schutzbereich des Rechts am eigenen Bild
2.1.3 Grundsatz: Keine Veröffentlichung eines Bildnisses ohne Einwilligung
2.1.4 Ausnahmen: Wann keine Einwilligung notwendig ist
2.1.5 Berechtigtes Interesse der abgebildeten Person
2.1.6 Postmortaler Persönlichkeitsschutz
2.1.7 Besonderheiten bei Gruppenfotos
2.1.8 Besonderheiten bei der Ablichtung von Polizeibeamten
2.2 Sachaufnahmen
2.2.1 Panoramafreiheit
2.2.2 Das Recht am Bild der eigenen Sache
2.2.3 Tierfotos
2.3 Marken und Designs
2.3.1 Markenrechte schützen.
2.3.2 Unternehmenskennzeichen und Werktitel
2.3.3 Auf fremde Markenrechte achten
2.3.4 Designs
2.4 Property Release
2.4.1 Aufnahme eines geschützten Werkes
2.4.2 Zutritt zu einem fremden Grundstück oder zu fremden Räumlichkeiten
3 Gesetzliche Fotografierverbote
3.1 Sicherheitsgefährdendes Abbilden militärischer Anlagen
3.2 Fotografieren im Gerichtssaal
4 Die Urheberschaft an Bildern
4.1 Der Fotograf als Urheber von Lichtbildwerken
4.2 Schutz für jedes Foto dank dem Leistungsschutzrecht
4.3 Schutzdauer von Fotos
4.4 Miturheberschaft an einem Bild
5 Die Rechte des Fotografen als Urheber
5.1 Das Urheberpersönlichkeitsrecht
5.1.1 Veröffentlichungsrecht
5.1.2 Urhebernennung
5.1.3 Integritätsschutz
5.2 Die Verwertungsrechte
5.2.1 Vervielfältigungsrecht
5.2.2 Verbreitungsrecht
5.2.3 Ausstellungsrecht
5.2.4 Folgerecht
5.2.5 Vorführungsrecht
5.2.6 Recht der öffentlichen Zugänglichmachung
5.2.7 Bearbeitungsrecht
5.3 Die Vergabe von Nutzungsrechten
5.3.1 Das einfache Nutzungsrecht
5.3.2 Das ausschließliche Nutzungsrecht
5.3.3 Die Zweckübertragungsregel
5.3.4 Verträge über unbekannte Nutzungsarten
5.3.5 Nutzungsrechte an künftigen Werken
5.3.6 Nutzungsrechte ohne konkrete Vereinbarung der Nutzungsarten
5.3.7 Rückruf wegen Nichtausübung oder gewandelter Überzeugung
5.4 Angemessene Vergütung und nachträgliche Vertragsanpassung
5.4.1 Angemessene Vergütung bei Vertragsabschluss
5.4.2 Weitere Beteiligung des Urhebers: das Nachforderungsrecht
5.4.3 Nachträgliche Vergütung für später bekannte Nutzungsarten
6 Einschränkungen der Rechte des Fotografen
6.1 Gemeinfreiheit
6.2 Die freie Bildbenutzung
6.3 Berichterstattung über Tagesereignisse
6.4 Zitate
6.4.1 Die Zitierfreiheit im Allgemeinen
6.4.2 Das Bildzitat im Speziellen
6.5 Öffentliche Wiedergabe und öffentliche Zugänglichmachung
6.6 Vervielfältigungen zum privaten und sonstigen Gebrauch
6.7 Unwesentliches Beiwerk
6.8 Werke in Ausstellungen, öffentlichem Verkauf und öffentlich zugänglichen Einrichtungen
6.9 Weitergabe von Nutzungsrechten
6.10 Der Dreistufentest
7 Das Verhältnis zwischen Fotograf und Model
7.1 Das Grundgerüst eines Model-Release
7.2 ABG und Standardverträge
7.3 Anfechtung und Widerruf
7.3.1 Anfechtung
7.3.2 Widerruf
7.4 Besonderheiten bei TfP-Shootings
7.5 Achtung bei minderjährigen Models
7.6 Model ist nicht erschienen – Schadensersatz
7.6.1 Model bestellt, aber nicht erschienen
7.6.2 Fotografen bestellt – Model nicht erschienen
7.7 Geldrückgabe bei Nichtgefallen eines Fotos und Herausgabe der Negative
7.8 Das Model sieht anders aus als angegeben oder vorgestellt
8 Besonderheiten der Aktfotografie
8.1 Was ist Aktfotografie?
8.2 Die Grenze zur Pornografie
8.3 Aktbilder von Minderjährigen
8.4 Widerruf der Einwilligung zur Veröffentlichung eines Aktbildes
8.5 Akt-Shooting in der Öffentlichkeit
9 Von der Theorie zur Praxis
9.1 Event- und Partyfotografie
9.1.1 Die notwendige Einwilligung
9.1.2 Allgemeine Geschäftsbedingungen
9.2 Streetfotografie
9.2.1 Street-Art
9.2.2 Street-Art ist urheberrechtlich geschützt
9.2.3 Graffiti: Sprayer vs. Eigentümer
9.3 Fotorecht bei Sportvereinen und -veranstaltungen
9.3.1 Die Rechte der Zuschauer
9.3.2 Die Rechte der Sportler
9.3.3 Die Rechte der Veranstalter
9.3.4 Die Rechte des Fotografen
9.3.5 Was tun, wenn doch etwas schiefläuft
9.4 Theater, Ballett und Co. – Fotografieren einer Aufführung
9.5 Die Hochzeitsfotografie
9.5.1 Fotografieren des Brautpaares
9.5.2 Fotografieren der Gäste
9.5.3 Fotografieren im Standesamt und in der Kirche
9.5.4 Sonstige Rechte und Pflichten
9.6 Filmen und Fotografieren mit Drohnen
9.6.1 Regelungen für Flugmodelle
9.6.2 Regelungen für UAS
9.6.3 Angaben für die Aufstiegserlaubnis
9.6.4 Rechtliche Fallstricke
9.6.5 Erfahrungsbericht der Lufthelden
9.7 Fotonutzung in Vorträgen
9.8 Persönlichkeitsrecht am Arbeitsplatz
9.8.1 Bildnisse von Arbeitnehmern
9.8.2 Videoüberwachung am Arbeitsplatz
10 Bildnutzung in der digitalen Welt
10.1 Die eigene Homepage
10.1.1 Impressum, Disclaimer und Datenschutz
10.1.2 Verwendung von Fotos
10.1.3 Keine Altersbeschränkung bei künstlerischen Aktbildern
10.2 Social Media für Fotografen
10.2.1 Die Rechtslage bei Facebook
10.2.2 Die Rechtevergabe bei Google+ und Twitter
10.2.3 Rechtevergabe bei Flickr und Co.
10.2.4 Creative-Commons-Lizenzverträge
10.2.5 Folgen der Rechtevergabe
10.2.6 RSS-Feeds und die Teilen-Funktion
10.3 Der eigene Social Media Account
10.3.1 Impressumspflicht
10.3.2 Haftung für Bilder in der Facebook-Timeline
10.3.3 Gewinnspiele in sozialen Netzwerken
10.4 Urhebernennung im Internet
10.5 Eltern, Kinder und die liebe Haftung
10.5.1 Haftung des Kindes alleine
10.5.2 Haftung (auch) der Eltern
10.6 Kontakt zur Betreiberseite bei Rechtsverletzung
10.7 Der Fall »Google-Bildersuche«
10.8 Cloud-Dienste – Speichern in der Wolke
10.8.1 Nutzungsbedingungen des Cloud-Dienstes
10.8.2 Privatkopie
11 Der Fotograf in der Selbstständigkeit
11.1 Wer sich Fotograf nennen darf
11.2 Gewerblich oder freiberuflich
11.3 Folgen für die Praxis
11.3.1 Gewerbeanmeldung
11.3.2 Meldung bei der Handwerkskammer
11.3.3 Handelsrechtliche Vorschriften
11.3.4 Künstlersozialkasse und BG ETEM
11.3.5 Steuern
11.3.6 Rechnungen
12 Der Fotograf im Dienst- oder Arbeitsverhältnis
12.1 Die Frage nach der Urheberschaft
12.2 Rechte des Arbeitgebers
12.3 Arbeits- oder Dienstverhältnis
12.4 Arbeitsverhältnis ohne vertragliche Klauseln
12.5 Anbietungspflicht des Arbeitnehmers
12.6 Urheberpersönlichkeitsrechte des Fotografen
12.6.1 Veröffentlichungsrecht und Anerkennung der Urheberschaft
12.6.2 Bearbeitung und Entstellung
12.7 Rückrufsrecht
12.8 Gehalt und Ende des Arbeitsverhältnisses
13 Verwertungsgesellschaften
13.1 Welche Aufgaben hat die VG Bild-Kunst?
13.2 Wie funktioniert die Rechtewahrnehmung?
13.3 Vor- und Nachteile der Wahrnehmung
13.4 Kontakt zu anderen Verwertungsgesellschaften
14 Der Erwerb von Fotos und die Fotoagenturen
14.1 Erwerb bei Fotoagenturen
14.1.1 Der Erwerb
14.1.2 Die Haftung
14.2 Erwerb bei Fotografen
15 Ansprüche des Fotografen
15.1 Anspruch auf Unterlassung
15.2 Anspruch auf Schadensersatz
15.2.1 Der entgangene Gewinn
15.2.2 Der Verletzergewinn
15.2.3 Die Lizenzanalogie
15.2.4 Doppelter Schadensersatz bei fehlender Urhebernennung
15.2.5 Rechtsprechung zur Schadenshöhe
15.2.6 Immaterieller Schadensersatz
15.3 Anspruch auf Auskunft
15.4 Anspruch auf Beseitigung
15.5 Anspruch auf Vernichtung und Herausgabe
15.6 Verjährung
15.7 Prozessuale Fragen
15.7.1 Der Ort der Klageerhebung
15.7.2 Der »fliegende« Gerichtsstand
15.7.3 Gerichtsstand bei nichtgewerblichen Urheberrechtsverletzungen
15.7.4 Beweisverwertungsverbote
15.7.5 Beweis der Urheberschaft und Nutzungsrechte
16 Ansprüche der abgebildeten Personen
16.1 Unterlassungsanspruch
16.2 Beseitigungsanspruch
16.3 Bereicherungsanspruch
16.4 Schadensersatz
16.5 Geldentschädigung
16.6 Auskunftsanspruch
16.7 Verjährung
16.8 Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen
17 Rechtsdurchsetzung bei widerrechtlicher Bildnutzung
17.1 Die Abmahnung
17.1.1 Inhalt der Abmahnung
17.1.2 Ersatz der erforderlichen Aufwendungen
17.1.3 Die Unterlassungserklärung
17.2 Abmahnung an den Fotografen selbst
17.3 Strafrechtliche Folgen
17.3.1 Urheberrechtsverletzungen sind Straftaten
17.3.2 Eine Urheberrechtsverletzung ist kein Diebstahl
18 Fotorecht in Österreich und der Schweiz
18.1 Österreich
18.2 Schweiz
19 Verträge und Checklisten
Gesetzestexte
Index
Das »Fotorecht« an sich gibt es nicht. Wenn man von »Fotorecht« spricht, meint man Themen wie: Wem gehört ein Bild eigentlich? Darf ein Bild genutzt werden? Was kann ich gegen eine Veröffentlichung tun, und gelten im Internet die gleichen Regeln wie sonst auch? Es ist also vielmehr eine Zusammenfassung verschiedener Rechtsgebiete und Regelungen, die man bei der Erstellung und Nutzung von Bildern zu beachten hat. Aus diesem Grund haben wir dem Buch auch den Namen »Recht am Bild« gegeben.
Hier erfahren Sie, was für eine Rolle das »Recht am Bild« im Alltag spielt und warum sich eigentlich jeder damit befassen sollte. Das Buch richtet sich an Fotografen, Models, Bild-, Werbe- und Onlineagenturen sowie an alle Kreative die bei ihrer Arbeit mit Fotografien in Kontakt kommen. Ebenso betrifft dies Privatpersonen, die Bilder beispielsweise im Internet veröffentlichen oder sich fragen, was man gegen eine Veröffentlichung der Bilder von der letzten Party eigentlich tun kann.
Wir zeigen die relevanten Regelungen auf, erläutern sie und machen sie für die Praxis anhand von vielen Beispielen verständlich. Ob Urheberrechtsgesetz, Markengesetz oder allgemeines Persönlichkeitsrecht: Auf den folgenden Seiten erfahren Sie, welche rechtlichen Aspekte rund um die Fotografie und Bildnutzung zu berücksichtigen sind.
Abb. 1–1, linke Seite
Ein Bild sagt mehr als tausend Worte.
(Foto: Dennis Tölle)
Wer den Titel des Buches liest, der stellt vielleicht bereits die richtige Verknüpfung zu dem Fotorechtsportal www.rechtambild.de her. Seit einigen Jahren haben wir es uns dort zum Ziel gesetzt, Aufklärung und Information auf dem Gebiet des Fotorechts zu betreiben. Das gleiche Ziel verfolgen wir auch mit diesem Buch. Es bildet die perfekte Ergänzung, um schnell nachschlagen zu können, welche Rechte man selbst hat und welche Rechte anderer zu beachten sind. Die Kombination unseres privaten Engagements im Bereich der Fotografie und der juristischen Ausbildung bildet die Grundlage, um das Thema umfassend und kompetent zu erläutern. Daher sei auch bereits an dieser Stelle für aktuelle Änderungen und neue Gerichtsentscheidungen auf unser Portal verwiesen.
Zweierlei Dinge kann dieses Buch leisten. Zum einen wird es Fotografen einen strukturierten und verständlichen Überblick über die für sie relevanten Gesetze und Regelungen geben, insbesondere über das Urheberrechtsgesetz. Das Wissen über den Umfang und die Reichweite des Schutzes der eigenen Werke ist elementar, um eine wirksame und erfolgreiche Verwertung vornehmen zu können. Ebenso bildet dieses Wissen die Grundlage, um gegen mögliche Rechtsverletzungen vorzugehen. Juristische Vorkenntnisse sind zum Verständnis natürlich nicht erforderlich.
Darüber hinaus gibt das Buch jedem, der mit Fotos arbeitet, ein Gefühl für die rechtlich eindeutig zulässige und unzulässige Erstellung und Verwendung von Bildern. Für alle Fälle, die eine Abwägung erfordern, erfahren Sie, auf welche Aspekte es ankommt. Sie werden in der Lage sein, selbst eine erste Einschätzung vornehmen zu können, ob die Nutzung eines Werke zulässig oder eventuell noch eine Einwilligung der abgelichteten Person oder des Eigentümers erforderlich ist.
Dieses Buch wird Ihnen das Denken jedoch nicht abnehmen können. Es wird Ihnen allerdings die richtigen Aspekte an die Hand geben, auf die es in der Praxis ankommt, damit Ihnen eine erste Einschätzung der Rechtslage selbst gelingen kann.
Selbstverständlich werden wir Ihnen kaum Rechtsfragen beantworten können, die sich auf andere umfangreiche Rechtsgebiete beziehen. So weit wie möglich und erforderlich haben wir jedoch die erforderlichen Aspekte herausgepickt und in die Erläuterungen mit eingestrickt. An einigen Stellen werden Sie darüber hinaus möglicherweise feststellen, dass Rechtsstreitigkeiten entgegen der eigenen Vorstellung von »Recht« entschieden werden. Daher an dieser Stelle der Hinweis, dass wir ausschließlich das geschriebene und gesprochene Recht darstellen können. Dass dies manchmal von der eigenen moralischen Vorstellung abweicht, liegt in der Natur der Sache.
Direkt im Anschluss an diese Einführung im Kapitel »Ein Foto entsteht« erläutern wir die grundlegenden rechtlichen Aspekte hinsichtlich der Fotografie von Personen und Sachen. Dabei berücksichtigen wir insbesondere auch Fallkonstellationen, die im Alltag eines Fotografen immer wieder auftauchen oder besonders problematisch sind (z. B. das Fotografieren von Gruppen oder unter Zuhilfenahme von Drohnen). Ebenfalls beleuchten wir in dem Kapitel die Grundlagen der Sachfotografie und die relevanten Aspekte zu Marken und Designs.
Das folgende Kapitel »Gesetzliche Fotografierverbote« beschäftigt sich, wie der Name verrät, mit den Regelungen, die bereits die Aufnahme selbst, nicht erst die Verwertung eines Bildes untersagen. Hierbei handelt es sich insbesondere auch um Handlungen, die nach dem Gesetz strafbar sind.
Im Anschluss daran folgen die insbesondere für Fotografen und andere Urheber wichtigen Kapitel »Die Urheberschaft an Bildern«, »Die Rechte des Fotografen als Urheber« und »Einschränkungen der Rechte des Fotografen«. In diesem ersten Schwerpunkt des Buches finden Sie unter anderem Antworten auf die Frage, welchen Schutz eine Fotografie genießt und welche Unterschiede beispielsweise zwischen Lichtbildern und Lichtbildwerken gemacht werden müssen. Darüber hinaus stellen wir die Rechte und Pflichten des Fotografen dar und geben einen praxisorientierten Überblick über die Grenzen seiner Rechte.
Das folgende Kapitel »Das Verhältnis zwischen Fotograf und Model« verschafft Klarheit über die rechtliche Beziehung zwischen den Personen hinter und vor der Kamera. Fragen wie »Wer benötigt welche Einwilligung von wem, und wie formuliere ich ein Model-Release, das meinen Ansprüchen genügt?«, sind dominierend bei der Erstellung dieses Kapitels gewesen. Die passenden Antworten finden Sie dort.
Mit dem Kapitel »Besonderheiten der Aktfotografie« widmen wir diesem Bereich der Fotografie verhältnismäßig viel Platz. Angesichts der erheblichen rechtlichen Besonderheiten hat es diesen Platz jedoch verdient.
Unter dem Namen »Von der Theorie zur Praxis« finden Sie Erläuterungen zu den relevanten Bereichen der Event-, Street-, Sport- und Hochzeitsfotografie als Gebiete mit besonderen rechtlichen Konstellationen, die es zu beachten gibt. Darüber hinaus erläutern wir in diesem Kapitel die zu beachtenden Punkte bei der Verwendung von Drohnen sowie arbeitsrechtliche Aspekte der Fotografie.
In dem Kapitel »Bildnutzung in der digitalen Welt« wenden wir uns einem weiteren Schwerpunkt dieses Buches zu, der für Bildschaffende und -nutzende zunehmend an Bedeutung gewonnen hat. Welche Aspekte bei der Verwendung von Bildern auf der eigenen Homepage oder in sozialen Netzwerken wie Facebook, Google+ etc. relevant werden, erläutern wir an dieser Stelle. Ebenso erklären wir, was es mit Creative-Commons-Lizenzen auf sich hat und inwieweit sie für Fotografen sinnvoll sind.
Über das klassische Fotorecht hinaus bewegen wir uns in den Kapiteln »Der Fotograf in der Selbstständigkeit« und »Der Fotograf im Dienst- oder Arbeitsverhältnis«. Hier erläutern wir, welche gewerbe- und steuerrechtlichen Besonderheiten gelten und welche Aspekte des Arbeitsvertrages berücksichtigt werden müssen.
Im Kapitel »Verwertungsgesellschaften« erläutern wir die Funktionsweise der Rechtewahrnehmung durch die für Fotografen relevante VG Bild-Kunst und setzen uns mit den Vor- und Nachteilen einer Mitgliedschaft auseinander.
Daran anschließend erfahren Sie im Kapitel »Der Erwerb von Fotos«, welche verschiedenen Konstruktionen bei dem Verkauf von Bildern über eine Agentur oder aus eigener Hand möglich und welche Vor- und Nachteile damit jeweils verbunden sind.
Anschließend beschäftigen wir uns in den Kapiteln »Ansprüche des Fotografen«, »Rechtsdurchsetzung bei widerrechtlicher Bildnutzung« sowie »Ansprüche der abgebildeten Personen« mit den Fragen, wann und wie gegen unrechtmäßige Verwendungen von Bildern vorgegangen werden kann.
Im letzten Kapitel »Fotorecht in Österreich und der Schweiz« wollen wir die grundlegenden Abweichungen zur deutschen Rechtslage darstellen.
Als Anhang finden Sie sowohl die relevanten Normen des Urheberrechtsgesetzes und des Kunsturheberrechtsgesetzes wie auch Grundgerüste für Model-, Property- und Lizenzverträge. Aufgrund der starken Nachfragen haben wir auch eine »Checkliste zur Fotonutzung« erstellt, mithilfe derer die wichtigsten Fragen vor der Nutzung geklärt werden können.
Wir wünschen Ihnen viel Freude beim Lesen und Nachschlagen!
Dennis Tölle & Florian Wagenknecht
Rechtsanwälte
Bonn im August 2015
Bevor ein Foto entsteht, hat der Fotograf zumindest ansatzweise eine Vorstellung davon, wie es hinterher aussehen soll. Seltener handelt es sich um einen Schnappschuss. Jedoch macht sich der Fotograf oftmals keine Gedanken darüber, ob er die Person in der bestehenden Situation überhaupt fotografieren darf. Oder ob das Fotografieren an dem Ort, an dem man sich gerade befindet, vielleicht verboten ist.
Nicht nur auf der Straße, auch in einem Studio sollte sich der Fotograf ebenso wie über das Motiv des Bildes auch Gedanken über die rechtlichen Fallstricke machen, die mit der Aufnahme eines Fotos möglicherweise verbunden sind.
Nicht umsonst ist die Personenfotografie einer der spannendsten und zugleich anspruchsvollsten Bereiche der Fotografie. Denn jeder Mensch ist einmalig. Und ein Foto ist eine gute Möglichkeit, dies zu beweisen. Wo Menschen fotografiert werden, werden auch Gefühle festgehalten, Emotionen ausgedrückt oder der Körper selbst ins Rampenlicht gestellt. So vielfältig sich die Personenfotografie gestalten lässt, so vielfältig sind auch die rechtlichen Aspekte. Über allem steht das sog. Recht am eigenen Bild.
Abb. 2–1, linke Seite
Ein klassisches Porträt: Um dieses Bild veröffentlichen zu dürfen, ist auf jeden Fall die Einwilligung des Models erforderlich.
(Foto: gebäude.1 Fotografie – Thomas Stelzmann)
Um das Recht am eigenen Bild mit seinen ganzen Facetten zu verstehen, sollte man die Entstehungsgeschichte dieses Rechts kennen. Dazu eine kurze geschichtliche Anekdote:
Angefangen hat wohl alles mit dem Tode Otto von Bismarcks. Schon zu Lebzeiten hatte er sein Persönlichkeitsrecht verteidigt, indem er dafür sorgte, dass er von der Presse nicht zu jeder Zeit und an jedem Ort fotografiert werden durfte. Als Mitte der 1890er Jahre die Kamera für jedermann erschien, fand Bismarck folgende Worte zu seinem Diener:1
»Man ist jetzt gar nicht mehr sicher, die Kerle lauern einem überall auf mit ihren Knipsapparaten.« Man wisse nicht, »ob man fotografiert oder erschossen wird«.
Doch konnte er nicht alle Bilder seiner Person vermeiden. Und am Ende sollte sogar ein Bild seiner Leiche entstehen. Zwei Hamburger Fotografen, Wilhelm Wilcke und Max Christian Priester, hatten die Idee, dass mit dem »letzten Bild« von Bismarck gutes Geld zu verdienen sei. So stiegen sie am 31. Juli 1898 in kompletter Montur mit Fotoapparat und Belichtungsvorrichtung in das Sterbezimmer ein, in dem die Leiche Bismarcks aufgebahrt war. Sie fotografierten den toten Körper und verschwanden wieder. Die belichteten Fotoplatten entwickelten sie danach sofort im Eiskeller des benachbarten Gasthauses.
Bild der Leiche Bismarcks durfte nicht verbreitet werden.
Der Coup war ihnen somit gelungen. Der gewünschte Erfolg blieb jedoch aus. Die Angehörigen erfuhren von dem Foto, und noch am 4. August erließ das Hamburger Amtsgericht eine einstweilige Verfügung. Die Verbreitung des Bildes wurde verboten und das Bildmaterial beschlagnahmt. Das Reichsgericht urteilte:2
»Es ist mit dem natürlichen Rechtsgefühl unvereinbar, dass jemand das unangefochten behalte, was er durch eine widerrechtliche Handlung erlangt und dem durch dieselbe in seinen Rechten Verletzten entzogen hat.«
Dieser Vorfall gab Anstoß, sich über das »Recht am eigenen Bild« Gedanken zu machen. Kurze Zeit später, am 9. Januar 1907, trat das Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie, kurz Kunsturheberrechtsgesetz (KunstUrhG), in Kraft.
Geblieben sind ganz oder teilweise die §§ 22, 23, 24, 33, 37, 38, 42, 43, 44, 48, 55 KunstUrhG.
Heutzutage gibt es das KunstUrhG zwar noch immer, allerdings sind nur noch wenige Teile des Gesetzes in seiner Ursprungsform erhalten geblieben. Ausgenommen der §§ 22 bis 24, 33, 35, 37 Absatz 1 bis 4, 41 bis 44, 48, 50, 55 wurde das Gesetz durch § 141 Nr. 5 des Urheberrechtsgesetzes vom 09.09.19653 mit Wirkung zum 1. Januar 1966 aufgehoben.
Die wichtigsten der übrig gebliebenen Paragrafen sind die §§ 22, 23 KunstUrhG; diese schützen den Kernbereich des Rechts am eigenen Bild. Für Fälle, die nicht mit dem KunstUrhG zu lösen sind, wird auf das grundrechtlich verankerte allgemeine Persönlichkeitsrecht zurückgegriffen.
Das Recht am eigenen Bild ist ein zentrales Recht eines jeden Menschen. Es ist Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gemäß Artikel 1 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 2 Absatz 2 Grundgesetz (GG).
Artikel 1 Absatz 1 GG
Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
Artikel 2 Absatz 1 GG
Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist elementar und daher stets vom Fotografen zu berücksichtigen.
Das Persönlichkeitsrecht ist ein sogenanntes Rahmenrecht und kann nicht abschließend definiert werden. Vielmehr wird es fortlaufend ausgestaltet. Es soll den Menschen als das schützen, was er ist: eine Person mit eigenen Rechten in einem sozialen Umfeld. Der sachliche Schutzbereich zielt auf die Abwehr von Beeinträchtigungen der engeren persönlichen Lebenssphäre, der Selbstbestimmung und der Grundbedingungen der Persönlichkeitsentfaltung ab. Als grundrechtliches Schutzgut bedeutet Persönlichkeit des Menschen autonome Bestimmung der Lebensgestaltung, und zwar in der ererbten und gewachsenen Identität der Person und ihrer hieraus abzuleitenden Individualität.4
Grundsätzlich muss eine Einwilligung für einen Eingriff in das Recht am eigenen Bild vorliegen.
Die in §§ 22, 23 KUG normierten besonderen Ansprüche sichern im Ausgangspunkt das alleinige Verfügungsrecht jedes Menschen über die Darstellung seiner Person, die seine äußere Erscheinung in einer für Dritte erkennbaren Weise wiedergibt.5 Das umfasst selbstverständlich auch die Abbildung auf Fotografien. Jeder, der beruflich oder privat, bewusst oder unbewusst abgelichtet wird, kann sich auf sein Recht am eigenen Bild berufen. Soll in sein Recht eingegriffen werden, muss eine Einwilligung eingeholt werden.
Das Wissen über den Umfang und das Bestehen oder Nichtbestehen dieses Rechts ist für die abgelichtete Person (z. B. ein Model) sowie den Fotografen elementar. Berücksichtigt der Fotograf die Rechte der fotografierten Person nicht, kann sich diese umfänglich gegen eventuelle Nutzungen durch den Fotografen oder durch andere Personen wehren. Das reicht von einfacher Untersagung der Nutzung bis hin zum Schadensersatz.
Auch wenn das Gros der Praxisfälle sich um die Veröffentlichung und Verwertung von bereits geschossenen Bildern dreht, soll vorab erwähnt werden, dass auch die Aufnahme selbst verletzend sein kann.
§ 22 KunstUrhG
Bildnisse dürfen nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden. Die Einwilligung gilt im Zweifel als erteilt, wenn der Abgebildete dafür, daß er sich abbilden ließ, eine Entlohnung erhielt. Nach dem Tode des Abgebildeten bedarf es bis zum Ablaufe von 10 Jahren der Einwilligung der Angehörigen des Abgebildeten. Angehörige im Sinne dieses Gesetzes sind der überlebende Ehegatte oder Lebenspartner und die Kinder des Abgebildeten und, wenn weder ein Ehegatte oder Lebenspartner noch Kinder vorhanden sind, die Eltern des Abgebildeten.
Das Anfertigen von Bildern ohne Einverständnis des Betroffenen stellt keinen Eingriff in § 22 KunstUrhG dar. Diese Norm regelt ausdrücklich nur das Verbreiten oder öffentliche Zurschaustellen von Bildnissen.
Die Herstellung eines Bildes kann allerdings einen Eingriff in das sich aus Artikel 1 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 2 Absatz 1 GG ergebende allgemeine Persönlichkeitsrecht darstellen. Begründet wird dies mit der Überlegung, dass bereits die Anfertigung eines Bildes in das Selbstdarstellungsrecht des Betroffenen eingreife. Das Bildnis werde von der Person des Abgebildeten losgelöst und damit in dieser konkreten Form dessen Kontrolle und Verfügungsgewalt entzogen.6
Die Aufnahme selbst entzieht der abgebildeten Person die Kontrolle über ihr Abbild.
Es findet eine zunehmende Kommerzialisierung des persönlichen Erscheinungsbildes statt. Für den Betroffenen ist es nicht überschaubar, wann und wie sein Abbild reproduziert wird.
Das Bundesverfassungsgericht hat angedeutet, dass mit dem Fortschritt der Aufnahmetechniken wachsende Möglichkeiten der Gefährdung von Persönlichkeitsrechten verbunden sind.7 Die zunehmende Verfügbarkeit kleiner und handlicher Aufnahmegeräte, wie etwa die in Mobiltelefonen integrierten Digitalkameras, setze insbesondere prominente Personen gesteigerten Risiken aus, in praktisch jeder Situation unvorhergesehen und unbemerkt mit der Folge fotografiert zu werden, dass das Bildnis in Medien veröffentlicht wird. Ein besonderer Schutzbedarf der fotografierten Person könne sich ferner aus einem heimlichen oder überrumpelnden Vorgehen des Fotografen ergeben, urteilte das Bundesverfassungsgericht.
Was du nicht willst, das man dir tu, ...
Wann genau eine Persönlichkeitsrechtsverletzung gegeben ist, wird somit schwer zu bestimmen sein. Als Faustformel kann gelten, dass man nicht fotografieren sollte, wenn man in dieser Situation selbst nicht fotografiert werden möchte.
Ein Fotografierverbot kann gerechtfertigt sein, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass derjenige, der die Lichtbilder herstellt, diese ohne Einwilligung der abgebildeten Personen (§ 22 KUG) und sonstige Rechtfertigungsgründe (§ 23 KUG) veröffentlichen und sich dadurch nach § 33 KUG strafbar machen wird. Im Ergebnis ist die Anfertigung eines Bildnisses jedenfalls in dem Umfang zulässig, in dem es nach §§ 22, 23 KunstUrhG verbreitet werden darf.8
Aktuelle Situation mitentscheidend
Für den Schutzbedarf des Persönlichkeitsrechts ist ebenfalls von Bedeutung, in welcher Situation der Betroffene abgebildet wird: etwa in seinem gewöhnlichen Alltagsleben oder in einer Situation der Entspannung von Beruf und Alltag, in der er erwarten darf, keinen Bildnachstellungen ausgesetzt zu sein. Ein solches »Sich-gehen-Lassen« kann bereits vorliegen, wenn jemand im Zug eingeschlafen ist. Diese Person möchte in der Regel ganz sicher nicht fotografiert werden.9 Gleiches kann aber auch bei betrunkenen Personen gelten. Ist eine Person eindeutig angetrunken, sollte man von einem Foto regelmäßig absehen. Es kann zu Lasten des Fotografen gehen, wenn die abgelichtete Person sich hinterher beschwert, weil sie Angst hat, dass die Bilder veröffentlicht werden.10
Ob angefertigte Aufnahmen tatsächlich veröffentlicht werden sollen, ist nicht von Bedeutung. Es reicht, wenn die abgelichtete Person »das lähmende und seine Menschenwürde beeinträchtigende Gefühl eines Preisgegebenseins schwerlich überwinden« kann.11
So weitreichend das Persönlichkeitsrecht auch ist, so selten kommt es tatsächlich wegen einer solchen Verletzung zu einem Streit – und noch seltener geht es vor Gericht. Einerseits gilt auch hier: »Wo kein Kläger, da kein Richter«, andererseits sind die meisten Bilder tatsächlich zulässig. Denn nach allgemeiner Meinung gilt, dass die Anfertigung eines Bildnisses zumindest dann zulässig ist, wenn es nach dem KunstUrhG zulässig wäre, das Bild zu veröffentlichen oder zur Schau zu stellen.
Neben dem Recht am eigenen Bild ist auch der Schutz der Privatsphäre von erheblicher Bedeutung. Hauptsächlich meint dies, dass jeder Person die Möglichkeit des Zu-sich-selbst-Kommens und der Entspannung gegeben werden muss.12 Solch ein Entspannungsort kann beispielsweise der eigene Balkon, die Dachterrasse oder ein Saunabereich sein.13
Privatsphäre auch strafrechtlich geschützt!
Die Privatsphäre und ganz besonders der häusliche Rückzugsbereich werden zusätzlich durch den sogenannten »Spannerschutz« des § 201a StGB geschützt.
§ 201a Absatz 1 StGB
Mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer
1. von einer anderen Person, die sich in einer Wohnung oder einem gegen Einblick besonders geschützten Raum befindet, unbefugt eine Bildaufnahme herstellt oder überträgt und dadurch den höchstpersönlichen Lebensbereich der abgebildeten Person verletzt, [...]
Diese im Jahre 2015 erweiterte Vorschrift stellt die Ablichtung in bestimmten Situationen unter Strafe. Diese reicht bis zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren. Respektiert werden soll damit der höchstpersönliche Lebensbereich, wie etwa die eigene Wohnung. Aber auch öffentliche Toiletten oder ein ärztliches Behandlungszimmer können einen von § 201a StGB geschützten Rückzugsbereich darstellen, in welchem das Fotografieren nicht erlaubt ist. Eine ausführliche Darstellung der erweiterten Vorschrift des § 201a StGB findet sich in Kapitel 3 »Gesetzliche Fotografierverbote«.
Begrenzt wird der weite Schutz gegen das Anfertigen von Bildnissen im Wege einer Verhältnismäßigkeitsprüfung.
Die Interessen des Fotografen und der abgebildeten Person müssen miteinander in Einklang gebracht werden.
Es findet eine Abwägung der in Widerstreit liegenden Interessen von Fotograf und dem Abgebildeten statt. So wird man die Anfertigung von Fotos nur zu Beweiszwecken im Straf- und Zivilprozess in der Regel für zulässig erachten können.14 Auch spielen oft die Interessen der Presse und das Informationsinteresse der Öffentlichkeit eine große Rolle.
Praktisch bedeutsam wird die Frage nach der Zulässigkeit des Anfertigens von Bildnissen vor allem dann, wenn es im Zuge der Anfertigung der Fotografie zwischen den Beteiligten zu Körperverletzungen kommt. In solchen Fällen ist festzustellen, ob die fotografierte Person aufgrund von Notwehr (§§ 227 BGB, 32 StGB) oder Selbsthilfe (§ 229 BGB) gerechtfertigt ist, den Fotografen auch mit körperlicher Gewalt anzugreifen. Dies muss anhand aller Umstände des Einzelfalls geschehen und kann somit nicht pauschalisiert werden.15
Die abgelichtete Person kann sich in krassen Fällen auch mit Gewalt gegen eine Aufnahme wehren.
Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist ein grundsätzlich notwehrfähiges Rechtsgut. Ein gegenwärtiger, rechtswidriger Angriff, wie es § 32 StGB voraussetzt, kann bereits im Fotografieren gesehen werden.
§ 32 StGB
(1) Wer eine Tat begeht, die durch Notwehr geboten ist, handelt nicht rechtswidrig.
(2) Notwehr ist die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden.
Grundsätzlich darf die fotografierte Person in einer Notwehrsituation die Maßnahmen ergreifen, die geeignet, erforderlich und geboten sind, um den Angriff zu beenden. Es müsste nicht bei einer mündlichen Aufforderung bleiben, teilte das Oberlandesgericht Hamburg mit:16
»Der Schlag gegen die Kamera ist grundsätzlich geeignet, ein rechtswidriges Fotografieren zu beenden. Die bisherigen Feststellungen ergeben auch nicht, dass dem Angeklagten ein milderes Mittel zur Verfügung gestanden haben könnte. Der Angeklagte musste sich nicht darauf beschränken, sein Gesicht zu verdecken, denn der Angriff betraf die Abbildung seiner gesamten Person, nicht nur die seines Gesichts. Er durfte vielmehr die Verteidigung wählen, die den Angriff sofort und endgültig beendete. Die Feststellungen ergeben auch nicht, dass der zur Tatzeit 58-jährige Angeklagte in der Lage gewesen wäre, mit weniger Gewaltanwendung, etwa durch einfaches Wegnehmen der Kamera, den Angriff zu beenden.«