1. Auflage 2019
Trescher Verlag
Reinhardtstr. 9
10117 Berlin
www.trescher-verlag.de
ISBN 978-3-89794-768-9
eISBN 978-3-89794-769-6
Herausgegeben von Bernd Schwenkros und Detlev von Oppeln
Reihenentwurf und Gesamtgestaltung: Bernd Chill
Gestaltung, Satz, Bildbearbeitung: Ulla Nickl
Lektorat: Sabine Fach
Stadtpläne und Karten: Johann Maria Just, Martin Kapp, Ulla Nickl
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Titel: Blick über die Altstadt von Chiwa, Usbekistan (→ S. 403)
LÄNDER UND LEUTE
KASACHSTAN
KIRGISTAN
TADSCHIKISTAN
TURKMENISTAN
USBEKISTAN
REISTIPPS VON A BIS Z
SPRACHFÜHRER
ANHANG
Eingangsportal der Moschee Hazret Sultan in Astana (Nur-Sultan)
Vorwort
Die schönsten Reiseziele
Zum Umgang mit diesem Buch
Zahlen und Fakten
Das Wichtigste in Kürze
LÄNDER UND LEUTE
Klima, Landschaft und Natur
Oberfläche und Gewässer
Vegetation: Der Garten Eden
Tierwelt
Umweltprobleme und Umweltschutz
Die Geschichte Zentralasiens
Hochkultur in den Oasen
Die Reiternomaden der großen Steppen
Griechisch-baktrische Zeit
Das Reich der Kuschan
Das zweite persische Großreich
Völkerwanderungen
Turan und Iran
Islamisierung
Qarachaniden und Samaniden
Der Mongolensturm
Tamerlans Reich
Zersplitterung und Zerfall
Russische Expansion nach Zentralasien
Die Sowjetunion
Die nationale Frage im sowjetischen Zentralasien
Unabhängigkeit und offene Zukunft
Berühmte Persönlichkeiten
Ethnien und Politik
Identitäten und Abgrenzung
Regionale Integration
Multipolare Außenpolitik
Innenpolitik gleich Clanpolitik
Zivilgesellschaft und Menschenrechte
Parteien
Religionen
Geschichte eines multireligiösen Raumes
Islamisierung mit Hindernissen
Zentrum der Gelehrsamkeit
Atheistisches Intermezzo
Neuer Boden für einen alten Glauben
Politischer Islam?
Volksglauben
Stätten des Glaubens
Wirtschaft
Geschichte einer Abhängigkeit: Russland
Geschichte einer Abhängigkeit: Sowjetunion
Nachsowjetische Wirtschaftsprobleme
Binnenstaaten: Nachteile und Vorteile
Eurasische Wirtschaftsunion
Rohstoffreichtum: Segen oder Fluch?
Übersicht über die Wirtschaftsgüter der Länder
Gesellschaft
Stellung der Frau
Landflucht
Dreh- und Angelpunkt: Großfamilie
Arbeit und Selbstversorgung
Bildung
Bevölkerungswachstum
Kultur, Kunst und Kunsthandwerk
Die Geburt von Kultur und Kunst aus dem Alltag
Immaterielles UNESCO-Weltkulturerbe in Zentralasien
Literatur
Musik
Moderne Kunstformen
Küche
Die Küche der viehzüchtenden (Halb)Nomaden
Hochgebirgsdiät für Hundertjährige
Kunterbunter Oasen-Schmaus
Sprachen
Drei Sprachfamilien
Zwei Schriftsprachen
KASACHSTAN
Land der Gegensätze
Astana – Nur-Sultan
Altstadt – linkes Ufer
Neustadt – rechtes Ufer
Infrastruktur der Zukunft
Ausflüge von Astana-Nur-Sultan
Saryarka – die große Steppe
Karaganda und Umgebung
Semey und Umgebung
Ulytau
Zwischen Yrgyz-Torgai-Senke und Naurzum
Heimliche Hauptstadt Almaty
Geschichte in Gebäuden
Schlendern und Schlemmen
Metro, Markt und Museen
Blickpunkte
Großes und Kleines Almatinka-Tal
Ausflüge von Almaty
Petroglyphen von Tamgaly
Der nördliche Abschnitt der Seidenstraße
Khorghos (Horgos)
Zharkent
Talghar (Talgar)
Aqyrtas (Akyrtas)
Taraz
Schutzgebiet Aksu-Zhabagly und Karatau
Schymkent
Ruinen von Otrar
Turkestan
Von Turkestan nach Baikonur
Aralsk und Aralsee
Aqtöbe und Oral
Kasachstan am Meer
Das Kaspische Meer
Aqtau (Aktau)
Ustjurt-Plateau
Unterirdische ›Moscheen‹ und Nekropolen
Kasachstanischer Altai
Ust-Kamenogorsk (Öskemen)
Ausflüge von Ust-Kamenogorsk
Ridder und Westlicher Altaj
Die große Altai-Runde
Bjelucha und Umgebung
KIRGISTAN
Das Reich der Himmelsberge
Bischkek
Russisch-sowjetisch-kirgisische Geschichte
Sowjetisch-kirgisisches Potpourri auf fünf Kilometern
Kirgistans Norden
Nationalpark Ala-Artscha
Täler bei Bischkek
Gedenkstätte Ata Bejit
Yssyk-Ata
Tschüj-Ebene und Tokmak
Burana und Balasagun
Talas-Gebiet
Yssyk-Köl und Zentraler Tien Shan
Balyktschy
Urlaubsorte am Nordufer
Der Küngej Alatoo
Der östliche Yssyk-Köl
Karakol und Umgebung
Der Zentrale Tien Shan
Das Südufer des Issyk-Köl
Tien Shan Highway
Suusamyr
Toktogul-Stausee
Karaköl
Tasch Kömür
Der Süden
Die Walnusswälder von Arslanbob
Dzhalal-Abad
Özgön
Osch
Pamir Highway
Alai-Tal
Kirgistans unterschätzter Südwesten
Zentralkirgistan
Kotschkor (Kochkor)
Hochgebirgssee Song-Köl
Naryn
Von Naryn nach Kazarman
Von Naryn zum Torugart-Pass
TADSCHIKISTAN
Berührende Gastfreundschaft erleben
Duschanbe
Spaziergang am Rudaki-Prospekt
Weitere Sehenswürdigkeiten
Leben in den Parks
Museen
Die Umgebung von Duschanbe
Rascht-Tal (Gharm-Tal)
Der Pamir – Das Dach der Welt
Die Menschen in Berg-Badachschan
Der Weg ist das Ziel – Reisevarianten zum Pamir
Von Duschanbe auf den Pamir
Von Qala-i Chumb nach Chorugh
Chorugh
Weiterfahrt von Chorugh
Durch den Wachan-Korridor nach Alitschur
Alitschur – Murghob
Murghob–Karakul
Der Pamir-Knoten
Das Herz des Pamir: Bartang-Tal
Sughd – der Norden
Hinter und zwischen den sieben Bergen
Die Ebene des Syrdarja
Istarafschan
Chudzhand
Die Umgebung von Chudzhand
Das Serafschan-Tal
Pandzhakent
Die Umgebung von Pandzhakent
Chatlon – der Süden
Fahrt ins Unbekannte
Über Danghara nach Kulob
Gemeindebasierte Naturschutzgebiete
TURKMENISTAN
Versunkene Hochkulturen in der Wüste
Aschgabat – die Visitenkarte
Sehenswürdigkeiten
Die nähere Umgebung der Stadt
Ruinenstädte entlang des Köpet-Dag
Heiligtümer und Höhlenseen
Merw und die Margiana
Margiana – Margusch
Die Ruinen von Merw
Die Ruinen von Gonur Depe
Mary
Karakum – mehr als Wüste
Kamelzüchterdorf Yerbent
Das Tor zur Hölle
Wüste und Wüstungen
UNESCO-Weltkulturerbe Konya Urgentsch
Mausoleum für Nadzhmeddin Kubra
Spaziergang über das Ruinenfeld von Gurgandzh
Um den Großen Balkan
Musterstadt Balkanabat
Maschchat und Dekhistan
Gözli Ata
Jangi Qala
Kaspisches Meer und Küstenregion
Turkmenbaschi (Krasnowodsk)
Nationales Erholungszentrum Awaza
Kara-Bogas-Gol
USBEKISTAN
Das Herz der Seidenstraße
Taschkent
Unterwegs in Taschkent
Das russische Taschkent
Die orientalische Stadt
Langer Spaziergang im Grünen
Orte der Spiritualität
Taschkents Umgebung
Weiterreise von Taschkent
Samarkand
Afrosiyob
Der Registan
Moschee Bibi Chanym
Mausoleum Gur Emir
Gräberstadt Schah-i Zinda
Das Observatorium des Ulugh Beg
Seidenpapiermühle Konigil-Meros
Die Höhle des heiligen David
Buchara
Geschichte
Mausoleum der Samaniden
Vom Samaniden-Mausoleum zum Ark
Die Zitadelle Ark
Rund um das Minarett Kaljan
Stadt der Medresen
Tim und Toqs
Touristenmeile Ljabi Chauz
Weitere Sehenswürdigkeiten
Stadt der Mausoleen
Die Umgebung von Buchara
Chiwa
Chorezmien
Geschichte
Altstadt und Zitadelle
Urgentsch
Karakalpakistan
Nukus
Wüstenstädte
Totenstädte und Türme des Schweigens
Moinaq und das Aral-Drama
Links nach Kasachstan und Turkmenistan
Das Fergana-Becken
Anreise
Kokand
Töpferstadt Rishton
Fergana
Seidenhauptstadt Margilon
Andijon
Namangan
Der unbekannte Süden
Termez (Termes, Termiz)
Rätsel der Kuschan
Qarschi
Erkurgan
REISETIPPS VON A BIS Z
ANHANG
Sprachführer
Glossar
Literatur
Zentralasien im Internet
Danksagung
Über die Autorin
Register
Kartenregister
Bildnachweis
Kartenlegende
Zeichenlegende
EXTRA
Aschgabat–Almaty. Beobachtungen und Gedanken auf 10 400 Meter Höhe
Rezepte
Poligon Kasachstan
Manas – großer Held und größtes Vers-Epos
Das Pamir-Haus
Achal-Tekkiner – die himmlischen Rösser
Lebensader oder Krampfader? Der Karakum-Kanal
Usbekische Störche auf kirgisischem Grund
Gastfreundschaft in Sary Tschaschma (Tadschikistan)
Diese Welt schau dir an mit dem Auge der Weisheit,
Nicht mit dem Auge, mit dem du sonst schaust.
Sie ist wie das Meer, und aus Wohltaten baust
Du dir ein Schiff, damit du die Weite durchschaust.
Rudaki (858–941), tadschikischer Nationaldichter
Als der deutsche Geograph Ferdinand von Richthofen 1877 den Begriff ›Seidenstraßen‹ prägte, ahnte er nicht, was dieser magische Begriff knapp 150 Jahre später auslösen sollte. Weder konnte er wissen, dass Millionen Reisende sich plötzlich dieser Weltgegend zuwenden würden, um die Spuren einer faszinierenden Geschichte mit eigenen Augen zu sehen, noch war er in der Lage vorauszusehen, dass die Weltmacht China mit der beabsichtigten Investition von einer Billion US-Dollar in diese Ost-West-Drehscheibe für Unruhe unter den anderen ›global playern‹ sorgen würde. Richthofen wollte einen Arbeitsbegriff schaffen, der den regen Handel zwischen Ost und West bis zum 15./16. Jahrhundert beschrieb. Doch die Seidenstraße war natürlich keine Straße, und Seide war bei weitem nicht das einzige hier beförderte Gut. Der Begriff Seidenstraßen beschreibt ein Geflecht von gefährlichen und beschwerlichen Karawanenwegen, die weit über die einzige Route hinausreichten, auf die sie heute oft reduziert werden. Und in der Tat war Seide lange das Hauptzahlungsmittel in den Handelsknotenpunkten entlang dieser Karawanenrouten. Das zweite, nicht minder wichtige Zahlungsmittel waren Sklaven. Hoch im Kurs standen Europäer, die von den Rus aus dem Nordwesten bis ans Kaspische Meer gebracht wurden und von hier ihre Reise in den Orient antraten.
Wie gut, dass wir heute sicher reisen können. Und Seide wird in den Manufakturen Zentralasiens auch noch hergestellt. Doch wer weiß schon von den anderen Geschichten aus dieser Weltgegend? Wer weiß, dass der mathematische Algorithmus vom Namen des berühmten Mathematikers, Geographen und Astronomen Al-Chorezmi hergeleitet wurde, der im 9. Jahrhundert in der Nähe von Chiwa geboren wurde? Sind die Pasta-Liebhaber unter uns sich darüber im Klaren, dass in den Kesseln der Nomaden schon seit Jahrtausenden Fleisch mit Nudeln vor sich hinbrodelt? Wem ist bekannt, dass der erste Mensch im Kosmos, Juri Gagarin, von kasachischer Erde zu seinem Himmelsflug startete?
Lassen wir uns überraschen von Zentralasiens Geschichten, die so bunt sind wie die Kleider der Frauen, lassen wir uns inspirieren von den unglaublich vielfältigen, grandiosen Landschaften. Lassen wir uns anrühren von der sprichwörtlichen Gastfreundschaft der Tadschiken, Usbeken, Kirgisen, Kasachen, Turkmenen, Russen, Tataren, Uighuren, Karakalpaken und der hundert anderen Ethnien, die von Völkerwanderungen, Eroberungszügen, Deportationen, Handel und Wandel hierhergetragen wurden und eine faszinierende kulturelle Melange gebildet haben. Nutzen Sie die neue Reisefreiheit. Nach Kirgistan, Kasachstan und Usbekistan darf man inzwischen ohne Visum reisen, das tadschikische E-Visum kostet Sie nur wenige Klicks am Bildschirm.
Möge dieses Buch Ihre Neugier beflügeln.
Das ›kirgisische Meer‹ ist einer der größten Hochgebirgsseen der Welt, und die Umrahmung durch die Vier- und Fünftausender des Tien Shan macht ihn unwiderstehlich. Badeurlaub lässt sich ergänzen mit ein paar Nächten in einer Jurte, Ausflügen in die Berge oder gar einer Trekking-Tour zu Fuß oder Pferd. (→ S. 193)
Die nordöstlichste Ecke Zentralasiens ist ganz anders als der ›Rest‹ – sibirisch. Nadelwald-Taiga, üppige Kräuterwiesen, der Schnee liegt meterhoch und verschwindet erst im April. Mittendrin der höchste Berg des Altai, die geheimnisumwitterte Bjelucha. (→ S. 166)
Ein schier unendliches Meer aus Gras und Kräutern. Pelikane und Flamingos an den Steppenseen. Riesige Vogelschwärme auf dem Durchzug im Mai und Spätsommer. Urzeitliche Tiere durchstreifen die Weiten der Steppe – Saiga-Antilopen, bedroht durch Wilderei, Klimawandel und Verlust ihres Lebensraumes.(→ S. 128)
Teilweise noch eine einsame Rumpelpiste, bald im Rahmen der chinesischen Initiative ›One Road, one belt‹ asphaltiert, ausgebaut und ihres Charmes beraubt – eine grandiose Straße von Duschanbe nach Osch in Kirgistan bzw. Taschkurgan in China oder andersherum. (→ S. 261)
Grüner als der Pamir Highway, nicht so menschenleer, es geht nicht ganz so hoch hinauf. Aber die Querung der Gebirge zwischen Bischkek und Osch ist auch nicht ganz ohne, und der Naryn mit dem Toktogul-Stausee und seinen Schluchten und Staudämmen ist spektakulär. (→ S. 213)
Wilde Tulpen gibt es in allen Stans, aber in den unterschiedlichsten Naturlandschaften Kasachstans findet man 40 Arten! Sie sind klein und weiß oder groß und farbig rot, sie blühen in Wüsten, Steppen und Bergen! Blütezeit ist von Ende März bis Mitte Juli, je nach Art und Biotop. (→ S. 125, 149)
Der größte Binnensee der Erde hat an seinem Ostufer über Jahrmillionen atemberaubende Landschaften geschaffen. Jangikala in Turkmenistan oder das Ustjurt-Plateau in Kasachstan sind zerklüftete Kalk-Cliffs von außerirdisch schöner Farbigkeit.
Wer hierher fährt, muss sich auf Camping in der Wüste einstellen – ein Erlebnis der besonderen Art. (→ S. 158, 350)
Auf dem Weg von Samarkand nach Termez passiert man Baysun-tau, die bunten, wunderlich erodierten Ausläufer der Hissar-Berge und das Tal des Surchandarja, wo inmitten bizarrer Canyons kleine Dörfer mit einer interessanten Alltagskultur auf Besucher warten. (→ S. 425)
Eine im wahrsten Sinne des Wortes herausragende Sehenswürdigkeit, besonders der prächtige Gipfel des Khan Tengri, 6995 Meter hoch. Man kann sich per Helikopter oder mühsam zu Fuß über den Engiltschek-Gletscher nähern, es sind gute Touren im Angebot, und es gibt Camps. (→ S. 205)
In allen fünf Ländern ist Wilderei ein großes Problem. Das führt dazu, dass man selbst in Nationalparks nur selten Wildtiere sieht, Hier setzt die tadschikische Organisation Tajwildlife an, die ehemalige Wilderer zu Wildhütern ausgebildet hat, damit sich Wildtierpopulationen erholen können. Finanziert wird dies durch punktuelle, hochdotierte Trophäenjagd sowie Ökotourismus. (→ S. 273, 276, 309)
Vom Weltkulturerbe-Dreigestirn der legendären Seidenstraßen-Städte Usbekistans ist Buchara wohl die schönste. Die Innenstadt ist autofrei, so lässt sich wunderbar flanieren, staunen und in den Auslagen der Händler stöbern – im traditionellen Flair der überkuppelten Basare. (→ S. 384)
Eine der ältesten Städte der Welt, vielmals erobert und zerstört und immer wieder aufgebaut. Glanzpunkte der timuridischen Zeit aus dem 15./16. Jahrhundert sind der weltbekannte Registan, das Mausoleum Gur-Emir, die Gräberstadt Schah-i Zinda und die gigantischen Ruinen der Moschee Bibi Chanym. (→ S. 369)
In der gut erhaltenen Wüstenfestung Chiwa wähnt man sich in einer mittelalterlichorientalischen Welt. Hier, im legendären Chorezmien, entstand eine der ältesten Hochkulturen der Menschheit, deren Ruinen man in der Wüste noch finden kann. Ein Besuch im benachbarten Nukus im Sawitzki-Museum für moderne Kunst komplettiert die Wüstenreise. (→ S. 403, 413)
Vor der Zerstörung durch die Mongolen war Merw, an der Kreuzung der Handelsstraßen von Ost nach West und Nord nach Süd gelegen, nach Bagdad die größte Stadt des mittleren Ostens. Heute können beeindruckende Ruinen aus zwei Jahrtausenden besichtigt werden, inmitten der uralten Kulturlandschaft der Margiana. (→ S. 328)
Die Ruinen der alten Hauptstadt der Schahs von Chorezmien im Norden Turkmenistans lassen erahnen, was für eine Zivilisation hier unterging, als die Mongolen 1220 den Damm des Syrdarja zerstörten und alles fluteten, was sich ihnen nicht ergeben wollte. Ein Abstecher zum brennenden Gaskrater Darwaza in der Wüste Karakum bietet sich an. (→ S. 338)
Zentralasiens bedeutendster Pilgerort und das einzige timuridische Bauwerk auf dem Territorium Kasachstans, das alle Maßstäbe sprengende Mausoleum für den Sufi-Scheich Achmed Jassawi, befindet sich in der ehemaligen Provinzstadt Turkestan, seit 2018 Gebietshauptstadt Südkasachstans. (→ S. 152)
Kirgistan hat zuerst damit angefangen, seine nomadischen Traditionen als Kulturerbe anderen zugänglich zu machen: mit den alle zwei Jahre stattfindenden World Nomad Games. Reiter- und andere Wettkämpfe, Leben in Jurten, Herstellen von Filz, typische Küche, Jagd mit Greifvögeln und Windhunden – ein breites Spektrum wird geboten. (→ S. 197)
In den engen, steinigen Tälern des Pamir und seiner Ausläufer hat sich eine uralte Lebensweise erhalten, sehr einfach und im Einklang mit der überaus dominanten Natur. Entlang des Pamir Highway, an den Seen des Fan-Gebirges, in den Tälern Jaghnob und Gorno-Matscha kann man noch einen Hauch dieser Traditionen erhaschen. (→ S. 261)
Von allen modernen Städten Zentralasiens ist Almaty zweifellos die quirligste. Trotz Dauerstau und Smog gilt sie als Stadt mit der höchsten Lebensqualität – für Leute, die Geld haben. Das kulturelle und gastronomische Angebot kann sich sehen lassen, die Musikszene ist lebendig (Jazz, Ethno, Rock, Klassik). (→ S. 134)
Die jüngste aller Sehenswürdigkeiten – Kasachstans buchstäblich aus dem Steppenboden gestampfte neue Hauptstadt, erst reichlich 20 Jahre alt. Eine Spielwiese für Architekten, hier durften sich Kurokawa, Norman Foster und andere beweisen. (→ S. 117)
Der Titel des Buches – ›Zentralasien‹ – mag bei Kennern Widerspruch hervorrufen, wird doch unter diesem Begriff in der Wissenschaft eine größere Region verstanden, die Teile der Mongolei, Nordwestchinas, Nordafghanistans und Nordpakistans einschließt. Korrekt müsste der Titel ›Mittelasien‹ lauten – dieser Begriff ist jedoch im ›Tourismus-Deutsch‹ wenig geläufig. Mag Zentralasien also in unserem Falle ›nur‹ Kasachstan, Kirgistan, Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan umfassen.
Diese fünf Länder in einem Buch vollständig zu beschreiben, ist ein Ding der Unmöglichkeit. Ich möchte die Leser also von vornherein um Nachsicht bitten. Vieles musste allgemein bleiben, sei es nun die äußerst komplexe und vielschichtige Geschichte, Wirtschafts- und Sozialstatistiken oder das so reiche und mannigfaltige kulturelle Leben. Mir war es wichtig, den großen Zusammenhang zwischen den fünf Ländern herzustellen und aufzuzeigen, was das Besondere in jedem von ihnen ist.
Individualtouristen werden detaillierte Anfahrtswege und lange Listen von Hotels, Gästehäusern und Veranstaltern vermissen. Ich habe sie ganz bewusst weggelassen, denn sie allein hätten ein Buch gefüllt. Auch die Literaturtipps sind längst nicht erschöpfend. Weiterführende Informationen sind in den Reiseführern enthalten, die der Trescher Verlag zu jedem einzelnen der postsowjetischen ›Stans‹ vorrätig hat. Im Zeitalter von Google Earth und Booking.com gibt es eine Fülle von Informationen im Internet, im Buch sind außerdem einige Websites erwähnt, mit deren Hilfe man sich auch als Rucksacktourist gut durch die Länder navigieren kann.
Alle praktischen Informationen zu An- und Einreise, Wechselkursen, Reiseorganisation etc. finden Sie in den Reisetipps von A bis Z ab → S. 429.
Die während der sowjetischen Zeit in allen zentralasiatischen Ländern verbindliche kyrillische Schrift wurde nach der Erlangung der staatlichen Unabhängigkeit in Turkmenistan und Usbekistan durch lateinische Lettern ersetzt, Kasachstan folgt 2020. Leider haben sich die drei Länder nicht auf eine gemeinsame Variante geeinigt, und so wird aus Buchara Buxoro oder Bukhara. Tadschikistan und Kirgistan verwenden noch das Kyrillische für die Verschriftung ihrer sehr verschiedenen Sprachen, nicht zu vergessen das Russische, welches auch noch im Umlauf ist. Dazu kommt noch ein heilloses Durcheinander in den Ländern selbst, es gibt verschiedene Schreibweisen für ein und denselben Ort. Der Bindestrich ist da noch das geringere Übel: Songköl, Song-Köl, Song Köl, Song-Kul, Songkul etc. Für vorliegendes Buch musste also ein Kompromiss gefunden werden. Alle fünf Sprachen mit ihren unterschiedlichen Lauten versuche ich mit Buchstaben wiederzugeben, die der Aussprache so nahe wie möglich kommen. Die Regeln finden Sie auf → S. 458. Ich habe mich um Konsequenz bemüht, an einigen Stellen musste ich sie aber durchbrechen:
Ein häufiger Anblick: Pferdeherde in Kirgistan
Die Ländernamen und andere gängige Orts-, Personen und Gegenstandsbezeichnungen, die im Deutschen schon lange gebräuchlich sind, weichen in ihrer Schreibweise teilweise von meinem Schema ab. Ich habe mich aus Gründen der Auffindbarkeit im Internet hier für die gebräuchlichen Schreibweisen entschieden, zum Beispiel: Für Tadschikistan gibt es einige sehr gute Karten, in denen die Orte nach den englischen Verschriftungsregeln bezeichnet sind. Hier habe ich teilweise diese Schreibweisen verwendet, das möge die Orientierung in diesen Karten erleichtern.
Korrekte Transkription |
Verwendete Schreibweise |
Qazaqstan |
Kasachstan |
Kyrgyzstan |
Kirgistan |
Tadzhikistan |
Tadschikistan |
Balqasch |
Balchasch |
Altaj |
Altai |
Hisor |
Hissar |
Zarafschon |
Serafschan |
Ferghana oder Farghona |
Fergana |
Qaraqum |
Karakum |
Samarqand |
Samarkand |
Alaj |
Alai |
Semej |
Semey |
Bei wichtigen Orten habe ich bei der Einführung der Bezeichnung weitere Verschriftungsvarianten in Klammern gesetzt. Hätte ich das überall getan, wäre das Buch 20 Seiten dicker geworden.
Ebenfalls aus Gründen der Platzersparnis habe ich bei Adressenangaben fast immer auf das köschesi, kotschosu, kutschaj (Straße) verzichtet. Wenn dort Rudaki 6 steht, dann bedeutet das Kutschaj Rudaki 6, also Rudaki-Straße 6. Wenn eine Straße nach einem Russen benannt ist und sich in einem Ort befindet, in dem noch überwiegend Russisch gesprochen wird, dann setzt man den Namen in den Genitiv und es heißt nicht Gorki, sondern Gorkowo (geschrieben Gorkogo).
Wenn Ihnen Ungereimtheiten auffallen, schreiben Sie mir bitte. Meine Mailadresse finden Sie auf → S. 477. Die nächste Auflage dieses Buches wird dann mit Ihrer Hilfe ein bisschen besser. Danke.
Übrigens: Sie können den CO2-Ausstoß, den Sie mit Ihren Flügen verursachen, kompensieren: https://www.primaklima.org/baeume-verschenken/
Gerade in Zentralasien ändert sich das Klima dramatisch.
Danke, dass Sie so viel Verantwortung in Ihrem Reisegepäck haben.
Kasachstan |
Kirgistan |
|
Fläche |
2,725 Mio. km2 |
198 500 km2 |
Staatsgrenzen |
Russland, China, Kirgistan, Usbekistan |
Kasachstan, China, Tadschikistan, Usbekistan |
Territoriale Gliederung |
3 Städte (Astana, Almaty, Schymkent) 14 Gebiete (Oblaste) |
2 Städte (Bischkek, Osch), 7 Gebiete (Oblaste) |
Höchster Berg |
Peak Khan Tengri 6995 m |
Peak Pobeda 7439 m |
Klima, Durchschnittstemperaturen Januar/Juli |
Streng kontinentales Klima -18/+29°C |
Streng kontinentales Klima -8/+32°C |
Einwohnerzahl |
18,4 Mio. |
6,3 Mio. |
Bevölkerungsdichte EW/km2 |
7 |
31 |
Ethnien in % |
Kasachen 66, Russen 20, Usbeken 3, Ukrainer 2, Uighuren 1, Tataren 1, Deutsche 1, Koreaner |
Kirgisen 72, Usbeken 14, Russen 6, Dunganen 1, Uighuren 1, Ukrainer 1, Tadschiken, Tataren, Kasachen |
Bevölkerungswachst. (2016) |
1,04 % |
+ 1,05 % |
Durchschnittsalter |
28 |
26 |
Lebenserwartung bei Geburt |
69,1 |
70,3 |
Anteil Stadtbevölkerung |
53 % |
36 % |
Hauptstadt |
Astana (Nur-Sultan) |
Bischkek |
Einwohner in der Hauptstadt |
1,03 Mio. |
1,04 Mio. |
Sprachen |
Amtssprache Kasachisch (ab 2020 lateinisches Alphabet), Russisch weit verbreitet |
Amtssprache Kirgisisch (kyrillisches Alphabet), Russisch weit verbreitet |
Religion(en) |
sunnitischer Islam, orthodoxes Christentum |
sunnitischer Islam, orthodoxes Christentum |
Staats- und Regierungsform |
Präsidialrepublik |
Parlamentarische Republik |
Präsident/im Amt seit … |
Kassym-Schomart Tokajew/2019 |
Sooronbai Dscheenbekow/2017 |
Nationalfeiertag |
16.12.1991 |
31.8.1991 |
Korruptionsindex |
31 (schlecht) |
29 (sehr schlecht) |
BIP nominal Kopf/Jahr 2018 |
8841 USD |
1188 USD |
Inflationsrate |
7 % (2018) |
4,5 % (2018) |
Arbeitslosenquote/inoffiziell |
5,4 %/mindestens 11,5 % |
7,8 %/? |
Internetkennung |
.kz |
.kg |
Tadschikistan |
Turkmenistan |
Usbekistan |
143 100 km2 |
488 100 km2 |
448 978 km2 |
Kirgistan, China, Afghanistan, Usbekistan |
Kasachstan, Usbekistan, Afghanistan, Iran |
alle vier anderen plus Afghanistan |
Stadt Duschanbe, Autonomes Gebiet Berg-Badachschan, 2 Gebiete (Wilojate), 13 Kreise |
Stadt Aschgabat, 5 Gebiete (Welajate) |
Stadt Taschkent, Autonome Republik Karakalpakistan, 12 Gebiete (Wilojate) |
Peak Somoni 7495 m |
Ayrybaba 3139 m |
Hazrat Sulton 4643 m |
Streng kontinentales Klima -8/+33°C |
Streng kontinentales Wüstenklima -4/+38°C |
Streng kontinentales Klima -5/+36°C |
9,1 Mio. |
5,8 Mio. |
32,6 Mio. |
61 |
13,7 |
70 |
Tadschiken 84, Usbeken 13, Kirgisen 1, Russen, Tataren, Ukrainer, Deutsche |
Turkmenen 77, Usbeken 9, Russen 7, Tataren 1, Aserbaidschaner, Armenier, Ukrainer, Koreaner, Tadschiken |
Usbeken 71, Russen 5, Tadschiken 4, Karakalpaken 3, Kasachen 3, Tataren 3, Koreaner 2, Turkmenen, Uighuren |
+ 1,62 % |
+ 1,12 % |
+ 0,93 % |
22 |
25 |
28 |
70,4 |
67,3 |
70,8 |
27 % |
50 % |
37 % |
Duschanbe |
Aschgabat |
Taschkent |
845 000 |
1 Mio. |
2,3 Mio. |
Amtssprache Tadschikisch (kyrillisches Alphabet), Russisch verbreitet |
Amtssprache Turkmenisch (lateinisches Alphabet), Russisch verbreitet |
Amtssprache Usbekisch (lateinisches Alphabet), Russisch, Tadschikisch, Karakalpakisch |
sunnitischer Islam, schiitischer Islam (Ismailiten im Pamir) |
sunnitischer Islam, schiitischer Islam, orthodoxes Christentum |
sunnitischer Islam, orthodoxes Christentum |
Präsidialrepublik |
Präsidialrepublik |
Präsidialrepublik |
Emomali Rachmon/1994 |
Gurbanguly Berdymuhamedow/2006 |
Schawkat Mirsijojew/2016 |
9.9.1991 |
27.10.1991 |
1.9.1991 |
21 (sehr schlecht) |
19 (sehr schlecht) |
22 (sehr schlecht) |
790 USD |
3510 USD |
2132 USD |
8,0 % (2018) |
4,9 % (2017) |
19,5 % (2018) |
10,8 %/? |
8,6 %/50–60 % |
8,7 %/35 % |
.tj |
.tm |
.uz |
Für Städtereisen und Reisen im Flachland sind die Monate April/Mai, in Kasachstan auch noch der Juni geeignet, außerdem der September, in Usbekistan, Turkmenistan und Tadschikistan auch noch der Oktober. Für Gebirgstouren eignen sich die Monate Juli und August, auch in der ersten Septemberhälfte ist das Wetter noch stabil. Im Juni sind in den Gebirgen noch häufige Niederschläge an der Tagesordnung, für Zelttouren ist diese Zeit eher unpassend.
In Turkmenistan sind vorerst nur organisierte Touren möglich, alle anderen Länder eignen sich für beides. In Usbekistan, Tadschikistan und Kirgistan gibt es relativ gute Ausschilderungen und zahlreiche englisch- und deutschsprechende Guides, letztere sollte man möglichst vorher buchen. Organisierte Touren einheimischer Veranstalter können oft mit denen europäischer Veranstalter mithalten. Meistens helfen ein Blick auf die Website und ein detaillierter Briefwechsel per E-Mail bei der Einschätzung der Professionalität.
Per Flugzeug in die jeweiligen Hauptstädte, auch andere Großstädte wie Almaty, Urgentsch, Chudzhand, Schymkent und Aktau werden angeflogen. Die nationalen Airlines von Kasachstan, Usbekistan, Turkmenistan und Tadschikistan sind durchaus zu empfehlen.
Per Zug muss man 5 Tage einplanen, umsteigen in Moskau und ggf. anderen Städten ist unumgänglich.
Achtung Individualreisende: Zugtickets können nur unter Vorlage des Passes erworben werden. Da es nur eine beschränkte Anzahl von ausschließlich platzkartenpflichtigen Zügen gibt, empfiehlt sich der Kauf der Tickets vier bis sechs Wochen vor der Reise, am besten mit Hilfe eines lokalen Reisebüros oder über spezialisierte Bahnagenturen in Deutschland (→ S. 430).
Mit dem eigenen Fahrzeug und den entsprechenden Papieren sind alle Länder außer Turkmenistan zu bereisen.
Die Flächenländer Kasachstan, Usbekistan und Turkmenistan haben ein gutes Inlandsflug- und Eisenbahnnetz. In Kirgistan kann man zwischen Osch und Bischkek fliegen, in Tadschikistan zwischen Duschanbe und Chudzhand und Chorugh. Das Straßennetz ist im Ausbau begriffen, für die meisten Strecken braucht man gutes Sitzfleisch. Bergstraßen sind immer länger, als es auf der Karte aussieht, wegen der Pistenqualität ist Langsamfahren geboten.
Die Lage ist besser, als man vielleicht vermutet. In autokratisch regierten Ländern ist die Polizei omnipräsent, als Tourist ist man deswegen recht gut behütet. Diebstähle an belebten Orten kommen aber auch hier vor.
Vor Ort können Euro und Dollar in die Nationalwährungen getauscht werden. In Turkmenistan und Tadschikistan ist das nur in staatlichen kontrollierten Banken möglich. Von Geldautomaten können täglich nur kleine Summen abgehoben werden, in Turkmenistan gibt es fast keine und in Tadschikistan ist ihre Zahl auch überschaubar.
Vom Fünfsterne-Hotel über Hostels bis hin zu einfachen Privatpensionen und Jurten-Camps ist alles zu haben. In der Hauptsaison Mai bis September empfiehlt sich dringend eine vorherige Buchung.
Ausführliche Informationen in den Reisetipps von A bis Z ab → S. 429
Der sogenannte Pamirknoten im Herzen Zentralasiens
Es ist beglückender,
durch die offene Tür eines einfachen Hauses zu treten,
als vor dem verschlossenen Tor eines Palastes zu stehen.
Kurt Haberstich, Schweizer Buchautor und Aphoristiker
Kuppeln der Gräberstadt Schah-i Zinda in Samarkand (Usbekistan)
Zentralasien ist, bedingt durch die Entfernung zu den Weltmeeren, das Gebiet mit dem kontinentalsten Klima weltweit. Harte Gegensätze zwischen den Jahreszeiten und landschaftliche Extreme charakterisieren diese Region. In den Steppen Kasachstans und in den hohen, aber noch bewohnten Lagen des Pamirs können winterliche Extremtemperaturen von minus 40, gar 50 Grad auftreten. In den Oasenorten hingegen sind hochsommerliche Tagestemperaturen von plus 40–50 Grad keine Seltenheit. Somit haben wir Temperaturunterschiede von 80–100 Grad, und das hat ernste Konsequenzen für die gesamte Lebensweise, Wirtschaft und Landwirtschaft bis hin zum Straßenbau. Nicht von ungefähr sind Asphaltstraßen in diesen Extremgebieten nach wenigen Jahren völlig verschlissen.
Die beiden Hauptjahreszeiten Winter und Sommer wechseln sich fast übergangslos ab, Frühjahr und Herbst als gemäßigte Jahreszeiten sind kurz. Die Hauptniederschlagszeit ist fast überall der März-April-Mai, die Sommer sind sehr trocken.
Die Niederschlagsmengen sind extrem ungleich verteilt. Der Westliche Altai im Nordosten Kasachstans erhält durch Stauregen jährlich über 2000 Millimeter Niederschlag (Vergleich Brocken/Harz: 1400 mm), davon den Großteil als Schnee. Manche Dörfer sind damit wochenlang von der Außenwelt abgeschnitten. Auch der Südhang des Hissar-Gebirges in Tadschikistan/Ost-Usbekistan ist mit 1700 Millimetern Jahresniederschlag ein begünstigtes Gebiet, hier wie in einigen andern kleineren Becken- und Tallagen Tadschikistans herrscht subtropisch feuchtes Klima. Orte wie Almaty (574 mm), Bischkek (427 mm), Duschanbe (624 mm), Taschkent (429 mm) können sich mit ihren durchschnittlichen Jahresniederschlagsmengen auch noch glücklich schätzen (Vergleich Berlin: 568 mm). Buchara, Chiwa, Nukus oder Aschgabat hingegen haben um bzw. sogar unter 200 Millimeter Jahresniederschlag und können nur durch ihre Oasenlage bzw. künstliche Bewässerung überleben.
Bunt, aber kahl und trocken: Im Pamir herrscht extremes Kontinentalklima
Balkaschino – der Kältepol Kasachstans
Die Hochebenen des Pamir, das westliche Yssyk-Köl-Gebiet und die großen Wüsten Kyzylkum und Karakum gehören mit Jahresniederschlägen von unter 200, teilweise unter 100 Millimetern zu den trockensten Gebieten der Erde. Landwirtschaft ist in den meisten dafür infrage kommenden Regionen nur als Bewässerungswirtschaft möglich und wird als solche auch betrieben, was negative Auswirkungen auf die Böden hat – es kommt zur großflächigen Versalzung, viele Areale sind damit nicht mehr für Landwirtschaft nutzbar.
Durch den weltweiten Klimawandel ist Zentralasien am stärksten bedroht: Bis zum Ende des 21. Jahrhunderts wird ein Temperaturanstieg um fünf (!) Grad vorausgesagt. Das wird zum Abschmelzen aller kleineren und mittleren sowie der meisten großen Gletscher führen und dramatische Auswirkungen auf den Wasserhaushalt des gesamten Gebietes und damit auf die Versorgung der Menschen haben. Bis heute sind keine Strategien bekannt, wie man damit umzugehen gedenkt; die Bevölkerung wächst derweil unentwegt, der Wasserverbrauch steigt.
Zentralasien erstreckt sich von der teilweise unter dem Meeresspiegel liegenden Kaspischen Senke und dem Tiefland von Turan in Kasachstan bis zu den Siebentausendern in den grandiosen Hochgebirgssystemen von Tien Shan und Pamir. Die höchsten Gipfel sind der Peak Somoni (7495 m) und der Peak Korzhenewskaja (7105 m) im Zentralen Pamir, der Peak Pobeda (7439 m) im Zentralen Tien Shan, der Peak Lenin (7134 m) im Pamiro-Alai und der Khan Tengri im Zentralen Tien Shan an der Grenze von Kasachstan, Kirgistan und China. Jener ist mit 6995 Metern eigentlich kein Siebentausender, wurde aber von den sowjetischen Bergsteigern als solcher geführt, um die ›Big Five‹ des sowjetischen Alpinsports zu komplettieren, für deren Besteigung es den Titel ›Schneeleopard‹ (Snezhnyj Bars) gab. Nach Nordosten steigt das Gebiet langsam an, über die Kasachische Schwelle bis zum Altai, dessen höchster Gipfel die Bjelucha an der Grenze zu Russland ist (4406 m). Südlich der beiden großen Wüsten Kyzylkum und Karakum wird Zentralasien vom über 3000 Meter hohen Köpet-Dag begrenzt, jenseits davon liegt der Iran. Während Kasachstan, Turkmenistan und Usbekistan nur an den Rändern gebirgig sind, werden Kirgistan (über 90 % der Landesfläche höher als 1500 m) und vor allem Tadschikistan (fast 50 % der Landesfläche höher als 3000 m) von Hochgebirgen geprägt.
Gebirgsfluss in Tadschikistan
Die Hochgebirge sind in den Lagen über 3500 (Altai, Tien Shan) bzw. über 4500 Meter (Alai, Pamir) teilweise vergletschert. Aus den Gletschern entspringen die wasserreichsten Flüsse Zentralasiens, der Pandzh und der Wachsch, die sich zum Amudarja vereinigen sowie der Naryn und der Karadarja, die gemeinsam den Syrdarja bilden. Beide Ströme haben früher in den Aralsee entwässert. Der Amudarja erreicht ihn inzwischen nur noch in Jahren mit extremen Niederschlägen (2017 war so ein Jahr), und der Syrdarja bringt nur einen Teil seines Wassers zum Restsee Nördlicher Aral. Grund für den extrem verringerten Zufluss sind gigantische und uneffektive Bewässerungsprojekte, v.a. für Baumwolle, die den beiden Strömen schon seit vielen Jahrzehnten den Großteil des Wassers entziehen.
In Kasachstan gibt es weitere bedeutende Flüsse. Der Irtysch kommt aus dem Altai, wird hier zu einem der größten Stauseen der Erde angestaut, durchfließt dann den Landesnorden und mündet in den sibirischen Strom Ob, entwässert somit ins Nördliche Eismeer. Der Ural aus dem gleichnamigen Gebirge in Russland durchfließt Westkasachstan und mündet ins Kaspische Meer, den größten Binnensee der Erde. Auch der Ural ist von zunehmendem Rückgang der Wassermenge betroffen. Kasachstan hat ferner im äußersten Westen einen Anteil am Wolgadelta. Aus dem Grenzgebiet von Kasachstan und China kommt der Ili (Ile), der das Siebenstromland im Süden Kasachstans durchfließt und in den Balchasch-See mündet, einen mit 18428 Quadratkilometern sehr großen, dabei aber extrem flachen Steppen-Endsee, der im Westen aus Süßwasser besteht und im Osten salzig ist. Mit dem benachbarten Salzsee Alaköl (2650 qkm) bildet er die Balchasch-Alaköl-Senke. Auch der Balchasch-See droht durch den Klimawandel und eine durch Staudammbau und Bewässerung drastisch wachsende Wasserentnahme in China zu schrumpfen und in der mittleren Zukunft auszutrocknen.
Weitere bedeutende Flüsse sind der Serafschan in Tadschikistan/Usbekistan, früher ein Zufluss des Amudarja, jetzt vor Buchara endend, und der aus Afghanistan nach Norden fließende Murgab (Murghob) mit seinem Binnendelta in Turkmenistan, auch er möglicherweise in ferner Vergangenheit bis zum Amudarja reichend. Auch die von den Gletschern des Tien Shan kommenden Talas und Tschüj erreichen mit ihren Wassern kein anderes Gewässer – sie versickern im kasachischen Teil der Wüste Kyzylkum.
Ungeachtet der extremen natürlichen Bedingungen wächst in Zentralasien eine einzigartige Flora mit einer großen Bandbreite an endemischen, seltenen und wirtschaftlich wertvollen Pflanzen, die sich teilweise nur hier erhalten konnten und somit Reliktcharakter haben. Allein im kleinen Tadschikistan kommen 4511 Pflanzenarten vor, mehr als 1100 von ihnen sind endemisch. Bis heute gibt es noch unerforschte Ecken in den unzugänglichen Gebirgen.
Viele der Nutz- und Zierpflanzen, ohne die wir uns heute ein Leben nicht mehr vorstellen können, stammen aus diesem ‹Garten Eden«. Die wilden Formen von Weizen und Gerste, Erbsen, Kichererbsen und Bohnen wachsen hier – somit darf Zentralasien als einer der Ursprungsorte vieler unserer Nahrungspflanzen gelten. In den Vorbergen der Hochgebirge haben sich Reste der ursprünglich weit verbreiteten Wildobstwälder erhalten. Was findet man hier nicht alles! Aprikose und Apfel, Pflaume und Birne, Feigen, Granatapfel und Kaki, wilder Wein, Pistazien, Mandel und Walnuss haben ihre Heimat auf den unteren ‹Etagen« der Berghänge, Rhabarber, Hagebutten, Berberitzen, wilde Johannisbeeren, Weißdorn und Maibeere dienen nicht nur Tieren als Nahrungsgrundlage.
Noch gibt es Wasserreserven im Pamir
Viele Familien in Tadschikistan, Usbekistan und Süd-Kirgistan leben vom Sammeln, Verarbeiten und Verkaufen des Wildobstes. Sie tun der Menschheit damit einen Gefallen, denn mit ihrer Tätigkeit schützen sie die letzten Wildobstwälder der Region und damit einen genetischen Schatz.
Zahlreiche Öl- und Färberpflanzen haben ihre Heimat in Zentralasien, und auch das Repertoire an Heilpflanzen ist breit. Berühmte Mediziner des Altertums wie Avicenna stammten von hier – bereits sie haben Heilpflanzen wie Wermut und Meerträubel (Ephedra), aber auch Hanf und Steppenraute genutzt.
Und schließlich müssen auch Zierpflanzen wie Iris und Tulpen erwähnt werden; die Vorfahren der im Mittelalter über die Türkei nach Holland importierten Tulpen und dort gezüchteten Kultursorten sind die wunderschönen wilden Tulpen Zentralasiens. Überhaupt sind die rauen Länder die Heimat der Zwiebelpflanzen schlechthin. Viele Laucharten, Krokusse, Iris, Tulpen und Steppenkerzen haben sich an das kontinentale Klima angepasst. Sie ziehen sich unter die Erde zurück, wenn der trockene, heiße Sommer beginnt und überdauern hier auch den teils extrem kalten Winter. Erst danach, wenn das Schmelzwasser den kargen Boden befeuchtet hat, erwachen sie zum Leben und verwandeln Wüsten, Halbwüsten und Steppen, Bergtäler und sogar Schotterhänge für kurze Zeit in einen Blumenteppich. Unmittelbar danach kann man an vielen Orten noch den wilden Mohn blühen sehen, auch das eine Augenweide.
Doch der Garten Eden ist bedroht. Zentralasien, wo im Altertum die Ackerbaukultur Chorezmiens, Baktriens und der Sogdiana geboren wurde, ist, wenn man von den Hochgebirgsregionen absieht, eine der dichtbesiedelten Regionen der Erde. Die Ökosysteme sind starkem Nutzungsdruck durch den Menschen ausgesetzt. Durch Übernutzung kommt es zu Wüstenbildung, Degradierung der Pflanzenwelt, zum Rückgang der Populationen seltener Pflanzen. Besonders betrifft das die Flora der alten Oasen entlang der großen Flüsse. Hier dominiert heute die Kulturlandschaft mit intensiver Bewässerungswirtschaft, und die alten Tugaj-Wälder mit ihren dichten Schilfbeständen, in denen bis vor wenigen Jahrzehnten noch der Turan-Tiger vorkam, haben sich nur als winzige Flecken erhalten. Die Bergwälder, vergleichsweise winzig (nur 3 bis 5 Prozent der Fläche sind mit Wald bedeckt) sind in Gefahr, sukzessive verfeuert zu werden, die blumenreichen Matten der Hochgebirge sind überweidet. Sogar in den entlegensten Winkeln der Berge wird Raubbau an der Natur betrieben.
Der Siewers-Wildapfel kommt aus dem Tien Shan
Eine der schönsten Lauchpflanzen ist Allium Oreophilum
Wunderbare Pflanzenbilder von Fotografen und Botanikern sowie ausführliche Informationen über Pflanzenvorkommen in der gesamten ehemaligen Sowjetunion findet man auf der Seite https://www.plantarium.ru.
In den verschiedenen Lebensräumen Wüste, Halbwüste, Gras-, Kraut- und Waldsteppe, Au- und Galeriewälder entlang der Flüsse, Laub- und Mischwald, Gebirgstaiga und –tundra, Süßwasser- und Salzwasserseen haben viele Tiere ihre Heimat.
Es gibt zahlreiche Arten, die in Europa oder gar weltweit vertreten sind, aber wir wollen uns hier auf die typischen zentralasiatischen Vertreter beschränken, von denen einige wahre Überlebenskünstler sind, denn sie sind an extreme Bedingungen angepasst. Dazu gehören der streng geschützte Schneeleopard, der hoch oben in den Bergen des Altai, Dzhungarischen Alatau, Tien Shan und Pamir-Alai von Steinböcken und Wildschafen lebt, die wunderlichen Saiga-Antilopen, die früher zu Millionen die Steppen zwischen Mongolei und Wolga bevölkerten und jetzt durch Wilderei, Klimawandel und rätselhafte Epidemien bedroht sind, der asiatische Wildesel Kulan, der fast vollständig ausgestorben war und sich inzwischen in einem Nationalpark Kasachstan so gut vermehrt hat, dass man kleine Gruppen wieder auswildern kann.
Junges Murmeltier
Zentralasien ist die Heimat von einigen Arten des Riesenwildschafs, die inzwischen alle bedroht sind. Kleine Populationen leben geographisch isoliert in den Gebirgen Nuratau (Usbekistan),