Ute Marth wurde in Rotenburg an der Fulda geboren. Sie studierte in Germersheim und Paris und schloss 1991 ihr Studium als Diplom-Übersetzerin ab. Ihr Interesse gilt sowohl der Physik als auch esoterischen Themen. Sie lebt mit ihrer Familie in Frankfurt am Main.
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ISBN: 978-3-7504-5397-5
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© 2019 Ute Marth
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Einbandgestaltung: Ute Marth
Layout und Satz: Ute Marth
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Als ich zum ersten Mal davon hörte, dass die Quantenphysik bewiesen habe, dass das Bewusstsein die Realität beeinflussen kann, war ich beeindruckt. Ich wollte mich mit diesem Bereich der Physik beschäftigen, der solche Beweise erbracht zu haben schien.
Je mehr ich las, desto mehr wurde mir bewusst, dass es zahlreiche Missverständnisse zur Quantenphysik gibt, und geradezu Mythen über die Quantenphysik kursieren.
So entstand die Idee zu diesem Buch.
Es umfasst eine umfassende Darstellung der Quantenphysik und der verbreiteten Missverständnisse zur Quantenphysik. Bei meinen Recherchen beschäftigte ich mich auch mit Erkenntnissen und Experimenten des letzten Jahrzehnts, so dass die für den Laien konzipierte Darstellung der Quantenphysik auch für Physikstudenten interessante Informationen zur Quantenphysik bietet. Als Geisteswissenschaftlerin kann ich gut nachvollziehen, wo die Schwierigkeiten beim Verständnis der Quantenphysik liegen, so dass ich die Themen so dargestellt habe, dass sie auch für den Laien verständlich sind.
Das Schreiben dieses Buches war für mich spannend und aufregend, und ich wünsche mir, dass viele Menschen von den hier zusammengefassten Ergebnissen profitieren mögen.
Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen.
Ute Marth
Frankfurt, im August 2019
Die Quantenphysik übt auf viele Menschen eine magische Faszination aus, was sicherlich der Tatsache zuzuschreiben ist, dass auf der Quantenebene Gesetze der klassischen Physik ihre Gültigkeit verlieren. Sie stellt unser klassisches Weltbild auf den Kopf. Die klassischen Naturwissenschaften liefern insbesondere für Bereiche, die jenseits dessen liegen, was wir mit unserem Alltagsbewusstsein wahrnehmen können, keine zufriedenstellenden Antworten. Dies mag ein Grund sein, warum sich auch viele Vertreter von alternativen Heilmethoden, insbesondere der so genannten Quantenheilung, für die Quantenphysik interessieren.1 Scheint sie doch Antworten auf die Funktionsweise mancher alternativer Heilmethoden zu geben. Aufgrund der Komplexität der Quantenphysik kann es leicht zu Missverständnissen oder Umdeutungen der Quantenphysik kommen. In diesem Buch werden die Grundlagen der Quantenphysik für den Laien verständlich dargestellt und die häufigsten Missverständnisse aufgezeigt und geklärt. Aufgrund der umfassenden Auseinandersetzung mit der Quantenphysik und der Darstellung von Experimenten der letzten 20 Jahre bietet das Buch insbesondere in Teil I dem Physikstudenten und naturwissenschaftlich gebildeten Leser einen guten Überblick über die Themen der Quantenphysik und die Entwicklung der neueren Forschung.
Es geht nicht darum, die Wirksamkeit der Heilmethoden zu untersuchen. Ich habe dieses Buch in Respekt vor dem Wunsch von Heilern geschrieben, Menschen in ihrem Heilungsprozess zu unterstützen. Zitate oder beispielhafte Aussagen werden benutzt, um Missverständnisse zu belegen. Es geht nicht darum, die Fähigkeiten des einzelnen Heilers oder der angewandten Methoden in Frage zu stellen.
Ich gehe abschließend der Frage nach, ob die Erkenntnisse der Quantenphysik für alternative Heilmethoden, insbesondere die Quantenheilung, eine Rolle spielen.
Bei dieser Thematik gelangt man zwangsweise zu philosophischen Fragestellungen, die über die Naturwissenschaft hinausgehen, wie z. B. der Definition von Realität. Solche Themen werden am Rande gestreift.
Das Buch ist in drei Teile gegliedert. Im ersten theoretischen Teil werden in ausführlicher und verständlicher Weise die Grundlagen der Quantenphysik dargestellt und erläutert. Im zweiten Teil werden verbreitete Missverständnisse untersucht. Die Kapitel umfassen einen kurzen theoretischen Teil, der Hintergrundinformationen zum besseren Verständnis der jeweils aufgeführten Aussagen oder Behauptungen bietet, gefolgt von einer Klärung des Missverständnisses. Teil II kann auch ohne die in Teil I erläuterten Grundlagen verstanden werden. Die Kapitel in Teil II bauen aufeinander auf, so dass es ratsam ist, Teil II chronologisch zu lesen. In Teil III wird untersucht, ob quantenphysikalische Prozesse auf der Ebene des menschlichen Körpers überhaupt nachweisbar sind, ob der Bezug auf die Quantenphysik im Zusammenhang mit der Quantenheilung sinnvoll ist und was Heilungsprozesse unterstützen könnte.
1 Ich spreche von Vertretern und Anbietern alternativer Heilmethoden, da sich einige, die die 2- und 3-Punkt-Methode anwenden, nicht Quantenheiler nennen. Diese Methoden werden in Teil II, Kapitel 2 näher erläutert.
In diesem Kapitel erhalten Sie einen kurzen Überblick über die Quantenphysik und die Quantenmechanik.2 Die wichtigsten Themen und Meilensteine der Forschung werden in den folgenden Kapiteln detaillierter erklärt.
Als die Geburtsstunde der Quantenphysik gilt das Jahr 1900, in dem Max Planck seine Berechnung der Energieverteilung der Wärmestrahlung eines sog. „schwarzen Körpers“ vorgestellt hat.3 Mit Wärmestrahlung wird die von einem Körper aufgrund einer Temperatur abgegeben Energie bezeichnet. Diese Wärmestrahlung ist eine elektromagnetische Strahlung, und Plancks Berechnung enthält eine Konstante, aus der sich ergibt, dass Wärmestrahlung von Materie nicht kontinuierlich abgegeben wird. Die Bedeutung der von ihm entwickelten Berechnung wurde in ihrer vollen Tragweite erst in den folgenden Jahren erkannt. Planck selbst, der als der Begründer der Quantenphysik bezeichnet wird, stand seiner Schöpfung skeptisch gegenüber.
In dem 1905 veröffentlichten Aufsatz von Einstein mit dem Titel „Über einen die Erzeugung und Verwandlung des Lichtes betreffenden heuristischen Gesichtspunkt“ stellt er u. a. auf der Grundlage von Arbeiten des Physikers Philipp Lenard zum photoelektrischen Effekt die Lichtquantenhypothese auf, die besagt, dass die Energie des Lichts in lokalisierte und unteilbare „Portionen“ (eben die Lichtquanten) unterteilt ist.4 Weiterhin geht er in seinem Ansatz unter Bezugnahme auf Lenard davon aus, dass ein einzelnes Elektron durch ein ganzes, unteilbares Lichtquant aus Materie herausgelöst werden kann. Mit Einsteins Lichtquantenhypothese wird die von Planck angenommene Quantisierung – ein Begriff, den Planck in seinem Aufsatz noch nicht verwendet hat – verallgemeinert. Allerdings unterscheidet sich Einsteins Ansatz von dem Plancks. Während Planck davon ausging, dass Strahlung nicht in beliebigen Einheiten sondern in Form von Energiepaketen abgegeben wird, nahm Einstein an, dass das Strahlungsfeld selbst aus Lichtquanten besteht. Nach Einsteins Vorstellung ist die Energie des Lichtes diskontinuierlich im Raume verteilt und die in Raumpunkten lokalisierten Energiequanten können, ohne sich zu teilen, nur als Ganze absorbiert und erzeugt werden. Einsteins Hypothese fand lange Zeit keinen großen Zuspruch, da sie im Widerspruch zum etablierten Wellencharakter von Licht stand. Dennoch erhielt Einstein 1922 den Nobelpreis für eben diese Arbeit.5 In der Begründung hieß es: „für seine Verdienste um die theoretische Physik, besonders für seine Entdeckung des Gesetzes des photoelektrischen Effekts“.6
Während Planck den Begriff Quant7 noch nicht verwendet, spricht Einstein von Energie- und Lichtquanten. Mit Licht meint Einstein jede Form von elektromagnetischer Strahlung. „Licht“ oder elektromagnetischen Strahlung sind sich periodisch ändernde elektrische- und magnetische Felder. Zu ihrer Beschreibung verwendet man die Größen Frequenz („ѵ“ sprich „nü“) und Wellenlänge („λ“ sprich „lambda“). Mit „Licht“ im engeren Sinne bezeichnet man heute meist nur den für den Menschen sichtbaren Teil der elektromagnetischen Strahlung. Sichtbar für den Menschen ist aber nur die elektromagnetische Strahlung eines bestimmten Frequenz- bzw. Wellenlängenbereichs wie z. B. das Sonnenlicht oder Farben. Auf die Entstehung von Licht und ganz allgemein elektromagnetischer Strahlung wird in den Kapiteln „Was ist Energie“ und „Alles ist Licht“ näher eingegangen. Das kleinstmögliche „Energiepaket“ der elektromagnetischen Strahlung nennt man Lichtquant oder Photon. Deren Energie ist ein Vielfaches des Planckschen Wirkungsquantums (E =hv). Das Plancksche Wirkungsquantum h bestimmt das Verhältnis von Frequenz und Energie und beträgt 6,6 * 10-34 Joulesekunden (Eine 1 geteilt durch eine 1 mit 34 Nullen). Die Zahl ist sehr klein, so dass wir den Quantencharakter von Licht in unserem Alltag nicht direkt wahrnehmen können. In der später entwickelten Feldtheorie, der sog. Quantenelektrodynamik (QED), die in Kapitel 20 näher erläutert wird, wird Licht weder als Welle noch als Teilchen sondern als angeregter Zustand aufgefasst. Der anschauliche Begriff des Teilchens ist im Grunde irreführend. Bei Teilchen denkt man gemeinhin an ein winzig kleines Stückchen Materie. In der Quantenphysik haben Teilchen nicht zwingend mit Materie im Sinne von massebehaftet zu tun, noch lässt sich ihr Verhalten allein mit den Gesetzen der klassischen Physik beschreiben. Insbesondere ist das Photon der QED kein lokalisiertes Objekt mehr. Es sollte folglich nicht mit seinem historischen Vorläufer (dem Lichtquant Einsteins) identifiziert werden.
Planck verwendet den Begriff Quant noch nicht.
1924 entwickelte Louis de Broglie eine Theorie, die auch Materie einen Wellencharakter zuschreibt. Er stellte die nach ihm benannte De-Broglie-Gleichung auf, die besagt, dass die Wellenlänge eines Teilchens sich aus dem Planckschen Wirkungsquantum geteilt durch seinen Impuls berechnet. Experimente der amerikanischen Physiker Davisson und Germer zur Streuung von Elektronen an einem Kristall aus dem Jahr 1927 bestätigten diese Hypothese. Sehr viel später wurde mit dem Doppelspaltexperiment für Elektronen eine besonders spektakuläre Bestätigung des „Wellencharakters“ von Materie geliefert. . Die Schwierigkeit des experimentellen Nachweises liegt darin begründet, dass die betreffende Wellenlänge enorm klein ist – zu ihrer Messung also ebenfalls sehr kleine Strukturen verwendet werden müssen. Gleichzeitig wird auf diese Weise verständlich, warum der „Wellencharakter“ von Materie in alltäglichen Situationen ohne Bedeutung ist.
Das Jahr 1925 wird als Geburtsstunde der Quantenmechanik angesehen. In den Jahren 1925 und 1926 entstanden zwei wichtige Theorien, die die bisherigen Ergebnisse und Hypothesen der Quantenphysik in den Rahmen eines geschlossenen mathematischen Formalismus einfügten. Der Begriff Quantenmechanik fand Verbreitung, weil sich die Quantenmechanik an die klassische Mechanik, die die Lehre von der Bewegung von Körpern und den dabei wirkenden Kräften ist, anlehnt, wobei sie neue Konzepte entwickelte, die quantenphysikalische Prozesse besser beschreiben konnten. Im heutigen Sprachgebrauch wird jedoch meist nicht zwischen den Begriffen Quantenphysik und Quantenmechanik unterschieden. Manche verwenden auch den Begriff moderne Quantentheorie, womit meist die relativistischen Quantenfeldtheorien gemeint sind, die in Kapitel 20 beschrieben werden. Im Allgemeinen spricht man jedoch von Quantenphysikern oder Quantentheoretikern und nur selten von Quantenmechanikern.
Eine der beiden grundlegenden Theorien der Quantenmechanik war die Matrizenmechanik, die von Max Born, Pascual Jordan und Werner Heisenberg entwickelt wurde. Sie entstand vor dem Hintergrund der Forschungen der vorangegangenen Jahre. 1913 hatte Bohr sein Atommodell vorgestellt, nach dem ein Atom aus einem positiv geladenen Atomkern und leichten, negativ geladenen Elektronen besteht, die den Atomkern auf geschlossenen Bahnen umkreisen. Da sich Bahnen und Umlaufzeiten von Elektronen nicht direkt beobachten ließen, vertraten Born, Jordan und Heisenberg die Ansicht, dass die Forschung dahin gehen müsse, messbare Strahlungsfrequenzen und Spektrallinienintensitäten zu untersuchen, um darauf eine der klassischen Mechanik analoge quantentheoretische Mechanik auszubilden, die nur auf beobachtbaren Größen aufbaut. 1926 entwickelte Erwin Schrödinger auf der Grundlage der von De Broglie angenommenen Materiewelle die Wellenmechanik und die nach ihm benannte Schrödinger-Gleichung. Die Wellenmechanik beschreibt Elektronen durch eine Wellenfunktion. Zunächst war unklar, wie diese Welle zu deuten sei. Vielen (darunter Schrödinger selbst) erschien es zunächst plausibel, anzunehmen, dass Elektronen tatsächlich keine punktförmige Teilchen seien, sondern (minimal) ausgedehnte Anregungen eines Felds. Diese Hoffnung bestätigte sich nicht und noch im selben Jahr schlug Max Born vor, die Welle als Wahrscheinlichkeitswelle zu deuten. Damit ist gemeint, dass sich mit ihrer Hilfe die Wahrscheinlichkeit berechnen lässt, ein punktförmiges Elektron bei einer Messung nachzuweisen. Die beiden unterschiedlichen Ansätze von Heisenberg und Schrödinger führen zu den gleichen Ergebnissen, was Schrödinger und später auch andere Wissenschaftler nachweisen konnten. Die Schrödinger-Gleichung hat jedoch größere Verbreitung gefunden. Die Berechnungen von Aufenthaltswahrscheinlichkeiten tragen dem Sachverhalt Rechnung, dass der genaue Aufenthaltsort (das gleiche gilt auch für andere Eigenschaften) eines Teilchens nicht mit Bestimmtheit vorausgesagt werden kann. Dies ist ein wichtiges Prinzip auf der Quantenebene. Genauso wie sich klassische Wellen überlagern können, können auch Quantenobjekte in einer Überlagerung von verschiedenen Zuständen vorliegen. Dies wird auch Superposition genannt. Superposition bedeutet im weiteren Sinne, dass ein Quantenobjekt mehrere Eigenschaften gleichzeitig besitzt – oder aber, was vielleicht besser verständlich ist, keine definierte Eigenschaft hat. Erst durch den Messvorgang wird die Aufenthaltswahrscheinlichkeit auf einen konkreten Ort reduziert.
1927 stellte Werner Heisenberg die nach ihm benannte Unschärferelation auf, die besagt, dass an einem Teilchen zwei bestimmte Eigenschaften wie z. B. Ort und Impuls nicht gemeinsam einen exakt definierten Wert haben können. Im gleichen Jahr beschrieb Paul Dirac die Wechselwirkung zwischen der elektromagnetischen Strahlung und Materie. Darauf aufbauend begründeten Richard P. Feynman, Julian Schwinger und Shin’ichirō Tomonaga die Quantenelektrodynamik. Die Quantenelektrodynamik ist eine Feldtheorie, die Quantenteilchen nicht als einzelne Teilchen beschreibt, sondern als Anregungszustände eines „Quantenfeldes“.
Ab den 60er Jahren folgten Feldtheorien zur schwachen und starken Wechselwirkung, die die entsprechende Theorie der elektrischen Wechselwirkung verallgemeinerten.8 Diese Kräfte sind für atomare Zerfallsprozesse bzw. den Zusammenhalt des Atomkerns verantwortlich. Die gesamten Erkenntnisse führten zu dem Standardmodell der Teilchenphysik, das alle Quantenteilchen und ihre Wechselwirkungen beschreibt.
Die Korrelation von Teilchen beschäftigte unter anderem auch John Bell, der 1964 mit seiner berühmten Bellschen Ungleichung mathematisch nachweisen konnte, dass Teilchen in einer bis heute nicht hinlänglich erklärten Form miteinander in Wechselwirkung stehen. Ab 1972 konnte in unterschiedlichen Experimenten nachgewiesen werden, dass tatsächlich die Messung an einem Teilchen Auswirkungen auf ein beliebig weit entferntes Teilchen haben kann. Dies wird Verschränkung genannt. Experimente in den letzten Jahrzehnten haben gezeigt, dass sich Quantenzustände über Quantenverschränkung teleportieren lassen. Dies wird Quantenteleportation genannt. Der vorerst letzte Meilenstein in der Geschichte der Quantenmechanik geht auf das Jahr 2012 zurück, in dem, wie es scheint, das so genannte Higgs-Teilchen entdeckt wurde. Über dieses Quantenobjekt erhalten Teilchen eine Masse.
Zusammenfassend die wichtigsten Merkmale der Quantenphysik:
In diesem Buch wird der Begriff Quantenphysik für alle quantenphysikalischen Theorien verwendet und schließt die Quantenmechanik mit ein. Die Grundlagen der Quantenphysik werden in den folgenden Kapiteln näher erläutert.
2 Im Folgenden sollen die Begriffe „Quantenphysik“, „Quantenmechanik“ und „Quantentheorie“ synonym verwendet werden.
3 Der Physiker Max von Laue bezeichnete den Vortrag von Planck als Geburtsstunde der Quantenphysik – in der Wissenschaftsgeschichte gibt es eine kontroverse Debatte um die genaue Interpretation von Plancks Arbeit. Diese Details müssen uns hier aber nicht interessieren.
4 Aufsatz von Albert Einstein: „Über einen die Erzeugung und Verwandlung des Lichtes betreffenden heuristischen Standpunkts“, Annalen der Physik, Verlag von Johann Ambrosius Barth, Leipzig 2005, S. 132 – 148, abgerufen über http://grundpraktikum.physik.uni-saarland.de/scripts/Einstein_1.pdf
5 Der Nobelpreis wurde im November 1922 verkündet und im Dezember 1922 rückwirkend für das Jahr 1921 verliehen, da das Auswahlkomitee 1921 keinen Preisträger fand, der die von Alfred Nobel gestellten Anforderungen erfüllte.
6 https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Nobelpreistr%C3%A4ger_f%C3%BCr_Physik, abgerufen März 2017
7 In seinem berühmten Aufsatz aus dem Jahr 1900 spricht er nur einmal von dem „Quantum der Elektricität“.
8 https://de.wikipedia.org/wiki/Schwache_Wechselwirkung
Hellseher gucken in ihre Bleikristallkugel, für die Quantenphysiker lohnt sich der Blick in den schwarzen Hohlkörper. Auch wenn sie damit nicht die Zukunft weissagen können, ziehen sie daraus doch bahnbrechende Erkenntnisse. Was hat es mit diesen schwarzen Hohlkörpern auf sich? Genau genommen spricht man von schwarzen Körpern oder Hohlraumstrahlern. Als schwarzen Körper bezeichnet man ein Gebilde, das jegliche elektromagnetische Strahlung absorbiert. Dies könnte z. B. eine Kugel mit einem kleinen Loch sein. Der Körper muss nicht zwingend eine schwarze Farbe haben. Ein Gegenstand erscheint schwarz, wenn er alle auf ihn gestrahlten elektromagnetischen Wellen vollständig absorbiert. Die vollständige Absorption von Licht bedeutet aber nicht, dass ein schwarzer Körper kein Licht aussendet, sondern nur, dass das Spektrum der abgegebenen elektromagnetischen Strahlung allein durch seine Temperatur bestimmt ist. Erhitzt man einen solchen schwarzen Körper, gibt er elektromagnetische Strahlung ab.9 Man kann nun beobachten, welche Wellenlängen bei einer bestimmten Temperatur vorherrschen. Bei hohen Temperarturen ist der Anteil der kurzwelligen Strahlung größer und bei niedrigeren Temperaturen ist der Anteil der langwelligen Strahlung größer. Für dieses Verhalten, das heißt für die Energiedichte der Strahlung, wurden theoretische Vorhersagen entwickelt. Das Konzept des schwarzen Körpers wurde 1859 von Gustav Kirchhoff zwecks Herleitung einer nur von Temperatur und Frequenz abhängigen Strahlungsfunktion entwickelt. Im 19. Jahrhundert wusste man noch wenig über den Aufbau der Materie, aber im Jahr 1896 gelang Wilhelm Wien die Herleitung eines Strahlungsgesetzes, dass zu den bekannten Messergebnissen passte. Das Gesetz beschreibt, welche Wellenlänge den größten Beitrag zur der abgegebenen Strahlung leistet. Die Wellenlänge der intensivsten Strahlung hängt dabei nur von der Temperatur des schwarzen Körpers ab. Im Jahr 1900 führten Heinrich Leopold Rubens10 und Ferdinand Kurlbaum genauere Experimente zur Hohlraumstrahlung durch, die nachwiesen, dass das Wiensche Strahlungsgesetz nur bei kleinen, nicht aber bei großen Wellenlängen zutrifft.
Für diese großen Wellenlängen stimmen die Messungen jedoch mit dem Rayleigh-Jeans-Gesetz überein, das im Jahr 1900 von Rayleigh in einer noch fehlerhaften Form entwickelt und im Jahr 1905 von James Jeans in korrigierter Form veröffentlicht wurde. Bei sehr kleinen Wellenlängen führte dieses Gesetz jedoch zu keinen sinnvollen Ergebnissen – es sagte tatsächlich eine unendlich starke Strahlung im Bereich der ultravioletten Wellen voraus. Dies wird auch Ultraviolett-Katastrophe genannt, ein von Paul Ehrenfeld 1911 geprägter Ausdruck. Der Name erklärt sich dadurch, dass die Ultraviolettstrahlung eine kurzwellige Strahlung ist, für das das Wiensche Strahlungsgesetz gilt.
Max Planck beschäftigte sich als theoretischer Physiker mit dieser Thematik und begründete damit – man muss sagen ungewollt – die Geburtsstunde der Quantenphysik. 11 Er stellte seine berühmte Formel am 14. Dezember 1900 auf einer Sitzung der Deutschen Physikalischen Gesellschaft vor.
In seinem berühmten Aufsatz heißt es:
„Indessen liegt mir heute nicht sowohl daran, jene Deduction, welche sich auf die Gesetze der elektromagnetischen Strahlung, der Thermodynamik und der Wahrscheinlichkeitsrechnung stützt, hier systematisch in allen Einzelheiten durchzuführen, als vielmehr daran, Ihnen den eigentlichen Kernpunkt der ganzen Theorie möglichst übersichtlich darzulegen, und dies kann wohl am besten dadurch geschehen, dass ich Ihnen hier ein neues, ganz elementares Verfahren beschreibe, durch welches man, ohne von einer Spectralformel oder auch von irgend einer Theorie etwas zu wissen, mit Hülfe einer einzigen Naturconstanten die Verteilung einer gegebenen Energiemenge auf die einzelnen Farben des Normalspectrums, und dann mittels einer zweiten Naturconstanten auch die Temperatur dieser Energiestrahlung zahlenmässig berechnen kann.“12
und weiter heißt es:
„… lässt sich auch als eine nähere Präcisirung der von mir eingeführten Hypothese der natürlichen Strahlung auffassen, die ich bisher nur in der Form ausgesprochen habe, dass die Energie der Strahlung sich vollkommen „unregelmässig" auf die einzelnen in ihr enthaltenen Partialschwingungen verteilt.“13
Die korrekte Berechnung der Strahlung ist durch die Einführung einer Naturkonstanten, des Planckschen Wirkungsquantums14, möglich. Plancks Formel trägt der Tatsache Rechnung, dass Strahlungsenergie nicht kontinuierlich abgegeben werden konnte. Der Austausch der Energie findet in kleinen Energiepaketen statt.
Das Revolutionäre dieser Erkenntnis lag darin, dass im Gegensatz zur klassischen Physik Energie nicht kontinuierlich abgeben wird, sondern in Paketen oder in Energiesprüngen. In seinem Aufsatz verwendet Planck noch nicht die Begriffe Quanten und Quantisierung. Planck selbst konnte sich mit diesem neuen Weltbild, das sich erst in den Folgejahren entwickelte und der klassischen Physik widersprach, nicht wirklich anfreunden und bezeichnete seine Formel als eine Art Kunstgriff. Er versuchte noch bis in die 20er Jahre die Quantenphysik mit der klassischen Physik in Einklang zu bringen.
Eine Erweiterung erfuhr die Plancksche Formel durch Einsteins Lichtquantenhypothese aus dem Jahr 1905, für die Einstein 1922 den Nobelpreis erhielt. Wie kam es zu dieser Hypothese? Im Jahr 1888 entdeckte Wilhelm Hallwachs den nach ihm benannten: Wird eine negativ geladene Metallplatte mit Licht bestrahlt, werden aus der Oberfläche Elektronen herausgelöst. Philipp Lenard führte im Jahr 1900 Untersuchungen durch, die auf Experimente von Heinrich Hertz und Wilhelm Hallwachs aufbauten, und entdeckte dabei etwas sehr Interessantes: Bei steigender Lichtintensität wächst die Zahl der herausgelösten Elektronen nicht jedoch ihre Energie. Ihre Energie ist ausschließlich von der Frequenz des eingestrahlten Lichts abhängig. Diesen Sachverhalt erklärte Albert Einstein 1905 mit der Lichtquantenhypothese. Er ging davon aus, dass die Energiequanten nicht nur eine Rechengröße sind, sondern dass die von einem Lichtstrahl ausgehende Energie, wie oben bereits beschrieben, aus einer endlichen Zahl von in Raumpunkten lokalisierten Energiequanten besteht, welche sich bewegen, ohne sich zu teilen und nur als Ganze absorbiert und erzeugt werden können.15
Mit dieser These geht er weit über Plancks Annahme hinaus. Nicht nur die Abgabe der Wärmestrahlung eines schwarzen Körpers erfolgt in Energiepaketen, sondern die elektromagnetische Strahlung selbst ist in Energiepakete unterteilt.
Einsteins Lichtquantenhypothese warf erneut die Frage über die Natur des Lichts auf. Die Beschreibung der Natur des Lichtes ist ein bedeutendes Thema der Quantenphysik und wird in mehreren Kapiteln nochmals aufgegriffen.
Zusammenfassung:
9 Bei dem schwarzen Hohlkörper handelt es sich um eine idealisierte Vorstellung, da es keinen physikalischen Körper gibt, der alle elektromagnetischen Strahlungen vollständig absorbiert. In Experimenten ist das Loch in der Wand des Schwarzen Körpers so klein, dass durch das Loch die einfallende Strahlung nahezu vollständig absorbiert wird und durch die Öffnung nur Wärmestrahlung austritt.
10 Rubens, der die Frankfurter Wöhlerschule besuchte, beschäftigte sich insbesondere mit der Infrarotstrahlung.
11 Ein interessanter bebilderter Aufsatz zu Plancks Leben und Arbeit wurde 2008 zum 150. Geburtstag am 23. April 2008 von Lorenz Beck herausgegeben (Quellen vom Archiv der Max-Planck-Gesellschaft). Eine korrigierte Neuauflage von 2009 kann abgerufen werden unter https://www.archiv-berlin.mpg.de/49053/hausreihe_20.pdf
12 „Zur Theorie des Gesetzes der Energieverteilung im Normalspectrum; von Max Planck (Vorgetragen in der Sitzung vom 14. December 1900)“ aus Verhandlungen der Deutschen Physikalischen Gesellschaft 2 (1900), S. 237, zitiert nach http://grundpraktikum.physik.uni-saarland.de/scripts/Planck_1.pdf, Seite 3 (im Originaldokument Seite 238)
13 Ibid., Seite 7 (im Originaldokument S. 243)
14 Der Proportionalitätsfaktor beträgt h = 6,63·10-34Js, wobei das Kürzel h für diesen Faktor erst später eingeführt wurde.
15 Vgl. Aufsatz von Albert Einstein: „Über einen die Erzeugung und Verwandlung des Lichtes betreffenden heuristischen Standpunkts“, S. 133,
http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/andp.19053220607/epdf, abgerufen April 2016, mit der Titelseite zu finden unter: Annalen der Physik, Verlag von Johann Ambrosius Barth, Leipzig 2005, S. 132 - 148, abgerufen über http://grundpraktikum.physik.uni-saarland.de/scripts/Einstein_1.pdf, „Nach der hier ins Auge zu fassenden Annahme ist bei Ausbreitung eines von einem Punkte ausgehenden Lichtstrahles die Energie nicht kontinuierlich auf größer und größer werdende Räume verteilt, sondern es besteht dieselbe aus einer endlichen Zahl von in Raumpunkten lokalisierten Energiequanten, welche sich bewegen, ohne sich zu teilen und nur als Ganze absorbiert und erzeugt werden können.“
Mit dem Doppelspaltexperiment kann aufgezeigt werden, dass sowohl Licht als auch Elektronen einen Teilchen- und Wellencharakter haben können.
Schon seit der Antike beschäftigten sich Menschen mit der Frage nach der Beschaffenheit von Licht. Mit Beginn der modernen Naturwissenschaften im 17. Jahrhundert setzten sich viele Forscher und Physiker wie Newton, Huygens, Fresnel, Faraday, Maxwell und Young, um nur einige zu nennen, mit der Natur des Lichts auseinander. Es gab zwei grundsätzlich voneinander abweichende Theorien. Licht wurde entweder ein Teilchencharakter oder ein Wellencharakter zugeschrieben. Dass Licht eine elektromagnetische Strahlung ist, war im 17. und 18. Jahrhundert noch nicht bekannt.
1846 konnte Faraday zeigen, dass Licht aus zwei miteinander verbundenen Phänomenen besteht, dem elektrischen und dem magnetischem Feld. 1864 stellte Maxwell seine nach ihm benannten Gleichungen vor, die Elektrizität und Magnetismus mathematisch in einem Modell vereinten. 1886 gelang es Hertz als Erstem, im freien Raum eine elektromagnetische Welle von einem Sender zu einem Empfänger zu übertragen.
Der Vorläufer des Doppelspaltexperiments geht auf einen Versuch zurück, über den Thomas Young im Jahre 1804 schreibt:
„Ich machte ein kleines Loch in einen Fensterladen, überdeckte es mit einem Stück dicken Papieres, in das ich mit einer feinen Nadel ein Loch stach, und benutze einen Spiegel, um den dünnen Lichtstrahl umzuleiten, der durch das Loch kam. Ich nahm die dünne, ungefähr ein dreißigstel Inch (Anmerkung: etwa 0,85 mm) breite Seite einer Spielkarte und hielt sie in den Weg des Lichtstrahls, sodass dieser zweigeteilt wurde. Ich beobachtete den Schatten: neben farbigen Streifen zu beiden Seiten des Schattens war der Schatten selbst durch ähnliche parallele Streifen geteilt.“16
Der Versuch zeigte, dass es bei Licht zu Interferenz kommt und sich damit Licht wie eine Welle verhält. Betrachten wir zunächst die Begriffe Welle und Interferenz.
Bei Wellen unterscheidet man zwischen konstruktiver und destruktiver Interferenz. Wenn zwei identische Wellen, das heißt Wellental auf Wellental und Wellenberg auf Wellenberg aufeinandertreffen, verstärken sich die Wellen. Bei der destruktiven Interferenz trifft bei zwei Wellen der Wellenberg auf das Wellental und das Wellental auf den Wellenberg. Die Wellen heben sich gegenseitig auf. Dieses Phänomen wird z. B. im Zusammenhang mit Schallwellen zum Schallschutz eingesetzt. Man versucht z. B. bei Flugzeugen zur Lärmunterdrückung genau die gegenteiligen Schallwellen zu erzeugen. Wenn dies gelingt, heben sich die Wellen gegenseitig auf und im Fall von Schallwellen entsteht kein Geräusch oder Ton.
Die unterschiedlichen Versuchsanordnungen für dieses Experiment, die später auch für Versuche mit Elektronen verwendet wurden, entsprechen nicht immer exakt der folgenden Beschreibung, jedoch ist das Prinzip, das allen Versuchen zugrunde liegt, das gleiche und mit der folgenden Beschreibung am anschaulichsten darstellbar. Bei dem Doppelspaltexperiment mit Licht werden Lichtteilchen, auch Photonen genannt, auf eine Platte mit zwei Spalten (Spalt 1 und Spalt 2) gestrahlt. Im ersten Schritt wird nur einer der zwei Spalte geöffnet. Hält man bei dieser Versuchsanordnung Spalt 1 zu, verteilt sich das Licht auf der Projektionswand hinter Spalt 2.17 Das zeigt sich durch einen aus kleinen Punkten bestehenden weißen Streifen auf der Projektionswand hinter Spalt 2. Hält man nun Spalt 2 zu und öffnet nur Spalt 1 verteilt sich das Licht hinter Spalt 1 auf der Projektionswand. Dieses Ergebnis würde man erwarten. Das Ergebnis ähnelt dem Verhalten eines Fußballs, wenn Sie ihn durch eine Torwand mit zwei Löchern schießen. Wenn der Fußball eingefärbt wäre und hinter der Fußballwand eine Leinwand aufgestellt wäre, entstünden Farbpunkte hinter dem jeweils getroffenen Loch.
Was passiert nun, wenn beide Spalte geöffnet sind? Man könnte erwarten, dass ein Streifen hinter Spalt 1 und ein Streifen hinter Spalt 2 entsteht. Aber interessanterweise entspricht die Intensitätsverteilung auf dem Projektionsschirm, wenn beide Spalte geöffnet sind, nicht diesem Bild. Wenn man einen Lichtstrahl auf die Platte mit zwei geöffneten Spalten leitet, entsteht ein Streifenmuster über den ganzen Projektionsschirm hinweg und nicht nur direkt hinter den Spalten. Wie kann man sich dieses Streifenmuster erklären? Wenn man davon ausgeht, dass Licht eine Welle ist, dann sollten sich die Wellen verstärken, wenn ihre Wellenberge aufeinandertreffen (konstruktive Interferenz) und sich gegenseitig aufheben, wenn Wellenberg und Wellental aufeinanderstoßen (destruktive Interferenz). Und genau dieses Wellenverhalten zeigt das Licht durch das Streifenmuster. Bei den weißen Streifen haben sich die Wellen verstärkt und bei den schwarzen Streifen haben sich die Lichtwellen gegenseitig aufgehoben und der Projektionsschirm bleibt dunkel. Dieses Messergebnis spricht für den Wellencharakter des Lichts.
Mit Hilfe von Interferenzversuchen konnte gezeigt werden, dass auch Elektronen Wellencharakter haben können. Der erste Versuch hierzu wurde 1927 von Davisson und Germer durchgeführt.18 Ende der 50er Jahre gab es ein Experiment mit Elektronen von Claus Jönsson, das er 1959 in seiner Dissertationsarbeit beschrieb.19 Aufgrund der komplexen Versuchsanordnung konnte man sich lange Zeit nicht vorstellen, dass ein experimenteller Nachweis von Interferenzverhalten von Elektronen an solchen Spalten möglich sein würde. Jönsson gelang die Herstellung von Spalten durch ein galvanisches Verfahren mit einer Kupferfolie.20
Schematisch gesehen ist die Versuchsanordnung ähnlich wie oben beschrieben. Es wird ein Projektionsschirms verwendet, um zu zeigen, wo die Elektronen auftreffen. Auf dem Projektionsschirm entstehen Streifenmuster wie auch bei dem Versuch mit Licht. Das bedeutet, dass die Elektronen miteinander interferieren. Da Interferenz eine Eigenschaft von Wellen ist, kann man daher Elektronen einen Wellencharakter zuschreiben.
Um auszuschließen, dass die Elektronen irgendwie auf ihrem Flug miteinander kommunizieren und das eine dem anderen „zuflüstert“, dass beide Spalte geöffnet sind – wenn eine Kommunikation überhaupt möglich wäre – wurden in späteren Versuchen Elektronen einzeln geschossen. Das heißt, dass das eine Elektron schon angekommen ist, bevor man das nächste abschießt. Auch bei dieser Versuchsanordnung entsteht ein Interferenzmuster. Wie jeweils einzeln abgeschossene Teilchen ein Interferenzmuster erzeugen können, da sie einzeln durch die Luft geflogen sind, ist nicht erklärbar. Ein einzelnes Teilchen kann schließlich nicht mit sich selbst interferieren. Und wie soll es gleichzeitig durch beide Spalten geflogen sein?21
Wenn wir versuchen mit unserem normalen Alltagsbewusstsein Quantenobjekte zu verstehen, müssen wir kläglich scheitern. Richard Feynman, ein bekannter amerikanischer Quantenphysiker, sagte auf die Frage hin, ob ein Elektron eine Welle oder ein Teilchen ist: „Es ist keins von beiden.“22 Feynman hat eine mathematische Berechnungsmethode aufgestellt, die darauf beruht, dass die Elektronen alle möglichen Wege zwischen der Elektronenquelle und der Fotoplatte gleichzeitig zurücklegen können. Das scheint auf den ersten Blick nicht nachvollziehbar. Es gilt zu verstehen, dass Quantenobjekte sich anders verhalten als alles, was wir aus unserem herkömmlichen Erfahrungskreis kennen.
Um zu verstehen, wie sich die einzelnen Quantenobjekte beim Doppelspaltexperiment genau verhalten, fanden weitere Experimente statt. Bekannt ist ein Versuch von Anton Zeilinger und seinem Team.23 Bei diesem Experiment konnte aufgezeigt werden, dass sich Interferenz und die Welche-Weg-Information gegenseitig ausschließen. Dazu wurden durch ein Kristall erzeugte Photonenpaare verwendet. Es wurde gezeigt, dass sich das Photon nicht mehr wie eine Welle verhält, wenn bekannt ist, welchen Weg es zurückgelegt hat.24 Wenn die Information vorliegt, welchen Weg das Photon zurücklegt, verliert sich der Wellencharakter. Dies erscheint uns wahrscheinlich kurios, wenn wir versuchen, quantenphysikalische Gegebenheiten mit unseren vom Alltagsbewusstsein geprägten Kategorien und Denkmustern zu begreifen.
Ähnlich dem Doppelspaltexperiment, bei dem ein Quantenobjekt sich wie eine Welle verhält, wenn der Weg nicht bekannt ist (zwei Spalte) und wie ein Teilchen (keine Interferenz), wenn der Weg bekannt ist (ein Spalt), verhält sich ein Quantenobjekt in dieser Versuchsanordnung auch wie ein Teilchen, wenn sein Weg gemessen wird.
Die unterschiedlichen Versuchsanordnungen zeigen, dass es auf Quantenebene nicht möglich ist, bestimmte unterschiedliche Größen wie z. B. Ort und Impuls gleichzeitig zu messen bzw. zu bestimmen und dass sich je nach Versuchsanordnung ein Quantenobjekt wie ein Teilchen oder wie eine Welle verhält. Diesen Sachverhalt nennt man Welle-Teilchen-Dualismus. Zur Deutung des Wellen- und Teilchencharakters von Quantenobjekten wurden verschiedene Vorschläge gemacht. Die bekannteste ist die so genannte Kopenhagener Deutung. Daneben gibt es noch die Viele-Welten-Theorie und die Bohmsche Mechanik. Auf diese Theorien gehe ich in den Kapiteln 14 und 15 näher ein.
Das Doppelspaltexperiment wurde auch mit Teilchen durchgeführt die deutlich größer als z. B. Elektronen sind. Die Forschergruppe um Anton Zeilinger und Markus Arndt der Universität Wien führten im Jahr 2000 Versuche mit Fullerenen durch25. Dabei handelt es sich um Kohlenstoffverbindungen, die sich aus 60 bis 70 Atomen zusammensetzen.26 Das Fulleren C 60 besteht aus je 360 Protonen, Neutronen und Elektronen. Aufgrund der Anordnung der Atome sieht dieses Molekül einem Fußball ähnlich.
Das C 60 Fulleren besteht aus 20 Sechsecken und 12 Fünfecken:
Darüber hinaus hat man das Experiment auch mit noch größeren Objekten, sogenannten Biomolekülen, durchgeführt. Biomoleküle sind biologisch aktive Moleküle wie z. B. Proteine. Das schwerste Biomolekül bestand aus 108 Atomen. Diese Moleküle verhielten sich dabei genauso wie die zuvor diskutierten Elektronen. Im Jahr 2005 wurde eine Variante des Doppelspaltexperiments unter Beteiligung des Max-Planck-Instituts für Quantenoptik in Garching durchgeführt. Ein Atom wurde mit Lichtpulsen im Attosekundenbereich (ein Milliardstel einer Milliardstel Sekunde (10-18 Sek.) beschossen und damit dem Elektron die Möglichkeit gegeben, je nach Art des Lichtimpulses über einen oder zwei Wege das Atom zu verlassen. Auch bei diesem Versuch verhielt sich das Elektron wie im klassischen Doppelspaltexperiment.27 Wir sehen, dass sowohl in hochkomplexen Versuchsaufbauten als auch bei Versuchen mit Molekülen die Problematik der Abgrenzung von Teilchen und Welle auftritt. Zusätzlich zeigt der Versuch mit den Molekülen, dass auch die Abgrenzung von Quantenebene und unserer normalen Alltagswelt bzw. der Quantenphysik und der klassischen Physik äußert schwierig ist. Diese Problematik wird auch in dem Gedankenexperiment mit Schrödingers Katze veranschaulicht, auf die ich später eingehe.
Dass sich ein Teilchen nicht wie ein Objekt in der klassischen Physik festnageln lässt und sich unserer grundlegenden Erkenntnis teilweise entzieht, ist ein typisches Merkmal der Quantenphysik. Ein mathematisches Erklärungsmodell für dieses Verhalten liefert die Heisenbergsche Unschärferelation, auf die ich im nächsten Kapitel eingehe.
Zusammenfassung:
16 Übersetzung vom Karlsruher Institut für Technik, Original: T. Young 1804 Experiments and calculations relative to physical optics (The 1803 Bakerian Lecture) Philosophical Transactions of the Royal Society of London 94 1-16, http://psi.physik.kit.edu/133.php, abgerufen Mai 2016, Originaltext zu finden unter http://rstl.royalsocietypublishing.org/content/94/1.1.full.pdf+html
17 Die Streifen sind wegen des Beugungseffekts am Rand etwas unscharf und eine Beugung findet auch schon am Spalt statt.
18 Ein Nickel-Einkristall wird mit Elektronen beschossen und der Streuwinkel der reflektierten Elektronen untersucht. Vgl. http://www.leifiphysik.de/quantenphysik/quantenobjekt-elektron/versuche/versuch-davisson-und-germer, abgerufen Mai 2016
19 Der Versuch wurde 1961 in der Zeitschrift für Physik veröffentlicht. „Elektroneninterferenzen an mehreren künstlich hergestellten Feinspalten“, Jönsson, C. Z. Physik (1961) 161: 454. doi:10.1007/BF01342460, abgerufen unter http://link.springer.com/article/10.1007/BF01342460
20 Vgl. http://www.leifiphysik.de/quantenphysik/quantenobjekt-elektron/versuche/doppelspaltversuch-von-joensson
21 Vgl. Silvia Arroyo Camejo, Skurille Quantenwelt, S. 48
22 Zitiert nach Silvia Arroyo Camejo, Skurille Quantenwelt, S. 70
23 Complementarity and the Quantum Eraser, Thomas J. Herzog, Paul G. Kwiat, Harald Weinfurter, and Anton Zeilinger, Phys. Rev. Lett. 75, 3034 – Published 23 October 1995, abgerufen unter
https://journals.aps.org/prl/abstract/10.1103/PhysRevLett.75.3034
24 Später hat man diesen Versuchsaufbau quasi auf die Spitze getrieben. Wenn gemessen wurde, welcher Spalt passiert wurde und diese Information vor Auftreffen des Teilchens schon wieder gelöscht wurde, dann verhielt sich das Teilchen auch wie eine Welle. Das bedeutet, dass nicht der Messvorgang an sich den Wellen- oder Teilchencharakter des Teilchens beeinflusst, sondern die Kenntnis dieser Information. Wurde die Information rechtzeitig gelöscht und war somit die Information nicht bekannt, dann hat der Messvorgang keinen Einfluss gehabt. Man nennt dies Quantenradierer. (Vgl. http://www.nasonline.org/publications/biographical-memoirs/memoir-pdfs/mandel-leonard.pdf, S. 13, abgerufen April 2016)
25 Vgl. http://www.mikomma.de/optik/doppel/hirlinger.htm, von W. P. Hirlinger mit Genehmigung von Dr. M. Arndt zusammengestellte Folien zu Experimenten der molekularen Quantenoptik am Institut für Experimentalphysik der Universität Wien
26 Diese Kohlenstoffverbindungen kommen auch in Schungit vor, einem Gestein, dass hauptsächlich in Russland vorkommt und dem Heilwirkungen nachgesagt werden.
27 Vgl. Max-Planck-Gesellschaft: https://www.mpg.de/502672/pressemitteilung20050810, abgerufen Mai 2016
Mit der Heisenbergschen Unschärferelation wird mathematisch ausgedrückt, dass sich bestimmte so genannte komplementäre Größen eines Teilchens nicht gleichzeitig exakt bestimmen lassen und nicht gemeinsam einen exakten Wert besitzen können. Die letzte Formulierung soll dabei deutlich machen, dass es sich bei der Unschärferelation nicht bloß um eine Aussage über die experimentelle Bestimmbarkeit von komplementären Größen handelt. Heisenberg formulierte diese Formel im Jahr 1927 und legte als Messgrößen den Ort und den Impuls28 eines Teilchens zugrunde. Die Formel ist eine Ungleichung, die besagt, dass Impulsunschärfe multipliziert mit der Ortsunschärfe größer oder gleich einem vom Planckschen Wirkungsquantum abgeleiteten Wert ist. Ich möchte nicht in die Mathematik einsteigen; die Formel dient nur der Veranschaulichung.
Die Heisenbergsche Unschärferelation:
Δx ist dabei die Unsicherheit der Ortskoordinate, Δp die Unsicherheit der Impulsangabe und h ist das Plancksche Wirkungsquantum.
Auch als Laie kann ich der Formel entnehmen, dass bei einer Verringerung des Wertes Δx, der Wert von Δp größer wird. Das heißt, je genauer man den Ort bestimmen möchte (d.h. je kleiner seine Ortsunschärfe Δx ist), desto ungenauer wird die Angabe zum Impuls. Würde man z. B. beim Doppelspaltexperiment durch Verwendung von Röntgenstrahlung den Ort des Elektrons bestimmen wollen, würde das Interferenzmuster auf dem Schirm verschwinden. Bei der Verwendung von Messgeräten, in dem Fall von Röntgenstrahlung, würde die Strahlung in Wechselwirkung mit den Elektronen treten und somit ihren Impuls beeinflussen.
Wenn niederfrequente Strahlung eingesetzt werden würde, bliebe das Interferenzmuster erhalten, allerdings könnte dann keine Aussage über die Wahl des Spalts getroffen werden. Nach dem heutigen Erkenntnisstand ist das Prinzip der Komplementarität gewisser Größen ein grundlegendes Charakteristikum der Quantenphysik. Es geht dabei folglich nicht nur um die technischen Möglichkeiten eines passenden Versuchsaufbaus. Auch mathematisch ist es nicht möglich, zwei komplementäre Größen wie den Ort und Impuls eines Quantenobjekts gleichzeitig einen definierten Wert zuzuweisen. Anton Zeilinger sagt dazu:
„Es kann also auch rein mathematisch kein Elektron geben, das gleichzeitig einen wohldefinierten Ort und einen wohldefinierten Impuls besitzt. Dies gilt natürlich nur so lange, als die Grundgesetze der Quantenphysik in der Form, wie sie von Heisenberg und Schrödinger hergeleitet wurden, gültig bleiben. Wir hatten aber schon angemerkt, wie exakt die Vorhersagen der Quantenmechanik in der Natur anzutreffen sind, und haben deshalb vermutet, dass es sehr unwahrscheinlich ist, dass die quantenphysikalischen Grundgesetze sich in irgendeiner Form als falsch herausstellen könnten.“29
Zusammenfassung:
Die Heisenbergsche Formel zeigt, dass die nicht gemeinsame, scharfe Definierbarkeit und Bestimmbarkeit von komplementären physikalischen Größen eines Quantenobjekts eine fundamentale Eigenschaft der Quantenphysik ist.
Wenn wir einen Apfel fallen lassen, wissen wir, wo er sich nach einer Sekunde befindet und wo er landen wird. Bei Quantenobjekten ist das nicht so. Ein weiteres Beispiel für die Diskrepanz zwischen unserer Alltagswelt und quantenmechanischen Prozessen zeigt sich auch in einem Gedankenexperiment namens Schrödingers Katze.
28 Der Impuls ist die Geschwindigkeit in eine Richtung multipliziert mit der Masse.
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