Autor:
Dr. Hans Schulz
im alten Dorf 8
59192 Bergkamen
Germany
Herstellung und Verlag:
BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN 978-3-7504-3866-8
Auflage 2020
Meinem Sohn Matthias Schulz danke ich für die aufopfernde Mühe, die mit dem Lesen der Korrekturfahnen verbunden war und für seine zahlreichen nützlichen Tipps stilistischer und technischer Art.
siehe Seite →
Der Beginn kostete mich Überwindung. Dennoch, es gab das Bedürfnis, etwas herauszufinden und auf den vor mir liegenden Blättern in Wort und Bild festzuhalten. Das „Etwas" war gleichzusetzen mit Aufklärung über Abstammung, Werdegang und Lebensweise von Willi, meinem liebenswerten Vater, geschätzt von allen, die ihn kannten.
Man wusste, Willi war sportlich veranlagt, in jungen Jahren Fußballer, aufgeschlossener lebensbejahender Student der Theologie, später Pfarrer, beliebter Seelsorger, mitreißender Prediger, Philanthrop, kein Asket. Für mich blieb manches ungeklärt. Was hatte beispielsweise den Sohn einer Köchin und eines Gastwirtes bewogen, Pastor zu werden.
Obwohl treu sorgender Vater, dazu voller Hingabe seinen Amtspflichten als beamteter Pfarrer nachkommend, beabsichtigte ich, ihn trotz seiner Unbescholtenheit „unter die moralische Lupe zu nehmen", um einiges mehr über die Hintergründe seiner Wesensart zu erfahren.
Seit Jahrzehnten beschäftigte mich die Frage nach Abstammung und Eigentümlichkeiten der Eltern und Urahnen im Spiegel der Historie. Mein Schulabschluss datiert auf den 3. März 1961. Ich war 20 Jahre alt.
Zwischen Abitur am neusprachlichen Gymnasium im niedersächsischen Lüchow und Beginn des Sommersemesters an der Georgia Augusta in Göttingen stand eigentlich Müßiggang auf dem Plan. Das beabsichtigte Studium der Chemie würde nach der Erholungsphase vom Abistress ohnehin meine geistigen, wie wohl auch körperlichen Kapazitäten stark in Anspruch nehmen. Diese Mutmaßung sollte sich später in vollem Umfang bestätigen. Nun, Untätigkeit widerstrebte meinem Naturell. So blätterte ich eher zufällig im Familienbuch der Eltern. Irgendwie störte darin die gähnende Leere auf der Stammbaumtafel. Für den in den 1930er Jahren von Nazis geforderten Ariernachweis erschien mir die Lückenhaftigkeit der Ahnenauflistung erheblich. Aber als Pastor und Verfechter der Sache Luthers, seit 1939 im süderelbischen Hamburg tätig, galt Willi als eine Art integere Vertrauens- und Respektsperson. Außerdem gewährte sein urdeutsch-arischer Nachname Schulz gewissen Schutz vor eventuellen Rückfragen seitens der nationalsozialistisch gelenkten Behörden.
Eine Klassenkameradin und Freundin hatte mir, damals Schüler, vorgeworfen, Absolutheitsansprüche zu verfolgen, die irgendwann einmal im Wahn enden könnten. Diese mir von ihr unterstellte negative Charaktereigenschaft entwickelte sich möglicherweise als Haupttriebfeder meines dringenden Wunsches, die Stammbaumlücken schließen zu wollen. Unvollständige oder vermeintlich halbherzige Dinge erweckten in mir Misstrauen und den unbändigen Drang zur Komplettierung.
So schwang ich mich eines Tages aufs Fahrrad und steuerte einige verheißungsvolle Pfarrämter der Kirchdörfer des Wendlandes an. Willis freundliche Amtsbrüder, von denen einer mich unter vorgehaltener Hand bereits als künftigen Schwiegersohn handelte, verschafften mir ungehinderten Zugang zu Kirchenarchiven. In den Pfarrämtern Plate, Küsten und Satemin wurde ich fündig. Exakt geführte Register in riesigen verstaubten, teils schweinsledergebundenen Folianten gaben Namen und Status der Ahnen preis, von der Geburt bis zur Bahre.
Nicht selten vermerkte der Schreiber die Todesursachen. Die meisten Eintragungen in Sütterlin konnten lückenlos bis kurz nach dem Dreizigjährigen Krieg zurückverfolgt werden.
Glücklicherweise stand die Wiege sowohl von Willi als auch von seiner Frau Anneliese und die der meisten Vorfahren im hannoverschen Wendland, dem heutigen Kreisgebiet Lüchow-Dannenberg. Auf diese Weise gelang es ohne Mehraufwand, in väterliche und mütterliche Richtungen zu forschen.
Damit nicht genug. Später ergänzten weitere Quellen aus der Universitätsbibliothek Göttingen die Recherchen. Dazu gehörte das Winsener Schatzregister von 1450/511 , ein Verzeichnis der in den Ämtern des Fürstentums Lüneburg vorhandenen Unterlagen von 1563/642 sowie Huldigungsregister des Fürstentums Dannenberg aus den Jahren 1666 bis 16713.
Doch jedes Ding hat seine naturgegebenen Grenzen. So auch das anfängliche eifrige Streben nach Vollkommenheit in der Erstellung eines Berichtes über die Familiengeschichte. Inzwischen hatte sich aber folgende Erkenntnis bei mir durchgesetzt: je verbissener ich den Wunsch nach absoluter Perfektion und Textklarkeit verfolgte, desto eher schlug dem emsigen Forscher und Schreiber die Heisenbergsche Unschärferelation ein Schnippchen. Meine ursprüngliche Absicht, in geordneter chronologischer Abfolge zu berichten und alle Lücken zu schließen, erfuhren den jähen Bruch. Das vom Zufall bestimmte randomisierte Konzept behielt stets die Oberhand. Ohnmächtig gegenüber dem Naturdiktat der Quantentheorie fuhr ich fort, familienbezogene Einzelheiten unter besonderer Berücksichtigung der Lebensgeschichte von Willi zu ergründen, ohne festes Schema, gerade so, wie es mir in den Sinn kam.
Die Bruchstückhaftigkeit von Willis Stammbaum sollte dennoch vor dem Hintergrund wichtiger historischer Ereignisse in chronologisch geordneter Abfolge, vor allem aus posthumer Ehrfurcht vor den Ahnen, als nicht zu lückenhaft erscheinen, ausgedrückt in Analogie zum niedersächsischen Hallenhaus, bei dem die Ständerreihe den Überbau stützt.
Als ich das Buch des Kölner Slawisten Reinhold Olesch, betitelt „Fontes linguae dravaenopolabicae minores", durchblätterte, deckte ich zu meiner großen Überraschung verwandtschaftliche Beziehungen der väterlichen Vorfahren zum wendischen Bauernchronisten Johann Parum Schultze auf 4. Das Schlüsselereignis einer Verbindung von Willis Urahnen mit Johann Parum (Parum = verkürztes Paridam, Bedeutung unbekannt) Niebuhr alias Schultze (1677-1740) fand vor nunmehr acht Generationen statt. Anno 1715 heiratete Johann Friedrich Schultze, leiblicher Bruder von Parum, die damals 23-jährige Catharina Maria Schultze, Tochter des Bauern Hanns Schultze (1655-1728), der den Hof Nr.20 in Müggenburg bewirtschaftete. Hanns Schultze war Willis Ur-Großvater in direkter väterlicher Linie, acht Generationen zurückliegend.
Der Hofplatz, Stammhof der Familie Schulz, läßt sich bis in das Jahr 1451 zurückverfolgen. Über Generationen änderte sich der Familienname, 1451: Sculte, 1548-1732: Schultze, 1760: Schulz(e), seit 1778 Schulz. Um 1715, zur Zeit der Vermählung seines Bruders mit Catharina Maria, spätere Hoferbin Nr.20, war Johann Parum 38 Jahre alt.
Das Platt- und Hochdeutsche hatte inzwischen die alte wendische Spraweitgehend verdrängt.
Zum besseren Verständnis der Wesensart von Willi musste ich weiter ausholen und im Folgenden auf Eigenarten seiner Vorfahren hinweisen, wozu auch die knappe Schilderung des historischen Hintergrundes gehörte. Sicher ist, dass Willis Gene sowohl urdeutschen als auch slawischen Ursprungs sind. Mit Blick auf seine Charaktereigenschaften ein nicht zu vernachlässigender Faktor, man wird sehen.
Um das 9. Jahrhundert siedelten Wenden (Polaben) in Niedersachsen, Brandenburg, Mecklenburg und Sachsen-Anhalt, sie hinterließen die typischen Rundlingsdörfer. Polaben waren ein Teilstamm des westslawischen Verbandes der Abodriten. Polabisch gesprochen wurde in den deutschen Siedlungsgebieten bis in die Mitte des 18.Jahrhunderts. Doch bereits mit dem Ende des 17. Jahrhunderts war das Dravaenopolabische im Aussterben begriffen. Vor 1700 fand es im hannoverschen Wendland noch weite Verbreitung.
„Drawehn", wie man auch das Wendland bezeichnet, leitet sich ab vom slawischen drawa = Holz.
Nach und nach kam es zu Verdrängungsprozessen dravaeno-polabibischer Sprachelemente, vor allem infolge der Germanisierungskampagnen und der Verbote seitens Kirche und Regierung. Um 1680 wurde das Wendische als Gerichtssprache und 1687 auch an Schulen durch die Schulordnung nicht geduldet. Wer dennoch wendisch sprach, setzte sich dem Gespött der Mitschüler aus. Zum Nachteil erwiesen sich für die wendländischen Slawen politische und religiöse Streitigkeiten der Fürstenhäuser.
Als Abschrift blieb uns ein wendisch-deutsches Vokabularium aus der Feder des Bauernchronisten Johann Parum Schultze erhalten. Daraus einige Beispiele:
Hund = pijahss; Katze = tijötta; Gans = gunss; Maus = mäuss; Dorfschulze = storüst; Haupt = glawah; Schaf = weitz; Pferd = tjühnne.
Anneliese, Willis spätere Ehefrau, aufgewachsen auf dem Schorlingschen Bauernhof im Rundlingsdorf Schreyahn, beherrschte das Plattdeutsche, in dem Wörter wendischen Ursprungs vorkamen, z.B.: annodder = Storch; butz = Schlafstelle; döns = Stube; koreitz = Vorstadt; luca = Wiese; moleiten = Himbeeren; paggeleitz = Weißbrot; polatzki = Salbendose; polatz = Finger; pomöß = Zwischenboden; schück = Berg.
Früheste Mitteilungen über die im Wendland übliche Kleidung datieren auf das Ende des 17. Jahrhunderts, etwa zur Zeit des Johann Parum Schultze (1677-1740). Um 1680 trug die Frau ein kurzes Wams, versehen mit Sticknähten und Fischbein aus Barten von Walfischen.
Das Wams (altfranz. wambais) wurde im 13. und 14.Jahrhundert als gesteppter Männerrock unter dem Panzerhemd getragen. Später diente es, unter dem Überrock angelegt, als Hauptgewand zur Bedeckung des Oberkörpers, bis es gegen Ende des 17. Jahrhunderts Westenform annahm. Um 1640 trugen Frauen Pelze und „gefisselte" Röcke. Selbst an frostigen Tagen waren Kopfbedeckungen, z.B. beim Kirchgang, nicht üblich. Das Haar lag geflochten offen. Relativ große Schuhe bestanden aus unterfüttertem Überleder, durchsetzt von Perforationen. Sechs bis sieben Ketten aus Messing, besetzt mit in Eisen gefassten Pfennigen, schmückten den Hals, dazu knöchellange, aufgeraute, gefaltete Röcke, die Taille umgürtet von messingenen Schnallen (die Kupfer-Zink-Legierung Messing leitet sich im Wortursprung vom slawischen Volk der am Schwarzen Meer angesiedelten Mossynoiken ab).
Später trugen Frauen weiße Flügelhauben („Flünkmützen"). Brusttücher aus Kattun (Baumwollgewebe in Leinwandbindung) kamen in Mode. Nach 1700 bevorzugten Frauen das Tragen von weit nach vorne ausladenden, im Halbrund geschnittenen Strohhauben, deren Bänder man unter dem Kinn zur Schleife band. Sie waren mit Rosetten, künstlichen Blumen und Kantillen (Buntstickerei auf Metalldraht) besetzt. Über die Nackenpartie fiel ein weißer leinwandbindiger Batistschleier (frz. batiste von battre = schlagen oder walken).
Ab etwa 1720 fertigte man Hauben aus Damast oder Seide, bestickt mit goldenen oder silbernen Tressen. Im Damastgewebe (nach Tucharten aus Damaskus benannt) binden die Figuren bzw. Ornamente entgegengesetzt zum Grundgewebe, sodass durch den Wechsel von Kett- und Schussbindung optisch Muster hervortreten.
Männer trugen um 1680 weiße Leinen-oder Beiderwandhosen (Textil aus Wolle und Leinen gemischt), weiße Beiderwandstrümpfe und Riemen- oder Schnürschuhe aus Leder. Auf dem Weg in die Stadt pflegte man sogar während frostiger Tage barfuß zu gehen. Schuhe und Strümpfe band man auf einen Stock, um sie kurz vor Erreichen des Stadtgebietes wieder anzuziehen. Der Oberkörper war bedeckt mit einem weißen, gefütterten Beiderwandhemd, verschlossen durch Häkchen. Über dem Hemd wurde ein sackartiger Gehrock getragen. Vor 1680 ähnelten lange krempenlose Männerhüte gedrechselten Kegeln. Später kamen sehr große Hüte auf, die mit zunehmender Abnutzung weich und schlapp bis auf die Schultern herabhingen. Die Arbeitsjacken der Männer bestanden aus schwarzem, rot gefärbtem oder schwarz-grün-streifigem Beiderwandgewebe. Baumwollene, blau-weiß gestreifte Zipfelmützen dienten als Kopfschutz. Später verdrängten Textilien aus dunkel gefärbtem Dreikamm die Beiderwandmode. Zipfelmützen wurden durch runde Filzhüte (Textil aus verschlungenen Tierhaaren) oder Tuchkappen ersetzt. Zur Festausstattung gehörte ein langer, dunkler Kirchrock aus feinem, käuflich erworbenem Tuchstoff, ein gleiches Beinkleid sowie ein hoher französischer Zylinderhut, oben breiter als unten.
Erst in den 1870er Jahren entwickelte sich die sogenannte wendländische Volkstracht, zu einer Zeit, als ein gewisser allgemeiner Wohlstand an die Stelle der relativen Armut getreten war. Wirtschaftlicher Aufschwung wurde ermöglicht durch die gesetzliche Aufhebung der Gutsuntertänigkeit, womit Bauern weitgehend freie Herren von Grund und Boden waren. Auf den landwirtschaftlichen Fortschritt wirkte sich zudem die Förderung von Agrarreformen während der Personalunion mit Großbritannien positiv aus und die Tatsache, dass die großen Kriege das Territorium des Wendlandes kaum oder nur in kurzen Phasen tangierten. Besonders im Südteil der Region um Lüchow, Wustrow und Bergen gewannen Flachsanbau und Leinweberei an Intensität. Leinenerzeugnisse eigneten sich zum Export. Um 1790 gründete man in Lüchow eine amtliche Leinenprüfstelle (Linnenlegge).
Die Epoche der allgemeinen Verwendung von Trachten überdauerte keine 140 Jahre. Polabischer Ursprung dieser Mode ist widerlegt. Tücher, Bänder und andere Accessoires erstanden die Frauen als Einfuhrware auf Märkten.
Wendländische Trachten sind mir noch aus eigener Anschauung in Erinnerung. Während meiner Kindheit benutzte man sie bei volkstümlichen Theateraufführungen. Tante Mine Schulz, Ehefrau von Willis Onkel, Gastwirt und Schweinezüchter in Küsten, auch Willi Schulz genannt, besaß eine komplette Trachtensammlung sowie Trachtenpuppen, die man heute noch im Rundlingsmuseum Lübeln bewundern kann.
Zunehmende Verstädterung der Kleidung auf dem Lande konnte bereits in den 60er Jahren des 19. Jahrhundert beobachtet werden. Diese sah man vor allem in bäuerlichen Einrichtungen, die zusätzlich Gastwirtschaften betrieben, wie zum Beispiel etliche Vorfahren von Willi. Man wollte sich etwas abheben von den für weniger fortschrittlich gehaltenen bäuerlichen Zeitgenossen. Die Urgroßeltern und Großeltern von Willi, sowohl in Plate als auch in Küsten, besaßen kombinierte Betriebe aus Gast- und Landwirtschaft. Sie selbst oder ihre Kinder hatten Märkte und Städte bereist, Einblicke ins königliche Militär gewonnen und Musikinstrumente gespielt. Auf einem Foto aus dem Jahre 1865 trugen sie statt wendländischer Tracht die bei städtischen Bürgern übliche Kleidung (siehe Küstener Kaffeetafel von 1865).
(1-3, 10-14, 16-18, 20)
Willis väterliche, namentlich bekannte Vorfahren stammten, außer der Hohenweddriener Linie, aus dem Wendland. Es ist sicher belegt, dass ein nicht unerheblicher Teil der Ahnen slawische Wurzeln hatte.
In seinem „Heimatbüchlein" berichtet Schulrat Heinrich Laue (1884-1972) unter dem Thema „Das Jeetzeltal im früheren Kreise Lüchow" über eine nicht realitätsferne Sage, betitelt „Die wilden Mügges von der Müggenburg ":
Im Ellerbruch zwischen Plate und Lüsen, unweit des heutigen Dorfes Müggenburg, lag einst die alte Raubfeste der wilden Mügges (Niederungsburg nordöstlich des Ortes, im 14. und 15 .Jhd. Sitz der Adelsfamilie von Dannenberg; 1320 Muckhenborch, 1383 Muggheborch). Sie waren Schnapphähne vom reinsten Korn, und wo auf der alten Lüneburger Heerstraße oder der Salzwedel-Dannenberger Landstraße oder sei's, wo es sei, die blachenüberspannten Frachtwagen der umherreisenden Kaufleute über Pflaster und Weg ächzten, lauerte der wilde Mügge. Schnell machte der im Waffenhandwerk wohlgeübte Strauchdieb die Begleitmannschaft nieder, raubte, was zu rauben war und warf schließlich, um Lösegeld zu erpressen, den Kaufherrn selber in sein schauerliches Burgverließ.
Als er aber einmal am Sonntagmorgen mitten unterm Glockenklange [nahe Plater Kirche] sein blutiges Handwerk trieb und allen Warnungen seiner Mannen spottend, hohnlachte, zog ein schweres Unwetter herauf, vernichtete die Raubfeste mit Mann und Maus und machte so dem wilden Raubtum der Mügges ein für allemal ein Ende.
Müggenburg und Plate (1776): Lage der Burgen und Höfe
Aus eben diesem zweizeiligen Reihendorf am Zuweg zur alten Burg am Rande der Jeetzel-Niederung, keine 300 m vom Ortskern entfernt, stammten Willis Vorfahren aus direkter väterlicher Linie. Im Westen des Dorfes verläuft die Salzwedel-Lüchow-Dannenberger Straße, die östliche Grenze bildet der Fluss Jeetzel (slaw.: jeson = Esche).
Als 1214 der junge deutsche König Friedrich II.(1194-1250). Enkel Barbarossas, das Staatsinteresse immer mehr nach Italien verlagerte und alle ostelbischen Gebiete dem dänischen König zum Lehen gab, fand im Wendland der Ausbau der Burgen statt. Aus dem neuen Baustoff Ziegelstein errichtete man mächtige Mauerwerke, den Bergfried und Wohngebäude. Müggenburg konnte mit zwei mittelalterlichen Burgen aufwarten. Eine Befestigungsanlage, umgeben vom etwa sieben Meter breiten Graben, befand sich auf der Weide am kleinen linken Jeetzelarm, der hier den Lübelner Wassermühlenbach aufnimmt. Die zweite Anlage, auch „Die Diebstätte" genannt, soll am rechten Ufer des Jeetzelhauptarmes, weiter östlich vom Dorfausgang etwa in Höhe der ersten Burg gelegen haben.
Im Jahr 1451 führt das Schatz- und Zinsverzeichnis für „Muggenborch" einen Bauern und Hauswirt namens „Sculte" (= Schulte, Schultz) auf, wobei es sich sehr wahrscheinlich um den ersten genannten Vorfahren der Familie Schulz handelt. Im Lüneburgischen bildeten sich die Familiennamen um 1400-1500. Fünf weitere Vollhofbesitzer Müggenburgs, darunter Busche, Fabel, Hans, Albrecht und Hinrik Breselentz, hatten eine Abgabe in Höhe von 16 Schillingen, entsprechend einer Mark, an die Vogtei in Lüchow zu entrichten.
Während der mittelalterlichen Wüstungsperiode (1350-1450) waren wegen schlechter Bodenverhältnisse und mangels Arbeitskräften zahlreiche Dörfer überwiegend im Hoch-Drawehn aufgegeben worden. Außerdem führten Feuerverheerungen, Seuchen und „Bauernlegen", d.h. Einziehung des Bauernlandes seitens der Gutsherren zu Jagdzwecken, in den Ruin. Im Umkreis der Stadt Lüchow blieben die Ortschaften weitgehend erhalten.
Müggenburg, Hofplatz Nr.20
Zu dieser Zeit stand Deutschland unter der Herrschaft der Habsburger-Monarchie (Haus Österreich mit Stammburg im Kanton Aargau). Erb- und Heiratsverträge Friedrich III. (1440-1493) begründeten die habsburgische Weltmacht. Seit 1493 bis 1519 nahm Kaiser Maximilian I. als Herr aller habsburgischen Erblande eine europäische Schlüsselstellung ein. Er förderte den Humanismus, Wissenschaft und Kunst. Beliebt als Landsknechtführer, auch „letzter Ritter" genannt, gelang es ihm 1495 auf dem Reichstag zu Worms, die Reichsstände zum Verzicht auf Waffengebrauch bei der Austragung von Streitigkeiten zu bewegen.
Im sogenannten Ewigen Landfrieden sollte die Anwendung des Faustrechts als Landfriedensbruch geahndet werden. Auch dem Unwesen des Raubrittertertums (s. „die wilden Mügges") wurde ein Ende gesetzt. Maximilians Sohn Philipp der Schöne heiratete 1496 Johanna die Wahnsinnige, die Erbtochter Spaniens.
In diese Epoche fiel die Entdeckung Amerikas 1492 durch Christoph Kolumbus. Auf Spätgotik folgte die Renaissance. Leonardo da Vinci (1452-1519), Albrecht Dürer (1471-1528), Michelangelo (1475-1564) und Hans Holbein d. J. (1497-1553) wurden geboren.
Das Jahr 1494 bescherte dem Wendland einen ungewöhnlich warmen Winter. Im Januar blühten die Bäume und im April die Weintrauben. Ende Mai waren erste Früchte reif. Darauf folgte das große Sterben.
Im Dorf Plate hatten die Herren von Plato ihren Stammsitz. Im Mittelhochdeutschen bedeutet plate = Plattenpanzer, Brustharnisch oder als Örtlichkeitsname auch Sandbank. An der Spitze der sozialen Rangordnung stand ein fest umrissener Kreis alteingesessener Adelsfamilien.
Die für das Dorf verhältnismäßig große Marienkirche befand sich unter dem Patronat derer von Plato aus Grabow. Der dreischiffige Backsteinbau mit polygonalem Chor stammt aus der Zeit der hohen Gotik 1370-1380. Eine Vorgängerin der Kirche und ein Nonnenkloster existierten schon vor 1300. Um 1261 verließen die Nonnen Plate und zogen nach Alten-Medingen.
In der St.-Marien-Patronatskirche zu Plate (13.Jhd.) enstand um 1500 auf einem Balken im Torbogen das Triumphkreuz. Es zeigt eine etwa lebensgroße Kreuzigungsgruppe als Zeichen des Sieges Jesu Christi über den Tod. Die Kirche diente der Familie von Plato als Begräbnisstätte. Bedingt durch einen harten Winter, Missernten und Teuerung, brach 1512 im Wendland eine Hungersnot aus, die viele Menschen dahinraffte.
Wegen der Schutzherrschaft des Deutschen Reiches über die Kirche tauchte 1512 erstmals der Begriff „Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation" auf. Auf dem Reichstag zu Köln (1512) erfolgte die Kreiseinteilung des Deutschen Reiches in zehn Reichskreise. Lüchow-Dannenberg gehörte dem niedersächsischen Kreis an.
Nachdem 1514 Papst Leo X. den Ablasshandel zum Zwecke des Neubaus von St. Peter in Rom wieder eingeführt hatte, richtete sich Martin Luthers (1483-1546) Zorn gegen den geschäftsbeflissenen Ablasskommissar Tetzel aus Mainz. Seinen Unmut brachte er am 31.Oktober 1517 mit dem Anschlag von 95 Thesen an die Tür der Wittenberger Schlosskirche zum Ausdruck.
Karl V., Sohn Philipp des Schönen wurde 1519 zum deutschen Kaiser gewählt. Er erbte mit Spanien ein Weltreich, in dem „die Sonne nicht unterging". Überfordert und aufgerieben von seinen Pflichten, Angriffe Frankreichs und der Türken abzuwähren sowie das durch die Reformation aufgewühlte Deutschland zu befrieden, begab er sich resignierend in ein spanisches Kloster. Karls Bruder Ferdinand I. übernahm 1521 die habsburgischen Erblande und zeitweise die Stellvertretung im Reich.
Die Reformation breitete sich im Gebiet des hannoverschen Wendlandes unter dem Welfenherzog Ernst dem Bekenner (1497-1546), als Wittenberger Student Lutheranhänger, rasch und reibungslos aus. Ernst, der über den Hauptteil der lüneburgischen Lande herrschte, residierte als Herzog von Braunschweig-Lüneburg in Celle. Vor und nach der Reformationszeit verzeichnete das Wendland als Folge wirtschaftlicher Gesundung starke Hofstellenzuwächse aus Teilung (Halbhufner) und Erweiterung in Form von Kossaten (von kot-sete = Besitzer einer Kate).
In diese Zeit fiel auch die Gründung der ersten Schulen, zunächst in den Städten Lüchow und Dannenberg. Der große Bauernkrieg von 1525 ließ das Fürstentum Lüneburg nahezu unberührt. Luther entschied sich gegen die Bauern und für die Fürsten als unabdingbare gottgewollte weltliche Obrigkeit.
1526 erhielt Ferinand I. nach dem Tod seines Schwagers Böhmen und Ungarn, womit er zum Begründer der habsburgischen Donaumonarchie wurde. 1528 verstarb der große Zeichner und Maler Albrecht Dürer im Alter von 57 Jahren. Dürer verband in seiner Kunst spätgotische Traditionen und deutsches Empfinden mit italienischer Sichtweise.
Von Juni bis Dezember 1537 starben in Hamburg über 3000 Menschen an der Pest. Im gleichen Jahr brach auch in Lüchow die Pest, der „schwarze Tod", aus. Die Erreger wurden überwiegend durch Rattenflöhe auf Menschen übertragen. Die nahe gelegene Elbe mit reich beladenen Schiffen aus Böhmen und Sachsen und knüppeldammbefestigte Handelsstraßen von Leipzig und Salzwedel durchs Wendland nach Hamburg und Lübeck, begünstigten die Keimausbreitung der Yersinia pestis. Heute gilt eine modifizierte Theorie, die besagt, dass der Menschenfloh der wesentliche Vektor der Pest im antiken und mittelalterlichen Europa gewesen sein soll. Rattenflöhe kamen als Pestüberträger eher in Zentral- und Ostasien vor, was mit klimatisch bedingter Anpassung an entsprechende Wirtsorganismen zu erklären ist 21.
Die Beulenpest begann am menschlichen Körper oberhalb der Flohbissstelle mit Anschwellung und Vereiterung der Leistenlymphknoten. Es folgte eine Blutvergiftung (Sepsis) mit meist tödlichem Verlauf. Sofern die Lunge beteiligt war, bestand die Möglichkeit der Übertragung von Mensch zu Mensch durch Tröpfcheninfektion. Der in solchen Fällen ausnahmslos tödliche Verlauf trat nach etwa zwei bis fünf Krankheitstagen ein. Täglich rollte der Pestkarren durch Lüchows Straßen, begleitet von vermummten Trägern und Pestärzten. Als die Sarglager und Grabplätze erschöpft waren, hob man nahe der Salzwedeler Vorstadt Massengräber aus. 1540 gab es in Hamburg noch einmal ein großes Sterben durch die Pest.
Im 16. Jahrhundert bildete das Fürstentum Lüneburg eine der vier Hauptlinien des welfischen Herzogtums. Ernst der Bekenner, bis 1546 Herzog von Braunschweig-Lüneburg, hatte mehrere Söhne, die nacheinander das Stammland regierten.
Namen der väterlichen Ahnen aus Müggenburg tauchten erst wieder seit 1548 auf. Nach nunmehr 97 Jahren wurde aus dem Müggenburger „Sculte" ein „Schultze". Bei dem um 1548 genannten Vollhufner Schultze handelte es sich um den Großvater des später erwähnten Erdmann Schultze. Das Lüchower Amts- und Schlossregister verzeichnet die Namen vier weiterer Vollhufner: Mareike, Poltsche, Scheidel und Wolter. Zu den Kossatern gehörten Rademacher, Busse und Dicke.
Ferdinand I.. der von seinem resignierenden Bruder Karl V. die habsburgischen Erblande übernommen hatte, wurde 1556 zum deutschen Kaiser gewählt. Als König von Ungarn wurde er häufig in Kämpfe mit Türken verwickelt. Um katholische Reformen bemüht und zum Ausgleich mit evangelischen Reichsständen geneigt, vermittelte er den Augsburger Religionsfrieden. Der Nationalstaat siegte über die Idee eines Universalreiches.
Unter Maximilian II. (1564-1576), der sich der lutherischen Lehre zugeneigt zeigte, gewann der Prostestantismus seine größte Ausbreitung. Die kaiserliche Zentralgewalt (1555-1619) sorgte in der europäischen Mittte für die längste Friedenszeit.
Stammhof Nr. 11 niedergebrannt
Hinrich Wolter, ältester namentlich bekannter Vorfahr aus Plate, bewirtschaftete um 1564 Hof Nr. 11. Auf dem Anwesen Nr. 13 (später „Plater Hermann") existierte bereits eine Gastwirtschaft, „der Kroger tho Plate". „Kroger" - abgeleitet von Croghere, also Krug und Herr - war gleichzeitig Schankwirt und Landwirt. Zweihundert Jahre später (1763) gelangte durch Einheirat der Anna Catharina Schultze (* 1745) die Gastwirtschaft in den Besitz von Willis Vorfahren.
Fürsten schützten den Bauernstand zur Erhaltung seiner Steuerkraft gegen willkürliche Ausbeutung durch Grundherren. Im 16.Jahrhundert bildete das Fürstentum Lüneburg eine der vier Hauptlinien des welfischen Herzogtums. Nach Dannenberg im Jahre 1569 kamen um 1591 die Ämter Lüchow, Hitzacker und Warpke (südlich von Schnega) hinzu. Herzog Heinrich verzichtete 1569 zugunsten seines jüngeren Bruders Wilhelm auf die Gesamtregierung des Fürstentums Lüneburg, nachdem er die askanische Herzogstochter Ursula geheiratet hatte (Adelsgeschlecht mit Burgsitz in Aschersleben, lat. ascaria, später ascania). Er begnügte sich mit dem Fürstentum Dannenberg und einem Teilgebiet des Herzogtums Braunschweig-Lüneburg. Auch nach häufigen welfischen Erbteilungen blieben die Adeligen in den Ämtern Untergebene des Herzogs in Lüneburg, mit ihnen die Junkerbauern und deren Ländereien (Güter).
Laut Vertrag von 1561 stand den Herren von Plato zu Grabow, als Besitzer der Vorwerke in Plate, auf den Stadtweiden vor dem westlich gegelegenen Drawehner Tor Lüchows, der Plater Marsch und dem Spötzing, die „Hut und Weide für 60 Stück Vieh und soviel Schweinen zu, als sie aufziehen konnten".
Neben der Kanzel in der Plater Kirche erinnert ein bis zum Deckengewölbe reichendes Renaissance-Epitaph an den 1580 verstorbenen Christoph von Plato und seine Gemahlinnen.
Dannenberg vereinigte sich 1591 mit den Ämtern Lüchow, Hitzacker und Warpke. Herzog Julius Ernst teilte 1604 seinem jüngeren Bruder August, einem bigotten, geldgierigen Fürsten, das Amt Hitzacker zu. August veranlasste 1610 den Feuertod von 70 Menschen, die man der Hexerei bezichtigte.
Wie bereits oben erwähnt, kam es vor und nach der Reformationszeit zu Hofstellenzuwächsen aus Teilung (Halbhufner) und Erweiterung (Kossaten). Mit Einführung des einspuligen Spinnrades aus dem Holsteinischen im Jahre 1608, entstanden im Wendland Spinnstuben. Mägde, Knechte und Familien trafen sich an langen Winterabenden in sogen. Spinnerklumpen, wobei man reihum die Häuser wechselte.
Vor 1618 waren nur wenige Menschen auf dem Land intellektuell fähig, den Predigten Geistlicher zu folgen. In ländlichen Regionen des Wendlands gab es noch keine Schulen, die wendische Sprache herrschte vor und Bücher waren kaum vorhanden. Katholische Mariengebete hatten Pfarrer ins Wendische übersetzt. In Wirtshäusern bewahrte man das Bier noch in Bottichen statt in Tonnen auf.
Um 1618 entbrannte der Religionskampf. Rudolf II. (1576-1612), in Spanien von Jesuiten erzogen, leitete in den habsburgischen Erblanden die Gegenreformation ein. In Böhmen entfalteten sich die Gegensätze der landesfürstlichen, katholisch orientierten Gewalt und dem überwiegend protestantischen Adel. Anlass für die Revolution lieferten Zusammenstösse, bei denen protestantische Kirchen auf dem Boden katholischer Herren niedergerissen wurden. Protestanten-Organisationen beriefen nach Krawallen den Protestantentag in Prag ein. Am 23.Mai 1618 warfen Abgesandte der Protestanten kaiserliche Statthalter durchs Fenster der Burg Hradschin in den Burggraben. Da sie auf einem Misthaufen landeten, blieben sie unversehrt (Prager Fenstersturz). Kaiser Matthias erlebte noch den Ausbruch des Dreizigjährigen Krieges, in dem sein Neffe Ferdinand II., der Herr Wallensteins, den Triumph des Restitutionsediktes feierte.
Im Jahr des Kriegsbeginns ging das Amt Wustrow (späterer Wohnort von Willi; russ. ostrow = Insel) an Dannenberg als Ausgleich für die verzichtete Erbfolge im Fürstentum Grubenhagen.
Während des Dreizigjährigen Krieges sicherte sich der dem Hexenwahn verfallene Herzog August von Hitzacker die Nachfolge für das Fürstentum Wolfenbüttel, die Stadt in der er den Grundstock zur Wolfenbütteler Bibliothek legte. 1621, vier Jahre nach Kriegsausbruch, erschütterte eine Inflation der Kleinmünzen die wirtschaftliche Situation der Gemeinden und Städte..
Zu dieser Zeit erblickte Erdmann Schultze in Müggenburg das Licht der Welt. Anlass für die Verleihung des Haupt- oder Beinamens Erdmann, bei Mädchen Erdine, war der vorausgegangene Tod eines oder zweier Kinder in der betroffenen Familie. Damit wollte man den Friedhof günstig stimmen, indem man ihn zum Gevatter wählte. Die Hebamme überreichte den Taufpaten einen „Gevatterstuten", den man heimlich im Grab verscharrte. Erdmann Schultze war Bauer und Hauswirt des Hofes Nr.20. Heute befindet sich auf dem Grundstück ein neuerer Bau, dessen hintere Giebelfront als Fachwerk erhalten ist. Von der Lüchow-Dannenberger-Straße, der früheren Lüneburger Heerstraße kommend, liegt der Hofplatz weit hinten, fast am Ende der langgestreckten, beidseitig von Fachwerkhausgiebeln gesäumten Dorfstraße auf der linken Seite. Jedes Gebäude hatte ein großes, sich zur Straße öffnendes giebelständiges Dielentor.
Während der Wintermonate zogen nachts Rudel von Wölfen durch die Dörfer und rissen Rinder, Schweine und Schafe in Ställen der Höfe. Sogar tagsüber lauerten sie Schweinen, Ferkeln und Gänsen im Gehege auf.
Ein lückenloser Anschluss meiner genealogischen Recherchen an die frühesten, um 1634 beginnenden Kirchenbücher ließ sich nicht herstellen. 1635, nach letzter Teilung der welfischen Herzogtümer, blieben die beiden Hauptlinien Braunschweig-Lüneburg, für das sich die Bezeichnung „Hannover" durchsetzte und Braunschweig- Wolfenbüttel übrig. Das Fürstentum Dannenberg starb 1636 mit Herzog Julius Ernst aus. Seine Witwe Sybille residierte weiter, verließ aber die Stadt, als 1638 zum dritten Mal die Pest wütete.
Nachdem Schnackenburg bereits von Wallensteins Truppen gebrandschatzt worden war, fanden Plünderungen durch die Schweden in Hitzacker erst 1642 statt. 1643 verweilten schwedische Einheiten plündernd und mordend sechs Wochen lang in Lüchow.
Durch den Krieg fielen etwa dreizig Prozent der Höfe im Wendland wüst. Bis 1639 wurden von 668, dem Amte Lüchow verpflichtete Höfe, 357 als wüst angegeben, also mehr als die Hälfte. Anhaltender Niedergang der Wirtschaft, Armut und Sittenverfall waren die Folge.
Dem deutschen Kaiser Ferdinand III. fiel die traurige Aufgabe zu, 1648 im Westfälischen Frieden zu Münster, die „Ausverkaufsurkunde" des Reiches unterschreiben zu müssen. Nach dem Krieg siegte die fürstliche „Libertät" über die kaiserliche Zentralgewalt. Das Reich löste sich in einen Staatenbund von ca. 300 souveränen Bezirken auf und Österreich trennte sich vom Gesamtreich.
Für Müggenburg erstellte das Amt Lüchow erst wieder im Jahr 1671 Hauswirteregister. Die Liste beinhaltet achtzehn Namen, darunter vier Vorfahren der Familie Schulz: Erdtmann Schultze, Hans Scheidell, Siemon und Hans Jagutke. Der Familienname Scheidell leitet sich von Grenzscheide ab, als Bezeichnung für jemanden, der grenznahe wohnt. „Jagutke" oder „Jagötke" stammt aus dem slawischen jagoda = Beere.
Das Fürstentum Dannenberg gelangte 1671 zurück an die Hauptlinie Lüneburg unter Regentschaft des Herzogs Wilhelm, dem letzten „Heidekönig. Im August 1671 veranlasste der Obersuperintendent Joachim Hildebrand von Lüneburg-Celle eine General-Kirchenvisitation des Fürstentums Dannenberg.
stete,