Ganzheitliche Zusammenhänge lassen sich häufig nur erkennen, wenn wir die Offenheit besitzen, vorurteilsfrei über den eigenen Tellerrand zu schauen. Mit diesem Ziel reiste die Autorin um die Welt und lernte andere Heilkulturen kennen.
Im ersten Teil des Buches werden philosophische Zusammenhänge dargestellt, die helfen können, die tiefen Wurzeln von menschlichem Leid bis hin zur Krankheit besser zu verstehen und damit auch die Notwendigkeit des Einsatzes mentaler Therapiemethoden. Im zweiten Teil erfolgt die Darstellung verschiedener Heilverfahren.
An einigen Stellen des Buches finden sich Wiederholungen, um das sporadische Lesen und Verständnis einzelner Kapitel zu ermöglichen sowie die Wichtigkeit der Aussagen zu unterstreichen.
Aufgrund der Fülle der Informationen, die den Rahmen des Buches sprengen würden, findet der Leser am Ende jedes Kapitels zur Vertiefung und auch zum Praktizieren des Wissens verschiedene Empfehlungen.
Alle Informationen entsprechen dem derzeitigen Wissensstand der Autorin und sind wandelbar. Die dargestellten Methoden sind sorgfältig geprüft, dennoch kann keine Garantie übernommen werden. Die Anwendung unterliegt der Eigenverantwortung des Benutzers. Eine Haftung der Autorin bzw. des Verlages für Gesundheits- bzw. Sachschäden ist ausgeschlossen.
Dr. med. Gabriela Apel, Jahrgang 1961, ist Fachärztin für Allgemeinmedizin, Betriebsmedizin, Naturheilkunde und Hypnotherapie.
In den ersten Jahren ihres Berufslebens war sie als medizinisch-technische Assistentin und nach einem dualen Studium als Diplomingenieurin für chemische Labortechnik in der Neurologischen Universitätsklinik Greifswald tätig. Aufgrund des frühen Verlusts ihrer Mutter durch eine Krebserkrankung und den neuen Möglichkeiten nach der politischen Wende 1989 begann Sie mit 30 Jahren ein Medizinstudium. Am Beginn ihrer ärztlichen Laufbahn arbeitete sie auf einer onkologischen Station, später als Hausärztin und seit 2019 in eigener Privatpraxis in Zingst mit dem Schwerpunkt: ganzheitliche Onkologie und Hypnotherapie.
Außerdem engagierte sie sich für die Hilfsorganisation Ärzte für die Dritte Welt (German Doctors) in Kalkutta und auf den Philippinen.
Neben ihrer ärztlichen Tätigkeit ist sie leidenschaftliche Fotografin. Ihre ausdrucksstarken Bilder stellte sie u. a. im Rahmen des internationalen Umweltfotofestivals »horizonte zingst« aus (2013: »Menschlich. Engagiert. – Ärzte für die Dritte Welt« und 2014: »Gesichter Ghanas«).
»Seine Krankheit zu erkennen, ist der erste Weg zur Heilung.«
(Seneca)
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.
© 2020 Name der Autorin/Rechteinhaberin: Gabriela Apel
Illustration/Fotos: Gabriela Apel
Titelfoto: Medizinbuddha
Tempel » Deden Tsuklagkhang« in Norbulingka
Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN: 978-3-7504-8979-0
Für meine Mutter und alle interessierten, von Krankheit betroffenen Menschen, die nach eigenen Wegen und einem tieferen Verständnis suchen.
Bei der Entstehung des Buches haben mir viele Menschen geholfen und ihr Wissen großzügig weitergegeben. Ihnen gilt mein Dank. In besonderer Weise möchte ich mich bei den Dozenten und Mitarbeitern des Tibetischen Institutes für Medizin und Astrologie (Men-Tsee-Khang) Seiner Heiligkeit des Dalai Lama in Dharamsala bedanken, die mir neue Sichtweisen im Krankheitsverständnis ermöglichten. Außerdem lehrten sie mich durch ihre wunderbare Art im Umgang mit den Patienten, dass Mitgefühl und die Motivation des Arztes einen großen Einfluss auf die Heilkraft des Patienten haben und den Behandlungserfolg fördern.
Mein Dank gilt auch Dr. Sister Austin und ihren Kollegen vom Amala Ayurveda Hospital in Kerala, die mir Einblicke in das ganzheitliche Wissen der Ayurvedamedizin ermöglichten. Caroline Thomas danke ich für ihre Hilfe und Organisation, Kontakte zum Hospiz in Bangalore und dem Ayurveda-College in Hassan herzustellen.
Im Altaigebirge konnte ich durch den Schriftsteller und Schamanen Galsan Tschinag und seinen Sohn Galtai einiges über den Schamanismus erfahren. Auch ihnen gilt mein herzlicher Dank.
Auf Hawaii stellte mir Dr. Serge Kahili King als Vertreter der Huna-Heilkultur Informationsmaterial über seine Dynamind-Methode sowie über die Prinzipien der ALOHA-Philosophie zur Verfügung. Auch dafür bin ich sehr dankbar.
Für die Bereitstellung der Methode zur Berechnung des optimalen Therapiezeitpunktes beim Einsatz von Chemotherapie danke ich Dr. Ralf Kluge aus Halle. Die mathematische Umsetzung wurde durch den Ingenieur Carsten Schulze bearbeitet. Beiden danke ich für die Hilfe und Unterstützung.
Das Lektorat erfolgte durch Manuela Runge und die Korrektur durch Marita These. Auch euch ein großes Dankeschön.
Viele Menschen haben mich ermutigt und mir manche Impulse gegeben, z. B. Dr. Beate Will, Christine Schirmer, Nadja Derr, Antonia Keinz, Susanne Fliegel, Saskia Köddermann und viele Nichtgenannte. Auch euch allen danke ich sehr.
Und in besonderer Weise richtet sich mein Dank an meine Patienten, von denen ich sehr viel lernen durfte.
Während meiner hausärztlichen Tätigkeit fragten mich häufig Patienten – besonders nach der Schockdiagnose Krebs – nach ihren eigenen Möglichkeiten in der Beeinflussung des Heilungsprozesses. Ein Buch nach meinen eigenen Vorstellungen und meinem Krankheitsverständnis habe ich nicht entdeckt, neben vielen sehr guten und hilfreichen Büchern auf dem Markt zu dieser Erkrankung. Eine alte Regel sagt: »Wenn du ein Buch lesen möchtest und es nicht findest, dann schreibe es selber«, dieser bin ich gefolgt. Mit meinem Ratgeber können sich chronisch und schwer Kranke, insbesondere auch Krebs-Patienten, ergänzend zu schulmedizinischen Ansätzen ein individuelles Therapiekonzept ganzheitlicher, teilweise auch vergessener Heilmethoden aus aller Welt zusammenstellen. Denn Heilung oder ein zufriedenes Leben trotz schwerer Erkrankung ist in jeder Lebens- und Krankheitsphase möglich. Ich möchte Sie anhand vieler Impulse ermutigen und inspirieren, Ihren eigenen Weg dorthin zu finden und zu gehen, wobei ich besonders auf die seelisch-geistigen Bereiche fokussieren werde.
Schon in der Medizin des Altertums, der Antike und im damaligen Orient gehörten die Geisteswissenschaften zum Therapiekonzept der medizinischen Behandlung. Die griechische Philosophie mit den Gelehrten Hippokrates, Galen und Aristoteles sowie die Mediziner des Orients, so der berühmte Arzt und Universalgelehrte Ibn Sina (Avicenna – »Der Medicus«) lieferten mit ihren philosophischen Abhandlungen über die Zusammenhänge des menschlichen Lebens und der Natur eine wichtige Basis für die damalige Medizin. Bereits im 12. Jahrhundert betonte die deutsche Klosterfrau und Heilerin Hildegard von Bingen, dass die spirituelle Ebene der Heilung die wichtigste ist und nutzte neben Kräutermedizin mentale Methoden in der Therapie.
Die Rückintegration der Wissenschaften vom Geist und spiritueller Behandlungsmethoden stellt auch in unserer eher körperlich und symptomorientierten, naturwissenschaftlichen Medizin eine große Herausforderung und ein enormes Heilpotential dar, da uns gerade Krisenzeiten mit den existentiellen, spirituellen Fragen nach dem Sinn des Lebens, der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft konfrontieren. Viele Patienten wünschen sich jenseits der klassischen Medizin, die darauf nur ungenügend reagiert, zunehmend solche individuellen Therapiekonzepte, die auch das spirituelle und geistig-seelische Heilungspotential berücksichtigen, und sind bereit für die Übernahme von Eigenverantwortung.
Um altes Heilwissen zu sammeln, unter Berücksichtigung des regionalen Krankheitsverständnisses, traditioneller alter und neuer Heilmethoden, bin ich in den Jahren 2014 bis 2018 in fünf Ländern und sechs kulturell unterschiedlichen Regionen unterwegs gewesen. Ich war erstaunt, auf wie viel altes, teilweise verloren gegangenes Wissen ich stieß, unter dem Motto: »Es gibt nichts Neues unter der Sonne« (1. Prediger, Vers 9). Die in diesem Buch abgebildeten Fotos, viele Gedanken und Erkenntnisse auf meinen Reisen um die Welt sind in den Text eingeflossen. Dabei habe ich verschiedene Menschen interviewt, hospitiert, in Bibliotheken gestöbert und viele eigene Erfahrungen gemacht. Während ich in einigen Regionen einen tieferen Einblick in das Krankheits- und Therapieverständnis bekommen konnte, habe ich in manchen Ländern nur oberflächliche Einsichten gewinnen können, aufgrund der Sprachbarriere und der Kürze der Zeit. Trotzdem waren diese Reisen sehr lehrreich und haben mein Krankheitsverständnis neu geordnet. Außerdem wollte ich die Menschen in ihrer Kultur direkt erleben und das Wissen nicht nur aus Büchern zusammentragen, da der größte Lehrmeister die eigene Erfahrung ist.
Meine Reiseroute führte mich in folgende Regionen:
In Mittel- und Südindien hospitierte ich im Ayurveda College in Hassan sowie im Ayurveda- und Krebskrankenhaus in Amala (Kerala), um die Grundlagen der traditionellen, indischen Medizin – Ayurveda – kennenzulernen. Außerdem hatte ich die Chance, das erste Krebshospiz in Bangalore zu besuchen und den Umgang mit Sterben und Tod in der indischen Kultur zu erfahren.
Meine anschließende Reise in den Norden von Indien führte mich direkt in den Exilsitz der Tibeter nach Dharamsala mit dem Ziel, einen Einblick in deren Heilkonzepte zu bekommen. Dort nahm ich am Men-Tsee-Khang Institut (Institut für Tibetische Medizin und Astrologie Seiner Heiligkeit der Dalai Lama) an einem internationalen Workshop »Mental-Healthcare« (seelisch-geistige Gesundheitsvorsorge) teil. Außerdem durfte ich dort in der Ambulanz des Instituts hospitieren. In den nachfolgenden Jahren (2015 und 2016) lernte ich als Teilnehmerin der internationalen Body-Mind-Life-Konferenzen viel über die weltweiten wissenschaftlichen Aktivitäten der Tibeter, welche ebenfalls vom Men-Tsee-Khang Institut organisiert wurden.
Noch fasziniert von dem tiefen Wissen der Tibeter über die geistigen Aspekte im Umgang mit Krankheiten trieben mich meine Neugierde und Abenteuergeist weiter in eine völlig andere Kultur zu den Tuwa-Nomaden in das Altaigebirge/Mongolei, wo der Schamanismus noch praktiziert wird. Dort interviewte ich den Schriftsteller Galsan Tschinag, der Stammesführer und Schamane dieses Volkes ist.
Nach diesen faszinierenden Erlebnissen in der endlosen Weite der unberührten Landschaft des Altaigebirges zog es mich nach Usbekistan. Dort war ich auf den Spuren des persischen Arztes und Universalgelehrten Avicenna unterwegs, als wichtigsten Vertreter der arabischen Medizin. Beeindruckt von der universellen Bildung der persischen Ärzte und der kunstvollen islamischen Baukultur, erfuhr ich dort einiges über deren Einsatz von Musik in den Spitälern des Orients.
Von Zentralasien aus flog ich nach Hawaii auf die Inseln Oahu, Maui und Big Island. Die traditionellen Hawaiianer praktizieren teilweise noch ein Heilsystem, das aufgrund der Lage im Ozean bis zur Eroberung durch die Seefahrt noch unverfälscht praktiziert wurde und keine Einflüsse von außen erfahren hatte. Dort sprach ich mit dem schulmedizinischen Psychiater und wohl bekanntesten Vertreter des Kahuna-Heilsystems, Dr. Serge Kahili King.
Am Ende der abenteuerlichen Weltreise war ich neugierig auf die indigene Heilkultur der Maya und reiste nach Mexiko, um einen Einblick in deren Sichtweise und Heilmethoden zu bekommen.
Neben diesen Reisezielen bin ich bereits in vielen anderen Ländern gewesen, so beispielsweise auch in Tibet, China, Tansania, Ghana, Argentinien/Feuerland, um nur einige zu nennen.
In den Jahren 2002 und 2004 hatte ich die Chance für die deutsche Hilfsorganisation Ärzte für die Dritte Welt auf den Philippinen und in Indien – in den Slums von Kalkutta – zu arbeiten. Außerdem besuchte ich in dieser Zeit das Sterbehaus der Friedensnobelpreisträgerin Mutter Teresa sowie deren Kinderheime in Kalkutta.
All diese Erfahrungen haben meine Sichtweise auf das Leben und auf mein Krankheitsverständnis als Ärztin stark beeinflusst.
Aufgrund der Fülle an Informationen und meiner eigentlichen Intention, die weltweiten Heilmethoden als praktische Handlungshilfe für erkrankte Menschen vorzustellen, habe ich auf einen Reisebericht weitgehend verzichtet. Das Buch stellt eher eine Sammlung von Heilwissen und philosophischen Betrachtungen anderer Kulturen dar.
Hierbei sind mir folgende Aspekte besonders wichtig, auf die ich im Buch ausführlich eingehen werde:
Mir ist bewusst, dass ich mich mit meiner gewählten Thematik auf geistiges Glatteis begebe. Manche Erklärungen widersprechen der derzeitigen Lehrmeinung der westlichen Medizin. Diese Diskrepanz nehme ich gerne in Kauf mit der Motivation, dass einige Patienten wertvolle Hilfe durch das Buch finden können. Trotz bestehender, zum Teil unflexibler, symptomorientierter Leitlinientherapie in der Schulmedizin ist jede Krankheitsgeschichte einmalig, genauso wie es verschiedene individuelle Wege der Herangehensweise im Genesungsprozess gibt.
Ich wünsche mir, dass wir als Patienten, Ärzte, Psychologen, Pflegepersonal, Heiler, Physiotherapeuten, Seelsorger und Wissenschaftler einen besseren, gemeinsamen, gegenseitig bereichernden Weg finden, auf dem wir voneinander lernen können zum Wohl der Patienten. Mein Anliegen ist es, neben den bewährten medizinischen Methoden wie Operation, medikamentöser Therapie (einschließlich Chemotherapie) und Bestrahlung, interessierten erkrankten Menschen und Angehörigen verschiedene Möglichkeiten aufzuzeigen, die auf dem individuellen Weg zur Heilung bestehen.
Dieses Buch soll nicht als Heilungsversprechen missverstanden werden, sondern alte vergessene, kraftvolle Wege aufzeigen, die wesentlich zur Heilung beitragen können bzw. den Umgang mit der Erkrankung erleichtern. Da ich auf meiner großen Reise durch die Welt im Exilsitz des tibetischen Volkes in Dharamsala das tiefste Wissen über die Zusammenhänge zwischen Körper und Bewusstsein (Seele und Geist) gefunden habe, werde ich häufig auf dieses buddhistische Wissen fokussieren. Dazu brauchen Sie weder zum Buddhismus zu konvertieren noch ein religiöser Mensch zu sein. Die Wege bzw. die Quellen der Heilung sind in jedem Menschen und jeder Kultur ähnlich.
Während man in der westlichen Welt die Kenntnisse der Biomedizin, Naturwissenschaften und der Technologie enorm vorangetrieben hat und diese materielle Ebene oft als Basis für Gesundheit und Glück betrachtet, haben die Tibeter in den Bergen des Himalaya die Wissenschaft vom Geist mit effektiven mentalen Therapiemethoden weiterentwickelt. Wir können viel von ihnen lernen, denn sie strahlen die Weisheit dieses Wissens in einer tiefen Gelassenheit und auch Glückseligkeit aus.
Ergänzend zu unserem westlichen schulmedizinischen Verständnis praktizieren die asiatischen und indigenen Heilkünste eine umfassendere ganzheitliche Herangehensweise, um Krankheiten zu verstehen und zu heilen.
Für den Heilungsprozess sind dabei vier Säulen sehr wichtig:
Alle Bereiche fließen ineinander über und bilden ein Ganzes. Der Bereich der körperlichen Ebene wird durch die westliche Schulmedizin sehr gut abgedeckt. Schwere Erkrankungen sind aber auch mit großen emotionalen Geschehnissen verbunden und konfrontieren uns mit existentiellen, spirituellen Fragen des Lebens und Sterbens. Besonders präsent sind diese Aspekte bei noch als unheilbar geltenden Leiden wie einigen Krebsarten, Alzheimer- und Autoimmunkrankheiten, deren Ursachen nach wie vor in der westlichen Medizin unbekannt sind. Ein deutliches Defizit in unserem schulmedizinisch orientierten Krankheitsverständnis besteht hier im emotionalen, energetischen und seelisch-geistigen (spirituellen) Bereich. Ich werde deshalb auf diese Gebiete fokussieren.
Neben dem Wunsch, meinen Patienten einen Ratgeber in die Hand zu geben, veranlassten mich auch verschiedene eigene Lebenserfahrungen, dieses Buch zu schreiben. Meine Kindheit und Jugend waren geprägt durch den schmerzlichen Verlust geliebter Menschen. Als kleines Mädchen habe ich den frühen, raschen Tod meiner Großmutter durch eine Krebserkrankung miterlebt. Später, als ich 19 Jahre alt war, erkrankte meine geliebte Mutter an Brustkrebs, an dem sie vier Jahre später ebenfalls verstarb. Die eigenen schmerzlichen Erfahrungen erzeugten in mir eine tiefe Sehnsucht und den Wunsch, nach Wegen zu suchen, die mithelfen können, die Geißel der Menschheit zu heilen. Außerdem begleitete mich ständig die Frage nach dem WARUM. Deshalb fokussierte ich zu Beginn meiner Reise auf Heilmethoden bei Krebserkrankungen. Später erkannte ich, dass die mentalen Methoden generell bei vielen Erkrankungen, besonders bei chronischen Krankheiten, hilfreich sein können.
Bereits während meines Medizinstudiums hatte ich die Chance wahrgenommen, über den Horizont des »Europäischen Tellerrandes« der westlichen Schulmedizin zu schauen. Ich nutzte seinerzeit die wunderbare Gelegenheit, im indischen Bundesstaat Kerala ein Praktikum in einem katholisch-schulmedizinischen Krankenhaus zu absolvieren. Dieses war kombiniert mit Abteilungen der Ayurveda-Medizin und der Homöopathie, was mir eindrücklich das dortige ganzheitliche Konzept und Krankheitsverständnis nahebrachte.
Später wurde ich als praktizierende Ärztin auf einer onkologischen Station oft mit meiner eigenen Hilflosigkeit, Unzufriedenheit und Begrenztheit in der Therapie krebskranker Menschen sowie anderer schwer Erkrankter konfrontiert. Häufig musste ich miterleben, dass die aggressive Therapie der Erkrankung in Form von radikalen Operationen, Chemotherapie und Bestrahlungen die Lebensqualität der Patienten stärker negativ beeinflusste als die Grunderkrankung an sich, was für mich ein schwer zu akzeptierender Zustand war. Außerdem sah ich, dass der Bedarf an psychologischer und spiritueller Begleitung enorm groß und notwendig war, was von uns Ärzten oft aus Zeitmangel nicht geleistet werden konnte.
Ein weiterer Aspekt, der die Idee zu diesem Buch aufkeimen ließ, war das Lesen verschiedener Bücher, so zum Beispiel »Der König aller Krankheiten. Krebs - eine Biografie« des Krebsforschers Siddharta Mukherjee, der als Arzt die Geschichte der Krebserkrankungen und deren Therapien über Jahrtausende hinweg aufzeigt und neue Ausblicke anregt. Ein anderer Autor, David Servan Schreiber, hat mich mit seinen Büchern »Das Antikrebsbuch« und »Die neue Medizin der Emotionen«, die u. a. auf seinen eigenen Krankheitserfahrungen basieren, ebenfalls inspiriert.
Und natürlich waren es viele Patienten, die mich durch ihren Mut sowie die Bereitschaft für Veränderungen und ihren persönlichen Glauben an Heilung in mancher Situation lehrten, dass die geistige Haltung, Liebe und der eigene Glaube an Genesung entscheidende Kräfte auf dem Weg zur Heilung sind, neben vielen anderen Faktoren.
So erinnere ich mich an eine ältere Patientin, die mit einer fortgeschrittenen Krebserkrankung und typischen Zeichen der bereits eingetretenen Sterbephase auf Wunsch des liebevollen Ehemannes für den letzten Weg nach Hause entlassen wurde. Ich vermerkte in dem Kurzbrief für die zuständige Hausärztin, dass die zuvor sehr umfangreiche Therapie auf die Gabe von Schmerzmedikamenten reduziert wurde. Derzeit hatte ich die Befürchtung, dass diese Patientin den kurzen Transport in ihre vertraute Umgebung nicht überstehen würde. Drei Monate später rief mich ihre Hausärztin an und bat um einen Vorstellungstermin in der ambulanten Onkologischen Tagesklinik, da sich ihr Zustand deutlich gebessert und wieder stabilisiert hatte. Überrascht und erfreut über die positive Nachricht lehrte mich dieses Erlebnis, dass neben vielen anderen Faktoren die Liebe von den Menschen in der Umgebung und die Liebe des Patienten zum eigenen Leben sehr entscheidende Kräfte auf dem Weg zur Heilung sind und mitunter mehr bewirken können als ärztliche Kunst. Außerdem zeigte mir diese Erfahrung, dass eine Verbesserung in jeder Krankheitsphase möglich ist und mit ärztlichen Prognosen sehr achtsam und zurückhaltend umgegangen werden muss.
Ich wünsche Ihnen von Herzen eine gute Reise auf Ihrem Weg zur Genesung. Und vielleicht kann dieses Buch auf Ihrem Nachttisch liegen, Sie mit den Fotos in fremde Länder entführen und Ihnen Abwechslung und Inspiration für Ihren eigenen Heilungsweg geben.
Dr. Gabriela Apel
März 2020
Nur eine knappe Wanderstunde entfernt von Dharamsala befindet sich McLeod Ganj, ein kleiner, schöner Ort am Fuße schneebedeckter Berge, umgeben von üppigem Grün und rotblühenden Bäumen, der von den Einheimischen auch als »Little Lhasa« bezeichnet wird.
Hier in Nordindien befindet sich der Exilsitz der tibetischen Regierung mit dem spirituellen Oberhaupt – Seine Heiligkeit der Dalai Lama – und somit auch die neue Heimat vieler Tibeter. Das ursprüngliche Lhasa in Tibet wird auch als spirituelles Herz bezeichnet. Dass auch über dem neuen »Little Lhasa« eine besondere Atmosphäre schwebt, konnte ich rasch spüren. Ich fand dort eine kleine Pension für meinen Aufenthalt und hatte so die Chance, die Menschen sehr nah zu erleben. Am meisten faszinierte mich die gelassene, gütige und auch glückliche Ausstrahlung sowie die Bescheidenheit vieler Tibeter, besonders auch der alten Menschen, trotz der tragischen Geschichte ihrer gewaltvollen Vertreibung aus der Heimat.
An vielen Plätzen traf ich Menschen, die ihre Gebetstrommeln oder -ketten bewegten und das wohl bekannteste Mantra »Om mani padme hum« rezitierten, vor allem auf dem Wanderweg um die Tempelanlagen des Dalai Lama. Selbst Kinder praktizieren diese Rituale.
Oberhalb von McLeod Ganj befindet sich ein Kinderdorf, das von einer Schwester des Dalai Lama gegründet wurde. Hier leben ca. 2000 Flüchtlingskinder aus Tibet und wachsen als Waisen oder fern ihrer Eltern auf. Im Heimatland ist ihnen aufgrund der Sprachbarriere häufig keine Schulbildung möglich, da dort in den Bildungseinrichtungen nur Chinesisch erlaubt ist. Deshalb schicken viele Eltern ihre Kinder über die Berge des Himalaya, um ihnen eine Schulbildung und damit auch eine Zukunft zu ermöglichen. Auch an diesem Ort spürte ich eine besondere, angenehme Atmosphäre. Bei meinem Rundgang durch das Dorf fragte ich die Sozialarbeiterin, die mir alles zeigte, ob es dort Probleme mit psychischen Erkrankungen gibt. Sie antwortete, dass manche Kinder anfangs etwas Eingewöhnungsschwierigkeiten haben, aber sie im Allgemeinen keine psychischen Erkrankungen kennen. Die Kinder wirkten trotz der Umstände glücklich und zufrieden.
Ich wusste derzeit wenig über die Lebensphilosophie der Tibeter, aber deren faszinierende Ausstrahlung machte mich sehr neugierig, mehr über sie zu erfahren. Deshalb hatte ich mich in Dharamsala am Institut für Tibetische Medizin und Astrologie (Men-Tsee-Khang) für einen Kurs in »Mental Healthcare« (seelisch-geistige Gesundheitsvorsorge) angemeldet. Außerdem wollte ich einen Einblick in das Krankheitsverständnis der tibetischen Medizin sowie deren Heilmethoden bekommen. Während des Kurses hatten wir Vorlesungen und Seminare unter Anleitung tibetischer Ärzte und weiser Lamas bzw. Geshes. Geshe ist ein buddhistischer Gelehrtengrad, ähnlich einem Doktortitel. Der Kurs fand direkt im Men-Tsee-Khang Institut statt, in einem schlichten Gebäude. Unser Seminarraum war an den Wänden mit vielen farbenfrohen, kunstvoll gemalten Rollbildern geschmückt, den sogenannten Thangkas, die Darstellungen verschiedener Buddhas oder tibetischer Schutzgottheiten zeigten. Hinter einer verglasten Wand befanden sich einige Buddhas und Statuen alter Meister der tibetischen Medizin. Davor stand ein Altar mit einem großen Bild von Seiner Heiligkeit dem Dalai Lama sowie verschiedenen Opfergaben: Blumen, Früchten, Butterlampen und Wasserschalen. Licht und Wasser sind dort die häufigsten Opfergaben.
Der Kurs wurde durch rituelle Handlungen, wie das Anzünden von Butterlampen und das Füllen von Wasserschalen, eröffnet. Die ca. 20 Teilnehmer kamen aus verschiedenen Teilen der Welt, so zum Beispiel aus Japan, der Mongolei, Kanada und der Schweiz. Die Vorlesungen wurden simultan in die englische Sprache übersetzt. Unsere Dozenten waren sehr daran interessiert, dass wir über den Inhalt der Vorlesungen diskutieren, alles hinterfragen und zu eigenen Erkenntnissen kommen. Die Gespräche fanden in einer angenehmen, oft von Humor getragenen Atmosphäre statt.
Obwohl ich einige Parallelen in der Herangehensweise zur Bewältigung seelischer Störungen zur Schulmedizin fand, waren viele Sichtweisen für mich völlig neu. Die tibetische Lehre, basierend auf buddhistischen Prinzipien, hat ein enormes Wissen über die Funktionsweise unseres Geistes. Sie scheint die tiefste Wissenschaft vom Geist zu sein. So kennt sie zum Beispiel acht Bewusstseinsebenen und eine Vielzahl mentaler Faktoren (51).
Neben sogenannten Geistesfaktoren werden destruktiven Emotionen (Angst, Wut, Gier, Neid …) eine zentrale Stellung in der Krankheitsentstehung zugeschrieben.
Nach tibetischem Verständnis existiert eine allgemeine, sogenannte entfernte Ursache für die Entstehung von allem Leid, so auch von Krankheit – UNWISSENHEIT. Fehlendes Wissen bzw. Unkenntnis haben eine falsche Sichtweise zur Folge, die das Leben erschwert, da sie die eigentliche Natur der Dinge und des Lebens nicht erkennt. Dieses Missverständnis führt zu störenden Emotionen wie Hass und Begierden, die Triebkräfte für unser Handeln sind. Sie bewirken Dysbalancen in den Körperflüssigkeiten und der Körperchemie.
Der Volksmund kennt diese Zusammenhänge, die sich zum Beispiel in der Aussage »Da ist mir vor Wut die Galle übergelaufen« widerspiegelt. Während in der Schulmedizin von Blut, Gallensaft, Urin etc. gesprochen wird, reden die Tibeter von den Körpersäften: Wind, Galle, Schleim. Diese Störungen der Körpersäfte können sich in Abhängigkeit von bestimmten multifaktoriellen Bedingungen in verschiedenen Krankheiten manifestieren. Für die Wiederherstellung des Gleichgewichtes in Körper und Geist werden in der tibetischen Medizin ganzheitliche Faktoren berücksichtigt wie Persönlichkeit, Verhalten, Alter, Umgebung, Jahreszeit, Klima.
In der Behandlung der Krankheiten spielen neben Kräutern, Mineralien, Ernährung und Änderung der Verhaltensweisen etc. auch mentale Praktiken eine wichtige Rolle. Aus tibetischer Sicht reicht bei vielen Krankheiten eine rein medizinische Behandlung nicht aus, sondern erfordert zusätzlich spirituelle Praktiken.
In diesen Übungen werden krankmachende, alte Muster bzw. Handlungen offengelegt und ihre Wirkkraft durch das Streben und Praktizieren von ethischem Handeln gemindert bzw. aufgelöst, getragen von der Absicht, zukünftig keine negativen Handlungen mehr zu begehen. Dabei geht es nie um Schuld oder Bewertung, sondern um den eigenen Lernprozess und das Erkennen unserer Eigenverantwortlichkeit auf dem Weg zu Gesundheit und Weisheit.
Die tibetischen Ärzte kennen viele Methoden zur Transformation störender, krankmachender Emotionen in heilsame Emotionen wie Mitgefühl, Zufriedenheit, Dankbarkeit, zum Beispiel Mitgefühlsmeditationen, Repetitionen bzw. das Singen von Mantras und das Praktizieren von Ritualen.
Einige Techniken konnten wir in praktischen Übungen kennenlernen und deren positive Wirkung spüren. Während des Kurses wurde immer betont, dass das Mitgefühl des Arztes eine Grundbedingung für das Anstoßen der Heilung im Patienten ist. Ethik und das Kultivieren von Mitgefühl sind im tibetischen Medizinstudium wichtige herausragende Bestandteile. Außerdem war ich überrascht von dem tiefen Wissen der Ärzte über die Sterbeprozesse. Während meines Medizinstudiums habe ich über diese Themen und Behandlungsmöglichkeiten kaum etwas gehört.
Als Teilnehmer dieses Kurses bekam ich auch die Gelegenheit, die verschiedenen Fachabteilungen zu besuchen, so auch die astrologische Abteilung und die Pharmazie. Die Medikamente werden unter strengen Regeln und unter Berücksichtigung der Jahreszeit, astrologischer Kriterien hergestellt. In mancher »Pille« befinden sich 200 verschiedene Inhaltsstoffe, was u. a. die Komplexität der Therapie widerspiegelt. Trotz vorhandener, moderner Fototechnik werden die Heilpflanzen zusätzlich zum Kategorisieren und zur Dokumentation von wahren Künstlern gezeichnet. So entdeckte ich in der Pharmazieabteilung wunderbare detailtreue Kunstwerke. Besonders zog es mich in die große Bibliothek, wo ich viel Zeit verbrachte und die Fachbücher nach verschiedenen Heilansätzen durchstöberte.
Die tibetische Medizin klassifiziert Krankheiten nach verschiedenen Gesichtspunkten, so zum Beispiel nach dem Ort ihres Auftretens im Körper, nach Umgebungsfaktoren, Alter, Jahreszeit. Neben diesen Ursachen werden Krankheiten auch nach der Zeit ihrer Entstehung eingeteilt.
Chronologische Klassifizierung der Krankheiten in der tibetischen Medizin:
Da die Tibeter an Wiedergeburt glauben, gibt es nach ihrer Sichtweise auch Krankheiten, deren Ursachen in vergangenen Leben entstanden sind. Diese Krankheiten sind oft schwer medikamentös zu heilen und benötigen zusätzlich spirituelle Methoden.
Natürlich ist diese Klassifizierung für viele Menschen in unserer Kultur fremd und bedarf einer großen Offenheit. Ich wünsche mir, lieber Leser, dass Sie die Bereitschaft haben, neue Sichtweisen vorurteilsfrei kennenzulernen und sich dann erst nach eigenen Erfahrungen Ihre Meinung bilden. Parallel zur tibetischen Lehre kennt auch die Schulmedizin Krankheiten, deren Ursachen generationsübergreifend vor unserer jetzigen Lebenszeit zu suchen sind. Wir sprechen dann von transgenerationellen Erbkrankheiten oder genetischen Krankheiten, die auch schon unsere Vorfahren hatten und durch schulmedizinische Methoden ebenfalls schwer zu heilen sind. Gerade diese Art von schwer zu behandelnden Erkrankungen motivierte mich besonders, nach Heilwissen zu suchen. Die westliche Medizin forscht intensiv auf der körperlichen Ebene an unserem Erbgut und sucht nach neuen Therapiemöglichkeiten und hat dort große Fortschritte gemacht. Die Frage bleibt: Welche Ereignisse führen zur Veränderung des Erbgutes? Die tibetischen Ärzte haben darauf eine Antwort, die auf sehr altem Wissen basiert. Sie sind davon überzeugt, dass eine der Hauptursachen für die Entstehung von Krankheiten eigene Handlungen und Verhaltensweisen, primär aus Unkenntnis begangen, aus vergangenen Leben sind. Diese aus Unwissenheit entstandenen Handlungen führen nachfolgend über emotionale Störungen zu einer sekundären Veränderung in unserem Körper. Dass allein die Art unserer Gedanken zu körperlichen Veränderungen führt, haben die Neurowissenschaften inzwischen mit modernen Methoden bewiesen.
Während die westliche Medizin häufig primär die Ursachen von Krankheiten nach physischen Aspekten wie Biochemie und Erbgut betrachtet, sind die Tibeter davon überzeugt, dass unser Geist mit unseren Gedanken, Worten und Verhaltensweisen den Körper verändert und programmiert, krank machen, aber auch heilen kann.
Die neue revolutionäre Wissenschaftsdisziplin Epigenetik, von der ich später noch genauer berichten werde (s. Kapitel »Heilung braucht Erinnerung«), bringt derzeit viele faszinierende Forschungsergebnisse für die Wahrheit der tibetischen Kenntnisse, sodass wir unsere Sichtweisen neu überdenken müssen. Der Neurobiologe Dr. Peter Spork berichtet in seinem neuen Buch »Gesundheit ist kein Zufall« über aktuelle Kenntnisse der epigenetischen Forschungen. Eine seiner Grundaussagen ist: »Vergesst die Gene! Vergesst die Umwelt!« Es sind nicht primär die Gene, sondern die Erlebnisse und Erfahrungen über mehrere Generationen hinweg, die über Gesundheit oder Krankheit entscheiden. (Spork, 2017)
Krankheiten, deren Ursachen primär im seelisch-geistigen Bereich entstehen, können an der Wurzel auch langfristig mit mentalen Therapiemethoden am besten geheilt werden, neben den vielen anderen wichtigen Therapieoptionen auf körperlicher Ebene. Die Bewusstmachung, das Fühlen und Verstehen dieser krankmachenden Ursachen kann diesen Krankheitsprozess durchbrechen und Heilung anstoßen.
Da ich selber in einer Art tief entspanntem Zustand nach dem Schlaf (s. Kapitel: Krebs und die Geschichte meiner Familie) Zugang zu krankmachenden Mustern meiner generationsübergreifenden Familiengeschichte hatte, war meine Motivation besonders groß, nach mentalen Methoden zu suchen, die zur Heilung von Krankheiten beitragen können. Seelisch-geistige Aspekte in der Krankheitsentstehung werden in der westlichen Medizin oft nur nebensächlich behandelt oder sogar ignoriert. Die Regulation der Körperchemie mit Medikamenten steht häufig im Mittelpunkt der Therapie und setzt nur am Symptom an unserem Körper an und nicht an den tieferen Ursachen. Eine gewisse Frustration über diese Situation, der ich durch vorgeschriebene Therapieleitlinien als Hausärztin unterliege, sowie ein großes Interesse an einer tieferen Ursachensuche waren weitere Gründe meiner Reise.
Am Men-Tsee-Khang Institut in Dharamsala hatte ich die Chance zu hospitieren und war sehr beeindruckt von den sanften, genauen Diagnostikmethoden. Allein durch die Pulsdiagnostik und Urinanalyse können erfahrene tibetische Ärzte treffsichere Diagnosen stellen bzw. das erkrankte Organsystem benennen, ohne den Einsatz unangenehmer Blutabnahmen oder radiologisch belastender Verfahren, die den Blick in den Körper möglich machen. Schon Hippokrates äußerte, dass es bei der Heilung wichtig ist, dem Patienten nicht zu schaden.
Auch über die Landesgrenzen hinweg sind die Tibeter sehr aktiv. Seit einigen Jahren werden am Men-Tsee-Khang Institut jährlich Konferenzen organisiert unter dem Thema: Body, Mind und Life, in denen sich Experten aus verschiedenen Heilsystemen der Welt austauschen, wie beispielsweise der Ayurvedamedizin, der Traditionellen Chinesischen Medizin und der westlichen Medizin, mit dem Ziel, integrative Wege zum Nutzen der Patienten zu finden. Ich hatte in den nachfolgenden Jahren die Möglichkeit, an zwei dieser Konferenzen teilzunehmen und war jedes Mal erstaunt über die aktuellen Forschungsergebnisse. So stellte beispielsweise im Jahre 2016 ein Wissenschaftler von der Universität Vilnius (Institut für Biochemie) eine sehr hoffnungsvolle Pilot-Studie vor. Er hatte sich an das Tibetische Medizinische Institut mit der Bitte um Bereitstellung einiger Medikamente gewandt, die zur Behandlung von Krebstumoren, speziell von Hirntumoren (Glioblastomen), genutzt werden. Diese Art von Hirntumoren wächst sehr rasch und hat im Allgemeinen eine sehr schlechte Prognose. Anhand mikroskopischer Aufnahmen von lebenden Glioblastomzellen und anderer Untersuchungen konnte er zeigen, dass die bereitgestellten, nebenwirkungsfreien Medikamente das Wachstum der Zellen deutlich hemmen.
Die Mitarbeiter des tibetischen Instituts unterstützen inzwischen weltweit Forschungen der westlichen Medizin in Kombination mit tibetischen Heilansätzen und zeigen eine große Offenheit für wissenschaftliche Forschungsmethoden. Die Ergebnisse sind faszinierend und stimmen zuversichtlich. Die Tibeter sind dankbar und neugierig, auch über die Chance, von dem tiefen Wissen der biochemischen Kenntnisse der Schulmedizin zu lernen. Demgegenüber hat die tibetische Medizin einen ganzheitlichen Ansatz unter der besonderen Berücksichtigung der geistigen Faktoren und einen großen Schatz an Kenntnissen mentaler Methoden, um das innere Gleichgewicht des Menschen wiederherzustellen. Wenn es gelingt, die enormen Kenntnisse der westlichen Medizin mit den Heilmethoden anderer Kulturen, besonders die der Tibeter zu kombinieren, werden wir überrascht sein über das zusätzliche immense Potential, Krankheiten ganzheitlich an der Wurzel zu heilen.
Hinzu kommt, dass ich einige Begegnungen hatte, die mir zeigten, dass dort, wo die westliche Medizin an ihre Grenzen stößt, tibetische Mittel noch helfen können. So traf ich in McLeod einige erkrankte Menschen, die aus anderen Ländern angereist waren, um Hilfe bei dem ehemaligen Leibarzt seiner Heiligkeit des Dalai Lama – Dr. Yeshi Donden – zu suchen, der ursprünglich das Tibetische Medizinische Institut mit aufgebaut hat. Er wurde über 90 Jahre alt und betrieb bis zu seinem Tod im November 2019 eine Praxis, in der er täglich viele Patienten behandelte, die schon morgens um fünf Uhr anstanden und geduldig warteten. Die Menschen hatten großes Vertrauen zu ihm und berichten von seinem großen
Mitgefühl. In einem kleinen Restaurant kam ich mit einer Studentin ins Gespräch, die extra aus der Ukraine angereist war, um Dr. Donden zu konsultieren. Sie berichtete, dass sie an einer bösartigen Geschwulst des Knochens (Ewingsarkom) leidet, bereits zweimal operiert wurde und Angst vor einer Amputation des Beines hat, was ihr bei einem erneuten Rückfall drohte. Außerdem hatte sie trotz der Einnahme vieler Mittel starke Schmerzen. Dr. Donden verordnete ihr tibetische Medikamente und empfahl, mit ihren Emotionen zu arbeiten. Eindrucksvoll erzählte sie später, dass bereits eine Woche nach der Einnahme der tibetischen Pillen eine deutliche Besserung und Reduktion der Schmerzen eingetreten sei. Monate später hatte ich erneut Kontakt per E-Mail zu dieser jungen Frau, der es wieder gut ging.
Am Ende des Aufenthaltes war ich sehr beeindruckt von der Fülle des immensen Wissens und der vielen neuen Informationen und hatte das Gefühl, das gefunden zu haben, wonach ich suchte. Meine Neugierde und mein Abenteuergeist trieben mich trotzdem weiter in die Welt.
In der Rückschau kann ich inzwischen sagen, dass die Reise zu den Tibetern die für mich prägendste Erfahrung auf meiner Suche nach Heilwissen war. Ich fand dort die Bestätigung für meine eigene Überzeugung, dass primär alles in Kopf und Herz beginnt. Deshalb werde ich in diesem Buch überwiegend auf mentale Therapiemethoden fokussieren, um Werkzeuge aufzuzeigen, die zur Bewältigung von Krankheitsphasen und in schwierigen Alltagssituationen hilfreich sein können.
Literaturempfehlungen
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»Ein wissender Mensch kann nicht glauben, dass Glück und Leid ohne Ursachen entstehen können.« (Buddha)
Fast jeder Arzt kennt Patienten, deren Heilung aus konventionell medizinischer Sicht ein Wunder ist, indem der Mensch auf unerklärliche Weise, trotz sehr fortgeschrittener Krankheit, plötzlich wieder gesund geworden ist. Solche Heilungen – ohne medizinisches Eingreifen – werden auch als Spontanheilungen oder Spontanremissionen bezeichnet. Diese auf Tatsachen beruhenden Geschichten können aus schulmedizinischer Sicht meist nicht erklärt werden. Abgesehen von diesen Berichten ist natürlich jede Heilung ein Wunder. Wenn ein Chirurg zum Beispiel bei einem Knochenbruch die auseinanderdriftenden Fragmente wieder durch eine Platte adaptieren kann, so geschieht der eigentliche Prozess der Heilung primär durch den Patienten, wenn die Knochenenden zusammenwachsen und der Defekt ohne unser bewusstes Eingreifen durch viele komplizierte Prozesse heilt.
Einige Wissenschaftler haben das Phänomen der Spontanheilungen näher untersucht, so auch der japanische Forscher Horoshi Oda.
Obwohl in seinen Forschungen jede Heilungsgeschichte sehr individuell war, unterscheidet er drei wesentliche Strategien:
Besonders eindrucksvoll sind die Geschichten von Menschen, die persönlich über ihre Erlebnisse und Erfahrungen nach eigener Spontanheilung berichten, um anderen Betroffenen Mut zu machen. Der kanadische Physiker Alain Beauregard reist durch die Welt und berichtet in Seminaren über seine berührende Geschichte, um seine hilfreichen Erfahrungen zu teilen. Im Alter von 46 Jahren wurde bei ihm Blasenkrebs mit Metastasierung in vielen Organen und Knochen festgestellt. Obwohl ihm die Ärzte mitteilten, dass die Erkrankung unheilbar sei, wollte er sich dieser fatalen Prognose nicht hingeben. Neben den medizinischen Methoden wie Operation und Chemotherapie nutzte er intensiv spirituelle Methoden aus dem Buddhismus. Innerhalb von wenigen Monaten trat wider Erwarten eine vollständige Heilung ein. In seinem Seminar 2015 in Berlin fasste er seine Erfahrungen in folgenden Worten zusammen (Assmann, 2015):
»Heilung geschieht auf drei Ebenen: der geistigen (spirituellen), der emotionalen und körperlichen […] Ich spreche oft von der »schweren Artillerie« der Heilung: um Hilfe bitten, beten, visualisieren und Mantren zitieren.« (Alain Beauregard)
Außerdem berichtete er, dass er einige Jahre gebraucht hatte, um sich wieder vollständig von der aggressiven Chemotherapie zu erholen. Besonders, betonte Alain, half ihm das Fürbittgebet vieler Menschen in dieser problematischen Lebensphase. Berührend berichtete er von seinen Berg- und Talfahrten während der Erkrankung, die ihn häufig an die Grenze des Ertragbaren führten. Trotz dieses komplizierten Lebensabschnittes hat sich sein Leben durch die Erkrankung im Rückblick sehr positiv verändert. Jahrelang unterdrückte emotionale Blockaden konnten aufgearbeitet werden. Seine Lebensqualität beschreibt er heute mit Dankbarkeit, innerer Balance, Glücksgefühlen und Lebensfreude, was jeder Anwesende live in Berlin miterleben konnte. Alain betonte ebenfalls, dass die Kombination der schulmedizinischen Methoden auf körperlicher Ebene mit spirituellen Praktiken auf emotionaler und seelisch-geistiger eine vollständige Heilung möglich gemacht haben.
Parallelen finden sich in der tibetischen Medizin, die bei vielen Krankheiten spirituelle Methoden neben anderen medizinischen Heilverfahren einsetzt.
Für die Art der individuellen Behandlungsmethoden kann sich jeder Mensch frei entscheiden, nach zuvor umfassender Beratung durch Spezialisten. Allein auf spirituelle Praktiken zu fokussieren, grenzt die auf physischer Ebene bestehenden bewährten Methoden (Operation, Medikamente und Bestrahlung …) aus und schöpft das immer bestehende Heilungspotential nicht voll aus.
Auch das Fürbittgebet durch andere Menschen kann in diesem Prozess helfen. Der Vatikanjournalist Andreas Englisch berichtet in seinem Buch »Johannes Paul II. – Das Geheimnis des Karol Wojtyla« von der enormen Kraft des Fürbittgebetes. Als eine der Mitarbeiterinnen des Papstes – Wanda Poltawska, eine Dozentin für Psychiatrie in Krakau – an Krebs erkrankte und ihr die Ärzte nur noch einige Wochen prognostiziert hatten, wandte er sich in einem Brief an einen Pater mit außergewöhnlichen Fähigkeiten. Er schrieb: »Beten Sie für Wanda Poltawska. Die Frau ist eine Mutter von vier Kindern. Sie war während des Krieges vier Jahre in einem Arbeitslager in Deutschland und hat unendlich gelitten«. Bereits elf Tage danach konnten die Ärzte feststellen, dass der Krebs spurlos verschwunden war und sprachen von einem Wunder. (Englisch, 2004)
So gibt es viele Geschichten, in denen Menschen über die Kraft ihres Geistes wieder gesund geworden sind. Georg Friedrich Händel beispielsweise hat sein größtes Werk »Messias« komponiert, nachdem er entgegen den Prognosen der Mediziner nach mehreren Schlaganfällen wieder gesund geworden war.
Auch der Wissenschaftler Stephen Hawking zeigte am Beispiel seiner Lebensgeschichte, dass die Macht eines regen Geistes körperliche Grenzen überwinden kann. Mit über 70 Jahren berichtete er, dass ihm die Ärzte schon mit 20 Jahren einen nahen Tod vorausgesagt hatten. Diese begrenzte Aussicht inspirierte sein Leben und seinen Geist nach einer anfänglichen depressiven Krise neu. Sein hohes Lebensalter und seine genialen wissenschaftlichen Erkenntnisse zeugen von der »Kraft des Geistes«. Er starb erst mit 76 Jahren.
Sicherlich sind solche Geschichten von Spontanheilungen sehr außergewöhnlich und selten, aber sie zeigen auch, dass Heilung oder ein zufriedenes Leben in jeder Lebensphase möglich ist.
Menschen, die Wunderheilungen erfahren haben, sind häufig davon überzeugt, dass sie über mentale Techniken bzw. spirituelle Methoden und die Arbeit mit ihren Emotionen wieder gesund geworden sind.
Es existiert immer eine Dimension bzw. Heilquelle in uns, die körperliche Grenzen überwinden kann, dabei werden die mentalen Methoden, die mit unserem Bewusstsein arbeiten, häufig unterschätzt bzw. sind nicht bekannt. Hier liegt ein großes Potential für die westliche Medizin.
Literaturempfehlungen