Für meine Patenkinder
Cleo-Josephin und Lena
Folgt immer eurem Herzen
Ich schrecke hoch, sitze kerzengerade und verschwitzt in meinem Bett. Etwas stimmt nicht. Etwas ist … anders!
Der penetrante Vogel im Apfelbaum scheint ausgeflogen zu sein, statt seiner macht sich ein ehrgeiziger Specht bemerkbar. Aber das ist es nicht. Meine linke Hand schmerzt, wahrscheinlich weil ich noch immer das Handy verkrampft festhalte. Mit dem Daumen massiere ich die Innenfläche, während ich mich in meinem Zimmer umsehe: der Holzstuhl mit der geflochtenen Sitzfläche, über dem einige Kleidungsstücke hängen, mein apfelgrüner Teppich mit dem ärgerlichen dunklen Fleck am Rand, den ich unter einem hoch getürmten Magazinstapel verstecke. Den Fleck habe ich natürlich Jeremy zu verdanken oder genauer gesagt: seiner Kakao-Vorliebe. Eigentlich hat mein Bruder nichts in meinem Zimmer zu suchen, trotzdem nutzt er jede Gelegenheit dazu rumzuschnüffeln und sein Spielzeug hereinzuschleppen. Seit er letzten Monat mein Tagebuch gelesen hat, trägt es zur Sicherheit ein Schloss. Außerdem steckt es jetzt zwischen meinen Schulbüchern, die er mit Gewissheit nicht anfasst. Sie stehen neben einigen gerahmten Familienfotos von uns auf dem Schreibtisch.
Alles scheint unverändert. Aber die Zahl auf dem Wecker ist eine andere: kurz nach acht. Da wird mir klar, was mich hat hochschrecken lassen: Es ist viel zu still für diese Zeit.
Schläft Jeremy noch? Oder streift er schon wieder durch den Wald, mit dem sinnlosen Versuch beschäftigt, ein Eichhörnchen zu fangen? Verrückt!
Aus dem Untergeschoss höre ich Geschirr klappern. Mum deckt den Tisch, was sie nur tut, wenn auch Dad zu Hause ist und Zeit für ein gemeinsames Frühstück bleibt. Einen Moment später zieht auch schon der Duft von Pancakes in mein Zimmer und ich schlüpfe schnell aus meinem Entenpyjama, streife mir nur Jeans und ein verwaschenes Shirt über, damit ich am Tisch bin, bevor Jeremy mir alles wegfuttert. Er kann Berge von Pancakes in Windeseile verdrücken.
Jede der Treppenstufen knarzt und obwohl ich unser altes Holzhaus liebe, würde ich manchmal gern mit Carissas traumhaftem Stranddomizil tauschen.
Unsere Küche ist altmodisch, aber gemütlich, und wie fast alles in unserem Haus aus Holz. Dad arbeitet in dem letzten verbliebenen Sägewerk von Mill Valley, und nicht selten stapeln sich krumme, zerspante oder sonst wie unbrauchbar gewordene Bretter auf seinem Pick-up, wenn er am Spätnachmittag den ausgefahrenen Waldweg zu unserem Haus heruntergerumpelt kommt. Er kann den Gedanken nicht ertragen, einer der gigantischen Redwood-Bäume sei umsonst gestorben. Daher verbringt er nicht selten seine Wochenenden im Schuppen, um irgendetwas aus den Holzabfällen zu bauen. So ist auch unsere Küche entstanden. Aber Mum hat sie am letzten Wochenende bunt angestrichen, weil sie meinte, kein naturbelassenes Holz mehr sehen zu können. Seitdem ist Dad noch wortkarger als sonst, und als ich in die Küche komme, sitzt er, eine aufgeschlagene Zeitung vor dem Gesicht, am Tisch und brummt: »Morgen.«
Ich drücke ihm einen Kuss auf die kahle Stirn. »Guten Morgen, Mops.«
Er schaut mich an und grinst. Ich schätze, Dad mag es, wenn ich ihn Mops nenne, auch wenn sein beachtlicher Bauch die Schuld an dem Namen trägt.
»Ist er immer noch stinkig?«, frage ich Mum und deute auf einen türkisfarbenen Schrank, aus dem sie gerade drei Teller nimmt.
»Kein Mensch kann immer nur braun sehen, erst recht nicht, wenn er die ganze Nacht arbeitet und ins Dunkle starrt«, antwortet sie und reicht mir die Teller.
Wie müde sie aussieht … Ich werde heute mit Jeremy in den Wald gehen, damit Mum ein wenig Schlaf nachholen kann. Seit einiger Zeit muss sie nachts an einer Mautstation der Golden Gate Bridge arbeiten, denn seit Mill Valley zu einem der lebenswertesten Orte der Staaten gewählt wurde, sind die Kosten für Lebensmittel, Benzin, sogar für Toilettenpapier derart gestiegen, dass Dads Lohn nicht mehr ausreicht.
Mum unterdrückt ein Gähnen, stellt den Sirup auf den Tisch und zupft an meinem grauen Shirt. »Du könntest aber auch ein bisschen Farbe vertragen, Hoppihasi. Immer diese dunklen Sachen. Das passt doch gar nicht zu dir.«
»Nenn mich nicht Hoppihasi!«, fauche ich und ziehe meine Oberlippe hoch, um deutlich zu zeigen, dass sich meine Lücke zwischen den Schneidezähnen, der ich meinen Spitznamen zu verdanken habe, fast geschlossen hat. Doch als ich sehe, dass Mum anscheinend vor Müdigkeit sogar Jeremys Gedeck vergessen hat, bereue ich meine Worte und decke den vierten Teller dazu. »Hoppihasi ist okay, Mum. Mach dir keine Gedanken.«
Meine Mutter lächelt dankbar, dann öffnet sie die Briefe, die mein Dad zusammen mit der Zeitung ins Haus geholt hat.
»Stromrechnung; die Versicherungsunterlagen für den Pick-up; du meine Güte, schon wieder neue Schulkleidung …«, murmelt sie, während sie die Umschläge in den Mülleimer fallen lässt und Dad die Briefe über den Tisch zuschiebt, »und - ach … kennst du einen Francis Raymond, Robert?«
»Hm … ein entfernter Verwandter, ich glaube, meine Schwester Rose hat ihn irgendwann mal besucht. Was ist mit ihm?«, fragt Dad, ohne die Zeitung zu senken.
»Stell dir vor, eine Einladung für uns, zu seinem Geburtstag. Wie nett. Hier steht, er lebt irgendwo bei Carson City, Nevada. Was meinst du, sollen wir zusagen? Es wäre spaßig. Wir könnten Las Vegas besuchen …«
»Mich zieht nichts in diese gottverdammte Einöde«, brummt Dad, legt die Zeitung zur Seite und zieht eine Augenbraue hoch, als ich das Besteck zu Jeremys Teller lege. »So früh Besuch?«
»Der ist für Jeremy, Dad!«, antworte ich kopfschüttelnd und lasse mich auf den Stuhl fallen. »Wo ist er überhaupt?«
Mum füllt uns allen Pancakes auf und übergießt sie mit großen Mengen Ahornsirup. »Du musst mir sagen, wenn Besuch zum Frühstück kommt, Hopp…«, sie beißt sich auf die Zunge, »Alison. Jetzt haben wir nicht genug Pancakes.«
»Jeremy«, brummelt Dad. »Besucht ihr den gleichen Kurs? Ist er älter als du?« Eine steile Falte zeichnet sich auf seiner Stirn ab und ich muss mir das Lachen verkneifen, weil er tatsächlich verärgert aussieht.
»Sehr witzig, Mops! Selber Kurs …« Jeremy kommt erst nächstes Jahr auf die Junior High und ich fürchte, dass er mir dann die ganze Zeit an den Fersen kleben wird. »Nein, im Ernst. Hat mein kleiner Bruder schon gefrühstückt?« Ich schiele nach dem letzten Pancake.
»Wessen Bruder? Kennen wir seine Schwester? Was ist das für ein Typ?«, will Dad wissen.
»Robert!«, fällt Mum ihm ins Wort und zupft an meinen fransigen Haarsträhnen herum. »Wenn es endlich jemanden gibt, der dir gefällt, Hoppi, solltest du dich ein wenig mehr zurechtmachen.«
Wieder beschleicht mich das ungute Gefühl, dass hier irgendetwas nicht stimmt, und es hat nichts mit meiner immer noch schmerzenden Handfläche zu tun, sondern mit Mum und Dad. Es sieht ihnen nicht ähnlich, Scherze auf Kosten ihrer Kinder zu machen.
»Mum! Wo ist Jeremy?«, frage ich mit einem Kloß im Hals.
»Ich weiß nicht, wann habt ihr euch denn verabredet? Er wird dich doch wohl nicht versetzt haben?« In dem Blick meiner Mutter liegt so viel aufrechtes Mitgefühl, dass ich fast glaube, sie weiß wirklich nicht, von wem ich spreche.
Mein Herz macht sich wild pochend bemerkbar. »Wenn das hier ein Scherz sein soll, ist es ein verdammt schlechter!«, presse ich heraus. »Ich will jetzt sofort wissen, was mit Jeremy ist!«
Dad lässt die Zeitung sinken, die er gerade wieder aufgenommen hatte, und starrt mich an. »Alison, ist alles in Ordnung?«
»Nein! Nichts ist in Ordnung!«, blaffe ich, wütend darüber, dass meine Eltern konsequent ihr Schauspiel durchziehen. »Mein Bruder - Jeremy! Wo ist er?«
Als beide nicht antworten, wird mir übel.
Jeremy ist verletzt oder noch schlimmer: tot! Er ist von einem der irrsinnig hohen Bäume gefallen, in die er immer klettert, um den Eichhörnchen nachzujagen. Aber warum sagt mir niemand was?
»Alison, du hast keinen Bruder«, sagt Mum und legt mir besorgt die Hand auf die Stirn. »Kein Fieber«, murmelt sie. »Was ist denn nur los mit dir?«
»Was ist los mit euch? Selbstverständlich habe ich einen Bruder! Er heißt Jeremy, ist am siebzehnten Juni zehn Jahre alt geworden und euer kleiner Engel! Was ist ihm zugestoßen? Ich schreie das Haus zusammen, wenn ihr mir nicht sofort sagt, was passiert ist!« Meine Stimme überschlägt sich.
»Du schreist ja schon das Haus zusammen. Beruhig dich, Kind. Du hast keinen Bruder!«, wiederholt Mum und schüttelt mich an den Schultern.
Ich verstehe nicht, wie sie so etwas behaupten kann, und Wut wechselt sich mit Panik ab. Aber Mum bleibt so ernst, dass mir plötzlich der Gedanke kommt, ich könnte Jeremy tatsächlich herbeifantasiert haben. Vielleicht stimmt etwas mit mir nicht, mit meiner Wahrnehmung. Ich befreie mich aus Mums Griff und renne in mein Zimmer, um ein Foto von Jeremys letztem Geburtstag zu holen, auf dem wir alle Piratenhüte tragen. Die Tür steht einen Spalt offen, als ich sie ganz aufstoße, verliere ich das Gleichgewicht vor Schreck und muss mich am Treppengeländer festhalten. Auf dem grünen Teppich liegt ein großer, graumelierter Hund mit langem, zottigem Fell, der den Kopf hebt und mit seiner Rute klopft, als er mich sieht.
»Was zum Teufel …? Raus! Verschwinde dahin, wo du hergekommen bist!«
Der Hund trollt sich die Treppe runter. Ich brauche eine Sekunde, dann stürze ich zum Schreibtisch, stolpere über den Stapel Magazine, der sich über dem Teppich ausbreitet. Der Kakaofleck! Er wäre nicht da, wenn Jeremy nicht existieren würde, oder? Mit fliegenden Händen schleudere ich die Magazine beiseite. – Was? Das kann nicht sein! Er ist weg! Nichts! Nur apfelgrüne Wolle, kein Fleck. Ich bin mir sicher, nicht zu träumen, kneife mir aber trotzdem in die Wange. Es tut weh.
Hektisch stolpere ich zu meinem Schreibtisch, reiße meine Bücher um. Das Tagebuch fällt auf die Erde, klappt auf. »Kein Schloss! Wo …« Mein Blick fällt auf die beiden Bilderrahmen, mir wird schwindelig und gleichzeitig eiskalt. Ich sehe Mum, Dad, meine Tante Rose und mich selbst beim Zelten an einem See. Die Aufnahme entstand in einem der Nationalparks im Redwood-Forest, ich muss etwa acht gewesen sein. Mit klaffender Zahnlücke grinse ich in die Kamera. Aber dort, wo Jeremy in einem Nest aus Moos sitzen sollte, das ich zusammengetragen hatte, damit er weich genug liegt, steht ein Grill. Mein Verstand will nicht glauben, was meine Augen sehen. Aber schon längst habe ich bemerkt, dass auch der andere Glasrahmen, der das Foto halten sollte, auf dem mein Bruder in wilder Piraterie einen Plastiksäbel über unseren Köpfen schwingt und wir alle so tun, als würde er uns gleich erdolchen, einem anderen gewichen ist. Es zeigt eine Aufnahme von mir und dem Hund, den ich eben aus dem Zimmer gejagt habe. Das Bild ist mit einem Herz verziert, neben dem »Buffy« steht.
Du meine Güte! Das kann doch nicht … Wie? Ich weiß, Jeremy existiert, Millionen Dinge verbinde ich mit ihm. Kein Beweis dafür. Nirgends! Warum erinnert sich denn niemand?
Vielleicht bin ich verrückt geworden! Vielleicht ist das gar nicht mein Leben. Ich muss fantasieren, aber alles fühlt sich so echt an. Hilfe! Ich öffne den Mund, ein stummer Schrei. Jeremy … Jeremy! Benommen stolpere ich zu dem Fenster, lehne mich weit hinaus. »Jeremy! Je-re-miiiiiiiiie! Antworte doch! Bitte komm wieder!« Plötzlich zieht sich mein Magen zusammen. Ich würge, falle auf die Knie, alles dreht sich! Schwallartig breche ich die Pancakes aus. Meine Handfläche brennt wie Feuer. Wieder muss ich würgen, bittere Galle. Ich höre gerade noch, wie Dad ins Zimmer gestürmt kommt, brüllt: »Susan! Ruf einen Arzt! Schnell!«
Wieso brennt meine Hand? Wieso … wieso … Mein Leben versinkt in Dunkelheit.
Jemand streichelt meine Hand. Anscheinend bin ich bei Bewusstsein … Ich versuche, die Augen zu öffnen. Nicht möglich … Leise Stimmen dringen zu mir durch, Wortfetzen verfangen sich in meinem vernebelten Hirn. »Puls optimal …«, »Anzeige läuft …«, »kann bald aktiviert werden …«, »Impuls zum Aufwachen geben …«, »Stopp! Neuronale Werte noch nicht stabil …«
Ich muss im Krankenhaus sein! Mum steht neben mir und massiert meine Hand, ihre Berührung tut gut, alles ist in Ordnung. Müde … ich will schlafen … nur noch schlafen …
Als ich wieder aufwache, höre ich die Ärzte. Sie reden leise, ihre Stimmen klingen ruhig. Niemand scheint sich ernsthaft Sorgen zu machen. Trotzdem, irgendetwas ist merkwürdig, irgendetwas nicht normal. Nur was?
Im nächsten Augenblick schießt etwas heiß durch meine Venen, ein Kribbeln überzieht meinen ganzen Körper, als würde eine Feder darüber streifen, und dann bin ich hellwach. Der geistige Schleier hat sich so abrupt in Luft aufgelöst, als hätte mich jemand mit einem Kübel eiskalten Wassers übergossen. Aber jetzt ist mein Verstand glasklar.
Jeremy! Was ist mit Jeremy? Und Mum!
»Mum?«, flüstere ich und öffne meine Augen.
Aber es ist nicht meine Mutter, die eben meine Hand loslässt, sondern eine spindeldürre Schwester mit breiter Nase und weit auseinanderstehenden Augen. Sie schraubt einen Metalltiegel zu, wendet sich ab und wäscht sich die Hände. »Der Marker hat eine leichte Entzündung hervorgerufen. Das sollte er nicht. Aber die Creme wirkt schnell«, sagt sie emotionslos und verlässt ohne weitere Erklärungen den Raum.
Ich starre ihr hinterher, dann auf meine Handinnenfläche, die sie behandelt hat. Hauchdünne silberne Fäden ziehen sich über die Haut und kreuzen sich mit den Lebenslinien zu einem bizarren Muster. Sie scheinen keinen Sinn zu machen. So etwas habe ich noch nie gesehen, auch verstehe ich ihren Zweck nicht. Mein Zeigefinger streicht unwillkürlich über den Fremdkörper. Er lässt sich kaum erspüren.
Erst jetzt registriere ich einen Mann, der mit dem Rücken zu mir an einer eigenartigen Anzeigetafel aus Glas steht, die er steuert, ohne sie zu berühren.
»Hallo«, versuche ich, ihn auf mich aufmerksam zu machen. Aber der Mann reagiert nicht. »Hey! Sie!«, sage ich lauter und als er sich endlich umdreht: »Warum sind meine Eltern nicht hier? Wo bin ich? Was ist das hier auf meiner Hand?«
»Es wird sich alles klären. Ich bin nicht befugt, tut mir leid«, antwortet er, doch ich lese weder Mitleid noch Interesse in seinem Gesicht. Auch scheint er kein Arzt zu sein. Zumindest trägt er keinen Kittel, stattdessen einen milchigen Ganzkörperanzug, der ihn auf seltsame Weise konturlos erscheinen lässt. »Ihre Werte sind stabil. Bis auf die winzige Entzündung.« Jetzt greift er nach meinem Arm und biegt meine Finger hoch, ganz so, als sei ich eine Puppe. »Sehen Sie selbst, er hat sich wunderbar mit Ihrem Nervensystem verbunden. Also kein Anlass zur Sorge.«
Seine Ignoranz macht mich wütend, gleichzeitig fühle ich mich elend und verlassen. »Hören Sie! Ich gehe jetzt, okay?« Ich versuche selbstbewusst zu klingen, aber es hört sich mehr wie eine Frage an.
»Das wird nicht möglich sein«, antwortet der Mann und bringt mein Bett in eine aufrechte Position. »Aber ich bleibe bei Ihnen, bis Sie geholt werden. Meine Aufgabe ist es lediglich, Ihnen in der verbleibenden Zeit den Marker zu erläutern. Bitte wenden Sie Ihre Aufmerksamkeit Ihrer linken Handinnenfläche zu.«
»Wohin werde ich geholt?«
»Ich bin nicht …«
»Dann rufen Sie jemanden, der befugt ist!«
Jetzt scheine ich meinen Worten genug Kraft verliehen zu haben, denn kurz zeichnet sich Verblüffung auf seinem bleichen Gesicht ab. Statt einer Antwort wendet er sich wieder der Anzeigetafel zu. Mein Blick folgt seinem zu einem digitalen Balken, der kurz rot aufleuchtet, dann wieder in einen gelben Bereich zurücksinkt. Als prompte Reaktion werde ich ruhiger, obwohl ich es nicht will. Ganz so, als würde ich fremdbestimmt, ferngesteuert, automatisch reguliert.
Es fühlt sich falsch an, denn ich spüre nichts als Erstaunen, als ich mich wieder frage: Wo bin ich? Warum haben meine Eltern mich hiergelassen? Allein? Was ist mit Jeremy geschehen?
Die Ungewissheit sollte mich mit Panik erfüllen, aber mein Körper lässt keinerlei Emotionen mehr zu. Er verhält sich beherrscht und ich kann meine Gedanken nicht mit der Angst, Wut oder dem Entsetzen in Einklang bringen, das ich empfinden sollte.
Okay, dann kann ich ja auch gehen.
Aber der Sessel lässt mich nicht aus seiner Schale, obwohl ich jeden Muskel meines Körpers anspanne. Ich mühe mich ab, winde mich hin und her, bis auch meine Freiheit mir nicht mehr wichtig erscheint. Gleichgültig lasse ich die Arme sinken und sehe trübe zu dem bleichen Gesicht des Technikers. Er deutet mit knapper Geste auf einen Gurt, der mich anscheinend fixiert hält, aber ebenso wenig spürbar ist wie die silbernen Fäden auf meiner Hand.
»Was haben Sie mir gegeben?«, frage ich eher aus Langeweile.
Mein Gegenüber, das mit seinen blassblauen Augen auf mich herabsieht, nickt zufrieden. »Es ist notwendig, dass wir Ihre Emotionen herunterregulieren. Sie müssen in der Lage sein, mir zu folgen.«
Er greift erneut nach meiner Hand und drückt einen schlanken Metallstab in die Vertiefung zwischen Daumen und Zeigefinger. Sofort vereinen sich die vielen feinen Silberfäden zu einer Fläche, die von einem klar umrissenen Rechteck begrenzt ist. Zahlen und Farben erscheinen darauf.
»Dies ist Ihr Marker«, erklärt das bleiche Gesicht und umfährt mit dem Metallstab die eckige Kontur. »Er zeigt momentan Ihre Vitalwerte. Das heißt, eigentlich nur eine vereinfachte Darstellung mit den wichtigsten Kennzahlen. Hier, auf unserem Neuroscreen hinter mir an der Wand, sehen Sie alle neuralen, chemischen und hormonellen Prozesse Ihres Körpers. Für Ihre Belange jedoch reicht der Puls«, er tippt auf eine der Zahlen, »Blutdruck, die Katecholamine, wie Adrenalin, Dopamin, also die wichtigsten Stresshormone, und zu guter Letzt eine Zusammenfassung sämtlicher Werte, die Ihre allgemeine Verfassung widerspiegeln. Momentan liegen Sie im hellgrünen Bereich. Das ist hervorragend, aber natürlich auch Ihrem derzeitig begrenzten emotionalen Spektrum zuzuschreiben. Was ein roter Wert bedeutet, muss ich wohl nicht erläutern.« Er schließt meine willenlose Hand zur Faust. »Bald werden Sie merken, dass wir Ihre Emotionen stückweise wieder hochfahren. Erschrecken Sie also nicht, wenn die Werte dann ein bisschen durcheinandergeraten. Öffnen bitte.«
Der Mann tippt mit dem Stab auf meine Fingerknöchel und ich folge seiner Anweisung.
»Der Marker ist mit Ihrem neuralen Netz insoweit verbunden, als dass wir auch über die Distanz hinweg Zugriff haben werden. Er dient uns zur Lokalisierung und Portierung Ihrer Person. Außerdem werden Sie beschränkte Textnachrichten über ihn empfangen. Sollten Sie diese missachten, wird er durch einen Signalton auf sich aufmerksam machen. Ich nehme an, Sie haben meine Ausführungen begriffen?«
Ich nicke stumm und betrachte mit schräg gelegtem Kopf den Text, der statt der Ziffern auf der Anzeige erschienen ist:
»Herzlich willkommen bei Top The Realities, Alison Hill.«
Der Mann scheint alles gesagt zu haben. Er verlässt den Raum und statt seiner betritt eine übergroße, schlanke Frau, deren Alter ich nicht bestimmen kann, das Zimmer. Ihr langer Hals wie auch ihr Gesicht sind mit einer goldenen Schicht bedeckt, die nur um die Augen herum leichte Brüche aufweist. Sie klatscht freudig in die Hände, als sie mich sieht.
»Das also ist Alison Hill. Wunderbar! Reine Haut, unverbrauchtes Gesicht, ganz natürlich. Ich werde nicht viel machen müssen.«
Sie strahlt und blickt zur Anzeigetafel, die anscheinend viel mehr Aufschluss über mein Befinden gibt, als ein simples »Wie geht es Ihnen?«.
»Ich bin Ivana Jass.« Immerhin hat Goldmarie den Anstand sich vorzustellen. Sie deutet einen asiatischen Gruß an. »Genießen Sie den Zustand? Ich muss zugeben, ich beneide Sie! Keine Rötungen, Schweißausbrüche, hektische Flecken … nichts, was Ihr Aussehen ruinieren könnte … oh nein, schon vorbei.« Merklich enttäuscht unterbricht sie sich und deutet auf einen Balken, der sich leicht in den gelben Bereich angehoben hat.
Tatsächlich nehme ich wieder ein leises Gefühl wahr: Verwunderung. Verwunderung darüber, warum ich hier bin.
Dass dies kein herkömmliches Krankenhaus sein kann, habe ich bereits begriffen, was das Ganze soll, allerdings nicht.
»Können Sie mir denn Fragen beantworten, Ivana?«
»Können schon, Schätzchen. Dürfen aber nicht.« Versöhnlich tätschelt sie mir die Hand.
Verdammt! Vielleicht sollte ich es mit Mitgefühl probieren. Mein Instinkt sagt mir, dass ich taktieren muss, wenn ich wieder Herr meiner Lage sein möchte. »Hören Sie, ich bin ohnmächtig geworden. Zu Hause in meinem Zimmer. Dann bin ich hier wieder aufgewacht, mit diesem Marker auf der Hand, und ich weiß nicht, wo meine Eltern sind, mein Bruder scheint verschwunden zu sein …«
Sie soll mich nicht für übergeschnappt halten. Darum verschweige ich, mir überhaupt nicht sicher zu sein, ob das Geschehene wirklich passiert ist. »Ich möchte doch nur wissen, was los ist …« Meine Stimme klingt weinerlich und plötzlich brechen alle Dämme. Tränen fließen über mein Gesicht, ich wende es bewusst nicht ab. Soll sie doch sehen, wie es mir geht.
Aber Ivana schert sich nicht um mich. Stattdessen klappt sie einen Tisch aus der Wand und stellt irgendwelches Zeugs darauf. Lauter Töpfchen, Sprays und eine Haarbürste. Blöde, vergoldete Gans! Doch als sie sich umdreht, liegt Mitleid in ihrem Gesicht. Ich schniefe laut. Einen Moment später hockt Ivana vor mir, legt ihre Hand auf meine Wange und streicht die Tränen weg.
»Nicht weinen, Schätzchen. Es ist nicht gut, wenn sie dich so zerbrechlich sehen. Es ist wichtig, dass du kämpfst! Höre nie auf zu kämpfen, in Ordnung?«
»Wofür kämpfen? Ich verstehe nicht, was …«
»Pscht … Alles wird gut«, flüstert Ivana, streicht mir über die Wange.
Ich schlucke meine aufkeimende Angst herunter und erst, als mein Tränenfluss versiegt ist, meint sie: »Und jetzt machen wir beide dich noch ein bisschen hübscher, bald wird sich alles klären. Bestimmt. Du wirst deine Eltern wiedersehen. Vertrau mir.«
Ivana lächelt und große Zähne zeigen sich zwischen ihren goldenen Lippen. Ihre Worte klingen ehrlich, was mich beruhigt.
Während sie mir mein schwarzes, glattes Haar zurechtzupft, plappert Ivana fröhlich weiter: »Ich werde nicht viel verändern, wir fixieren deine Haare nur etwas, damit sie nicht von deinem Gesicht ablenken und diesen sensationellen grünen Augen. Ansonsten wird unser Credo Natürlichkeit sein.«
»Sie sind matschfarben«, werfe ich ein.
»Aber nein, Schätzchen. Wie kommst du denn auf den Gedanken? Sie sind oliv! Ich hätte mich auch für eine solche Farbe entscheiden sollen. Oliv und Gold. Wie im alten Ägypten«, schwärmt sie und sprüht hier und da etwas auf Haaransatz und Spitzen. »Warst du schon mal da? Im alten Ägypten?«
»Nein, ich war noch nie außerhalb der Staaten. Immer nur in den Redwoods und ein paar Mal in San Francisco. Mehr ist nicht drin.«
Ivana flippt fast aus vor Begeisterung, als sich meine Wangen vor Scham rosa färben.
»Na ja, das wird sich jetzt ändern«, meint sie leichthin. »Deine Augenbrauen sind mir zu dicht. Sie lenken von dem Oliv ab. Wir werden sie ein wenig verändern, in Ordnung, Schätzchen?«
Ohne auf meine Antwort zu warten, fährt sie mit einem summenden Gerät über meine Stirn und ich spüre ein leichtes Kribbeln.
»Jetzt noch etwas für den Teint und die Kontraste …«, säuselt Ivana weiter, wobei sie zu einer schlanken Flasche greift, mit deren Inhalt sie mein Gesicht bestäubt.
Zufrieden tritt sie zurück. »Wir lassen deinen Look genau so. Er wirkt absolut authentisch und gleichzeitig fremdartig genug. Überragend! Einfach fabulös! Sieh selbst!«
Mit einem Wisch durch die Luft zaubert Ivana eine spiegelnde Fläche hervor, in die ich blicke und dessen Bild mir einen erstaunten Ruf entlockt.
Meine Haut schimmert in einem hellbronzenen Ton, meine Wangenknochen werden von dem Zartrosa hervorgehoben, über das Ivana eben derart begeistert war, und meine Augen scheinen viel größer zu sein, als ich sie bisher wahrgenommen habe. Manchmal hat mich Carissa geschminkt, eigentlich immer, bevor wir auf Strandpartys gegangen sind, aber so etwas hat selbst sie nicht zu Stande gebracht. In diesen Dingen bin ich absolut talentfrei und nachdem ich mir mehrfach fast ins Auge gestochen habe beim Versuch meine Wimpern in Form zu bringen, habe ich dieser Kunst endgültig abgeschworen.
Doch was Ivana vollbracht hat, hat nichts mit dem Bepinseln von Wangenknochen oder Augenlidern zu tun. In der Tat entdecke ich überhaupt kein Make-up und trotzdem wirkt mein Gesicht ausdrucksstark und klar.
Der Spiegel wirft meinen verblüfften Ausdruck zurück. Bevor ich aber etwas sagen kann, vernehme ich ein hohes Piepen. Es kommt irgendwie aus meinem Kopf. Ich bin mir sicher, dass es nicht von außen kommt, denn Ivana schaut immer noch verzückt auf mich herab, ohne auf den schnell lauter werdenden, schrillen Ton zu reagieren. Ich verziehe gequält das Gesicht und Ivana schüttelt tadelnd ihren vergoldeten Kopf.
»Es piept«, versuche ich zu erklären.
»Ach so. Dein Marker. Sieh nach!«
In der Sekunde, da ich die Hand öffne, verstummt das Piepen.
»Noch 43 Sekunden bis zur Einfahrt«, lese ich vor. »Was bedeutet das?« Mein Herz klopft schneller, die Anzeigetafel flammt sogleich an verschiedenen Stellen rot auf und plötzlich spüre ich Panik.
»Es bedeutet, dass es jetzt losgeht, Schätzchen.« Ivana drückt meine freie Hand, die zu schwitzen beginnt. »Ich werde dich jetzt abschnallen, rate dir aber, sitzen zu bleiben. Schon manche haben das Gleichgewicht verloren und meine Arbeit war umsonst. Du hast noch dreißig Sekunden, atme tief und regelmäßig. Deine emotionalen Beschränkungen sind fast wieder aufgehoben. Versuche stark zu wirken. Das ist wichtig!« Prüfend sieht Ivana in mein Gesicht. Erst als ich nicke, lächelt sie und fährt mit ihrer linken Hand über den Verschluss des Gurts.
»Autorisierung erfolgt«, vernehme ich wie aus weiter Ferne und der Gurt zieht sich geräuschlos ein.
Ivanas Lippen bewegen sich, ich aber höre nur noch tosendes Rauschen. Ich bin taub für ihre Worte, nehme nichts mehr wahr, außer Blut. Mein Blut! Es pumpt wild durch meinen Körper.
Jetzt zeigt der Countdown auf dem Marker nur noch siebzehn Sekunden an!
Ich greife wieder nach Ivanas Hand. Sie schüttelt den Kopf, ihr Blick ist ernst. »Alison, wenn … oben bist, dreh nicht … Zeig … Gefühle, aber dreh …«
Nur noch Wortfetzen … Bedeutungsvoll zeigt Ivana an die Decke, in der plötzlich ein kreisrundes Loch klafft. Johlende Rufe dringen zu mir herab, Getrampel, Beifall. Der Marker piept erneut. Ich öffne meine Finger. Tiefe Rillen zeichnen mein Fleisch, so fest habe ich die Nägel hineingerammt. Trotzdem ist der Text klar lesbar: »Fünf, vier, drei, zwei, eins – Spielstart!«, und ich werde nach oben geschossen.
Alle Rechte vorbehalten.
Unbefugte Nutzungen, wie etwa Vervielfältigung, Verbreitung, Speicherung oder Übertragung, können zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden.
In diesem E-Book befinden sich eventuell Verlinkungen zu Webseiten Dritter. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass sich die Carlsen Verlag GmbH die Inhalte Dritter nicht zu eigen macht, für die Inhalte nicht verantwortlich ist und keine Haftung übernimmt.
Im.press
Ein Imprint der CARLSEN Verlag GmbH
© der Originalausgabe by CARLSEN Verlag GmbH, Hamburg 2014
Text © Jennifer Wolf, 2014
Betreuendes Lektorat: Pia Trzcinska
Redaktion: Julia Przeplaska
Umschlagbild: shutterstock.com / © Alena Root
Umschlaggestaltung: formlabor
Gestaltung E-Book-Template: Gunta Lauck
Schrift: Alegreya, gestaltet von Juan Pablo del Peral
Satz und E-Book-Umsetzung: readbox publishing, Dortmund
ISBN 978-3-64660-016-2
www.carlsen.de
Jennifer Wolf
Die Sanguis-Trilogie, Band 1: In sanguine veritas - Die Wahrheit liegt im Blut
Dass es Vampire gibt, weiß Miriam schon seit ihrem elften Lebensjahr, als die Vampire ihr großes Coming-out hatten. Doch das ist jetzt fünf Jahre her und trotzdem hat sie noch nie einen in echt gesehen. Umso unglaublicher findet sie daher die Nachricht, dass gleich zwei Vampire auf ihre Schule kommen sollen. Und der eine sogar in ihre Klasse! Elias nennt sich der blasse neue Schüler, der seine roten Pupillen hinter einer blickdichten Sonnenbrille versteckt. Ein bisschen mulmig wird ihr dann schon, als er den Platz direkt neben ihr bekommt. Auch wenn er eine merkwürdige Anziehungskraft auf sie ausübt …
Cathy McAllister |
Jennifer Wolf |
Mara Lang |
Dein Kuss in meiner Nacht |
Feuerherz |
Der Puls von Jandur |
Mein Name ist Maya Jasmine Morgentau und ich bin eine Hüterin der Gaia. Unsere Aufgabe ist es, der Göttin zu dienen und in ihrem Namen hier auf Erden zu sprechen.
Über die Jahre hatten sich die falschen Menschen zu viel Macht verschafft. Das Endergebnis war das Absterben des Planeten. Die Luft soll so stark verschmutzt und die Erde so ausgehöhlt und vergiftet gewesen sein, dass es der Göttin die Tränen in die Augen trieb. Als sie sie weinte, begann die geschundene Welt zu heilen und Gaia nahm sich vor es nie wieder so weit kommen zu lassen. Sie trieb die überlebenden Menschen zusammen, machte die klügsten Frauen zu ihren Dienerinnen und damit zu den Anführern der menschlichen Rasse.
Der Orden der Hüterinnen besteht heute im Jahre 3013 aus fünfzig Frauen. Jede dort hineingeborene Tochter wird automatisch aufgenommen, doch meine Generation ist etwas ganz Besonderes.
Alle hundert Jahre kommt Gaia auf die Erde und erwählt eine der jungen Schwestern im Alter von sechzehn bis zwanzig Jahren. Diese nimmt sie dann mit zu sich, wo die Mutter aller Dinge ihr ihre vier Söhne vorstellt. Aviv, den Frühling; Sol, den Sommer; Jesien, den Herbst, und Nevis, den Winter. Die Auserwählte darf mit jedem eine Woche verbringen, bevor sie sich für einen entscheidet und für hundert Jahre seine Frau wird. Dies ist die höchste Ehre für eine Hüterin, denn sie besänftigt damit die Jahreszeiten und hält die Natur im Gleichgewicht.
An diesem Abend sollte es so weit sein. Meine jungen Schwestern und ich standen aufgeputzt in den Kutten des Ordens in der Mitte eines Steinkreises im Wald. Die älteren Hüterinnen hatten eine Menschenkette um uns herum gebildet und summten leise ein Lied zu Ehren Gaias. Die Sonne verschwand gerade hinter den Baumwipfeln und tauchte unsere Gesichter in ein schummriges Licht. Es roch nach frischem Gras und Bäumen, während die Hitze des Tages noch in der kleinen Lichtung gefangen zu sein schien.
Ich sah mich nervös um und zupfte an meiner Kutte. Mein Leben lang war ich auf diesen Moment vorbereitet worden und dennoch konnte ich meinen Herzschlag nicht beruhigen.
»Du siehst blass aus, Maya«, stellte meine Freundin Iria fest. Sie hatte himmelblaue Augen und langes, blondes Haar. Sie war eine wahre Schönheit und ich war mir fast sicher, dass Gaia sie erwählen würde. Die anderen um uns herum waren zwar nicht unansehnlich, aber eben auch nichts Besonderes. Wir alle trugen unsere langen Haare zu einem geflochtenen Zopf, weil die Göttin selbst es ebenfalls so tat. Mit meinen roten Haaren stach ich jedoch ein wenig aus der Masse hervor. Der Genpool der Menschen war vor rund neunhundert Jahren stark eingeschränkt worden, als die meisten an Krebs und Vergiftungskrankheiten gestorben waren. Sie hatten das Wichtigste aus den Augen verloren: Ihren Lebensraum zu schützen und zu ehren. Dafür bezahlten sie mit ihrem Leben und nun war eine Haarfarbe wie meine zu einer absoluten Seltenheit geworden.
»Ich habe Angst«, gab ich ehrlich zu und Iria ergriff meine Hand.
»Sie nimmt garantiert dich«, flüsterte sie mir ins Ohr.
Ich wusste nicht, ob mich das freuen sollte oder nicht. Wollte ich erwählt werden? Alles auf der Erde zurücklassen, um einen wildfremden Mann, … nein ich muss mich korrigieren, einen wildfremden Gott zu heiraten? Was war wenn ich ihn nicht liebte? Andererseits würde ich bei Gaia ein wohlbehütetes Leben führen. Ich gebe ehrlich zu, dass ich mich dank meiner Erziehung im Orden oftmals von der Außenwelt überfordert fühlte. Ich ging nie aus, betrank mich nicht und hatte mit meinen achtzehn Jahren noch nie einen Jungen geküsst, geschweige denn seine Hand gehalten. Wie zur Hölle sollte ich es da mit einem Gott aufnehmen? Nervös wischte ich mir etwas Schweiß von meinen Händen an der Kutte ab.
»Gaia wird sich in deine grasgrünen Augen sofort verlieben«, sprach Iria weiter.
»Du bist viel hübscher als ich«, gab ich zurück und schüttelte entschlossen den Kopf. Nein, Iria würde diejenige sein und der Gedanke schmerzte mich. Sie war meine einzige Freundin. Als Hüterinnen wurden wir abgeschottet von den anderen Menschen großgezogen und da wir eine gesegnete Generation waren, hatte man besonders darauf geachtet, dass wir uns auf unsere Bestimmung konzentrierten: Die Braut einer Jahreszeit zu werden.
»Aber du bist weiblicher«, sagte Iria lächelnd und starrte auf meine Oberweite. Peinlich berührt legte ich eine Hand auf meinen Ausschnitt und suchte mit den Augen nach meiner Mutter. Irgendwo in dem Kreis aus Frauen um uns herum musste sie sein. Doch es war mittlerweile so dunkel, dass ich eine Weile brauchte, um ihr Gesicht zu entdecken. Sie lächelte mir zu und zwinkerte. Ich presste meine Lippen aufeinander und atmete tief durch. Sollte die Wahl auf mich fallen, würde meine Mutter automatisch im Rang aufsteigen. Dennoch war ich mir nicht so sicher, ob sie das überhaupt wollte. Bevor wir in den Wald gegangen waren, hatte sie mir zugeflüstert, dass ihr der Preis für diesen Aufstieg zu hoch erschien.
Aber uns blieb keine andere Wahl. Gaia war eine Göttin und es gab keinen Ausweg für uns. Ich musste mich ihr stellen, nur war ich mir unsicher, was ich wollte. Wenn ich ihre Söhne doch nur schon kennen würde - das hätte alles so viel einfacher gemacht. Aber im Grunde waren sie noch schlimmer dran als wir. Wir hatten zwar keine Wahl, ob wir mit Gaia mitgehen wollten oder nicht, aber immerhin konnte die Auserwählte sich einen von den Jahreszeiten aussuchen. Die Söhne der Göttin mussten nehmen, was sie bekamen. Ich schluckte, da kam ja was auf mich zu.
»Ich würde Aviv nehmen«, sagte Iria und ein paar Mädchen neben uns stimmten ihr zu.
Aviv, der Frühling, hatte nach unseren Aufzeichnungen neben dem Sommer die meisten Frauen abbekommen. Nur eine war zu Jesien, dem Herbst, gegangen und bisher hatte sich keine Frau für ein Leben in ewiger Kälte entschieden. Aus diesem Grund machte mir der Gedanke an Nevis auch ein wenig Angst. Mit einem unguten Gefühl im Bauch hatte der Orden deswegen schon seit vielen Jahren bemerkt, dass die Winter immer härter und länger wurden.
»Was ist, wenn sie die Auserwählte nicht mögen?«, fragte ich und verschränkte zitternd vor Aufregung die Arme vor der Brust. »Ich meine, da opfert sie ihr Leben und die Götter finden sie womöglich ganz furchtbar.«
»Ich verstehe nicht, warum nicht einfach vier Frauen mit nach oben gehen«, grübelte Iria laut. »Dann würde jede Jahreszeit eine Gefährtin bekommen.« Sie lächelte und stupste mich an. »Außerdem ist das kein Opfer, sondern eine Ehre.« Ihr Zwinkern verriet mir, dass sie mich nur aufziehen und nicht belehren wollte, weshalb ich zurücklächelte.
»Ich wüsste nicht, wen ich nehmen würde«, griff ich ihren Gedanken von vorhin auf. »Zum Glück darf man sie vorher alle kennenlernen.«
»Wie sie wohl aussehen?«, grübelte meine Freundin.
»Sie sind Götter! Natürlich sehen sie blendend aus«, rief Mishandra dazwischen. Sie war meine Nachbarin im Orden und ich konnte sie nicht so recht leiden. Ständig musste sie im Mittelpunkt stehen und ich beneidete sie ein wenig um ihr Selbstbewusstsein.
Der Gesang um uns verstummte mit einem Mal und Iria und ich griffen uns wieder an den Händen. Ein Wirbel aus Luft tanzte plötzlich mitten unter uns jungen Schwestern und wir wichen ehrfürchtig zur Seite. Ich bemerkte die Lichtkugel über uns erst, als sie schon an den Baumwipfeln vorbei war. Langsam, aber mit einer surrenden Energie, bewegte sie sich auf den kleinen Luftwirbel zu. Sie verschmolzen miteinander in einer Explosion aus Farben. Instinktiv hielt ich mir die Hände vors Gesicht und hörte, wie die Frauen um mich herum einen Laut des Erstaunens von sich gaben. Es war Iria, die meine Hände herunternahm und eine davon wieder fest umschloss. Langsam öffnete ich die Augen und sah auf die kleine Frau, die plötzlich mitten unter uns stand. Ihre braunen Haare waren tatsächlich in einem langen Zopf verflochten, dazwischen rankten sich die verschiedensten Blumen, welche zu leben schienen. Sie bewegten sich mit Gaia, verdeckten ihre Blöße und bildeten eine Art Kleid. Direkt unter Gaias Füßen wuchs ihr das Gras in Sekundenschnelle fast bis zu den Knien hinauf.
»Mutter aller Dinge«, ergriff Elaria, unsere oberste Hüterin, das Wort. »Wir grüßen dich.«
Wir alle verneigten uns.
»Erhebt euch, meine Töchter«, erklang eine junge, melodiöse Stimme.
Ich sah zu Gaia und richtete mich auf. Ihre Augen schimmerten in allen Farben des Regenbogens. Ich merkte erst, dass mir der Mund offenstand, als mir eine Windbrise die Zunge austrocknete. Mein Herz raste … all die Jahre war ich im Glauben an Gaia erzogen worden und nun stand sie wahrhaftig vor mir. Ich schloss meinen Mund und schluckte. Iria zog mich näher an sich heran, als Gaia anfing sich umzusehen.
»Wunderschön«, hauchte die Göttin und trat aus dem hochgewachsenen Gras heraus, um sich die erste von meinen jungen Schwestern genauer anzusehen. Mein Blick glitt wieder zu meiner Mutter, welche mich mit Tränen in den Augen ansah. Sie lächelte, aber ich sah ihr an, dass auch sie Angst hatte. Ich atmete tief durch und versuchte mich auf meinen Herzschlag zu konzentrieren. Um uns herum begannen Vögel zu zwitschern und zwischen den Bäumen traten Rehe, Füchse und andere Tiere hervor. Angezogen von Gaias Erscheinung, blieben sie stehen und beobachteten die Göttin. Iria und ich wechselten einen kurzen Blick. Angst wühlte nun den ruhigen blauen See in ihren Augen auf und ließ ihn zu einer tobenden Gischt werden. Ich musste nicht erst sehen, dass Gaia sich uns näherte. Ich spürte sie. Wie ein Kitzeln auf der Haut, … ein Vibrieren, tief in meinem Bauch. Sie näherte sich Iria, welche vor ihr in die Knie ging und meine Hand losließ.
»An Schönheit mangelt es dir wahrlich nicht, Tochter«, sagte die Göttin, was mir Tränen in die Augen trieb. Ich wollte Iria nicht verlieren und schluchzte leise auf. Gaia sah mich sofort mit ihren schillernden Augen an und tat einen Schritt auf mich zu. Während Iria sich neben mir erhob, ging ich in die Knie. Ich sah einen Moment lang zu, wie das Gras unter Gaias Füßen zu wachsen begann, bevor sich eine warme, tröstende Hand unter mein Kinn legte und es anhob.
»Erhebe dich, Tochter«, sagte die Göttin und ich tat es. Ehrfürchtig sah ich in ihr jugendliches Gesicht, das dennoch erfahren wirkte. Sie war weder alt noch jung. Um ihre Augen waren ein paar Lachfältchen, welche sich nun zusammenzogen, als Gaia die Mundwinkel hob.
»So ein reines Herz«, flüsterte sie glücklich. »Eine warme, gütige Seele.« Sie ging einen Schritt rückwärts und musterte mich von oben bis unten. »Und wunderschön dazu.« Gaia kam wieder auf mich zu und nahm mein Gesicht in ihre beiden Hände. Mein Herz klopfte kräftig gegen meinen Brustkorb und ich hatte das Gefühl, dass mein ganzer Körper taub vor Angst war. »Du sollst es sein, Maya Jasmine Morgentau.«
Ich sog scharf die Luft ein, als die Frauen um mich herum in tosende Freudenrufe ausbrachen.
Das ist jetzt fast genau ein Jahr her.
Es war eine Mutter,
die hatte vier Kinder
Den Frühling, den Sommer,
den Herbst und den Winter.
Der Frühling bringt Blumen
Der Sommer den Klee
Der Herbst bringt die Trauben
Der Winter den Schnee
Volksmund
Noch zwei Tage.
Übermorgen muss ich mein altes Leben verlassen und im Schoße der Göttin ein neues beginnen. Für heute habe ich mir vorgenommen nicht an die Zukunft zu denken, sondern ein letztes Mal durch die Stadt zu laufen. Gaia hat sie Hemera genannt. Sie ist friedvoll und geschäftig. Die Menschen, die mir begegnen verneigen ihr Haupt vor mir, denn ich bin an meiner Haartracht eindeutig als Hüterin zu erkennen. Geflochtene Haare tragen viele Frauen, aber nur bei uns Hüterinnen sind sie so lang. Viele erkennen mich noch von der Vorstellung letztes Jahr. Man hat mich bejubelt und beglückwünscht, weil ich gewählt worden bin. Ich gehe an einer Bäckerei vorbei, wo eine freundlich lächelnde Frau mit rosigen Wangen Brot an die Menschen verteilt. Eine Währung wie vor tausend Jahren haben wir nicht. Jeder wird mit allem versorgt, was er braucht, solange er sich fleißig beteiligt. Faulenzen gibt es nicht, jeder hat seine Aufgabe zu erfüllen. Ob es nun das Bauen von Häusern, das Brotbacken, das Nähen, das Jagen oder das Lehren ist. Jeder hat seinen Platz in Gaias Ordnung. Hemera kann man nicht mit den Städten der Vergangenheit vergleichen. Die Häuser sind klein und eng aneinander geschmiegt. Die Straßen aus Kopfsteinpflaster oder Kies sind schmal und verbreiten die verschiedensten Gerüche. Brot, Gewürze, Grillfleisch.
Trotz des geschäftigen Treibens nehmen sich immer wieder Männer und Frauen die Zeit, um stehen zu bleiben und mir alles Gute zu wünschen. Ich nehme ihre Wünsche dankend entgegen und lächele selbstbewusst. Auch wenn ich das innerlich nicht bin.
Ein Mann in einem weißen Laborkittel kommt mir entgegen. Er wirkt fremdartig in dieser Umgebung, doch so ist auch sein Arbeitsplatz. Am Rande unserer sicheren Zone stehen nur vereinzelt Häuser und im Norden die einzige Fabrik, wo er offensichtlich arbeitet. Dort werden Dinge aus der alten Welt hergestellt. Fernseher, Musik-Chips, Windräder und Solaranlagen. Gaia hat der Menschheit nicht alle technischen Errungenschaften genommen, aber für alles bestehen eine Menge Auflagen und die Geräte wurden in vielerlei Hinsicht von der Göttin verändert, um möglichst wenig künstliche Stoffe zu verwenden. Der Mann im Kittel umarmt eine Mutter mit zwei Kindern, die ihm entgegengelaufen sind und ich muss lächeln. Gaia hat uns Frauen zu den Anführern ihrer neuen Welt gemacht, weil sie selbst eine ist. Die Göttin lehrte uns, dass es die Mütter sind, die diese Welt braucht. Sie schenken Leben, erhalten und pflegen es mit aller Hingabe. Sie ernähren und kleiden ihre Familien … halten alles am Laufen. Dieses System der Familie hat die Göttin auf die große Gemeinschaft übertragen. Ungefähr dreitausend Menschen leben in Hemera und dem Rest der sicheren Zone. Geleitet von uns Hüterinnen, als Mütter der Gemeinschaft. Unsere Töchter nehmen unsere Plätze ein, während die Söhne der Ordensschwestern in Hemera ihren Platz finden.
Für mich gilt es nun ebenfalls, meinen Platz zu finden. In einer anderen Welt.
»Sag mal Mama, darf ich überhaupt irgendetwas mitnehmen?«, frage ich am nächsten Morgen und blicke hilflos in meinem Zimmer umher. Zusammen mit meiner Mutter bewohne ich eine kleine Wohnung im Orden der Hüterinnen. Das alte Gemäuer steht am Waldrand, so dass wir jederzeit hinausgehen und in der Stille der raschelnden Bäume zu Gaia beten können. Auf der anderen Seite befindet sich eine Straße, die von einer kleinen Siedlung zur Stadt führt. Von meinem Zimmer aus kann ich die Menschen beobachten, die dort tagein und tagaus vorbeilaufen, um in Hemera ein paar Dinge zu erledigen oder arbeiten zu gehen. Unsere Wohnung ist klein. Es gibt nur zwei Schlafzimmer, ein Bad und ein Wohnzimmer. Die Küche ist ein Gemeinschaftsraum für alle Ordensschwestern.
»Natürlich, Schatz.« Meine Mutter kommt herein und schmeißt eine große Reisetasche auf mein Bett. »Kleidung brauchst du nicht unbedingt, aber persönliche Dinge wie Fotos oder sonstige Sachen, an denen dein Herz hängt, kannst du hier hineinpacken.« Meine Mutter hat die gleichen roten Haare wie ich und auch ihre Augen sind grün. Da enden unsere Ähnlichkeiten aber auch schon, denn alles andere habe ich wohl von meinem Vater. Wer immer er sein mag. Mama spricht nie von ihm, genau wie die anderen Frauen im Orden. Ich starre die Tasche an und überlege, ob mein ganzes Leben dort hineinpasst. Zum Glück lenkt mich ein Klopfen an der Wohnungstür von den Gedanken ab.
»Das wird Iria sein«, sage ich. Meine Freundin will mir beim Packen helfen und die letzte Nacht auf Erden bei mir bleiben. Ich renne zur Tür und falle ihr um den Hals.
»Oh Maya«, sagt sie gedämpft von meinen Haaren.
»Komm erst mal rein.« Ich löse mich von ihr und ziehe sie sanft in unsere Wohnung. Nachdem ich die Tür geschlossen habe, fallen wir uns erneut in die Arme.
»Du wirst mir so fehlen«, meint meine Freundin und ich muss schlucken. Ein Leben lang waren wir darauf vorbereitet worden und dennoch hatte es uns vor einem Jahr vollkommen unverhofft getroffen: Wir werden einander nie wieder sehen. Iria bleibt auf der Erde. Wenn sie nicht im Orden bleibt, nimmt sie sich vielleicht einen Mann. In jedem Fall bekommt sie ein paar Kinder; erleidet Geburtsschmerzen und Krankheiten, während ich mein Leben mit einem mir noch unbekannten, fremden Gott verbringen werde. Iria wird alt und gebrechlich werden. Ich werde nach hundert Jahren - immer noch jung und äußerlich neunzehn Jahre alt einfach tot umfallen. Jedenfalls glauben wir Hüterinnen das. Es gibt keinerlei Aufzeichnungen darüber, was mit den Frauen der Jahreszeiten nach den hundert Jahren geschehen ist. Wie muss das wohl für den Gott sein? Was wenn er sich ernsthaft und unwiderruflich in seine Gefährtin verliebt und sie dann für immer verliert? Wie ertragen Gaias Söhne das? Oder macht es ihnen überhaupt nichts aus? Kennen sie vielleicht gar keine Liebe? Mein Herz beginnt schon wieder panisch zu rasen, also atme ich tief durch und lenke mich ab.
»Komm, hilf mir mein Leben in eine Reisetasche zu quetschen, ja?«, sage ich zu Iria und drücke sie sanft von mir weg.
Am Abend ist nicht viel in meiner Tasche gelandet. Ein paar Fotos, ein paar meiner liebsten Kleidungsstücke, die ich nicht missen möchte, und mein Musik-Chip samt der dazugehörigen Kopfhörer. Gedankenverloren streiche ich mit den Fingern über meinen ausgewaschenen Lieblingspullover und muss schlucken.
»Ich werde dort vor Heimweh umkommen«, spreche ich laut aus, was mir durch den Kopf geht. Iria steht hinter mir und legt mir ihre Hände auf die Schultern. Seufzend lehnt sie ihren Kopf an meinen Nacken.
»Und ich werde dich so sehr vermissen«, flüstert sie mit belegter Stimme und räuspert sich.
»Hätte Gaia nicht Mishandra auserwählen können?«
Wir lachen und Iria löst sich von mir, um zum Fenster zu gehen und hinauszuschauen. Ich stelle mich zu ihr und beobachte die Menschen, die auf der Straße laufen, um noch vor dem Abendbrot ein paar Dinge in Hemera zu erledigen. Vor neunhundert Jahren hat es noch Automobile und Flugzeuge gegeben, die die Menschen von einem Ort zum anderen brachten, doch Gaia hatte sie verboten. Der Platz, auf dem wir Menschen leben, ist so begrenzt, dass sie nur eine unnötige Umweltbelastung darstellen würden. Wie laut es damals wohl gewesen sein muss? Ich kenne diese Fahrgeräte nur aus uralten Filmen und empfinde ihre Geräusch jedes Mal als sehr störend.
»Maya?« Irias Stimme ist kaum mehr als ein Flüstern.
»Hm?«, brumme ich und lehne mich an ihre Seite.
»Wenn du es irgendwie kannst, … schaust du dann mal hier unten vorbei?«
»Natürlich!«, antworte ich schnell und ziehe sie in meine Arme. So verharren wir, bis wir schließlich anfangen zu lachen. Iria wirkt gestärkt und packt mich an den Oberarmen.
»Genug herumgeheult!«, sagt sie entschlossen. »Lass uns mal lieber über deine potenziellen Ehemänner sprechen.«
Lachend ziehe ich sie zu meinem Bett und wir lassen uns nieder. Ich setze mich in den Schneidersitz und betrachte meine nackten Füße.
»Die letzte Braut stirbt heute«, sagt Iria mit einem merkwürdigen Unterton. »Sie hat sich für Sol entschieden.«