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1. Auflage 2017
© 2017 by riva Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH
Nymphenburger Straße 86
D-80636 München
Tel.: 089 651285-0
Fax: 089 652096
© Juliana Buhring 2016
Die englische Originalausgabe erschien 2016 bei Piatkus, einem Imprint der Little, Brown Book Group, unter dem Titel This Road I Ride.
Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.
Übersetzung: Elisabeth Liebl
Redaktion: Desirée Šimeg
Umschlaggestaltung: Marc-Torben Fischer
Umschlagabbildung: courtesy of Juliana Buhring
Abbildungen Innenteil: courtesy of Juliana Buhring
E-Book-Konvertierung: Carsten Klein, München
ISBN Print: 978-3-7423-0109-3
ISBN E-Book (PDF): 978-3-95971-523-2
ISBN E-Book (EPUB, Mobi): 978-3-95971-524-9
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Für Hendri Coetzee, der meinen Traum inspirierte
Für Antonio Zullo, der mir half, ihn zu verwirklichen
Juliana Buhring ist die erste Frau, die die Welt auf dem Fahrrad in 152 Tagen umrundet hat und damit den Guinness World Record brach. Dies ist umso erstaunlicher, da sie erst 2011, im Alter von dreißig Jahren, überhaupt mit dem Radsport angefangen hat. Schon ein Jahr später schaffte sie es, einen Weltrekord aufzustellen.
2013 nahm sie als erste Frau am Transcontinental Race durch Europa – von London nach Istanbul – teil, das ohne Unterstützung durch ein Team gefahren wird. Juliana schaffte den neunten Platz. 2014 gewann sie das Trans Am Bike Race in der Gruppe der Frauen; in der Gesamtwertung wurde sie Vierte. Juliana legte die insgesamt 7137 Kilometer in 20 Tagen und 23 Stunden zurück. Sie gilt heute als eine der stärksten Ultra-Endurance-Radfahrerinnen der Welt. 2016 nahm sie am Race Across America (RAAM) teil, einem der härtesten Endurance-Rennen überhaupt.
Julianas erstes Buch Nicht ohne meine Schwestern war ein internationaler Bestseller und wurde in mehrere Sprachen übersetzt.
julianabuhring.com
Das Glück des Lebens besteht nicht darin,
wenig oder keine Schwierigkeiten zu haben,
sondern sie alle siegreich und glorreich zu überwinden.
Carl Hilty
Impressum
Widmung
Über die Autorin
Die Route
Inhalt
Vorwort
Tag X
Quer durch Europa
Auf Abwegen
Rückenwind
Regenbogen, Hobbits und Gegenwind
Kamikaze-Elstern
Was uns nicht umbringt …
Endlich Asien!
Tribute der Einsamkeit
Indischer Albtraum
Türkische Freuden
Der lange Weg nach Hause
Ein Traum wird wahr
Nachwort
Danksagung
22. Dezember 2012
Eine lärmende Gruppe Radfahrer und Motorradfahrer hat sich vor einer Bar im Städtchen Cardito in der Metropolregion Neapel versammelt. Jeder will Fotos machen, ich aber wünsche mir eigentlich nur eines: einen starken Espresso.
»Unterwegs werden sich dir noch andere Gruppen von Radfahrern anschließen«, flüstert mir Antonio noch ins Ohr. Er schaut auf die Uhr, während ich den starken, duftenden Kaffee in mich hineinkippe.
Das hier ist eine typisch neapolitanische Bar. Es gibt warme Cornetti, Lotterielose und Zigaretten. Der Raum ist in kaltes Neonlicht getaucht, im Hintergrund flimmert ein Fußballspiel über den Flachbildschirm. Ich könnte nicht glücklicher sein. Wie sehr habe ich in den letzten fünf Monaten doch einen richtig guten neapolitanischen Espresso vermisst!
»Die Leute werden versuchenn dich anzuhalten, um Fotos mit dir zu machen, aber dafür ist keine Zeit. Fahr einfach weiter. Denk immer daran: Du darfst auf gar keinen Fall stehen bleiben. Du musst bis Mittag auf der Piazza del Plebiscito sein!« Antonio ist mein Logistikmanager. Den ganzen Stress rund um mein 29 000-Kilometer-Weltrennen hat in der Hauptsache er abbekommen. Seit ich auf Tour bin, hat er wohl keine Nacht mehr durchgeschlafen. Es scheint, als hätte er genauso viel abgenommen wie ich. Seine lockigen Haare stehen nach allen Seiten ab. Seine müden Augen, die er gerne zusammenkneift, wenn er einem Gedanken nachhängt, hat er hinter einer dunklen Ray-Ban-Sonnenbrille versteckt.
Er hatte keine Ahnung, worauf er sich einließ, als er vor über einem Jahr zusagte, sich um die logistische Seite meiner Weltumrundung zu kümmern. Aber das ging mir nicht anders. Die Ziellinie kann für uns beide gar nicht früh genug kommen.
»Okay, ich bin bereit. Wo ist Pegasus?« Ich habe mein Bike nicht gesehen, seit Antonio es gestern sicherheitshalber in die Garage gebracht hat. Sein jüngerer Bruder Riccardo hat sich darum gekümmert. Es war über und über voller Dreck, weil es gestern geregnet hat. Der Schlamm ist auf dem weißen Carbonrahmen festgetrocknet. Der Ledersattel ist an mehreren Stellen eingerissen, der Lack hat so manchen Kratzer abbekommen, aber wenn man bedenkt, wie viele Kilometer Pegasus auf dem Buckel hat, ist er in glänzender Verfassung. Trotz aller Pannen und Probleme hat er mich sicher um die Welt getragen. Ich streiche liebevoll über den Lenker. Dieses Rad ist seit 152 Tagen1 mein Begleiter. Ich habe so manches Wort mit ihm gewechselt. »Nur noch eine Fahrt, Pegasus«, murmle ich ihm jetzt zu.
Die wartenden Radfahrer steigen auf, die Motorradfahrer werfen ihre Maschinen an, während aus den Lautsprechern unter irgendeinem Beifahrersitz »I Will Survive« erklingt. Antonio springt in seinen blauen Renault Clio direkt vor uns. Die Leute pfeifen und klatschen von den Fenstern und Balkonen: »Vai, Julie!«, rufen sie mir zu. »Los, Julie!« Ich will weg von all dem Krach, klicke mich in die Pedale ein und ziehe davon.
Unsere Prozession wird auf den letzten 60 Kilometern bis Neapel immer länger. Die Radfahrergruppe von Schiano, dem Sponsor, der mir mein Bike zur Verfügung gestellt hat, schließt sich uns an. Wir fahren zum Bike-Shop Cicli Caputo, wo ich gelernt habe, Reifen zu wechseln und Pegasus auseinanderzunehmen. Die Radfahrer von der Werkstatt, mit denen ich vor acht Monaten meine Trainingsfahrten begonnen habe, erwarten uns dort. Nun sind wir gut fünfzig Mann stark: Ein paar Teenager, ein paar ältere und erfahrenere Radfahrer, Amateure und Berufssportler – sie alle begleiten mich zur Ziellinie. Die Polizei hat die Straßen gesichert, sodass wir ungehinderte Fahrt haben.
Die motorisierte Eskorte blockiert die Kreuzungen, damit wir nicht anhalten müssen. Rundum nur freudige Erregung. Als wir durch Pozzuoli kommen, wo sich antike Ruinen der einstigen römischen Hafenstadt mit modernen Apartmenthäusern abwechseln, bricht die Sonne durch. Das Meer schimmert silbergrau und das Häusergewirr von Neapel taucht allmählich aus dem Schatten des Vesuv. Ein euphorisches Lachen steigt mir in die Kehle. Ich rufe den Jungs neben mir zu: »Was für ein toller Tag fürs Radfahren!« Sie nicken und halten mir den hochgestreckten Daumen entgegen.
Weitere Radfahrer schließen sich uns an, während wir die Straße entlangrollen: Fahrradpendler und die Frauen der Green Cycle Community. Wir werden langsamer, damit jeder Schritt halten kann. Die letzten Kilometer zur Piazza del Plebiscito folgen wir dem neuen Radweg, der am Meer entlang und dann direkt ins Stadtzentrum führt.
Die Radfahrergemeinde mischt sich unter die Freunde und Online-Follower, die mich auf dem Platz erwarten. Ich holpere über das Pflaster und über die Ziellinie. Jemand wirft mir eine neapolitanische Fahne über die Schultern. Die Leute klatschen. »Brava! Brava!«, rufen sie immer wieder. Man hat ein behelfsmäßiges Podium aufgebaut. Dort steht jemand und schreit ins Mikrofon: »Juliana is baaaaaaack!«
Antonio erwartet mich, während ich vom Rad steige. Ich umarme ihn. »Brava, Baby!«, meint auch er. »Toll gemacht!« Dabei kneift er mir freundschaftlich in die Wange wie so häufig. Wir haben es geschafft! Der Sieg ist ebenso seiner wie meiner. Ich mag mich auf dem Rad abgestrampelt haben, aber er hat alles dafür getan, dass mir das gelungen ist.
Man bringt mich mit Pegasus auf das Podium und hält mir ein Mikrofon vor die Nase. Offensichtlich will man, dass ich etwas sage, aber mein Hirn ist einfach leer. Es fühlt sich alles so unwirklich an. Ich habe es geschafft: Ich habe auf dem Fahrrad die ganze Welt umrundet und kann immer noch nicht glauben, dass es jetzt vorbei ist! Ich spüre die Schürfwunden am Oberschenkel vom gestrigen Sturz. Meine Zehen sind schwarz und aufgerissen vom Frost. Mein Gesicht ist ganz rau von Sonne und Wind. Körperlich stehe ich kurz vor dem Zusammenbruch. In diesem Augenblick, in dem ich hier auf der Bühne stehe und all die klatschenden und jubelnden Menschen sehe, scheint alles wie ein Traum: die Schwierigkeiten, die Übelkeit, die Erschöpfung, die Kälte, der Hunger, der Schmerz und die Tränen. Als wäre es nie passiert.
Aber es ist passiert, entgegen allen Erwartungen. Ohne viel Sponsoring, ohne finanzielle Hilfe, ohne ein technisches und medizinisches Supportteam und nach nur acht Monaten Training auf dem Fahrrad. Niemand hat geglaubt, dass ich es schaffen würde, schon gar nicht um die ganze Welt. Das bedeutet nämlich: 200 Kilometer am Tag. Ich war keine Sportlerin, ja noch nicht mal leidenschaftliche Radfahrerin. Ich hatte nichts vorzuweisen, was mich für solch eine gewaltige Herausforderung qualifiziert hätte. Nichts außer meiner Willenskraft und der Entschlossenheit, es zu Ende zu bringen, wie auch immer. Ich war losgezogen, um zu beweisen, dass alles möglich ist. Dass wir Dinge vollbringen können, die den Horizont dessen, was wir für möglich halten, weit übersteigen.
1 Zur Rekordrechnung zählen auch die Tage, die man für Flüge, Transfer und Ruhepausen benötigt. Juliana Buhrings Weltumrundung dauerte insgesamt 152 Tage, wovon sie aber nur 144 Tage auf dem Rad saß.