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Den Großteil eines Tages verschlafen Hunde einfach, ca. 20 Stunden täglich sind sie mit Ausruhen, Dösen oder Schlafen beschäftigt.
Bei der Beschäftigung von Hunden geht es nicht nur darum, die „aktive“ Zeit zu füllen. Durch eine sinnvolle Arbeit vertreibt man nicht nur die Langeweile des Hundes, sie erfüllt viele weitere Aufgaben. So kann man durch gezielte körperliche Beschäftigungsformen die Motorik eines Hundes schulen. Hunde können lernen, kreativ zu sein,und durch erfolgreich absolvierte Aufgaben über sich hinauswachsen und damit selbstbewusster durchs Leben gehen. Besonders die gemeinsame Beschäftigung von Mensch und Hund fördert die Beziehung zum Hund, hilft bei der Erziehung des Hundes und macht dazu einfach auch Spaß.
Apportieren macht nicht nur Jagdhunden wie dem Magyar Vizsla-Rüden Jiggar Spaß.
Heutzutage werden die wenigsten Hunde in die Familie aufgenommen, um einen Job, also eine bestimmte Aufgabe im Zusammenleben mit dem Menschen zu übernehmen. Früher dagegen war dies der hauptsächliche Grund für die Haltung eines Hundes. Der sogenannte Schoßhund, welcher lediglich als Gesellschaftshund für den Menschen fungierte, war den wenigen Reichen und Adligen vorbehalten. Die Aufgabenbereiche von Hunden in vergangenen Zeiten waren vielfältig. Da gab es den Jagdhund, welcher seinen Menschen bei der Jagd unterstützte, Wild aufspürte und nach dem Schuss zurückbrachte. Der Hütehund war für den Trieb der Herden zuständig, der Herdenschutzhund bewachte die Herden vor angreifenden Raubtieren. Haus- und Hofhunde alarmierten die Menschen, wenn Fremde auf den Hof kamen.
Zudem wurden sie oft als Zugtiere eingesetzt. Sie wurden vor den Karren gespannt, um z.B. die Lebensmittel auf den örtlichen Markt zu befördern. Der Arbeitsalltag der Hunde war dabei in der Regel tagfüllend und sehr anstrengend.
Labrador Retriever-Hündin Lilyen beim jagdlichen Einsatz: Souverän holt sie die vom Jäger geschossene Ente aus dem Wasser.
Natürlich gibt es immer noch Hunde, die in den ursprünglichen Einsatzbereichen als Jagd-, Hüte- oder Wachhund arbeiten dürfen. Ich schreibe hier bewusst „dürfen“, denn für diese Hunderassen gehört ein arbeitsintensiver Tag mit vielen Aufgaben zu einem erfüllten und glücklichen Leben dazu.
Die Anzahl dieser Hunde ist jedoch im Vergleich zu Hunden, die rein zum privaten Vergnügen, als Begleiter im Alltag, in die Familie aufgenommen werden, verschwindend gering. Da sich die Menschen heutzutage jedoch häufig einen aktiven Hund wünschen, mit dem sie Sport treiben können und der Spaß an gemeinsamer Beschäftigung hat, werden selten die ursprünglichen Gesellschaftshunderassen angeschafft. Mops und Co. sind nur wenig attraktiv, da muss es dann der quirlige Jack Russell Terrier sein, der aus dem Fernsehen bekannte Dalmatiner oder vielleicht auch eine eher unbekanntere Jagdhunderasse wie der Magyar Vizsla. Alle diese Rassen haben jedoch eines gemeinsam: Die ursprünglich durch gezielte Zucht geschaffenen Anlagen und Verhaltensweisen sind in diesen Hunden immer noch vorhanden. Je nach Rasse und Zuchtrichtung beim einen Hund mehr, beim anderen weniger. Gerade wenn man sich dabei die hochspezialisierten Rassen wie z.B. den Deutsch Kurzhaar oder Border Collie anschaut, wird schnell klar, dass diese Hunde nicht damit zufrieden sein werden, den Tag gemütlich auf der Couch zu verbringen und am Nachmittag eine kleine Runde um den Häuserblock zu spazieren.
Daher ist es wichtig, sich bereits vor dem Kauf eines Hundes Gedanken um die Auswahl sowie die jeweiligen Bedürfnisse des zukünftigen Familienmitgliedes zu machen. Wie viel und welche Art Beschäftigung braucht der ausgewählte Hund? Passt sein Charakter, sein Wesen überhaupt zu den Bedürfnissen der Familie? Allerdings bedeutet das nicht, dass jede Familie, die sich für einen Border Collie entschieden hat, diesem nur dann ein erfülltes und glückliches Leben bieten kann, wenn eine eigene kleine Schafherde gehalten wird. Es gibt viele unterschiedliche alternative Beschäftigungsformen, mit denen man Hunde – je nach ihrem ursprünglichen Verwendungszweck und ihrer Veranlagung – auslasten kann. Lernen Sie daher den Charakter und die Vorlieben des eigenen bzw. zukünftigen Hundes gut kennen, damit Sie ihm sowohl genügend geistige als auch körperliche Auslastung bieten können.
Nun ist es aber nicht so, dass Sie sich bei der Anschaffung eines sogenannten Gesellschaftshundes keine Gedanken um das Thema Beschäftigung machen müssen. Auch der Gesellschaftshund, der ja ursprünglich keine eigentliche Aufgabe hatte, möchte beschäftigt werden. Denn nichts ist für Hunde schlimmer, als sich zu langweilen. Wer nichts zu tun hat, wird kreativ … Diese Kreativität zeigt sich dann häufig in für den Menschen unerwünschten Verhaltensweisen, wie z.B. der Zerstörung von Möbeln, dem Zerkratzen von Türen und Tapeten, aber auch z.B. dem Jagen von Autos, Joggern oder Radfahrern. Verhindern Sie also, dass Ihr Hund sein Bedürfnis nach Beschäftigung selbstständig umsetzt und auslebt, indem Sie ihm von Anfang an Aufgaben stellen und etwas zu tun geben. Sie werden schnell feststellen, wie viel Freude das nicht nur Ihrem Hund macht.
Wer seinen Hund beschäftigt, mit ihm trainiert, gemeinsam mit ihm Aufgaben löst, der stärkt die gemeinsame Bindung und fördert die Orientierung des Hundes an seinem Menschen. Wenn Mensch und Hund einer Aufgabe nachgehen, die beiden Spaß macht, werden sogenannte „Glückshormone“ freigesetzt. So wird ein Hund, der gern mit seiner Nase Gerüche erschnüffelt, allein schon durch das Verfolgen einer Spur im Anschluss daran zufrieden und glücklich sein. Hat der Mensch seinen Hund auf diese Spur hingewiesen, da er selbst – oder auch ein Bekannter – sie z.B. kurz zuvor als Fährte gelegt hat, und begleitet seinen Hund nun bei der Ausarbeitung der Spur, hilft ihm bei Problemen, lässt sich von ihm bis zum Ende der Spur führen, verbindet der Hund diese Glücksgefühle auch mit seinem Menschen. Erwartet den Hund am Ende der Spur noch eine Belohnung in Form eines Leckerbissens, aber vor allem auch durch freudiges Lob und Streicheln seines Menschen, werden erneut Hormone freigesetzt. In diesem Fall das Hormon Oxytocin, das sogenannte Kuschel- oder Bindungshormon. Bei jedem körperlichen Spiel, beim Streicheln, ja sogar bereits beim freundlichen Blickkontakt mit dem eigenen Hund wird dieses Hormon freigesetzt. Es fördert die Bindung, intensiviert das Sozialverhalten, vermindert Ängste und Stress.
Dalmatiner brauchen als ursprüngliche Kutschenbegleithunde ausreichend körperliche Auslastung.
Was macht aber nun eigentlich eine gute Bindung, eine gute Beziehung zwischen Hund und Mensch aus? Um diese Frage zu beantworten, muss man sich zunächst einmal Gedanken darüber machen, was Hunde neben ausreichend Futter, Wasser und medizinischer Versorgung brauchen.
Hunde sind Rudeltiere, sie fühlen sich nur in der Gemeinschaft bzw. im Familienverband wohl. Die wenigsten Hunde streben dabei nach der Weltherrschaft, vielmehr suchen sie Sicherheit. Gibt es jemanden, der das Rudel bzw. die Familie souverän leitet, werden die meisten Hunde sich diesem sogenannten „Rudelführer“ gern und von sich aus anschließen. Hunde sollten den Menschen daher als Leitfigur erleben, also als Person, die den Hund sicher durchs Leben führt, ihm Schutz bietet, ihn in schwierigen Situationen sicher und souverän begleitet. Welche Situation dabei vom Hund als schwierig empfunden wird, hängt vom Charakter als auch von den bisherigen Erfahrungen des Hundes ab. Ein schlecht geprägter Straßenhund empfindet z.B. den freundlich interessierten Menschen, der sich zur Begrüßung über diesen Hund beugt, als unangenehm und bedrohlich. In dieser Situation muss der Mensch dann eingreifen, seinen Hund beschützen und ihm helfen, indem er den Menschen bittet, sich zur Begrüßung in die Hocke zu begeben.
Der 3-jährige Mischlingsrüde Michel zeigt große Unsicherheit bei der Begegnung mit fremden Menschen. |
Begibt sich der Unbekannte in die Hocke, traut sich Michel vorsichtig Kontakt aufzunehmen. |
Dennoch bedeutet das nicht, dass das einzelne Mitglied im Rudel nicht auch seinen eigenen Bedürfnissen nachgehen darf. Hunde brauchen daher auch die Möglichkeit, eigene Erfahrungen zu sammeln. Wer eine Hürde aus eigener Kraft meistert, sich bei einer schwierigen Aufgabe selbst überwindet, kann daran wachsen und selbstbewusst werden. Daher sollte man Hunde nicht immer nur führen und ihnen nicht immer jeden Stress abnehmen. Stress gehört zum Leben dazu und kann in einem gewissen Maß auch förderlich sein. Wie immer kommt es dabei darauf an, das richtige Gleichgewicht zwischen Führung und Selbsterkundung zu finden. Dabei spielt natürlich der Charakter des Hundes eine Rolle. Ein eher selbstbewusster und durch nichts zu erschütternder Welpe sollte von klein auf erleben, dass der Mensch ein Partner ist, auf den man sich gerade in stressigen Situationen verlassen kann. Ein eher unsicherer Welpe darf dagegen gern immer wieder einmal erfahren, dass es sich lohnt, aus sich herauszugehen, sich etwas zu trauen. Diese Erfahrungen können dabei zum einen im Alltag stattfinden, sie können aber auch gezielt durch unterschiedliche Beschäftigungsformen gefördert werden. So lernt der unsichere Welpe z.B. bei der Suche, dass er mit seiner Nase ganz alleine Dinge finden kann. Der selbstsichere Hund wird dagegen eher mit gezielten Anweisungen des Menschen an einen Ort geschickt und findet dort dann die begehrte Beute.
WICHTIG
Orientierung
Ob Führung übernehmen oder Erfahrung sammeln lassen, Grundlage ist immer das Vertrauen des Hundes in den Menschen. Dieser muss ein zuverlässiger Partner für den Hund sein, der ihn unterstützt, ihm aber auch Freiheit gewährt.
Hunde mit einer guten Bindung an bzw. Beziehung zu ihrem Menschen orientieren sich daher oft an diesem. Sie beobachten ihn genau, haben ihn immer im Blick und halten sich einfach oft und gern in seiner Nähe auf. Natürlich bedeutet das nicht, dass sie ihn auf Schritt und Tritt verfolgen. Ist der Mensch entspannt und ist gerade keine Aktivität angesagt, entfernt sich auch ein Hund mit guter Bindung durchaus ein ganzes Stück weit von seinem Menschen und geht auch eigenen Interessen nach. Ist der Mensch aber unruhig und nervös oder gibt es ein Beschäftigungsangebot des Menschen an den Hund, sucht dieser sofort die Nähe des Menschen und nimmt Kontakt mit diesem auf.
Hunde brauchen Bewegung! Auch wenn Hunde den Großteil des Tages verschlafen, brauchen sie dennoch ausreichend Bewegung, um gesund und glücklich zu sein. Leider ist die Zeit für den Vierbeiner heutzutage oft knapp bemessen. Durch Job, Familie, Haus und Garten stehen so viele Verpflichtungen an, dass der Hund dabei manchmal einfach zu kurz kommt. Oftmals wird dann das schlechte Gewissen durch eine Extraportion Futter oder eine besondere Leckerei wie z.B. ein getrocknetes Schweineohr beruhigt. Der Teufelskreis beginnt …
Denn genauso wie beim Menschen führt wenig Bewegung sowie zu viel und kalorienreiches Futter schnell zu Übergewicht. Die Anzahl der adipösen Hunde steigt auch hier in Deutschland immer mehr an. Da hilft nur eines: Raus in die Natur! Die einfachste Form der körperlichen Auslastung ist dabei natürlich der Spaziergang. Allerdings wird selbst ein einstündiger Spaziergang einen erwachsenen, gesunden, sportlichen Hund kaum ermüden. Anstrengender wird es da schon, wenn der Hund den Menschen beim Joggen oder Radfahren begleiten soll. Jedoch handelt es sich dabei um ein reines Ausdauertraining. Viel besser sind daher Beschäftigungsformen, bei denen der Hund viele verschiedene Muskelgruppen benutzen muss.
Die Suche nach Futter ist für den Labrador-Welpen Leroy genau die richtige Beschäftigung.
Beim Agility z.B. muss der Hund einen Parcours aus verschiedenen Hindernissen absolvieren. Er muss springen, kriechen, klettern, sich durch einen Slalom winden, wodurch die unterschiedlichsten Muskelgruppen trainiert werden. Zudem muss er dabei auch noch auf seinen Menschen achten, da dieser ihm den Weg vorgibt, ihm die Richtung zeigt. Wendungen und Drehungen gehören somit genauso dazu wie kurze Sprints. Mit solch vielseitigen Beschäftigungsformen fördern Sie daher die Motorik Ihres Hundes. Aber auch junge Hunde können durch gezieltes und für ihr Alter angepasstes Gerätetraining Bewegungsabläufe erlernen. Beim alten Hund sollte, angepasst an die gegebenenfalls bereits eingeschränkten Möglichkeiten, auf eine ausreichende Beanspruchung der Muskeln Wert gelegt werden. Denn so bewahrt der Hund seine Fitness bis ins hohe Alter hinein.
Viele Menschen sind der Meinung, ihrem Hund alles zu bieten. Jeden Tag ausreichend Futter, morgens ein einstündiger Spaziergang, abends eine kleine Radtour und zum Abschluss des Tages noch eine kleine Kuschelrunde auf dem Sofa. Ist dies nicht alles, was ein Hund zum Leben braucht? Der Alltag zeigt oft ein ganz anderes Bild. Der Hund macht sich auf dem Spaziergang selbstständig, geht jagen, verbellt Radfahrer oder vergnügt sich mit Artgenossen, ohne auch nur einen Blick für seinen Menschen übrig zu haben. Vielleicht bleibt der Vierbeiner aber auch brav beim Menschen, schnüffelt nur ab und an gelangweilt an einem Grashalm? Dann zeigt sich oftmals später, dass nur Spazierengehen und körperliche Auslastung nicht ausreichend sind. Muss der Hund z.B. nach dem morgendlichen Spaziergang allein bleiben, da seine Menschen zur Arbeit gehen, findet der kreative Vierbeiner oft unendlich viele Beschäftigungsmöglichkeiten: Die Tapete wird angenagt, die Hausschuhe von Herrchen ins Körbchen verschleppt und in kleinste Einzelteile zerlegt. Die Blumen werden aus ihren Töpfen befreit und neu in der Wohnung arrangiert. Die Freude von Frauchen beim Nachhausekommen ist riesig … „Wofür waren wir denn gerade eine Stunde lang draußen?“ Hier zeigt sich deutlich: Hunde brauchen nicht nur körperliche, sondern auch geistige Auslastung. Sie müssen sich geistig anstrengen, müssen nachdenken, überlegen. Beschäftigungsformen für Hunde sollten daher nicht immer nur rein auf die körperliche Auslastung des Hundes ausgelegt sein, sondern den Hund auch geistig anregen und fordern.
Ein Hund, der, um an ein begehrtes Leckerli zu kommen, erst nachdenken und verschiedene Lösungswege ausprobieren muss, lernt, kreativ zu sein, sich geistig anzustrengen. Dabei können schon 20 Minuten geistig beanspruchende Beschäftigung den Hund mehr ermüden und dazu führen, dass er die nächsten 3 – 4 Stunden ruhig und entspannt in seinem Körbchen bleibt, als ein zweistündiger Spaziergang.
Ein nicht ausgelasteter Hund wird oft kreativ. Das Durcheinander in der Wohnung erfreut den nach Hause kommenden Menschen meist nicht.
Zu viel Kreativität bringt auch Gefahren mit sich. Ein Hund, der Lösungswege findet, wenn er knifflige Aufgaben gestellt bekommt, setzt dieses Können durchaus auch in vom Menschen nicht geplanten Situationen ein.
Hat er z.B. bei sogenannten Intelligenzspielen gelernt, einen Deckel hochzuheben, eine Schublade aufzuziehen oder einen Riegel zur Seite zu schieben, wird er diese Fähigkeiten vielleicht auch anwenden, wenn er im Vorratsschrank einen gut riechenden Leckerbissen ortet.
Gerade bei intelligenten Hunden, die schnell und einfach Dinge lernen und auf andere Gegebenheiten übertragen, sollte man daher genau überlegen, welche Beschäftigungen bzw. Tricks man ihnen beibringt.
Beschäftigung von Hunden ist wichtig und notwendig, aber was genau zählt nun eigentlich alles dazu? Darf man das Training mit dem Hund, die „Erziehung“, auch zur Beschäftigung anrechnen? Wie sieht es mit dem Spaziergang aus, oder zählt der nur, wenn der Hund andere Hundefreunde treffen und so richtig ausgiebig mit ihnen toben konnte? Oder kann lediglich das Spiel zwischen Mensch und Hund als richtige Beschäftigungs-form angesehen werden? Was ist dann aber mit der Kuschelrunde abends auf dem Sofa?
Schäferhündin Gaia begleitet Alex auch ins Büro. Dort liegt sie brav und wartet entspannt.
Erst einmal können alle durch Beruf und Familie eingespannten Menschen aufatmen. Ein Hund muss nicht 8 Stunden täglich mit speziellen Trainings- und Beschäftigungsformen ausgelastet werden. Dennoch, wer lediglich eine Stunde Zeit am Tag für einen Hund aufbringen kann, sollte von der Anschaffung eines Hundes lieber noch einmal Abstand nehmen. Hunde verbringen den Großteil eines Tages mit Ausruhen und Schlafen. Allerdings verbringen sie auch diese Zeit am liebsten gemeinsam mit dem Rudel bzw. mit der Familie. Wer einen Hund daher mehr als 6 Stunden täglich allein lassen muss, sollte mit der Anschaffung des Hundes besser warten, bis sich die Lebenssituation ändert.
Und ja, auch das gemeinsame Kuscheln mit dem Hund darf in die Zeiten der Beschäftigung mit eingerechnet werden. Denn alle Zeit, die wir gemeinsam und aktiv mit unserem Hund verbringen, darf auf das Beschäftigungskonto angerechnet werden. Wichtig ist dabei nur, dass alle Bestandteile einigermaßen ausgeglichen vorkommen. Spaziergang, Spiel und Training, körperliche und geistige Auslastung, aber auch körperlicher Kontakt und soziale Pflege sind Bestandteil einer artgerechten Hundehaltung.
Wundern Sie sich jetzt vielleicht gerade? Kuscheln soll Beschäftigung sein? Dabei ist doch weder der Mensch noch der Hund besonders aktiv, wie soll dies den Hund auslasten, ihn zufriedenstellen? Schaut man sich den Tagesablauf eines Wildhunderudels an, wird man feststellen, dass nicht nur Schlafen, Nahrungsbeschaffung – also Jagdausflüge – sowie Sicherung des Territoriums auf dem Tagesplan stehen, sondern auch viel Zeit für partnerschaftliche Pflegemaßnahmen aufgewendet wird. Da werden genüsslich die Ohren ausgeschleckt, die Augen sauber geleckt, es wird im Fell gebohrt und geknabbert, wobei der „Umsorgte“ ganz stillhält und genießt, bevor er dann seinerseits anfängt, den anderen zu umsorgen. Oftmals endet eine solche Aktivität dann mit einem entspannten, gemeinsamen Kontaktliegen, man sucht die Nähe des Partners, kuschelt sich an ihn, stärkt so die Bindung und das Zusammengehörigkeitsgefühl. Warum sollte der Mensch diesen Aktivitätsbereich nicht auch nutzen? Angefangen vom einfachen Streicheln und Kraulen des Hundes, über Bürsten des Fells oder sogar kleinere Massageeinheiten kann auch über solche Pflegemaßnahmen die Bindung gestärkt werden. Wie bereits beschrieben, wird insbesondere bei körperlichem Kontakt das Hormon Oxytocin freigesetzt, welches dazu führt, dass die Bindung der beiden Partner intensiver und der Sozialkontakt gestärkt wird. Und mal ganz ehrlich … Was gibt es Schöneres, als am Abend mit seinem Hund zu kuscheln, ihn zu streicheln und gemeinsam mit ihm zu entspannen?
Gerade bei einem Buch über Beschäftigung und Aktivität mit dem Hund darf der Gegenpol, das Training von Ruhe und Entspannung, in keinem Fall fehlen. Viele Hunde sind heutzutage sehr häufig aufgedreht, finden keine Ruhe, können nicht entspannen. Und das nicht nur beim Training, sondern auch im ganz normalen Alltag. Achten Sie daher darauf, nicht nur die Trainings- und aktiven Beschäftigungszeiten Ihres Hundes zu planen und zu gestalten, sondern denken Sie immer wieder daran, auch einfach einmal eine Pause einzulegen. Genießen Sie die gemeinsame Ruhezeit mit Ihrem Hund. Sie werden sehen, wie die Entspannung Ihres Hundes immer mehr auch in den Alltag miteinfließt.
Für Milka und Nicole ist die tägliche gemeinsame Schmusestunde immer etwas ganz Besonderes. Beide genießen diese Zeit zu zweit.
Tagesablauf eines zufriedenen Hundes
Spaziergang, Spiel und Training sowie Ruhepausen, der Tagesablauf eines Hundes sollte alle Bestandteile – angepasst an die individuellen Bedürfnisse des Hundes – beinhalten.
Am Morgen ein entspannter Spaziergang, auf dem der Hund sich zunächst einmal lösen kann, um dann die Neuigkeiten des Tages zu erschnüffeln. Zwischendurch erfolgen kleinere Spiel- und Trainingseinheiten gemeinsam mit dem Menschen.
Nach einer Stunde Bewegung mit ca. 20 Minuten Beschäftigung gibt es zu Hause noch ein kleines Frühstück, danach ist erst einmal eine Ruhepause angesagt.
Mittags darf die Mittagspause gern aktiv genutzt werden. Vielleicht kann der Vierbeiner im Haushalt helfen, oder aber Haus und Garten werden für eine kurze 20-minütige Spieleinheit genutzt. Alternativ kann Ihr Hund ab und an auch einmal sein Kaubedürfnis stillen und einen harten Kauknochen zermahlen oder aber ein mit Futter gefülltes Spielzeug leeren. Dies reicht dann in der Regel aus, damit der Hund den Rest des Tages ruhig und entspannt verbringt.
Am frühen Abend geht es dann noch einmal für mindestens eine Stunde nach draußen, hier darf das Angebot gern täglich gewechselt werden. Vom Spaziergang mit Beschäftigungseinheit über Begleitung beim Joggen oder Radfahren oder aber den Besuch eines Trainings in der Hundeschule gibt es viele verschiedene Möglichkeiten.
Im Anschluss daran gibt es dann die Hauptration Futter, gefolgt von einer entspannten Kuschelrunde. Gerade bei langhaarigen Hunden kann man diese Zeit zudem hervorragend zur Fellpflege nutzen.
Hält man sich an diese minimalen Vorgaben, wird schnell klar, dass die Versorgung und artgerechte Haltung eines Hundes täglich mindestens 3 Stunden Zeit beansprucht!
Natürlich sind dies nur ungefähre Zeitangaben, und so wird es sicherlich in jeder Familie immer wieder einmal einen Tag geben, an dem der Hund zu kurz kommt. Dafür steht dann aber am nächsten Tag vielleicht wieder der Hund im Mittelpunkt, darf die Familie auf einem Tagesausflug begleiten und den ganzen Tag aktiv dabei sein.
Ein Punkt, welcher in unserem Zeitplan gar nicht auftaucht, ist das Spiel mit Artgenossen, das Toben mit anderen Hunden. Das bedeutet aber nicht, dass dieser Punkt für Hunde nicht wichtig wäre. Eher das Gegenteil ist der Fall. Hunde brauchen Kontakt zu Artgenossen, und zwar aus vielen verschiedenen Gründen. Zum einen können sie nur durch regelmäßigen Kontakt lernen, mit anderen Hunden zu kommunizieren und stressfrei umzugehen. Nur wer regelmäßig Erfahrungen mit Artgenossen macht, kann diese sicher einschätzen, weiß, welche Verhaltensweisen in unterschiedlichen Situationen angebracht sind. Zum anderen können wir selbst Hunden zwar ein Partner sein und versuchen, sie so artgerecht wie möglich zu halten, den hündischen Kontakt können wir ihnen jedoch nicht ersetzen. Oder haben Sie schon einmal versucht, Ihrem Hund das Ohr auszuschlecken? Sicherlich nicht … Auch in Bezug auf Geschwindigkeit und Rennspiele sind wir Menschen meist kein passender Spielpartner. Daher sollten Sie Ihrem Hund in jedem Fall regelmäßigen Hundekontakt ermöglichen, vor allem dann, wenn Ihr Hund als Einzelhund bei Ihnen lebt.
Labrador-Rüde Bali möchte gern mit der Golden-Hündin Alma spielen.
Alma findet die Kontaktaufnahme von Bali aufdringlich und zeigt den Stress deutlich durch ihre Mimik.
Damit sollte der Besuch einer Hundewiese mit Freilauf vieler verschiedener Artgenossen also durchaus als adäquate Beschäftigungsform gewertet werden können. Und in der Tat berichten viele Hundehalter, dass der Hund nach dem Besuch der Hundewiese und dem Spiel mit anderen Hunden zu Hause erschöpft in sein Körbchen fällt. Allerdings handelt es sich hier in vielen Fällen wirklich wortwörtlich um Erschöpfung, was eigentlich nicht Ziel einer sinnvollen Beschäftigung sein sollte. Der Hund soll zufrieden und ausgelastet sein, jedoch nicht durch Überforderung erschöpft. Denn leider passiert genau das sehr häufig beim Besuch einer Hundewiese. Der Hund trifft viele ihm fremde Hunde, er muss diese einschätzen, muss herausfinden, wie man zueinander steht, wie man miteinander umgeht. Ein entspanntes Spiel ist dabei nicht wirklich möglich. Dieses kann immer nur dann stattfinden, wenn keine Antriebe aus anderen Funktionskreisen vorhanden sind, wie z.B. die Einschätzung, ob ein fremder Artgenosse Freund oder Feind ist. Echtes Spiel findet daher nur statt, wenn beide Spielpartner entspannt miteinander umgehen, miteinander vertraut sind, sich kennen und einschätzen können. Denn nur so kann man sich sicher sein, dass keiner übertreibt oder eine im Spiel sichtbar werdende Schwäche ausnutzt, aus dem Spiel also niemals wirklich ernst wird. Daher wechseln bei echtem Spiel immer auch die Rollen der Spielpartner. Mal ist der eine obenauf, mal der andere. Mal wird der eine gejagt, mal spielt der andere das „Opfer“. Deutlich wird dies durch übertriebene Gestik gemacht, so ist für jeden Partner klar: Hier wird gespielt! Achten Sie daher beim Besuch der Hundewiese genau darauf, wie der Kontakt Ihres Hundes mit anderen Hunden verläuft. Bleibt alles entspannt, wechseln die Rollen und wird nicht immer nur einer der Hunde gejagt, und das womöglich noch von mehreren Hunden gemeinsam, ist alles in Ordnung. Sollten Sie aber das Gefühl haben, dass die Situation für Ihren Hund zu stressig wird, weil er z.B. von den anderen Hunden bedrängt wird, helfen Sie ihm. Bitten Sie die anderen Menschen, ihre Hunde zu sich zu rufen, leinen Sie Ihren Hund an und setzen Sie lieber den Spaziergang allein mit Ihrem Hund fort. Damit zeigen Sie Ihrem Hund, dass Sie solche nicht entspannten Situationen im Blick haben, und dass Sie eingreifen, wenn sich Ihr Hund nicht wohl fühlt. Er lernt so, dass er sich auf Sie verlassen und Ihnen vertrauen kann. Damit stärken Sie auch die Bindung zu Ihrem Hund.
Jiggar (rechts) zeigt ein deutliches Spielgesicht mit weit aufgerissenem Maul. Begeistert geht Anouk auf die Spielaufforderung von Jiggar ein.
WICHTIG
Merkmale Spielverhalten
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Kein Ernstbezug |
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Keine Endhandlung |
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Wiederholungen |
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Immer neu kombinierte Handlungen |
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Rollenwechsel |
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Übertriebenes Ausdrucksverhalten |
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Entspannte Lebenssituation |
Gerade auf einer Hundewiese lässt sich Hunde-kontakt also oftmals nicht von Vornherein abschätzen. Man kennt die Hunde in der Regel nicht alle, weiß nicht, wer sich gerade auf der Wiese aufhält. Viele Hundehalter können zudem häufig ihre Hunde nicht abrufen, so dass ein Unterbrechen eines unerwünschten oder eskalierenden Kontaktes oft nicht mehr möglich ist. In der Regel trifft man aber als Hundehalter immer wieder Mensch-Hund-Teams, bei denen man schnell feststellt, dass sich sowohl Hund als auch Mensch von Anfang an sympathisch sind, gut miteinander auskommen und harmonieren. Nutzen Sie diese Kontakte für gezielte Treffen. Zwei oder drei Hunde, mit denen Ihr Hund sich gut versteht und mit denen Sie sich immer wieder einmal treffen, reichen vollkommen aus, um Ihrem Hund den notwendigen Sozialkontakt mit Artgenossen zu verschaffen.
Natürlich muss es nicht zwingend dazu kommen, dass Ihr Hund sich beim Besuch der Hundewiese unwohl fühlt. Aber dennoch, wir haben bereits besprochen, dass durch gezielte Beschäftigung mit Ihrem Hund die Bindung und Beziehung zwischen Ihnen und Ihrem Hund gestärkt werden kann. Hat sich Ihr Hund jedoch auf der Hundewiese ausgetobt und ausgepowert, wird er in der Regel kaum noch Interesse an gemeinsamen Aktivitäten mit Ihnen haben. Er hat sich bereits körperlich betätigt, hatte Spaß mit den Hundekumpels und wurde durch die Interaktion mit den anderen Hunden auch geistig gefordert. Warum sollte er sich nun noch mit Ihnen auseinandersetzen? Diese Hunde sind meistens schon von Weitem deutlich erkennbar. Sobald ein Hund am Horizont auftaucht, ziehen sie an der Leine, jammern, bellen und machen einfach nur eines deutlich: „Mach mich von der Leine los, ich will von dir weg, ich möchte zu dem anderen Hund.“ Einmal frei gelassen, sind sie weder mit lockenden Rufen, der Verlockung durch spannendes Spielzeug oder besonderen Leckerbissen noch durch strenge Worte davon zu überzeugen, zum Menschen zurückzukommen. Erst wenn sie den anderen Hund begrüßt haben und aus ihrer Sicht ausreichend Kontakt aufgenommen, lange genug gespielt haben, lassen sie sich wieder einfangen.
Nutzen Sie daher Hundekontakt gezielt immer wieder einmal als Ausgleich zu gemeinsamer Beschäftigung. Ihr Hund sollte aber immer Sie und die gemeinsame Aktivität mit Ihnen als das Highlight des Tages empfinden und nicht das Treffen mit Artgenossen.
Kaum hat Australian Shepherd-Rüde Simon einen anderen Hund erblickt, gibt es für ihn kein Halten mehr. Er läuft hin, um mit dem Hund Kontakt aufzunehmen und zu spielen, auch wenn sein Mensch laut nach ihm ruft und mit dem Spielzeug lockt.
Mittlerweile wissen die meisten Hundehalter, dass Hunde beschäftigt werden müssen. Genauso wie es beim Kind bei so manch übereifrigen Eltern zu einem gut gefüllten Wochenplan kommt, besteht die Gefahr inzwischen auch bei einigen Hundehaltern. Beginnt man erst einmal damit, sich mit seinem Hund aktiv zu beschäftigen, und merkt, wie viel Spaß das Ganze macht, nehmen die Aktivitäten im Laufe der Zeit immer mehr zu. Da geht es dann am Montag zum Agilitytraining, Dienstag zur Freilaufgruppe, Mittwoch steht der Apportierkurs auf dem Programm, Donnerstag Agilitytraining zur Wettkampfvorbereitung, Freitag der gemeinsame Beschäftigungsspaziergang mit der Freilaufgruppe, und am Wochenende geht es entweder zum Intensivseminar oder aber zur Teilnahme am Wettkampf. Schnell entsteht ein Leistungsdruck, der für Mensch und Hund zur Belastung werden und die Beziehung stark beeinträchtigen kann.
Achten Sie daher bei der Gestaltung Ihrer Aktivitäten immer auch darauf, dass genügend Freiraum bleibt. Ein Hund muss auch einmal einfach nur ein Hund sein dürfen. Zeiten für Training und gemeinsame Beschäftigung sind wichtig, aber ein Hund muss auch die Möglichkeit haben, im begrenzten Rahmen seinen eigenen Interessen nachzugehen. Beim Spaziergang ein Stück weit eine Spur verfolgen, erschnüffeln, wer sich gerade kurz vorher hier aufgehalten hat, sich auf einem Regenwurm wälzen oder sich in eine Pfütze werfen – je nach Hund und Veranlagung gibt es hier die unterschiedlichsten Bedürfnisse. Beobachten Sie Ihren Hund genau, Sie werden schnell seine Vorlieben feststellen. Geben Sie ihm die Zeit für sich, denn er wird danach umso interessierter sein, wieder etwas mit Ihnen gemeinsam zu unternehmen.
Bedeutet das aber nun im Umkehrschluss, dass man gar nicht an Wettkämpfen mit seinem Hund teilnehmen sollte? Wer den Wettkampf wortwörtlich nimmt, ihn als Kampf ansieht, mit dem obersten Ziel, die anderen Teilnehmer zu besiegen, der sollte tatsächlich noch einmal darüber nachdenken, ob eine andere Sportart – ohne Hund – nicht besser für ihn geeignet wäre. Denn leider kommt es immer wieder vor, dass der Ehrgeiz des Menschen überhandnimmt und der Hund nicht mehr als Partner, sondern lediglich als Sportgerät betrachtet wird. Kann dieser die Leistung nicht erbringen, wird er ausgetauscht. Oder aber durch immer härteres Training zu ständig höheren Leistungen getrieben, so dass der Hund irgendwann der Belastung nicht mehr standhält und zusammenbricht. Dies ist dem Hund gegenüber nicht fair. Denn nicht der Hund hat sich für dieses Leben entschieden, es war der Mensch, der bestimmt hat, dass genau dieser Hund bei ihm einziehen soll. Der Mensch sollte den Hund als Lebewesen ansehen, dessen Charakter und Eigenschaften er respektieren muss.