Der kleine
Taschencoach
Selbstliebe – der Schlüssel
zu einem glücklichen Leben
Eigenliebe ist der Beginn einer lebenslangen Romanze.
Stellen Sie sich vor: Bevor Sie auf die Welt kommen, unterschreiben Sie einen Vertrag. Darin verpflichten Sie sich, in guten wie in schlechten Zeiten für sich zu sorgen, Ihre Wünsche und Bedürfnisse wahrzunehmen und sich bestmöglich für sich einzusetzen.
Eine seltsame Vorstellung? Oder ein beruhigender Gedanke, sich von der eigenen Liebe und Fürsorge durch das Leben getragen zu wissen?
Sich selbst bewusst wichtig nehmen zu wollen, hat für einige von Ihnen sicher einen unangenehmen Beigeschmack. Es wirkt egoistisch. Irgendwie selbstgefällig und unsozial. Muss man nicht für die Gesellschaft aktiv werden und sollte ein Auge darauf haben, was die Menschen im eigenen Umfeld brauchen?
Keine Frage, das Wohlbefinden der anderen darf uns nicht gleichgültig sein. Was aber nicht ausschließt, sich selbst an erste Stelle zu setzen. Wer immer nur an andere denkt, bleibt irgendwann auf der Strecke. Sie kennen bestimmt die Ansage während der Sicherheitshinweise im Flugzeug: »Sollte der Druck in der Kabine sinken, fallen automatisch Sauerstoffmasken aus der Kabinendecke. In diesem Fall ziehen Sie eine der Masken ganz zu sich heran und drücken die Öffnung fest auf Mund und Nase. Erst danach helfen Sie mitreisenden Kindern und anderen Passagieren.«
Erst DANACH helfen Sie …
Genauso ist es im Leben: Wenn uns die Luft zum Atmen ausgeht, haben die anderen nichts mehr von uns. Gesunde Selbstliebe ist daher weder egoistisch noch unsozial. Sie bedeutet, sich immer wieder den eigenen Energiequellen zuzuwenden, um aus ihnen die Kraft für sich selbst und damit auch für die Mitmenschen zu schöpfen.
Unsere Kraft sprudelt vor allem dann, wenn wir alle Facetten unseres Wesens annehmen und verantwortungsvoll mit ihnen umgehen. Das heißt, wir erkennen unsere Stärken, fördern und leben sie selbstbewusst. Unsere Schwächen verstecken wir nicht, sondern stehen zu ihnen. Mehr noch: Wir begreifen sie sogar als eine Dimension unserer Persönlichkeit, aus der wir immer wieder Impulse für unsere Weiterentwicklung erhalten. Darin liegt auch ein wesentlicher Unterschied zur Selbstverliebtheit der Narzissten: Narzisstische Menschen verleugnen ihre Schwächen und sind aus einem tief verwurzelten Minderwertigkeitsgefühl heraus ständig auf die Bewunderung und Bestätigung anderer angewiesen. Weil sie selbst sie sich nicht geben können. »Es stimmt, dass selbstsüchtige Menschen unfähig sind, andere zu lieben«, hat Erich Fromm gesagt, »sie sind jedoch genauso unfähig, sich selbst zu lieben.«
Selbstliebe kann eine große Herausforderung sein. Insbesondere dann, wenn wir uns gegen unsere Partner, Freunde oder Kollegen abgrenzen müssen, weil wir andere Bedürfnisse und Wünsche als sie haben. Sich dann für sich einzusetzen kann viel Mut erfordern. Aber jedes Mal, wenn wir in Übereinstimmung mit uns selbst handeln und uns nicht verbiegen, wächst unsere innere Stärke. Irgendwann geraten wir nicht mehr wegen jeder Kleinigkeit aus dem Lot und müssen nicht mehr ständig alles und jeden kontrollieren. Uns selbst zu vertrauen macht uns gelassener. Vor allem im Umgang mit uns selbst. Weil wir verstanden haben, dass wir unsere eigene Unterstützung am dringendsten benötigen und unsere Schwächen – genau wie unsere Stärken – von uns gesehen und angenommen werden wollen. Damit wir sie in etwas verwandeln, das unserem Leben guttut.
Wir haben zwar keinen Vertrag unterschrieben, aber wir sind auf der Welt. Sie, ich – nichts haben wir dazu beigetragen, an all den Freuden, Genüssen, Schönheiten, Möglichkeiten, kleinen und großen Herausforderungen des Lebens teilhaben zu dürfen. Unser Leben ist uns geschenkt worden. Daher hat Selbstliebe auch immer mit unserer Haltung dem Leben gegenüber zu tun.
Unterstütze ich mich mit bester Kraft? Fördere ich meine Begabungen und nutze alle Möglichkeiten zur Entfaltung? Oder kümmere ich mich nicht genug um mich, sehe gar nicht, was alles in mir steckt und welche Chancen sich mir bieten?
Wenn uns unser Dasein, das wir einfach so als Geschenk erhalten haben, in einer ruhigen Minute in seiner ganzen Dimension bewusst wird, kann uns ganz feierlich zumute werden. In solch seltenen Momenten findet Selbstliebe dann wohl auch ihren tiefsten und kraftvollsten Ausdruck: in der Freude und Dankbarkeit darüber, auf der Welt zu sein und sie mit allen Sinnen erleben zu dürfen.
Wer aber leicht werden will und ein Vogel, der muss sich selber lieben: – also lehre ich. Nicht freilich mit der Liebe der Siechen und Süchtigen: denn bei denen stinkt auch die Eigenliebe! Man muss sich selber lieben lernen – also lehre ich – mit einer heilen und gesunden Liebe: dass man es bei sich selber aushalte und nicht umherschweife.
Friedrich Nietzsche
Wann wird man unsere Kinder in der Schule lehren,
was sie selbst sind?
Jedem dieser Kinder sollte man sagen:
Weißt du, was du bist?
Du bist ein Wunder!
Du bist einmalig!
Auf der ganzen Welt gibt es kein zweites Kind,
das genauso ist wie du.
Und Millionen von Jahren sind vergangen,
ohne dass es je ein Kind gegeben hätte wie dich.
Schau deinen Körper an, welch ein Wunder!
Deine Beine, deine Arme,
deine geschickten Finger, deinen Gang.
Aus dir kann ein Shakespeare werden,
ein Michelangelo, ein Beethoven.
Es gibt nichts, was du nicht werden könntest.
Jawohl, du bist ein Wunder. Und wenn du erwachsen sein wirst,
kannst du dann einem anderen wehe tun,
der, wie du selbst, auch ein Wunder ist?
Pablo Casals
Das größte Glück des Menschen ist, dass er selber der Urheber seiner Glückseligkeit ist, wenn er fühlt, das zu genießen, was er sich selbst erworben hat.
Immanuel Kant
Rabbi Jakub, der in bescheidenen Verhältnissen in einem kleinen Haus mitten in Warschau wohnte, träumte in drei aufeinanderfolgenden Nächten von einem kostbaren Schatz unter einem Brückenpfeiler der Prager Karlsbrücke. Er beschloss, diesen Schatz zu finden, traf alle Vorbereitungen für die Reise und kam eine Woche später in Prag an. Sofort ging er mit Spaten und Hacke zur Brücke. Dort stellte er enttäuscht fest, dass sie rund um die Uhr von Soldaten bewacht wurde. So hielt sich Rabbi Jakub täglich in der Nähe auf, stets bereit, in einem günstigen Augenblick nach dem Schatz zu graben. Nach drei Tagen sprach ihn einer der Soldaten an und fragte, was ihn dazu treibe, ständig in der Nähe der Brücke auf und ab zu spazieren. Rabbi Jakub, gutmütig wie er war, erzählte dem Soldaten von seinem Traum.
Der Soldat lachte laut auf. »Du bist doch ein kluger und erfahrener Mann. Und da nimmst du einen solchen Traum ernst? Wenn ich so vertrauensselig wäre wie du, dann wäre ich schon längst in Warschau! Ich hatte nämlich auch einige Male einen solchen Traum. Und darin hörte ich, dass ich nach Warschau in den Garten eines Rabbi Jakub gehen und dort nach einem Schatz graben soll. Rabbi Jakub … dass ich nicht lache! In Warschau gibt es Dutzende Rabbis und bestimmt heißen die meisten Jakub. Und da soll ich ausgerechnet diesen einen finden? Was für eine absurde Idee!«
Rabbi Jakub wurde blass, bedankte sich bei dem Soldaten und machte auf dem Absatz kehrt. Sobald er wieder zu Hause war, eilte er in seinen Garten und fing an zu graben. Und wirklich: Schon bald barg er einen kostbaren Goldschatz und hatte für den Rest seines Lebens ein angenehmes Auskommen.
nach Martin Buber
Wir studieren, planen und bereiten uns auf eine Aufgabe vor, und wenn die Zeit zum Handeln gekommen ist, müssen wir feststellen, dass das System, nach dem wir uns so eifrig gerichtet haben, der Situation nicht angemessen ist. Dann bleibt uns nichts anderes übrig, als uns auf etwas in uns zu verlassen. Irgendeine angeborene Fähigkeit, zu wissen und zu handeln, von der wir nicht wussten, dass wir sie haben. Bis sie sich zeigte, weil wir sie dringend brauchten.
Ann Sullivan
Was macht Sie so einzigartig? Was sind Ihre ganz persönlichen Fähigkeiten, Ihre Begabungen und Besonderheiten, die in dieser Kombination kein weiterer Mensch auf der Erde hat?
Die folgenden Fragen helfen Ihnen, Ihre verborgenen Schätze zu entdecken und ans Tageslicht zu befördern. Fragen Sie auch Menschen, die Sie gut kennen und denen Sie vertrauen. Andere sehen häufig Wesentliches an uns, für das wir selbst blind sind.
Ein Schritt zu deinem eig’nen Herzen
ist ein Schritt zu dem Geliebten.
Rumi, Das Lied der Liebe
Wind und Sonne gerieten darüber in Streit, wer von beiden es wohl schneller schaffen würde, einen Wanderer auf einem Feldweg dazu zu bringen, seine Jacke auszuziehen.
»Gut«, sagte der Wind, »lass uns einen Wettkampf daraus machen.«
Er begann und blies so heftig er nur konnte, stürmte und tobte und wollte dem Mann seine Jacke mit Gewalt vom Leib reißen. Aber der Wanderer zog sie nur noch fester um sich. Endlich gab der Wind auf.
Dann war die Sonne an der Reihe und wählte einen anderen Weg: Fürsorglich sandte sie dem Wanderer ihre warmen Strahlen. Es dauerte noch eine Weile, aber dann knöpfte der Wanderer seine Jacke auf und zog sie schließlich ganz aus. Da musste der Wind zugeben, dass die Sonne die Stärkere war.
nach einer Fabel von Aesop
Milde erreicht mehr als Heftigkeit.
Jean de La Fontaine
Wie wir mit unserem Spiegelbild umgehen, sagt viel über die Beziehung zu uns selbst aus. Dabei geht es nicht um »Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die Schönste im ganzen Land?« – es geht vielmehr um die grundsätzliche innere Einstellung, mit der wir uns betrachten. Liebevoll, freundschaftlich, wohlwollend, dauerkritisch oder vielleicht sogar ablehnend? Wie sehen Sie sich an?
Stellen Sie sich vor einen großen Spiegel, am besten einen, in dem Sie sich von Kopf bis Fuß betrachten können. Schauen Sie sich in die Augen und sagen Sie lächelnd zu sich: »Liebe/r …, ich liebe Dich.« Dabei nehmen Sie sich in die Arme.
Wenn Ihnen dies ohne Probleme gelingt und Sie sich Ihre Worte glauben, haben Sie ein gutes, vielleicht sogar liebevolles Verhältnis zu sich selbst. Werden Sie dagegen verlegen, finden die Situation albern und möchten Ihrem eigenen Anblick am liebsten ausweichen, sind Sie von Wertschätzung und Freundschaft sich selbst gegenüber noch ein wenig entfernt.
Möchten Sie sich näherkommen, dann schenken Sie Ihren Bedürfnissen, Wünschen, Freuden und Sorgen mehr Aufmerksamkeit. Fragen Sie sich, wie Sie sich fühlen und was Sie bewegt. So lernen Sie sich allmählich besser kennen und entwickeln Verständnis für sich. Gestehen Sie sich mehr »Qualitätszeit« zu. Das kann die Ruhe beim Essen sein, der extra Stadtbummel mit Genusspause im Coffeeshop oder die ausgiebige Körperpflege nach einem entspannenden Bad. Es ist völlig egal, was Sie machen. Hauptsache, Sie tun es ganz bewusst für sich und es tut Ihnen gut. Und wenn Sie die Spiegelübung nach einiger Zeit wiederholen, können Sie vielleicht schon lächelnd sagen: »Natürlich mag ich dich! Und wie!«
Die Wurzel alles Bösen in der Welt ist der Mangel an Liebe zu sich selbst.
Thomas von Aquin
Wenn wir uns lieben und achten …
Ich bin selbstsüchtig, ungeduldig und ein wenig unsicher, ich mache Fehler, bin unkontrolliert und manchmal ist es nicht leicht, mit mir umzugehen. Aber wer nicht mit mir umgehen kann, wenn ich mich von meiner schlimmsten Seite zeige, hat mich ganz gewiss auch nicht zu meinen besten Zeiten verdient.
Marilyn Monroe
Wer sich selber hasst, den haben wir zu fürchten, denn wir werden die Opfer seines Grolls und seiner Rache sein. Sehen wir also zu, wie wir ihn zur Liebe zu sich selber verführen!
Friedrich Nietzsche
Ein kleiner Waisenjunge wanderte auf der Suche nach einer Mahlzeit und einem Nachtlager von Ort zu Ort. Eines Tages traf er einen alten Mann, der ebenfalls von Dorf zu Dorf unterwegs war. Die beiden beschlossen, ein Stück des Wegs gemeinsam weiterzugehen. Der alte Mann ging tief gebeugt und stöhnte immer wieder, denn er trug einen großen, zugedeckten Weidenkorb, der schwer zu sein schien. Bei einer Rast an einem Fluss stellte der Alte seinen Korb müde und erschöpft auf den Boden.
»Soll ich den Korb für dich tragen?«, fragte der Junge.
Der Alte schüttelte den Kopf. »Das geht leider nicht. Ich muss ihn ganz alleine tragen.«
»Was ist denn darin?«, fragte der Junge neugierig. Aber der Alte antwortete ihm nicht.