MATT BRAUN

 

 

Starbuck I

 

Zwei Romane in einem Band

 

 

 

Apex Western, Band 21

 

 

Apex-Verlag

Inhaltsverzeichnis

Das Buch 

 

STARBUCK 

 

STARBUCK JAGT BILLY THE KID 

 

»Lynchjustiz, ohne gesetzlichen Krimskrams«: Matt Brauns Starbuck-Romane - 

Ein Essay von Dr. Karl Jürgen Roth 

 

Das Buch

 

Im Norden von Texas regiert die Gewalt. Banditen überfallen einsame Ranches und treiben Hunderte von Pferden davon. Das Gesetz ist machtlos, und auch die Rancher kommen nicht gegen die rücksichtslosen Banditen an. Zu raffiniert gehen die Schurken vor. Wie böse Geister tauchen sie aus dem Morgennebel auf, fangen die Pferde ein und verschwinden im zerklüfteten Canyonland des Panhandle.

Aber dann taucht ein Mann auf, der selbst diesen Outlaws gewachsen ist. Luke Starbuck kennt sich mit Männern ihres Schlages aus und weiß, dass nur ein einziges Mittel gegen sie zum Ziel führt: brutale Gewalt.

 

Der Band Starbuck I enthält die Romane Starbuck und Starbuck jagt Billy the Kid von Matt Braun. Der Apex-Verlag veröffentlicht diese Klassiker des Western-Romans in seiner Reihe APEX WESTERN, ergänzt um ein Essay von Dr. Karl Jürgen Roth. 

STARBUCK

 

 

 

Vorbemerkung des Autors

 

 

Zwischen 1875 und 1895 trieben sich Banden von Gesetzlosen im amerikanischen Westen herum. Erbarmungslos fielen sie über Rancher, Kutschenlinien, Eisenbahnen und Banken her.

Der Wild Bunch und die Daltons wurden am berüchtigtsten, aber es gab auch noch andere Banden, die von ebenso gerissenen wie tödlichen Männern geführt wurden.

Das Gesetz wurde oft durch ungeheure Entfernungen und schlechte Verbindungen lahmgelegt.

Kaum war eine Bande ausgerottet, tauchte auch schon eine neue auf der Bildfläche auf.

Vereinigungen der Rinderleute und die Besitzer von Eisenbahnen und Minen entdeckten sehr schnell, wie nutzlos es war, sich auf die jeweils für einen bestimmten Bezirk zuständigen Gesetzesvertreter zu verlassen. Stattdessen begannen sie Leute zu beschäftigen, die kaltblütig und sehr schnell mit Schusswaffen waren. Diese Männer wurden eingesetzt, um Jagd auf Banditen zu machen. Sie waren die ersten Weidedetektive und ließen sich weder von Staatsgrenzen noch vom Gesetz selbst hindern. Sie hatten Befehl, Gesetzlose aufzuspüren, wo auch immer solche zu finden waren, und dann dafür zu sorgen, dass der Gerechtigkeit Genüge getan wurde. Meistens endete ihre Arbeit mit einem tödlichen Schusswechsel, denn die Desperados ergaben sich nur selten, wenn sie sich in die Enge getrieben sahen.

Luke Starbuck war einer dieser Weidedetektive, und der folgende Roman erzählt die Geschichte seiner ersten Menschenjagd.

Sie basiert auf einer wahren Begebenheit.

 

 

 

Erstes Kapitel

 

 

Starbuck saß auf einem Rotschimmel-Wallach und schaute sich von der grasigen Bodenerhebung aus um.

Die Sonne stand wie ein glühender Feuerball am Himmel, und über der Ebene hing ein glasiger Dunst. Zur Mittagszeit herrschte schwüle Hitze.

Starbucks Kehle war wie ausgedörrt. Er beleckte sich die trockenen, rissigen Lippen, schmeckte Salz und strich sich über den Schnurrbart. Der Reiter hatte ein Bein über den Sattelknauf gehakt und beobachtete das staubige Durcheinander von Männern und blökenden Kälbern da unten auf der Prärie.

Der Frühjahrsauftrieb war in vollem Gange; mehrere hundert Rinder waren an einer Stelle in der Nähe vom Fluss zusammengetrieben. Dort wurden die Kälber mit Lassos eingefangen und rasch von der Herde der protestierenden Muttertiere getrennt. Man zerrte die Jungtiere zum Feuer, wo die Brandeisen glühend gemacht wurden.

Die Cowboys arbeiteten in Teams und fielen sofort über jedes Kalb her, wenn es zu Boden geworfen war. Ein Mann ritzte mit einem Messer ein Ohr ein, während ein anderer mit einem glühenden Brandeisen herantrat. Augenblicke später rannte das Kalb mit dem eingebrannten LX auf der Flanke weg. Berittene Cowboys trieben das Kalb zur Herde zurück und vereinigten es wieder mit seiner Mutter. Dann schwirrten abermals Lassos durch die Luft. Die Arbeit unter der glühenden Texas-Sonne nahm ihren Fortgang.

Es war eine monotone Arbeit, und die Kälberprozession schien von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang kein Ende zu nehmen.

Doch die Cowboys ließen in ihrem Tempo niemals nach. So verlief das Brandmarken der Tiere trotz der mörderischen Hitze mit erstaunlicher Präzision.

Für Luke Starbuck war es nur eine von mehreren Szenen, die er im Verlauf des Tages beobachten würde.

Vom zeitigen Frühjahr bis zum späten Herbst war die LX-Ranch ein Bienenkorb an Aktivität, und so war Starbuck fast ständig im Sattel. Als Vormann der größten Ranch im Panhandle war er für die Mannschaft verantwortlich. Dazu gehörten fast hundert Männer, die sich um etwa 50.000 Rinder kümmern mussten.

Rund um die Ranch gab es ein Dutzend Camps, in denen Kälber gebrandmarkt wurden. Man arbeitete fieberhaft, um die Ernte an Frühjahrs-Kälbern zu zählen und zu markieren.

Gleichzeitig sammelten andere Mannschaften fette Stiere und ältere Kühe für das große Treiben nach Dodge City. Vor Anbruch der kalten Witterung würden mindestens zehn Herden mit insgesamt mehr als 20.000 Rindern zur Bahnstation getrieben und dort verkauft werden. Für die LX bedeutete das bis zu 500.000 Dollar auf der Bank. Für Starbuck bedeutete es endloses Kopfzerbrechen, das erst wieder verschwand, wenn die Trail-Saison sich dem Ende näherte. Aber er hätte seinen Job für nichts anderes eingetauscht, nicht einmal für den Palast eines Maharadschas und einen Harem honigsüßer Huren.

Seit der Morgendämmerung hatte Starbuck bereits vier Camps überprüft, in denen Kälber gebrandmarkt wurden, und ein Camp inspiziert, in dem eine Trail-Herde zusammengestellt wurde. Insgesamt war er heute schon mehr als fünfzig Meilen geritten. Zweimal hatte er unterwegs die Pferde gewechselt. Mit jedem der Mannschafts-Bosse hatte er ein ausführliches Gespräch geführt.

Bis Sonnenuntergang, wenn er sich bei Ben Langham, dem LX-Besitzer melden musste, würde er noch vier oder fünf Camps kontrolliert und sich ein ziemlich klares Bild von den bisherigen Fortschritten gemacht haben. Alles in allem war er mit dem Gang der Dinge durchaus zufrieden; nach einer rohen Schätzung rechnete er mit einer sehr profitablen Saison.

Doch seine Meldung würde auch nicht ganz frei von schlechten Nachrichten sein, und das dämpfte seine gute Laune.

Während der Nacht waren aus einem der Brandzeichen-Camps acht Pferde spurlos aus der Remuda verschwunden.

Starbuck hatte dem Mannschaftsboss und vor allem dem Mann, der Nachtwache gehabt hatte, eine mächtige Standpauke gehalten. Wahrscheinlich würde er nun die gleiche Dosis zu schlucken bekommen, denn Ben Langham würde wütend sein.

Aber Starbuck war nicht der Mann, über Probleme lange zu brüten. Bis Sonnenuntergang war noch viel Zeit. Er nahm das Bein vom Sattelhorn und schob den Fuß in den Steigbügel. Als er die Zügel aufnahm, um zum Brandzeichen-Camp hinabzureiten, kam ein Cowboy auf seinem Pferd im Galopp über den Erdhügel geritten. Der Mann sah Starbuck gerade noch im allerletzten Moment und brachte sein Pferd in einer Staubwolke zum Stehen.

Starbucks Rotschimmel scheute und tänzelte seitwärts über den Hang. Der Vormann musste sein Pferd durch harten Zügelruck wieder zur Räson bringen.

»Zum Teufel, was soll denn diese Eile?«, schrie er dem Mann durch die Staubwolke zu. »Hast du Feuer unter dem Hintern?«

»Beinahe!« Der Reiter war außer Atem, und sein Pferd war schweißüberströmt. Der Mann nahm sich einen Moment Zeit, um Luft zu holen, dann zeigte er mit dem Daumen über die Schulter. »Der Alte will dich sprechen... pronto!«

»Wozu?«

»Was weiß ich? Kam wild aus dem Haus gestürmt, und ich stand ihm zufällig im Weg. Hat mir befohlen, mich schleunigst auf einen Gaul zu schwingen und dich zu suchen.«

»Wie lange ist das her?«

»Zwei Stunden. Drüben am Camp bei Blue Creek hab' ich dich nicht mehr als zehn Minuten verfehlt.«

»Yeah... und hast dabei fast ein Pferd zuschanden geritten!«

»Verdammt, der Alte hat doch gesagt...«

»Schon gut. Jetzt hast du mich ja gefunden. Kühle den Gaul ab und mach's ja richtig, sonst wirst du zu Fuß nach Hause laufen müssen!«

Starbuck wirbelte den Rotschimmel herum und ritt am Fluss entlang nach Osten. An sich geriet er nicht so schnell in Rage, aber in manchen Dingen konnte er sehr heikel sein. So duldete er niemals, dass jemand ein Pferd nutzlos missbrauchte. Er nahm sich vor, den Cowboy auszuzahlen und morgen früh fortzuschicken. Dann vergaß er diese Sache zunächst wieder. Er trieb sein Pferd zu ständigem Trab an und beschäftigte sich in Gedanken mit Ben Langham.

Wenn Starbuck sich nicht sehr irrte, befand sich der alte Mann auf dem Kriegspfad. Worum es sich auch handeln mochte, offenbar hatte es keine Zeit bis heute Abend, und wenn es so dringend war, dann konnte es sich nur um irgendwelchen Ärger handeln. Gute Nachrichten konnten immer warten; schlechte Nachrichten hatten es stets sehr eilig.

Im Lauf der Jahre hatte Starbuck durch einfache Beobachtung gelernt, meistens schon vorauszusehen, was der Alte wollte, besonders immer dann, wenn sich Ärger zusammenbraute.

Das war einer der Gründe, warum diese beiden Männer so gut miteinander auskamen, denn Langham neigte dazu, leicht zu explodieren. Starbuck agierte gewissermaßen als Puffer, ließ den Alten seinen Zorn austoben und brachte dann die Dinge ruhig wieder in Ordnung. Damit blieb jedermann viel Kummer erspart. Gleichzeitig hatte sich Starbuck mit dieser Methode die Hochachtung des alten Mannes auf eine Weise verdient, die der Vormann selbst für höchst ungewöhnlich hielt. Dem Rancher machte die Tatsache Spaß, dass Starbuck andere Leute dazu bringen konnte, seine Befehle widerspruchslos auszuführen. Das hielt Langham für einen guten Trick und für einen der besseren Späße des Lebens.

Starbuck wiederum fand es bemerkenswert, dass Langham niemals seine Entschlossenheit oder seinen Sinn für Humor verlor. Vor ein paar Jahren hatte Starbuck als einfacher Treiber auf der LX angefangen. Damals hatte Langhams Ranch in Süd-Texas gelegen, weniger als einen Tagesritt vom Rio Grande entfernt. Starbuck hatte sich seit dem Krieg ziellos herumgetrieben und damals vorgehabt, nur eine Saison zu arbeiten und dann weiterzuziehen. Aber Langham hatte in dem jungen Satteltramp Qualitäten gesehen, die er - Langham - niemals gehabt hatte. Am Ende der Saison war Starbuck zum Oberaufseher über die Pferde befördert worden. Damit war ihm eine Verantwortung übertragen worden, wie er sie noch nie gekannte hatte. In der folgenden Saison war das gute Urteil des Ranchers bestätigt worden; er hatte den jungen Mann zum Trail-Boss gemacht und mit einer Herde nach Wichita geschickt.

So hatte Starbuck Jahr für Jahr mehr Verantwortung übernommen, bis er schließlich zum Segundo befördert worden war, so dass er fortan nur noch dem LX-Vormann unterstellt gewesen war.

Im Sommer 1874 war die Ranch von einer Cholera-Epidemie heimgesucht worden. Langhams Frau und drei Kinder sowie der Vormann und ein Dutzend Cowboys waren der Seuche zum Opfer gefallen.

Doch als wäre diese Tragödie noch nicht genug gewesen, hatten mexikanische bandidos, gerissen wie Schakale, die Epidemie ausgenutzt, um ihre Überfälle und Raubzüge von der Südseite der Grenze her zu verstärken.

Langham, durch den Verlust seiner Familie schwer getroffen und jetzt auch noch von Viehdieben belagert, hatte seinen Besitz an die King Ranch verkauft, die bereits den größten Teil vom Rio Grande Valley kontrolliert hatte. Doch Langhams Geist war keineswegs gebrochen. Er versuchte entschlossen, die Erinnerung an die Vergangenheit zu verdrängen, indem er sich nach einem neuen Anfang in einem anderen Land umsah. Er richtete den Blick nach Norden zum Texas-Panhandle.

Hier, an den Ufern des Canadian River, gründete er eine neue Ranch.

Luke Starbuck, der die ganzen Jahre zu ihm gehalten hatte, wurde Vormann auf der neuen LX. Innerhalb eines Jahres war eine Rinderherde ins Panhandle gebracht worden. Man hatte ein Ranchhaus und die dazugehörigen Wirtschaftsgebäude errichtet. Starbuck lockte erstklassige Leute an, weil er Spitzenlöhne zahlte. Obwohl er erst knapp dreißig Jahre alt gewesen war, als er den Job übernommen hatte, hatte Starbuck sehr schnell gelernt, sich den Respekt aller Leute auf der LX-Lohnliste zu verdienen. In den meisten Fällen war sein Wissen über das Rindergeschäft ausreichend, und wer von den Leuten dumm genug war, einen jungen Vormann auf die Probe zu stellen, wurde sehr schnell durch dessen Fäuste eines Besseren belehrt und überzeugt. Nach zwei Schlafhaus-Prügeleien hatte jedermann entschieden, dass der junge Vormann blitzschnell mit seinen Fäusten umzugehen verstand. Danach war es auf der Ranch stets recht harmonisch zugegangen. Wieder einmal war Ben Langhams Glauben an Starbucks Fähigkeit, mit Männern und Ereignissen fertig zu werden, bestätigt worden.

Südlich von der LX hatte Colonel Charles Goodnight bereits am östlichen Rand vom Palo Duro Canyon eine Ranch etabliert. Er hatte an die 100.000 Rinder auf der Weide. Als Langhams Ranch gedieh, wurden bald auch noch andere Rinderleute ins Panhandle gelockt. Dann wurden die Prärie-Indianer in die Reservationen im Indian Territory gebracht. Damit war das letzte Hindernis beseitigt. Plötzlich setzte ein enormer Rancher-Zustrom ein. Innerhalb des letzten Jahres hatten sich vier Rinderleute rund um die LX-Grenzen niedergelassen. Langham hatte maßgeblichen Anteil an der Gründung der Panhandle Cattlemen's Association. Charlie Goodnight, der seine eigene Besitzung wie ein mittelalterlicher Lehnsherr regierte, hatte einen Beitritt abgelehnt. Langham war keineswegs beleidigt, sondern hielt es für das Beste für alle Betroffenen. Er hatte genug von den Rinderbaronen und ihrer überheblichen Art am Rio Grande gehabt. Er war davon überzeugt, dass hier am Canadian River bei guter Nachbarschaft und im Geist der Kooperation alle die gleiche Chance hatten, zu Wohlstand zu gelangen.

In diesem Punkt stimmte Luke Starbuck mit dem Rancher vollkommen überein.

Nach den Chaparral- und Mesquite-Dickichten in Süd-Texas schienen die grenzenlosen Ebenen vom Panhandle ein wahrer Garten Eden für Rinderleute zu sein. Es gab gutes, saftiges Gras und klares Wasser. Die ungeheure Prärie war von Strömen durchzogen, die in den Canadian River mündeten. Kurzum, es war alles vorhanden, was sich Viehzüchter im Westen in ihren kühnsten Tagträumen vorstellten. Es war das, wonach alle Männer suchten, aber was nur wenige fanden... ein Land, in dem Milch und Honig floss und vor allem üppiges Gras wuchs.

Während Starbuck heute zum LX-Hauptquartier ritt, wurde er wieder einmal daran erinnert, dass in relativ kurzer Zeit doch sehr viel vollbracht worden war. Überall, wohin er auch schaute, gab es Rinder, die bis zum Bauch in saftigem Gras standen; ein überreicher Vorrat an Wasser floss endlos am Canadian ostwärts.

Starbuck wurde vor Stolz ordentlich warm ums Herz, denn er wusste, dass er und Ben Langham in gemeinsamer Arbeit etwas Wesentliches und Dauerhaftes aus roher Wildnis geschaffen hatten. Zum erstenmal in seinem Leben fühlte sich Starbuck als Teil eines Ganzen. Er, der frühere Nomade ohne Familie oder Bindungen, hatte endlich Wurzel gefasst. Hier fühlte er sich zu Hause, und er empfand eine große Dankesschuld dem Mann gegenüber, der sich mit ihm befreundet hatte; der einen unbekümmert durchs Land streifenden Satteltramp in einen Mann verwandelt hatte, der sich endlich selbst gefunden hatte.

Das alles wärmte Starbuck von innen heraus und bereitete ihm beachtliches Vergnügen.

Doch je näher er an die Ranch herankam und sich schließlich dem Ranchhaus näherte, desto mehr verblasste diese Freude. Stattdessen empfand er mehr und mehr ein merkwürdig beunruhigendes Gefühl des Unbehagens.

Ben Langham besaß ein aufbrausendes, unbeherrschtes Temperament, aber er war auch hart wie Stahl und ganz gewiss kein Mann, der sich so leicht ins Bockshorn jagen ließ. Seine heutige Anweisung, dass Starbuck unverzüglich zur Ranch zurückkommen sollte, entsprach so gar nicht dem Charakter des Ranchers; es war zu dringend und daher alarmierend.

Für Starbuck war es ein unheilvolles Zeichen.

 

 

 

Zweites Kapitel

 

 

Als Starbuck das Arbeitszimmer betrat, erhob sich Ben Langham von seinem Stuhl. Um den Schreibtisch herum waren die vier Rancher gruppiert, die mit Langham zusammen die Panhandle Cattlemen's Association bildeten. Die Männer drehten sich um, blieben aber sitzen, als Langham das Zimmer durchquerte.

Der Rancher blieb vor Starbuck stehen, runzelte die Stirn und fragte leise: »Zum Teufel, wo haben Sie denn gesteckt?«

»Ich hab' mich um Kühe gekümmert.«

»Na, Sie haben sich aber verdammt viel Zeit gelassen, hierherzukommen!«

»Ich bin sofort losgeritten«, informierte ihn Starbuck. »Wenn Sie mich früher gebraucht haben, hätten Sie eben früher nach mir schicken sollen.«

»Riskieren Sie mir gegenüber keine große Lippe, sondern versuchen Sie wenigstens, sich anständig zu benehmen«, sagte Langham. »Ich möchte, dass diese Leute hier glauben, dass ich immer noch diese Ranch leite!«

Das war ein alter Scherz zwischen den beiden Männern.

Mit zunehmendem Alter war Langham ein bisschen dick um die Taille geworden, aber seine Bewegungen und seine Sprache waren immer noch sehr lebhaft und kräftig; noch führte ganz entschieden er das Kommando auf seiner Ranch. Er war ein Bär von Mann, eine imposante Gestalt; das Gesicht unter dem großen, weißen Haarschopf war von Wind und Wetter gegerbt, und die Sonne hatte die Haut mahagonibraun wie altes Sattelleder verbrannt. Neben ihm wirkte der Vormann wie ein Zwerg im Schatten eines Riesen.

Doch Starbucks äußere Erscheinung war trügerisch. Sein schlanker Körper wies ungemein kräftige Muskeln auf; er hatte ein eckiges Kinn, hellblaue Augen und dichtes, kastanienbraunes Haar. Von seinem Aussehen ließen sich zunächst viele Männer täuschen, aber nicht lange. Wenn sie erst mal tiefer in diese blauen Augen schauten und die katzenhafte Geschmeidigkeit beobachteten, änderten sie sehr schnell ihre anfängliche Meinung. Das Leben machte viele Männer hart und rau, mitunter sogar brutal, aber bei Starbuck gab es einen größeren Unterschied, der erst bei genauerer Untersuchung in Erscheinung trat... Starbuck war gefährlich.

Nach einem Moment drehte sich Langham um, legte einen Arm um Starbucks Schultern und kam grinsend nach vorn.

»Luke, sagen Sie den Jungs guten Tag. Sind ja keine Fremden hier, so dass wir auf Förmlichkeiten verzichten können. Schnappen Sie sich einen Stuhl, Luke, und gönnen Sie Ihren Füßen ein bisschen Ruhe.«

Starbuck setzte sich wachsam hin, beinahe so, wie ein Habicht sich auf einem Ast niederlässt.

Die Männer nickten und begrüßten ihn, indem sie seinen Namen nannten.

Aber Starbuck spürte eine gewisse Unterströmung, etwas Unausgesprochenes im Verhalten dieser Männer.

Will Rutledge und Vernon Pryor saßen rechts von Starbuck, Oscar Gilchrist und Earl Musgrave auf der anderen Seite. Sein Stuhl stand mitten vor dem Schreibtisch. Starbuck fühlte sich wie in die Zange genommen und kam sich höchst unbehaglich vor, fast so, als sollte er hier zur Schau gestellt werden. Doch er hatte nie etwas von oberflächlichem Gerede gehalten und ermunterte es auch nicht bei anderen. So hielt es niemand für ungewöhnlich, dass er schwieg.

Während Langham um den Schreibtisch herumging, nahm Starbuck Tabaksbeutel und Papier aus der Tasche und begann sich eine Zigarette zu drehen.

Es herrschte bleierne Stille, bis er den Tabak eingerollt hatte und das Papier mit der Zunge beleckte.

Langham setzte sich wieder auf seinen Stuhl hinter dem Schreibtisch. Das Lächeln verblasste langsam. Der Rancher starrte über den Schreibtisch. Schließlich ächzte er ziemlich laut und beugte sich nach vorn.

»Wir haben ein Problem, Luke«, sagte er. »Sogar ein höllisches Problem.« Langham zeigte mit einer Hand auf die vier Rancher. »Jeder dieser Leute wurde innerhalb der vergangenen Woche von Pferdedieben heimgesucht. Alle zusammen haben mehr als vierzig Tiere verloren!«

Starbuck riss ein Zündholz am Daumennagel an und zündete die Zigarette an.

»Schätze, davon sind wir alle betroffen«, sagte der Vormann. Er pustete das brennende Zündholz aus und warf es in einen Aschenbecher. »Wir haben letzte Nacht drüben beim Blue Creek Camp acht Pferde verloren.«

»Letzte Nacht!«, brauste Langham auf. »Man hat uns letzte Nacht Pferde gestohlen? Verdammt, warum haben Sie mir das nicht gesagt?«

»Sie haben mir bisher ja keine Gelegenheit dazu gegeben«, erwiderte Starbuck ruhig. »Außerdem hab' ich's selber erst heute früh erfahren.«

»Jetzt reicht's aber!«, rief Langham und schlug krachend mit einer Faust auf die Schreibtischplatte. »Herrgott, Jungs... wir werden diese gemeinen Halunken festnageln und zum Trocknen aufhängen!« Grimmig fügte er hinzu: »Der Teufel soll uns holen, wenn wir diese dreckigen Bastarde nicht schnappen!«

»Je früher, desto besser!«, stimmte Will Rutledge hitzig zu. »Die Mistkerle müssen gestoppt werden, sonst ruinieren sie uns bestimmt!«

Die anderen murmelten Zustimmung, nickten sich gegenseitig zu und richteten ihre Aufmerksamkeit wieder auf Langham.

Der Besitzer der LX schaute sich um und betrachtete einen Moment forschend die Gesichter der anderen, bevor sein Blick auf Starbuck fiel. Langham machte ein ernstes, ein sehr ernstes Gesicht.

»Hören Sie, Luke«, sagte Langham. »Ich und die Leute hier, wir haben den ganzen Vormittag palavert, und dabei sind wir zu der Entscheidung gekommen, dass es allerhöchste Zeit für uns wird, die Dinge nun energisch selber in die Hand zu nehmen. Deshalb habe ich nach Ihnen geschickt.«

Starbuck machte einen langen Zug aus der Zigarette, sah den Rancher aufmerksam an und stieß den Rauch langsam aus.

»Ich hab' schon jetzt so 'ne Ahnung, als ob mir das nicht gefallen wird!«, sagte der Vormann schließlich. »Aber reden Sie ruhig weiter. Ich höre.«

»Hm, ja... sehen Sie, das ist so«, fuhr Langham fort. »Wir haben lang und breit über alles gesprochen, und dann sind wir übereingekommen...«

»Ich habe nicht zugestimmt!« mischte sich hier Earl Musgrave ziemlich scharf ein. »Jedenfalls noch nicht!«

»Schon gut, Earl«, sagte Langham besänftigend. »Wir nehmen es gebührend zur Kenntnis. Aber wir haben abgestimmt, und das Ergebnis gilt noch immer.«

»Abgestimmt...?«, wiederholte Starbuck gedehnt. »Worüber denn?«

»Sehen Sie, Luke... wir alle haben Pferde verloren. Das brauche ich Ihnen ja nicht noch mal zu sagen. Aber es ist verdammt ernst, besonders wenn man bedenkt, wieviel Geld man in ein gutes Arbeitspferd investieren muss. Nach unseren Berechnungen haben wir während der vergangenen sechs Monate etwa dreihundert Pferde verloren... und das ist ja nun wahrhaftig keine Kleinigkeit, oder? Wir reden von mehr als 50.000 Dollar!«

»Yeah, ich weiß, aber kommen wir doch jetzt noch mal auf diese Abstimmung zurück.«

»Darauf komme ich auch gleich zu sprechen«, antwortete Langham. »Ich wollte nur, dass Sie dieses Problem auch richtig verstehen. Wir alle sind hier höllisch weit draußen, praktisch inmitten von Nirgendwo. Das nächste Gesetz ist mindestens vier Tagesritte entfernt. Und irgendjemand stiehlt unsere Pferde mit der Regelmäßigkeit eines Uhrwerks. Diesem Treiben müssen wir endlich und endgültig ein Ende machen!«

»Sie reden um den heißen Brei herum, Ben«, sagte Starbuck. »Worum geht's?«

Langham seufzte und sah ihm direkt in die Augen.

»Wir brauchen einen Weidedetektiv, Luke«, sagte der Rancher. »Und wir brauchen ihn ganz dringend! Da habe ich Sie freiwillig für diesen Job angeboten.«

Starbuck war echt überrascht.

»Das ist wirklich sehr aufmerksam und zuvorkommend, aber warum ausgerechnet mich? Verdammt, ich bin doch kein Gesetzesvertreter!«

»Sehen Sie!«, rief Musgrave. »Da haben Sie's! Genau das hab' ich Ihnen ja den ganzen Tag lang zu sagen versucht!«

»Ach, um Himmels willen!« ächzte Langham. »Er ist gemeiner als Tigerspucke, und das weiß jedermann! Gibt im Umkreis von hundert Meilen keinen Mann, der sich mit ihm anlegen möchte. Wenn Sie schon so verdammt clever sein wollen, dann beantworten Sie mir doch diese Frage: Gibt's einen anderen?«

»Vielleicht nicht«, räumte Musgrave ein. »Aber das bedeutet noch lange nicht, dass er Appetit auf rohes Fleisch hat! Was wir brauchen, ist ein Prämienjäger... ein Profi!«

»Sie scheinen ganz vergessen zu haben, dass er im Krieg unter Rip Ford gedient hat!«, sagte Langham. »Ich nehme an, dass er seinen Anteil am Töten geleistet hat... und wahrscheinlich sogar noch etwas mehr. Habe ich nicht recht, Luke?«

»Yeah, ein paar waren's schon«, stimmte Starbuck zu. »Aber ich kann nicht gerade sagen, dass ich daran Geschmack gefunden habe.«

»Na, was hab' ich Ihnen gesagt?«, rief Musgrave. Er nickte grinsend und selbstgefällig. »Faustkämpfe, das ist eine Sache, aber Jagd auf Menschen machen und sie hängen... das ist was ganz anderes!«

»Verdammt, Earl!«, brauste Langham auf. »Warum geben Sie nicht endlich Ruhe, he?«

Langham runzelte heftig die Stirn und zog die buschigen Brauen zusammen. Er lehnte sich weit über den Schreibtisch und stach mit dem ausgestreckten Zeigefinger nach Musgrave.

»Wir haben uns entschieden, und damit basta! Halten Sie also endlich die Klappe, damit wir vorankommen. Kapiert?«

Die beiden Männer funkelten sich einen Moment lang an.

Unbehagliches Schweigen machte sich im Raum breit.

Dann räusperte sich Vernon Pryor und überwand den toten Punkt. Er war ein Mann von eisiger Ruhe, groß, derbknochig und mit festen Gesichtszügen. Er sprach nur selten, aber wenn er es einmal tat, dann maßen andere Männer seiner Meinung allerhand Gewicht bei.

»Ich stimme Ben zu«, sagte Pryor zu den übrigen. »Wir brauchen einen eigenen Mann, nicht irgendeinen Außenseiter! Und wenn ihr mich fragt, dann halte ich Luke bestens dafür geeignet.«

»Nun mal sachte!«, rief Starbuck. »Bevor wir zu weit gehen, möchte ich erst eine Antwort auf meine Frage: Warum ausgerechnet ich?«

»Aus mehreren Gründen«, erwiderte Langham. »Sie haben das notwendige Rückgrat für diesen Job, Luke. Und wir alle wissen, dass Sie die Sache auch durchstehen werden. Aber ich denke, Vern hat eben gesagt, worauf es am meisten ankommt. Sehen Sie, Luke... wir vertrauen Ihnen! So einfach ist das.«

»Er will damit sagen, dass wir keine Einmischung vom Gesetz wollen«, fügte Pryor hinzu. »Wir haben die Absicht, uns auf unsere eigene Art mit den Pferdedieben zu befassen.«

»Das ist richtig, verdammt noch mal!« grollte Oscar Gilchrist. »Solchem Gesindel verpasst man am besten einen soliden Strick um den Hals und lässt sie dann kurz fallen!«

»Mit anderen Worten...«, sagte Starbuck sehr bedächtig. »Hier ist die Rede von Richter Lynch! Keine Gerichtsverhandlung, keine Jury... einfach nichts?«

»Aufhängen und basta!«, rief Rutledge. »Kurz und schmerzlos! Endgültig! Das Gesetz würde die Dinge doch nur komplizieren.«

»Es ist nicht schön«, gab Langham zu. »Aber er hat recht, Luke. Das nächste Gericht ist in Fort Worth, und eine Jury aus Ladenbesitzern und ihren Angestellten wird die Sache mit Pferdedieben bestimmt nicht so sehen, wie wir's tun. Das wissen Sie doch selber, Luke. Die Stadtleute verstehen einfach nicht, was es bedeutet, wenn hier draußen einem Mann das Pferd gestohlen wird. Das ist doch beinahe genauso wie Mord.«

»Yeah, manchmal«, gab Starbuck zu. »Aber wir reden doch von Herdenvieh und nicht vom persönlichen Pferd eines Mannes.«

»Judas Priest!« donnerte Langham. »Irgendwo muss man doch die Grenze ziehen! Außerdem haben wir gar keine Zeit, um in einem Gerichtssaal herumzusitzen, nur um darauf zu warten, dass eine Jury diese Halunken zu zwei Jahren Knast verdonnert! Wir müssen endlich ein Exempel statuieren, und zwar verdammt schnell und gründlich! Sonst werden wir für jeden Hundesohn, der mit Lasso und Brandeisen umgehen kann, leichte Beute sein!«

»Das weiß Luke doch genauso gut wie wir«, sagte Pryor in vernünftigem Tonfall. »Wenn wir diese Pferdediebe nicht hart anpacken, werden wir uns ganz einfach höllischen Ärger von Viehdieben einhandeln, und wir können es uns nicht leisten, dass uns die Dinge aus der Hand gleiten. Meinen Sie nicht auch, Luke?«

»Dagegen habe ich nichts einzuwenden, gar nichts.«

Langham warf ihm einen mürrischen Blick zu.

»Na, dann sagen Sie uns jetzt vielleicht, was Ihnen sonst noch so zu schaffen macht! Zum Teufel, ich hatte gedacht, dass gerade Sie auf diesen Job scharf sein würden! Sonst hätte ich Sie bestimmt nicht her zitiert!«

»Na, ist einfach genug«, sagte Starbuck. »Sie alle haben die Absicht, jeden zu hängen, auf den ich mit dem Finger zeige. Das ist für mich eine verdammt schwere Belastung, und um die Wahrheit zu sagen... mir gefällt der Gedanke, den lieben Gott zu spielen, überhaupt nicht!«

Die Rancher dachten offenbar einen Moment darüber nach, doch dann schüttelte Langham den Kopf.

»Vielleicht kenne ich Sie besser, als Sie sich selber kennen, Luke«, sagte Langham. »Wenn Sie nicht hundertprozentig sicher sind, werden Sie lieber warten, bis die Hölle zufriert, bevor Sie mit dem Finger auf jemand zeigen! Ist das Tatsache oder nicht?«

Starbuck zuckte mit den Schultern.

»Yeah, ich denke, da haben Sie recht.«

»Dann sind wir also einer Meinung«, sagte der Rancher selbstsicher. »Lassen Sie sich Zeit, Luke... und schreien Sie erst, wenn Sie todsicher sind... wenn Sie absolut überzeugt und zufrieden sind. Na, ist das ein fairer Vorschlag?«

Starbuck nahm wieder einen langen Zug aus seiner Zigarette und saß sehr nachdenklich da. Nachdem er den

Rauch langsam ausgestoßen hatte, beugte er sich etwas vor und drückte den Stummel im Aschenbecher aus.

»Und wen haben Sie als Vormann für die Ranch vorgesehen?«, fragte Starbuck.

»Zerbrechen Sie sich darüber nicht den Kopf«, erwiderte der Rancher. »Jack Noonan hat einen guten Segundo für Sie abgegeben. Solange Sie fort sind, werde ich eng mit ihm zusammenarbeiten.«

»Sie sagen, dass ich als Vormann zurückkommen kann... wenn dieser Job erledigt ist?«

»Himmeldonnerwetter!«, brauste Langham auf. »Der Job als Vormann gehört Ihnen doch, solange Sie wollen, Luke!« Er machte eine Pause und lachte plötzlich leise. »Aber man kann natürlich nie wissen... vielleicht gefällt Ihnen der Job als Menschenjäger!«

»Vielleicht«, gab Starbuck zu. »Na, wir werden ja sehen.«

»Sie übernehmen also diesen Job?«

»Yeah, ich will's versuchen.« Starbuck zog eine Braue hoch und starrte den Rancher sehr hart an. »Solange wir uns darüber einig sind, dass es nicht für immer ist!«

»Darauf haben Sie mein Wort!«

»In Ordnung. Und wann soll ich anfangen?«

»Jetzt... Herrgott noch mal! Wir sind ohnehin schon einen Tag zu spät dran!«

Langsam faltete er eine Landkarte auseinander und breitete sie auf dem Schreibtisch aus.

»Da... sehen Sie sich alles mal genau an, Luke. Ich werde Ihnen erklären, was wir im Sinn haben... und dann machen Sie weiter.«

Starbuck stand auf und trat nach vorn. Sein Blick war auf die Landkarte gerichtet.

Die vier Rancher hatten sich ebenfalls erhoben und drängten sich um den Schreibtisch.

Langham begann zu reden. Er tippte mit dem Finger auf ein eingezeichnetes Kreuz auf der Landkarte, dann auf ein anderes, und so weiter. Auf diese Weise zeichnete er einen Strich am Red River entlang.

Starbuck lächelte und nickte; er war kein bisschen von Langhams Fertigkeit und Tüchtigkeit überrascht.

Der alte Mann hatte bereits einen Plan fix und fertig entworfen. Es war ein einfacher, aber trickreicher Plan.

Starbuck musste sich eingestehen, dass ihm die Sache allmählich sogar zu gefallen begann.

Denn es war ein Plan, der für einen ehemaligen Satteltramp geradezu maßgeschneidert war.

 

 

 

Drittes Kapitel

 

 

Nach dem Abendessen zog sich Starbuck bis zur Taille aus und ging zu den Waschschüsseln vor dem Schlafhaus hinaus. Er seifte sein Gesicht ein, schaute in den fleckigen Spiegel, der an der Wand befestigt war, und rasierte sich mit einem frisch geschärften Messer. Dann schrubbte er seinen Oberkörper mit dem Seifenwasser, wusch sich den angehäuften Schweiß und Dreck vom Leib und trocknete sich mit einem Handtuch ab. Er feuchtete sein Haar an, strich mit einem Kamm ein paarmal hindurch und betrachtete sich danach aufmerksam im Spiegel. Er besaß nur wenig Eitelkeit, aber die Inspektion überzeugte ihn, dass er passable Arbeit geleistet hatte. Er strich mit dem Knöchel den Schnurrbart zurück, raffte seine Sachen zusammen und kehrte ins Schlafhaus zurück.

Ein paar Minuten später kam er wieder heraus. Er hatte sein gutes Hemd und die handgefertigten Stiefel angezogen, die im Allgemeinen für Tanzvergnügen und Kirchenveranstaltungen reserviert waren.

Einige der Männer lungerten im Freien vor dem Schlafhaus herum, und von ihnen musste sich Starbuck allerhand gutmütigen Spott gefallen lassen, als er zum Corral ging. Da er an Werktagen nur selten die Ranch verließ, waren die Bemerkungen der Cowboys heute vielleicht noch ein bisschen derber als üblich.

Starbuck war keineswegs beleidigt, aber er reagierte auch sonst nicht auf die Anzüglichkeiten. Er hatte längst gelernt, dass die meisten Männer und Cowboys im Besonderen nur mit jemandem scherzten, den sie echt leiden konnten. Der Vormann wusste, dass er die Leute ein bisschen unsicher machte und aus dem Gleichgewicht brachte, wenn er die Sticheleien einfach ignorierte. Das war sein Spaß, und deswegen hielten ihn manche Leute für humorlos. Doch auf seine ruhige Art war auch er so etwas wie ein Spaßvogel, nur zog er es eben vor, andere durch sein Verhalten aufzuziehen, statt sich mit Worten über sie lustig zu machen.

Als Starbuck sein Pferd gesattelt hatte, ging die Sonne über dem Fluss in prächtigem Farbenspiel von Orange und Gold unter. Der Vormann bestieg sein Pferd und ritt in der zunehmenden Dunkelheit nach Norden.

Im Haupthaus brannten bereits helle Lampen, und Starbuck musste unwillkürlich leise vor sich hin lachen, als er daran dachte, wie der alte Mann jetzt Jack Noonan eine Vorlesung hielt. Bis morgen früh würde die gesamte Mannschaft wissen, dass sie einen neuen Vormann hatte, und dieser Gedanke ließ Starbuck noch etwas lauter lachen. Cowboys waren unverbesserliche Nörgler, und der plötzliche Wechsel würde sie ganz schön auf die Palme bringen.

So löste ein Gedanke den anderen ab, und allmählich verblasste das Lächeln des Vormannes. Starbuck begriff, dass er sich bei diesem Arrangement alles andere als wohl fühlte. Es war für ihn eine Herausforderung - die größte seines Lebens! Dieser Teil faszinierte ihn. Aber es war eine ganz neue Welt, weit, weit entfernt von seinem bisherigen Job als Boss einer Rindermannschaft. Zwar hatte Starbuck es Langham und den anderen Ranchbesitzern gegenüber nicht zugegeben, aber er war grundehrlich mit sich selber. Hinsichtlich der Aussichten als Weidedetektiv hatte er immer noch ein paar Hemmungen und Gewissensbisse. Weidedetektiv...? Starbuck nannte den Job lieber gleich beim richtigen Namen: Menschenjäger!

Der Gedanke, dass auf seine Veranlassung hin jemand gehängt werden könnte, machte ihm weniger zu schaf- fen. In diesem Punkt hatte Langham ihn ziemlich gut eingeschätzt.

Starbuck war mit Colonel Rip Fords Freiwilligen-Kavallerie den ganzen Krieg hindurch geritten. Als er sich dieser Truppe angeschlossen hatte, war er knapp siebzehn gewesen. Er hatte schnell genug gelernt, dass Töten eigentlich nur eine merkwürdige Gewohnheit war, die leicht kultiviert werden konnte. Wenn Yankee-Soldaten im Schlachtgetümmel versessen darauf gewesen waren, ihn umzubringen, hatte er keinerlei Schwierigkeit empfunden. Anfangs war es nur eine Frage der Angst gewesen; er hatte verbissen um sein Leben kämpfen müssen. Später, als er gelernt hatte, seine Angst zu meistern, war es aus ganz natürlichem und sehr elementarem Zorn geschehen. Es hatte ihn einfach verdammt wütend gemacht, dass jemand versucht hatte, ihm das Lebenslicht auszupusten. Dieser Zorn war jedoch nicht nur auf den Krieg und auf die Blauröcke beschränkt geblieben. In einem Saloon in Brownsville war es beim Kartenspiel zum Streit gekommen; Starbuck hatte damals einen Falschspieler getötet. An sich war dies sogar noch befriedigender gewesen als das Töten von Soldaten auf dem Schlachtfeld, denn mit dem Spieler war es eine persönliche Angelegenheit gewesen, von Angesicht zu Angesicht über einen Pokertisch hinweg.

Bis zum Sommer 1865, als Unionstruppen offiziell den Rio Grande besetzten, war Starbuck ein erfahrener Veteran auf dem Gebiet des Tötens geworden. Er war selbst bei drei verschiedenen Gelegenheiten verwundet worden und hatte Blutopfer bringen müssen; in bezug auf die Möglichkeit, selbst den Tod zu finden, hatte er eine recht fatalistische Einstellung angenommen. Was Blutvergießen betraf, hatte er längst das überempfindliche Gefühl verloren. Es war nicht gerade leicht, gegen einen anderen Mann den Abzug einer Schusswaffe durchzureißen, aber es war auch nicht sonderlich schwer. Es war eine angenommene Gewohnheit... wie das Rauchen von Tabak oder das Trinken von hartem Schnaps.

Aber es war doch ein ungeheurer Unterschied zwischen dem Töten von Männern oder der Jagd auf sie. Für das eine brauchte man ja nur den Zeigefinger zu krümmen; das andere dagegen erforderte Geschicklichkeit, Beharrlichkeit, Ausdauer und auch ein gewisses Maß an List.

Starbuck war sich gar nicht so sicher, ob er für solche Arbeit geeignet war. Täuschung war nun mal nicht seine starke Seite. Wenn ihm jemand auf die falsche Weise in die Quere kam, dann schlug er einfach zu und fragte erst später danach, ob das auch klug gewesen war. Bei Gesetzlosen würde das natürlich nicht funktionieren. Er würde langsam und wohlüberlegt zu Werke gehen müssen. Er musste sich ihnen an die Fersen heften, ohne dass man es merkte. Wenn er sie gefunden hatte, würde es notwendig sein, sich in ihr Vertrauen einzuschleichen. Alles das würde ein paar mächtig überzeugende Lügen erfordern; er würde sich jederzeit fest im Griff haben müssen. Schon der kleinste Ausrutscher, ein einziger unbedachter Moment könnte ihn verraten... und das bedeutete dann höchstwahrscheinlich seinen Tod.

Es war schon eine heikle Sache mit großem Risiko und wenig Raum für Fehler. Als Job eine regelrechte Bärenfalle, besonders für einen Mann, der sich mit den Tricks von Männern nicht auskannte, die den Pfad der Gesetzlosigkeit eingeschlagen hatten.

Doch Ben Langham traute ihm zu, diese Sache durchzustehen, und der alte Mann hatte sich bisher noch nie geirrt. Der Rancher hatte bei der heutigen Besprechung tatsächlich einen Nerv berührt... vielleicht sogar mehr, als er selber begriffen hatte.

Irgendwie gefiel Starbuck die Idee, ein Menschenjäger zu werden. Zwar konnte er den Finger noch nicht auf den wahren Grund legen, und es blieb vor allem abzuwarten, ob dieses Gefühl von Dauer sein würde. Aber heute Abend hatte er so eine Ahnung... eine gute Ahnung.

Und Starbuck gedachte, dieser Ahnung auch zu folgen.

 

Eine Stunde später stieg Starbuck auf dem Hof der Pryor-Ranch ab.

Auf der Veranda saßen Vernon Pryor und seine Frau in Schaukelstühlen.

Starbuck vermutete, dass die jüngeren Kinder bereits im Bett waren, aber er hatte nicht damit gerechnet, dass auch Janet sich schon so früh zurückziehen würde. Er unterdrückte eine Verwünschung und überlegte, ob er den ganzen Weg nicht umsonst geritten war. Als er die Zügel um die Haltestange wickelte, erhob sich Pryor und trat an den Rand der Veranda heran.

»Guten Abend, Luke.«

»Guten Abend.« Starbuck ging zu den Stufen und berührte die Hutkrempe, während er in den Schatten spähte. »Guten Abend, Mrs. Pryor. Wie geht's Ihnen heute Abend?«

»Erträglich, danke. Ganz erträglich.«

Agnes Pryor war eine plumpe Frau mit großen, schlaffen Brüsten und sehr breiten Hüften. Im Vergleich zu ihr wirkte ihr Mann beinahe wie ein Gerippe. Starbuck hatte die beiden immer für ein merkwürdiges Paar gehalten, fast so, als hätten sich ein Jagdhund und eine Zuchtsau zusammengetan. Doch in anderer Hinsicht war es recht bezeichnend, vor allem in bezug auf Pryors älteste Tochter. Starbuck wusste, dass Janet in ein paar Jahren wahrscheinlich genauso aussehen würde wie ihre Mutter. Dieses Bild behielt er auch stets frisch im Gedächtnis, wenn er hierher zu Besuch kam.

Pryor klopfte seine Pfeife aus und lächelte.

»Ich nehme an, dass Sie hergekommen sind, um Janet zu sehen?«

Starbuck nickte.

»Wollte mich verabschieden, falls es noch nicht zu spät ist«, antwortete er. »Ist Janet noch auf?«

»Oh, da machen Sie sich mal keine Sorgen! Sie erwartet Sie. Tut sie schon seit Sonnenuntergang.«

»Dann weiß sie also, dass ich fortgehe?«

»Ich hab's ihr gesagt, als ich nach Hause kam.«

Pryors Lächeln wurde immer breiter.

Starbuck hatte den Eindruck, dass der Rancher sehr mit sich zufrieden war.

Es hatte nie eine Diskussion über Janet oder seine Absichten in bezug auf sie gegeben, aber man hatte ihn auch nie spüren lassen, dass er hier willkommen war. So hatte er plötzlich den Eindruck, dass es Pryor sehr lieb war, ihn fortgehen zu sehen.

»Weiß sie auch, dass ich wahrscheinlich eine ganze Weile fortbleiben werde?«

»Ja. Auch das hab' ich ihr gesagt. Sie hat danach gefragt, und ich sah keinen Grund, ihr die Wahrheit zu verheimlichen.«

»Dafür gibt's auch gar keinen Grund.« Starbuck machte eine Pause und überlegte. »Und wie hat sie die Nachricht aufgenommen? Über den Job, meine ich?«

»Warum fragst du mich nicht selbst danach?«

Janet Pryor tauchte aus dem Türeingang auf und stand im Lichtschein da. Sie war ein robustes Mädchen mit breitem Mund, Apfelbäckchen und tiefen Grübchen. Das Haar war in der Mitte gescheitelt und zu einem Dutt frisiert; goldblonde Löckchen rahmten die hohe Stirn ein. Normalerweise legte sie großen Wert darauf, entgegenkommend zu sein und zu gefallen, aber heute Abend funkelten ihre Augen. Als sie über die Veranda kam, sah Starbuck, dass sie hochgradig erregt war. Das Baumwollkleid spannte sich über den Brüsten.

»'n Abend, Jan«, sagte Starbuck und nahm den Hut ab. »Eigentlich wollte ich dich überraschen, aber dein Dad hat mir eben gesagt...«

»Daddy... Mama...?«, sagte Janet und trat dabei von der Veranda herunter und ging an Starbuck vorbei. »Würdet ihr uns entschuldigen? Luke und ich haben allerhand zu besprechen.«

Pryor grinste Starbuck an, der sich beeilte, dem Mädchen zu folgen. Als er Janet eingeholt hatte, ignorierte sie ihn zunächst vollkommen. Sie blickte stur geradeaus. In schnellem Tempo und mit sehr entschlossenen Schritten überquerte sie den Hof. Ohne ein Wort gesprochen zu haben, verschwanden die beiden in die Dunkelheit.

Ein flotter Spaziergang brachte sie zu einem Bach südlich vom Haus. Riesige Eichen beschatteten das grasige Ufer. Während der letzten Monate hatten sich die beiden jungen Leute hier zum Stelldichein getroffen.

Aber heute Abend verriet Janets Benehmen keinerlei Wärme. Das Mädchen blieb stehen, hielt die angewinkelten Arme an die Taille gedrückt und starrte ins Wasser. Erst nach einer kleinen Weile drehte sie sich nach Starbuck um, und ihr Gesicht zeigte einen sehr zornigen Ausdruck.

»Also, ich muss schon sagen, Luke Starbuck... es gehört schon eine ganze Portion Frechheit dazu...!«

»Yeah«, unterbrach er sie. »Hab' mir schon gedacht, dass es dich ein bisschen aufregen könnte.«

»Ein bisschen aufregen...?«, rief sie. »Und du meinst, das ist alles?«

»Ach, komm! Ist doch nur 'n Job. Kein Grund, dass du dir Sorgen machst, bevor ich überhaupt angefangen habe!«

»Sorgen machen? Ich mache mir keine Sorgen, Luke... ich bin wütend!«

»Oh!« Starbuck blickte verwundert drein. »Das verstehe ich nicht... wütend worüber?«

»Spiel doch nicht den Dummen! Das zieht bei mir nicht! Wir waren uns doch einig, und jetzt komme ich dahinter, dass du auf diesen Job geradezu geflogen bist!«

»Na, ist doch ehrliche Arbeit«, sagte Starbuck. »Und die Bezahlung ist gut. Daran kann doch nichts verkehrt sein, oder?«

»Hör auf!«, schrie sie ihm ins Gesicht. »Bildest du dir wirklich ein, dass ich die Absicht habe, einen... einen Prämienjäger zu heiraten? Glaubst du das tatsächlich?«

Starbuck hielt es zumindest für höchst unwahrscheinlich. Das war auch einer der Gründe, weshalb er diesen Job akzeptiert hatte. Während der letzten paar Monate war er sich nämlich wie in einer Falle vorgekommen.

Janet hatte großartige Zukunftspläne geschmiedet.

Aber Starbuck war sich keineswegs ganz sicher, ob ihm das alles passte. Bevor ein Mann sich aber auf etwas so Dauerhaftes einließ, sollte er sich seiner Sache todsicher sein. Starbuck brauchte Zeit zum Nachdenken, und so schien ihm der neue Job eine wahre Schicksalsfügung zu sein.

Er wollte für eine Weile fort von Janet und wieder einmal sein eigener Herr sein. Vielleicht würde er ja feststellen, dass er ohne sie nicht leben wollte oder könnte. Auf der anderen Seite...

»Ich nehme an, dass du fest entschlossen bist, was?«, fragte er.

»Nein, das nun auch wieder nicht!«, protestierte Janet ungestüm. »Ich bin vollkommen durcheinander, Luke! Das alles tut mir sehr weh, und ich verstehe es auch gar nicht so richtig. Ich begreife wirklich nicht, warum du das tun willst!«

»Aber ohne Rücksicht auf meine Gründe... du hast dich definitiv dafür entschieden, keinen Prämienjäger zu heiraten, nicht wahr?«

»Ja! Ich bin ganz entschieden dagegen! Und das ist definitiv! Endgültig, hörst du?«

»Hab' ich mir schon gedacht.« Er zögerte einen Moment, dann zuckte er mit den Schultern und lächelte. »Na, wenn das so ist... dann möchtest du dir es wahrscheinlich gründlich überlegen, ob du dich noch länger mit einem Weidedetektiv einlassen solltest, wie?«

»Oh... du... du hinterhältiger Bastard!«

Janet drehte sich eingeschnappt um, aber sie traf keinerlei Anstalten, schon wieder nach Hause zu gehen.

Starbuck wartete ein Weilchen, dann trat er etwas vor. Er griff nach Janets Armen und zog das Mädchen langsam herum.

Zwar leistete Janet kaum Widerstand, aber sie weigerte sich, ihn direkt anzusehen.

Starbuck legte eine Hand unter das Kinn des Mädchens, hob Janets Gesicht behutsam etwas an und küsste sie. Dann brachte er seinen Mund dicht an ihr Ohr heran und begann damit, ihr mit warmer, heiserer Stimme allerhand zuzuflüstern.

»Eins kann ich dir jedenfalls fest versprechen«, schloss er. »Ich werde zurückkommen!«

»Wie nett!«, antwortete sie und rümpfte dabei die Nase. »Und ich soll wohl solange herumsitzen und Trübsal blasen, bis es dem Herrn gefällt, gnädigst zu mir zurückzukehren, was?«

»Es wird ja nicht lange dauern, höchstens zwei Wochen.«

Starbuck lächelte dabei zwar, war aber sehr ernst.

»Das habe ich dir ja zu sagen versucht«, fuhr er fort. »Es ist kein Job für immer. Ich habe Langhams Wort dafür.«

»Ehrlich?« Ihr Gesicht hellte sich auf. »Du wirst immer noch Vormann der LX sein und bleiben? Hat er dir das gesagt? Ist er damit einverstanden?«

»Ich kann diesen Job jederzeit wiederhaben«, sagte Starbuck. »Wann ich will. Und du kennst ja den alten Mann. Sein Wort ist so gut wie pures Gold.«

Sie schaute zur Seite.

»Das hat mein Vater aber nicht gesagt, Luke. Er hat mir gesagt, dass dich nicht mal wilde Pferde hätten zurückhalten können!«

»Verdammt!« entfuhr es Starbuck explosiv. »Gerade er und Langham haben mich doch dazu überredet!«

»Wirklich und wahrhaftig? Schwörst du, Luke, dass es ihre Idee war?«

»Es war tatsächlich ausschließlich ihre Idee!« versicherte ihr Starbuck. »Dein Dad will mich doch schon lange fort haben! Oder bist du immer noch nicht dahintergekommen?«

»Ich weiß«, murmelte sie. »Er glaubt, dass wir... äh... nun ja... dass ich dich zu gut leiden kann.«

»Und was ist mit dir?«, fragte Starbuck. »Was glaubst du?«

Janet hielt seinem Blick eine ganze Weile stand und sah ihn sehr forschend an; offenbar suchte sie nach irgendwelchen Anzeichen von Arglist, aber Starbuck sah sie nur ganz ruhig an. Da schlang sie schließlich beide Arme um seinen Nacken und lächelte.

»Ich glaube, ich werde dich jede Minute vermissen, die du fort sein wirst!«

Starbuck zog das Mädchen in eine enge Umarmung. Ihre Lippen kamen seinem Mund gierig entgegen. Ihre Zunge teilte seine Lippen und war sofort einladend und aufreizend.

Er nahm das Mädchen auf die Arme und ließ es langsam ins hohe, weiche Gras am Ufer sinken. Dann streckte er sich neben Janet aus.

Heftiges Durcheinander von Armen und Beinen; keuchender Atem; in jäh und wild aufflammender Leidenschaft kamen sie zusammen.

Seine Hände berührten nacktes Fleisch und krochen unter ihrem Kleid immer höher.

Das Mädchen begann laut und immer lauter zu stöhnen.

Die Laubheuschrecken am Ufer schienen zu verstummen.

Dann ließ sich Starbuck auf das Mädchen nieder.

Janet schrie einmal kurz auf.

Danach hörten für beide alle nächtlichen Geräusche auf.

Sternenlicht filterte durch das Laubwerk der Eichen.

Die beiden Körper verschmolzen miteinander...

Für lange Zeit.

 

 

 

Viertes Kapitel

 

 

Starbuck traf Anfang Juni in Tahlequah ein.

Der Himmel war grau wie stumpfes Zinn und versprach Regen. Die Straße in die Stadt wies knochenharte Reifenspuren auf. Auf dem Marktplatz stand das Capitol der Cherokee-Nation. Es war ein großes, zweistöckiges Ziegelgebäude; die Vorderseite wies eine geschwungene Säulenhalle auf. Dieser Bau beherrschte ein blühendes Geschäftsviertel. Hier strahlte alles lebhafte Geschäftstüchtigkeit aus.