SCM R.Brockhaus ist ein Imprint der SCM Verlagsgruppe, die zur Stiftung Christliche Medien gehört, einer gemeinnützigen Stiftung, die sich für die Förderung und Verbreitung christlicher Bücher, Zeitschriften, Filme und Musik einsetzt.
ISBN 978-3-417-22967-7 (E-Book)
ISBN 978-3-417-26905-5 (lieferbare Buchausgabe)
Datenkonvertierung E-Book: CPI books GmbH, Leck
© 2021 SCM Verlagsgruppe GmbH
Bodenborn 43 · 58452 Witten
Internet: www.scm-brockhaus.de; E-Mail: info@scm-brockhaus.de
Für das Alte Testament
Gute Nachricht Bibel, revidierte Fassung, durchgesehene Ausgabe in neuer Rechtschreibung,
© 2000 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart.
Für das Neue Testament
Bibeltext der Neuen Genfer Übersetzung – Neues Testament und Psalmen
Copyright © 2011 Genfer Bibelgesellschaft
Wiedergegeben mit freundlicher Genehmigung. Alle Rechte vorbehalten.
Weiter wurden verwendet:
Elberfelder Bibel 2006, © 2006 by SCM-Verlag GmbH & Co. KG, Witten. (ELB)
Lutherbibel, revidierter Text 1984, durchgesehene Ausgabe in neuer Rechtschreibung,
© 1999 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart. (LUT)
Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift, © 1980 Katholische Bibelanstalt, Stuttgart. (EÜ)
S. 245: „Nicht mutig“, aus: Marie Luise Kaschnitz, Gesammelte Werke in sieben Bänden,
Band 5: Die Gedichte. © Insel Verlag, Frankfurt am Main 1985.
Alle Rechte bei und vorbehalten durch Insel Verlag Berlin.
S. 246: Marie Luise Kaschnitz, Auferstehung, in: dies., Dein Schweigen – meine Stimme.
© MLK-Erbengemeinschaft Berlin/München
Gesamtgestaltung: Christina Custodis, Bundes-Verlag Witten
EINFÜHRUNG
GLAUBEN
1 Was heißt eigentlich glauben?
2 Was meinen wir, wenn wir Gott sagen?
3 Gibt es Gott wirklich und woher kann ich das wissen?
4 Welche Rolle spielt die Bibel für unser Wissen über Gott?
5 Ist Gott ein abstraktes Prinzip, eine höhere Macht oder eine Person mit einem Namen?
6 Glauben alle an denselben Gott?
7 Wie ist Gott?
8 Was heißt »Ich glaube an Gott, den Vater«?
9 Wie verträgt sich der Glaube an den Schöpfer mit naturwissenschaftlichen Erkenntnissen?
10 Wie kann aus Adam und Eva die ganze Menschheit entstanden sein?
11 Hält Gott die Welt in seiner Hand und bestimmt die Geschichte der Menschen?
12 Hat Gott mich geschaffen und interessiert sich für mein Leben?
13 Warum ist so vieles nicht perfekt, obwohl Gott die Welt gut erschaffen hat?
14 Warum gibt es Böses und Leid in der Welt, wenn Gott allmächtig, liebevoll und gut ist?
15 Gibt es den Teufel oder einen »Gegengott«?
16 Warum glauben Christen an den dreieinigen Gott – und was bedeutet das?
17 Wer war Jesus als Mensch?
18 Was lehren Bibel und Kirche über Jesus?
19 Ist Jesus der einzige Weg zu Gott?
20 Wurde Jesus wirklich von einer Jungfrau geboren?
21 Warum hat Judas Jesus verraten?
22 Ist Pilatus schuld am Tod Jesu oder die Juden?
23 Warum musste Jesus sterben?
24 Was heißt »Jesus starb für mich«?
25 War Jesus wirklich tot oder nur scheintot?
26 Ist Jesus wirklich auferstanden und war das Grab am Ostermorgen leer?
27 Was geschah zwischen Tod und Auferstehung Jesu?
28 Ist Jesus tatsächlich »aufgefahren in den Himmel« und was macht er da jetzt?
29 Reicht es nicht, wenn man Jesus als gutes Vorbild versteht?
30 Jesus nachfolgen – was heißt das und warum sollten wir das tun?
31 Wusste Gott schon immer, dass Jesus sterben musste, und wollte er das so, oder war das sein Plan B?
32 Gab es Jesus schon vor seiner Geburt?
33 Wird Jesus wirklich im AT vorausgesagt?
34 Warum hat sich Jesus von Johannes taufen lassen?
35 Hat Jesus wirklich Wunder getan?
36 Ist der Heilige Geist so etwas wie ein Gespenst?
37 Was ist zu Pfingsten passiert und warum war das wichtig?
38 Warum gibt es den Heiligen Geist?
39 Wie kann man den Geist Gottes erleben?
40 Was sind die Gaben des Geistes?
41 Was sind die Früchte des Geistes?
42 Muss man vor dem Heiligen Geist Angst haben und kann er Gewalt über mich gewinnen?
43 Gibt es eine besondere Taufe mit dem Heiligen Geist?
44 Woher weiß ich, dass ich den Geist Gottes habe?
45 Kann ich den Geist Gottes wieder verlieren?
46 Gibt es ein besonders charismatisches Christentum?
LIEBEN
47 Wer mag mich? Wer liebt mich?
48 Liebt Gott mich wirklich, wie ich bin, woher weiß ich das und warum will er mich dann verändern?
49 Was ist Liebe?
50 Wie kann ich Gott lieben?
51 Warum soll ich Gott lieben? Reicht es nicht, wenn ich an ihn glaube?
52 Was heißt, Gott von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit aller Kraft zu lieben?
53 Was ist Gebet und wozu brauchen wir es?
54 Was heißt, den Nächsten zu lieben wie sich selbst?
55 Was bedeutet Liebe als Zusammenfassung der Hebräischen Bibel?
56 Wie ist Jesus mit den Geboten umgegangen?
57 Wer sagt mir, wie ich leben soll?
58 Wie kann ich mich Gott ganz zur Verfügung stellen? Hat Gott einen Plan für mein Leben?
59 Gibt es Gut und Böse überhaupt?
60 Ist der Mensch überhaupt fähig zum Guten?
61 Was ist, wenn wir schuldig werden?
62 Inwiefern ist die Bibel für unseren Umgang mit aktuellen ethischen Themen eine Hilfe?
63 Sünde – was ist das eigentlich?
64 Gibt es unterschiedliche Arten von Sünden? Ist alles, was Spaß macht, Sünde?
65 Hätte Gott die Sünde nicht verhindern können?
66 Bin ich sündig, auch wenn ich mich bemühe, ein gutes Leben zu führen?
67 Braucht es eine persönliche Entscheidung für Jesus?
68 Werden alle Sünden vergeben?
69 Was bedeutet es, wenn mir die Sünden vergeben sind, und woran merke ich das?
70 Muss man seine Sünden beichten?
71 Sind die Sünden ein für alle Mal vergeben oder muss ich immer wieder um Vergebung bitten?
72 Gibt es Sünden, die nicht vergeben werden können?
73 Wie konnte Jesus als einzelner für alle Sünden sterben?
74 War Jesus tatsächlich sündlos?
75 Wenn mir vergeben wurde, muss ich dann auch vergeben?
76 Was ist Kirche?
77 Warum gibt es die Kirche?
78 Hat Jesus die Kirche gegründet?
79 Was bedeutet »Gemeinschaft der Heiligen« und wer gehört dazu?
80 Was heißt »Glauben an die Kirche«?
81 Was ist Gottesdienst und warum feiern wir ihn?
82 Was sind Sakramente und welche Bedeutung haben sie für die Kirche?
83 Kann man auch ohne Kirche glauben?
84 Gibt es eine Kirche oder viele verschiedene?
85 Was ist der Unterschied zwischen Landes- und Freikirchen?
86 Was versteht man unter Ökumene?
87 Was ist der Unterschied zwischen einer (Frei-)Kirche und einer Sekte?
88 In welchem Verhältnis stehen die christlichen Kirchen zu anderen Glaubensgemeinschaften, Weltanschauungen und Religionen?
89 Wie finde ich eine gute Gemeinde?
90 Wie funktioniert echte Gemeinschaft?
91 Was ist »geistlicher Missbrauch«? Wie kann man sich und andere davor schützen?
HOFFEN
92 Was ist Hoffnung?
93 Was heißt es, auf das »Reich Gottes« zu hoffen?
94 Wenn Jesus sagt: »Das Reich Gottes ist nahe herbeigekommen?«, hat er sich dann nicht geirrt?
95 Gibt es Zeichen, die das Kommen des Reiches Gottes ankündigen?
96 Wird Gott tatsächlich einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen, und was passiert dann mit der alten?
97 Gibt es Hoffnung für diese Welt? Geht nicht sowieso alles den Bach runter, bevor Jesus wiederkommt?
98 Was geschieht mit uns, wenn wir sterben?
99 Was geschieht bei der Auferstehung?
100 Wie wird es im Himmel sein?
101 Was heißt diese Hoffnung für mein Leben hier und jetzt?
102 Was ist mit den Menschen, die nie von Jesus gehört haben?
103 Wie ist die Offenbarung des Johannes zu verstehen?
ANHANG
Anmerkungen
Glossar
Abkürzungsverzeichnis
Bibelstellenregister
Namensregister
Die Autorinnen und Autoren dieses Buches
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EINFÜHRUNG
Der Titel »glauben | lieben | hoffen« bezieht sich auf eine Bibelstelle aus dem ersten Brief des Apostel Paulus an die Korinther: »Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die Größte unter ihnen« (1. Kor 13,13). Ausgehend von dieser Bibelstelle geben die Stichworte »Glaube«, »Liebe« und »Hoffnung« unserem Buch die Struktur vor. Im ersten Teil (»glauben«) geht es um Grundfragen der Theologie (Gott, Jesus, Heiliger Geist). Der zweite Teil (»lieben«) beschäftigt sich mit unserer Beziehung zu Gott/Jesus und untereinander (Versöhnung, Ethik, Kirche). Im dritten Teil (»hoffen«) dreht sich alles um unsere Zukunft (Reich Gottes, Sterben und Tod, Auferstehung).
Idealerweise von vorne bis hinten. Die Texte zu den einzelnen Fragen sind aber in der Regel so geschrieben, dass sie auch in sich verständlich sind. Man kann dieses Buch also auch als »Nachschlagewerk« nutzen.
Interne Verweise zwischen den Fragen schaffen Zusammenhänge. Endnoten enthalten zusätzliche Informationen, Belege für Zitate und Literaturhinweise. Bei einigen Fragen wird im Anschluss an den Text auf weiterführende Literatur zum jeweiligen Thema hingewiesen. Im Anhang finden sich ein Abkürzungsverzeichnis, ein Glossar (Erklärung wichtiger Begriffe) sowie ein Bibelstellen- und ein Namenregister. Auch wer mehr über die Autorinnen und Autoren dieses Buches wissen will, wird dort fündig.
Wir verbinden mit diesem Buch den Wunsch, dass alle, die es lesen, in ihrem Glauben gestärkt, zum Lieben ermutigt und in der Hoffnung gefestigt werden! Gleichzeitig soll das Buch auch herausfordern, eigene Antworten auf Glaubensfragen zu formulieren. Die Argumentationsgänge der einzelnen Texte enthalten viele Überlegungen, an die man sich dabei anlehnen oder denen man auch widersprechen kann. Beides ist für die Entwicklung eines eigenen Glaubens notwendig. Man kann das Buch daher auch als Orientierungshilfe im Glauben bezeichnen.
»glauben | lieben | hoffen« hat eine etwas breitere Zielgruppe, nämlich Jugendliche und junge Erwachsene. Das Buch ist für diejenigen gedacht, die selbst Antworten geben wollen und sollen, weil sie in Jugend- und anderen Gruppen in Gemeinden mitarbeiten. Anders als »Katechismen« (→ Katechismus), die oft als normativ und verbindlich verstanden werden, will es eine Orientierungshilfe im Glauben und Leben geben und die eigene Meinungsbildung in Glaubensfragen unterstützen.
Verfasst ist »glauben | lieben | hoffen« aus freikirchlicher Perspektive. Es haben Autorinnen und Autoren aus dem Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden (BEFG) und aus dem Bund Freier evangelischer Gemeinden (FeG) in Deutschland mitgearbeitet.
Die Autorinnen und Autoren verbindet die Liebe zur Bibel, dem Wort Gottes, der Heiligen Schrift.1 Es ist uns wichtig, diese Gemeinsamkeit zu betonen, denn auf dieser Grundlage kann es zu unterschiedlichen Auslegungen und Interpretationen der Bibel kommen. Das ist den Texten anzumerken und auch der Grund, weshalb unter jedem Artikel der Name des jeweiligen Autors bzw. der jeweiligen Autorin zu finden ist.
Wir wünschen uns, dass dieses Buch dazu beiträgt, jungen Menschen Orientierungshilfe im Glauben und Leben in der Nachfolge Jesu zu geben, die Liebe zu Jesus zu stärken und zur eigenen mündigen Meinungsbildung beizutragen.
Die Herausgeber:
Volkmar Hamp, Johannes Krupinski,
Andreas Schlüter und Simon Werner
Da im Folgenden häufig darauf Bezug genommen wird, drucken wir an dieser Stelle das sog. → Apostolische Glaubensbekenntnis aus dem 5. Jh.n.Chr. ab, das nahezu alle christlichen Kirchen gemeinsam haben. Die Übersetzung wurde am 15./16. Dezember 1970 von der Arbeitsgemeinschaft für liturgische Texte der Kirchen des deutschen Sprachgebietes verabschiedet.
den Vater, den Allmächtigen,
den Schöpfer des Himmels und der Erde.
seinen eingeborenen Sohn, unsern Herrn,
empfangen durch den Heiligen Geist,
geboren von der Jungfrau Maria,
gelitten unter Pontius Pilatus,
gekreuzigt, gestorben und begraben,
hinabgestiegen in das Reich des Todes,
am dritten Tage auferstanden von den Toten,
aufgefahren in den Himmel;
er sitzt zur Rechten Gottes,
des allmächtigen Vaters;
von dort wird er kommen,
zu richten die Lebenden und die Toten.
die heilige katholische (christliche/allgemeine)2 Kirche,
Gemeinschaft der Heiligen,
Vergebung der Sünden,
Auferstehung der Toten
und das ewige Leben.
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GLAUBEN
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Patrizia ist drei Jahre alt, als wir uns kennenlernen. Sie ist die kleine Tochter unserer neuen Nachbarn. Patrizias Lieblingsspiel ist »Fliegen«. Sie klettert auf einen Tisch oder eine Mauer, ruft »Fliegen!« – und springt in meine Arme. Meine Aufgabe ist es, sie aufzufangen und in der Luft herumzuwirbeln, bis ihr (oder mir) schwindelig wird. Nicht auszudenken, was passiert, wenn ich sie nicht auffange oder fallen lasse! Doch diese Möglichkeit kommt Patrizia nicht in den Sinn. Sie ruft »Fliegen!« – und springt. Genau das ist gemeint, wenn wir im Zusammenhang mit religiösen Überzeugungen von glauben sprechen.
Das deutsche Wort glauben ist ja ein mehrdeutiges und missverständliches Wort. In dem Satz »Ich glaube, dass es morgen nicht regnet« bedeutet es offensichtlich etwas anderes, als wenn ich sage »Ich glaube an Gott«. Die erste Aussage macht eine Wahrscheinlichkeitsaussage über ein innerweltliches Geschehen. Die zweite drückt mein grundsätzliches Vertrauen in die Sinnhaftigkeit der Welt und des Lebens an sich aus. Allerdings nähert sich die erste Aussage der zweiten an, wenn sie dazu führt, dass ich am nächsten Tag den Schirm zu Hause lasse – vor allem dann, wenn am Morgen noch Regenwolken den Himmel bedecken sollten.
Es geht also beim Glauben im religiösen Sinn nicht in erster Linie um das Fürwahrhalten bestimmter Glaubenssätze oder religiöser Überzeugungen. Es geht um ein existenzielles sich Einlassen und sich Fallenlassen. Es geht um das unbedingte Vertrauen, dass Gott – was immer wir mit diesem Wort verbinden – es gut mit uns meint und uns auffängt, wenn wir den Sprung in den Glauben wagen.
Mit dem deutschen Wort Glaube3 wird das im neutestamentlichen Griechisch verwendete pístis (»Treue, Vertrauen«) übersetzt. Glauben (pisteúein) bedeutet also »vertrauen, sich auf etwas verlassen, treu sein«. Dem entspricht das lateinische credere, das so viel bedeutet wie »sein Herz (auf etwas) setzen«.4 Ein → Credo (Glaubensbekenntnis) ist also etwas, für das mein Herz schlägt, dem ich mein Herz schenke, an das ich mein Herz binde, auf das ich mein Herz setze.
Dabei steht das Herz in der Bibel nicht nur für einen Aspekt des Menschseins (z.B. für die Gefühle), sondern für die Person in ihrer Ganzheit (vgl. Ps 22,27; 73,26; 84,3), für unser ganzes Fühlen, Denken und Wollen. Der Glaube hat demnach einen ganzheitlichen und sehr persönlichen Charakter. Er bietet keine allgemeine Gewissheit, sondern immer nur eine individuelle. Darum ist jeder Gläubige jedem Andersgläubigen die Achtung schuldig, die er für sich selbst und seinen Glauben erwartet.
Das hebräische Wort für glauben heißt ’mn und bedeutet »sich an etwas festmachen«. Wenn wir ein Gebet oder einen Segen mit Amen beschließen, dann bedeutet das demnach viel mehr, als die übliche Übersetzung »So sei es« ausdrückt. Es heißt, dass wir uns selbst an dem Gehörten festhalten und es zu unserer eigenen Sache machen!
Eine berühmte Stelle im Buch des Propheten Jesaja übersetzt die Lutherbibel (1984) folgendermaßen: »Glaubt ihr nicht, so bleibt ihr nicht« (Jes 7,9).
Im Hebräischen steht hier ein Wortspiel mit dem Wort ’mn, das wörtlich ins Deutsche übertragen etwa so lautet: »Wenn ihr euch nicht festmacht in Gott, dann werdet ihr nicht fest stehen/nicht gefestigt sein« (Jes 7,9).
Darum also geht es im Glauben: Jeden Tag aufs Neue den Sprung in die Arme Gottes zu wagen und sich selbst (sein Herz) festzumachen in Gott. Dadurch gewinnen wir festen Grund und werden selbst gefestigt.
In diese Richtung zielt auch eine Definition des Glaubens, die sich im Brief an die Hebräer findet: »Es ist aber der Glaube eine feste Zuversicht auf das, was man hofft, und ein Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht« (Hebr 11,1; LUT).
Auf den ersten Blick und aus dem Zusammenhang gerissen scheint diese Definition vor allem an der Abwehr des Zweifels als Gegensatz zum Glauben interessiert zu sein.
Liest man denselben Vers in der Einheitsübersetzung, die näher am griechischen Text bleibt, und bezieht auch die folgenden Beispiele vorbildlich Glaubender mit ein (Hebr 11,2-40), die keineswegs nur von Zweifeln verschont gebliebene Helden und Heldinnen des Glaubens sind, ergibt sich ein anderes Bild: Dann stellt man fest, dass es hier in Wahrheit nicht um einen Gegensatz geht, sondern darum, dass Glaube sich – trotz aller Zweifel und in aller Unsicherheit – auch in schwierigen Situationen bewährt, und dass es sich darum lohnt, am »Dennoch des Glaubens« (Ps 73,23) festzuhalten. Die Einheitsübersetzung (2016) übersetzt den Vers so: »Glaube aber ist: Grundlage dessen, was man erhofft, ein Zutagetreten von Tatsachen, die man nicht sieht« (Hebr 11,1; EÜ).
Solcher Glaube kann sich mitten im Unglauben ereignen, wie der Schrei des verzweifelten Vaters eines schwerkranken Kindes in Markus 9 zeigt: »Ich glaube! Hilf mir heraus aus meinem Unglauben!« (Mk 9,24).
Solcher Glaube – das ist meine Hoffnung – trägt auch durch die tiefsten Tiefen und die dunkelsten Täler (Ps 23,4), und am Ende – darauf vertraue ich – auch durch den Tod. Warum ich das glaube? Weil ich Jesus seinen Gott glaube! Das heißt, ich glaube, dass Gott so ist, wie Jesus ihn erlebt und uns vorgelebt hat. In den Passionsgeschichten (→ Passion) des Markus- und des Matthäusevangeliums sind die letzten Worte Jesu am Kreuz Worte tiefster Gottverlassenheit5: »Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?« (Mk 15,34; Mt 27,46).
Diese Worte sind aber auch der Anfang eines Gebetes (Ps 22) und damit Ausdruck eines Glaubens, der selbst in der (subjektiven) Erfahrung der Gottverlassenheit an der (objektiven) Gegenwart Gottes festhält.
Durch die Auferweckung Jesu von den Toten stellt Gott sich auf die Seite seines Sohnes und damit auf die Seite aller Menschen, die wie er leiden und sterben müssen. Durch die Auferweckung seines Sohnes bestätigt er dessen Vertrauen in ihn. Das ist eine gute Grundlage für die Hoffnung, dass Gott auch unser Vertrauen nicht enttäuschen wird (→ Fragen 92-103).
Kommen wir noch einmal zu Patrizia zurück: »Fliegen!« ruft sie – und es ist für sie selbstverständlich, dass ich da bin und sie auffangen werde. Auch das gehört zum Glauben dazu: Der »Gegenstand« ihres Glaubens ist real. Ich bin real. Sie würde nicht springen, wenn sie sich nur vorstellen würde, dass ich da wäre.
Hier liegen die Grenzen der Vergleichbarkeit. Natürlich geht es auch im Glauben an Gott darum, dass das, was geglaubt wird – Gott, so wie er sich in Jesus Christus zu erkennen gibt –, wahr und zuverlässig ist. Aber das Wissen darum ist ein anderes als das Wissen Patrizias um mein Dasein. Und hier kommt die Bibel ins Spiel (→ Frage 4).
Volkmar Hamp
• Karl Rahner, Grundkurs des Glaubens. Einführung in den Begriff des Christentums. Freiburg im Breisgau, 1984.
• Ulrich Schnabel, Die Vermessung des Glaubens. Forscher ergründen, wie der Glaube entsteht und warum er Berge versetzt. München, 2008 (4. Aufl. 2010).
• Gerd Theißen, Glaubenssätze. Ein kritischer Katechismus. Gütersloh, 2012.
• Helmut Thielicke, Ich glaube. Das Bekenntnis der Christen. Stuttgart, 1965 (Taschenbuchausgabe [unter dem Titel »Woran ich glaube. Der Grund christlicher Gewissheit«] Stuttgart, 1980).
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Wie jedes Wort hat auch das deutsche Wort Gott eine Geschichte. Sprachwissenschaftler leiten es vom germanischen guda = (der Anruf) Gottes ab. Guda wiederum geht auf das indogermanische ghau = anrufen oder gheu = gießen zurück. Demnach wäre Gott ursprünglich »das (durch Zauberwort) angerufene Wesen« oder »das Wesen, dem (mit Trankopfern) geopfert wird«.
Nach der Christianisierung der Germanen (4. bis 11. Jh.n.Chr.) wurde dieses eigentlich geschlechtsneutrale Wort zur Bezeichnung des Christengottes, den man sich natürlich männlich vorstellte. Seitdem heißt es im Deutschen der Gott, obwohl man vom germanischen Ursprung des Wortes her eigentlich das Gott oder die Gottheit sagen müsste.
Das Hebräische verwendet für Gott das in vielen semitischen Sprachen gebräuchliche Wort ’ēl. Dieses Wort taucht zum ersten Mal um 1400 v.Chr. in den Keilschrifttexten von Ugarit im Nordwesten Syriens auf. Es ist dort sowohl Eigenname des höchsten Gottes als auch – vor allem im Plural ’ælōhīm – Gattungsbegriff für alle Götter.
In diesem Sinne werden die Begriffe ’ēl und ’ælōhīm auch in der → Hebräischen Bibel6 als Bezeichnungen für den Gott Israels verwendet. Dessen Namen (→ jhwh) sprach man aus Ehrfurcht vor Gott nicht aus und tut dies im Judentum bis heute nicht.7 Auch das arabische Wort Allah (der Gott) geht auf das semitische ’ēl zurück.
Die griechische Übersetzung der → Hebräischen Bibel und die in griechischer Sprache verfassten Schriften des Neuen Testaments verwenden für Gott die Begriffe theós (Gott) und kýrios (Herr). Dabei steht theós in der Regel für ’ælōhīm und kyrios für → jhwh oder (im Neuen Testament) für Jesus Christus.8
Soweit die wichtigsten Begriffe. Aber was meinen wir, wenn wir Gott sagen? Es ist wohl nicht möglich, den Begriff Gott so zu definieren, dass damit alle Verwendungen dieses Wortes in allen Sprachen abgedeckt sind. Dafür sind die Vorstellungen, die Menschen verschiedener Kulturen und Religionen mit dem Wort Gott verbinden, zu unterschiedlich.
In religionswissenschaftlichen, theologischen oder philosophischen Wörterbüchern finden sich dennoch Definitionen, die Gott als ein übernatürliches Wesen, das die Menschen ehren sollen, bezeichnen oder als die höchste Wirklichkeit, die Quelle oder der Grund alles anderen, perfekt und der Anbetung würdig.
Nach diesen Definitionen geht es beim Nachdenken über Gott also um zweierlei: Zum einen um die Erkenntnis bzw. den Glauben, dass es eine die natürliche (Sinnes-)Erfahrung übersteigende Wirklichkeit gibt, die wir Gott nennen. Und zum anderen darum, dass diese transzendente Wirklichkeit (→ Transzendenz)9 es wert ist, geehrt und angebetet zu werden. So steht das Wort Gott in einem übertragenen Sinn generell für alles, was Menschen letzte Lebensorientierung und ihrem Leben Sinn gibt.
In diesem Sinne schreibt Martin Luther (1483–1546) in seinem »Großen → Katechismus« (1529): »Worauf du nun (sage ich) dein Herz hängst und verlässest, das ist eigentlich dein Gott.«
Volkmar Hamp
• Georg Baudler, El, Jahwe, Abba. Wie die Bibel Gott versteht. Düsseldorf, 1996.
• Hans Küng, Existiert Gott? Antwort auf die Gottesfrage der Neuzeit. München, 1978 (Taschenbuchausgabe 1981).
• Walter Simonis, Über Gott und die Welt. Gottes- und Schöpfungslehre. Düsseldorf, 2004.
• Dorothee Sölle, Gott denken. Einführung in die Theologie. Stuttgart 1990 (Taschenbuchausgabe München, 1997).
• Jürgen Werbick, Bilder sind Wege. Eine Gotteslehre. München, 1992.
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Einen Gott, den ‚es gibt’, gibt es nicht.
Dietrich Bonhoeffer10
Dass die Gottheit ist, ist genug.
Karl Jaspers11
Dass es das Wort Gott gibt und Menschen mit diesem Wort bestimmte Vorstellungen verbinden, bedeutet nicht automatisch, dass diesem Wort und jenen Vorstellungen auch eine objektive Wirklichkeit entspricht. So begleiten Zweifel und Religionskritik den Glauben und die Religion durch ihre ganze Geschichte.
Alle Versuche, die Existenz Gottes zu beweisen oder doch zumindest gute Gründe für den Glauben an Gott vorzubringen, zeigen: Glaube und Religion müssen der Vernunft nicht widersprechen. Im strengen Sinne des Wortes beweisen lässt sich die Existenz Gottes jedoch nicht. Immer geht der Glaube an Gott seiner rationalen Begründung voran. Die Frage nach der Existenz Gottes bleibt also Glaubenssache.
Grundsätzlich sind zwei verschiedene Wege der religiösen Erfahrung oder Gotteserkenntnis denkbar. Zum einen der Weg vom Menschen zu Gott: der Weg der Weisheit, Philosophie oder natürlichen Religion. Zum anderen der Weg von Gott zu den Menschen: der Weg der Offenbarung. Dementsprechend kann man alle Religionen idealtypisch in Weisheitsreligionen und Offenbarungsreligionen einteilen.12 Das Christentum ist – wie Judentum und Islam – eine Offenbarungsreligion. Und wie der Name schon sagt, behauptet es, dass die zentrale, alles entscheidende Offenbarung Gottes in seinem Sohn Jesus Christus stattgefunden hat.
Der Hebräerbrief bringt das so auf den Punkt:
Viele Male und auf verschiedenste Weise sprach Gott in der Vergangenheit durch die Propheten zu unseren Vorfahren. Jetzt aber, am Ende der Zeit, hat er durch seinen eigenen Sohn zu uns gesprochen. Der Sohn ist der von Gott bestimmte Erbe aller Dinge. Durch ihn hat Gott die ganze Welt erschaffen. Er ist das vollkommene Abbild von Gottes Herrlichkeit, der unverfälschte Ausdruck seines Wesens. Durch die Kraft seines Wortes trägt er das ganze Universum. Und nachdem er das Opfer gebracht hat, das von den Sünden reinigt, hat er den Ehrenplatz im Himmel eingenommen, den Platz an der rechten Seite Gottes, der höchsten Majestät. Selbst im Vergleich mit den Engeln ist seine Stellung einzigartig. Ihm wurde ja auch ein unvergleichlich höherer Titel verliehen als ihnen.
Hebräer 1,1-4
Das heißt: Wer wissen will, wie Gott ist, muss auf Jesus Christus schauen. Wer danach fragt, was Gott will, muss auf Jesu Botschaft hören. Wer dem Wunsch und Willen Gottes entsprechend leben und handeln will, muss sich fragen: What Would Jesus Do? (Was würde Jesus tun?)
Das bedeutet nicht, dass Gott sich nicht auch auf andere Weise offenbaren kann, offenbart hat und auch heute noch offenbart: in der Schöpfung, in der Geschichte, durch sein Wort, in anderen Religionen, in der Seele oder im Gewissen jedes einzelnen Menschen. Aber es bedeutet, dass all diese anderen Offenbarungsweisen Gottes ihre Mitte in der zentralen Offenbarung in seinem Sohn Jesus Christus haben und sich an dieser messen lassen müssen. Das ist der Absolutheitsanspruch des Christentums. Christus ist das entscheidende »Wort Gottes« für diese Welt und alle Menschen.
Er, der das Wort ist, wurde ein Mensch von Fleisch und Blut und lebte unter uns. Wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit voller Gnade und Wahrheit, wie nur er als der einzige Sohn sie besitzt, er, der vom Vater kommt.
Johannes 1,14
Volkmar Hamp
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Wenn Jesus Christus Gottes Wort an uns Menschen ist (→ Frage 3), welche Rolle spielt dann die Bibel für den christlichen Glauben? Inwiefern ist auch sie Gottes Wort?
Die Antwort auf diese Frage ist nicht ganz einfach und auch unter Christen durchaus umstritten. Manche glauben, die Bibel sei in allen ihren Teilen wortwörtlich vom Geist Gottes eingegeben (verbal inspiriert). Sie dürfe darum in allen ihren Aussagen – auch in den historischen oder naturwissenschaftlichen – nicht hinterfragt oder angezweifelt werden. Solche Christen nennen sich gerne »bibeltreu« und werfen Andersdenkenden vor, dass sie sich mit ihrem historisch-kritischen oder liberalen Bibelverständnis zu Herren über die Schrift machen und die Bibel nicht wirklich ernst nehmen. Die so Kritisierten wiederum halten die bibeltreuen Christen für fundamentalistische Biblizisten, die zwischen der Welt der Bibel und der modernen Welt unnötige Barrieren aufrichten.
Die einen wie die anderen aber lesen die Bibel mit ihrer je eigenen → Hermeneutik13. Das heißt: Sie bringen ein Vorverständnis mit, das den Rahmen für ihre Interpretation der Bibel bildet. Das ist auch gar nicht anders möglich. Es gibt keine voraussetzungslose Auslegung der Bibel. Wichtig ist nur, sich das eigene Vorverständnis bewusst zu machen und es kritisch zu reflektieren.
Religionswissenschaftlich betrachtet gehört das Christentum – wie Judentum und Islam – zu den sogenannten »Buchreligionen«.14 Für diese Religionen ist eine heilige Offenbarungsschrift oder Schriftensammlung zentral wichtig. Die Stellung, die diese heilige Schrift in der jeweiligen Religion einnimmt, ist allerdings durchaus unterschiedlich.
Erhellend ist der Vergleich zwischen Christentum und Islam: Während »der Koran für den Muslim unmittelbar Gottes Wort ist, steht die christliche Bibel nur indirekt als Wort Gottes in Geltung, weil dieses nicht mit einem Buch oder dessen himmlischer Vorlage, sondern mit dem menschgewordenen Logos, d.h. mit der Person Jesu Christi identisch ist«15 (vgl. Joh 1,14).
Was bedeutet das für das Verständnis der Bibel? Zunächst einmal: Ohne die Bibel wüssten wir nichts von der Offenbarung Gottes in Jesus Christus. Im Neuen Testament lesen wir die ersten Berichte von Jesus Christus, auf die sich die christliche Gemeinde beruft. Dies geschieht von Anfang an unter Einbeziehung der → Hebräischen Bibel, der Heiligen Schrift Jesu und des Urchristentums, dem späteren Alten Testament der Christen.
Für beide Teile der Bibel aber gilt: Sie sind »Gottes Wort in Menschenmund« oder »Gotteswort in Menschenwort«. 16 Ihre Bücher sind geprägt von den Umständen, unter denen sie entstanden sind. »Ihre Sprachen, ihre Denkweisen und ihre literarischen Formen sind den Orten und Zeiten verhaftet, aus denen sie stammen. Deshalb ist der christlichen Gemeinde und ihrer Theologie im Hören auf Gottes Wort auch das geschichtliche Verständnis der Heiligen Schrift aufgetragen.«17
Dabei rechnet sie – auch ohne → Verbalinspiration – mit dem Wirken des Heiligen Geistes. Nicht nur bei der Entstehung, sondern auch bei der Auslegung der Bibel. »Die Bibel lebt, denn Gott redet durch sie.«18
Volkmar Hamp
• Bund Freier evangelischer Gemeinden, »Gottes Wort im Menschenwort«. Zum Schriftverständnis in freien evangelischen Gemeinden – Grundlagentext der erweiterten Bundesleitung im Bund Freier evangelischer Gemeinden. 2018. (www.downloads.feg.de/FeG_BL_Stellungnahme_Gottes_Wort_im_Menschenwort.pdf)
• Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden in Deutschland K.d.ö.R. (Hrsg.), Rechenschaft vom Glauben (1977/78). Kassel, 2009. (www.baptisten.de/rechenschaft-vom-glauben)
• Horst Klaus Berg, Ein Wort wie Feuer. Wege lebendiger Bibelauslegung. München/Stuttgart, 1991.
• Jeffrey Geoghegan/Michael Homan, Die Bibel für Dummies. Weinheim, 2015. 1. Nachdruck 2016.
• Annette Großbongardt/Johannes Saltzwedel (Hrsg.), Die Bibel. Das mächtigste Buch der Welt. München, 2015.
• A. J. Jacobs, Die Bibel & ich. Von einem, der auszog, das Buch der Bücher wörtlich zu nehmen. Berlin, 2008.
• Ida Lamp/Thomas Meurer, Basiswissen Bibel. Gütersloh 2002.
• Bernhard Lang, Die 101 wichtigsten Fragen: Die Bibel. München, 2013.
• Karen Sawrey, Die Bibel in Infografiken. München, 2019.
• Hans-Joachim Simm (Hrsg.), Aspekte der Bibel. Themen, Figuren, Motive. Freiburg/Basel/Wien, 2017.
• www.die-bibel.de
• www.bibelwissenschaft.de
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Die Antwort auf diese Frage ist einfach und schwierig zugleich. Auf der einen Seite wird der Gott der Bibel als ein sehr persönlicher Gott beschrieben. Er hat einen Namen (→ jhwh; → Frage 2). Wir dürfen Vater zu ihm sagen und uns seine Kinder nennen. Er will uns trösten, »wie eine Mutter tröstet« (Jes 66,13). Er ist uns guter Hirte (Ps 23; vgl. Lk 15,1-7; Joh 10,11-14), Fels und Burg (Ps 18,3; 31,3).
Zugleich scheint Gott unendlich fern und abstrakt zu sein: Er ist »Geist, und die, die ihn anbeten wollen, müssen ihn im Geist und in der Wahrheit anbeten« (Joh 4,24). Er ist »Liebe, und wer sich von der Liebe bestimmen lässt, lebt in Gott, und Gott lebt in ihm« (1. Joh 4,16). Er wohnt »in einem unzugänglichen Licht« (1. Tim 6,16) und zugleich »im Wolkendunkel« (1. Kön 8,12; vgl. Ex 20,21). Wie passt all das zusammen?
Der evangelische Theologe Karl Barth (1886-1968) schreibt: »Wir wollen als Theologen von Gott reden. Wir sind aber Menschen und können als solche nicht von Gott reden. Wir sollen beides, unser Sollen und unser Nicht-Können, wissen und eben damit Gott die Ehre geben!«19
»Gott die Ehre geben« – das bedeutet zuallererst, die Heiligkeit Gottes wahrzunehmen und anzuerkennen. Die Geschichte von der Begegnung Moses mit → jhwh am Berg Sinai (Ex 33,18-23) entfaltet diesen Gedanken erzählerisch: Nur den »Rücken« – nur eine Spur, einen Nachhall des vorbeigegangenen Gottes – darf Mose sehen. Selbst er, der wie kaum ein anderer einen vertrauten Umgang mit Gott pflegte, darf das Angesicht Gottes nicht schauen, kann sein Wesen nicht erfassen.
Doch das ist nur die eine Seite. Die andere Seite ist, dass der heilige, ferne Gott zugleich der begleitende, nahe Gott ist. Auch das lässt sich an einer Mose-Geschichte verdeutlichen, die beide Aspekte miteinander verbindet. Mit der Berufung Moses (Ex 3,1–4,17) beginnt der Auszug des Volkes Israel aus Ägypten, die Befreiung des Gottesvolkes aus der Sklaverei. In diesen Kontext gehört die Offenbarung des Gottesnamens → jhwh (vgl. Ex 3,7-12).
Auf seine Bedenken und Einwände hin, ob gerade er die richtige Person sei, um die Israeliten aus Ägypten zu führen (Ex 3,11), erhält Mose Gottes Zusage: »Ich werde dir beistehen« (Ex 3,12). Damit ist bereits angedeutet, was in der nachfolgenden Offenbarung des Gottesnamens ausgedeutet wird: »Gott antwortete: ‚Ich bin da‘, und er fügte hinzu: ‚Sag zum Volk Israel: Der Ich-bin-da hat mich zu euch geschickt‘« (Ex 3,14).
Mit dem hebräischen Satz »Ich bin da« wird der Gottesname → jhwh erklärt und dadurch unauflöslich mit der Befreiung Israels aus der Sklaverei und seiner Erwählung zum Volk Gottes verknüpft (vgl. Ex 33,19).20
In der Bibel finden wir also – wie in der nachfolgenden Theologie – die Spannung zwischen der Vorstellung von Gott als dem ganz anderen, von dem wir eigentlich nicht wirklich etwas wissen können, weil er alle unsere menschlichen Vorstellungen und Kategorien sprengt, und von dem nahen und begleitenden Gott, der für uns da ist und sich um uns kümmert.
Wer Gott nur als den Fernen, Heiligen, ganz anderen begreift, steht in der Gefahr, nur noch theoretisch an Gott zu glauben, weil dieser Gott nichts mehr mit seinem alltäglichen Leben zu tun hat. Oder seine Ehrfurcht verwandelt sich in Furcht und verstellt ihm den vertrauensvollen Zugang zu Gott.
Wer in Gott nur den nahen, freundlichen »Kuschelgott« sieht, läuft Gefahr, sich Gott verfügbar zu machen und ihn für seine eigenen Wohlfühlzwecke zu missbrauchen.
Was wir Menschen von Gott erfahren, kann immer nur eine Spur Gottes, sein »Rücken« sein. Aber als Glaubende dürfen wir davon ausgehen, dass sich solche Spuren Gottes im Leben wirklich finden lassen. Und dass Gottes Angesicht gnädig über uns leuchtet (Num 6,24-26).
Volkmar Hamp
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Es gibt viele, die der Meinung sind, dass letztlich alle, die glauben, an denselben Gott glauben. Sie halten die verschiedenen Religionen lediglich für unterschiedliche Wege zu dem einen Gott. So verlockend diese Position auch sein mag, sie ist nicht unproblematisch. Denn sie erklärt die Frage nach der den jeweiligen Religionen innewohnenden Wahrheit für letztlich nicht beantwortbar oder hält sie für irrelevant.
Doch bei aller geschichtlichen Kontinuität und inhaltlichen Nähe, die die verschiedenen Religionen miteinander verbinden, dürfen und müssen die Unterschiede zwischen den Religionen nicht ignoriert oder eingeebnet werden. Im Gegenteil: Für den interreligiösen Dialog ist entscheidend, dass die verschiedenen Religionen in ihrer Verschiedenartigkeit miteinander ins Gespräch kommen und im Gespräch bleiben.
Es geht im interreligiösen Dialog nicht darum, andere vom eigenen Glauben zu überzeugen, sondern den eigenen Glauben zu bezeugen. Dass dies nur in einer Haltung gegenseitigen Respekts geschehen kann, sollte selbstverständlich sein.
Im Gegensatz zu früher wachsen die meisten Menschen heute nicht mehr wie selbstverständlich in einem konkreten Glauben auf – zumindest in der weitgehend säkularisierten westlichen Welt. Was sie glauben (müssen, können, dürfen, sollen), wird ihnen nicht mehr von der Familie, der Kirche oder der Gesellschaft vorgegeben. Sie entscheiden sich selbst für einen Glauben – oder auch nicht. Das Recht dazu haben sie spätestens ab der Vollendung des 14. Lebensjahres mit der dann erreichten Religionsmündigkeit.
Natürlich findet eine solche Entscheidung nicht im luftleeren Raum statt. Sie ist geprägt von den Erfahrungen der jeweiligen Person mit Religion und Glaube. Und viele Menschen treffen diese Entscheidung nicht ein für alle Mal, sondern orientieren sich im Laufe ihres Lebens auch in religiöser Hinsicht mehrfach neu und um, so wie sie das auch in anderen Lebensbereichen tun. Denn in unserer multioptionalen Gesellschaft21 ist auch das Wissen um andere Religionen kein Privileg besonders gebildeter oder weitgereister Menschen mehr. Bildung und Medien, vor allem aber die Präsenz anderer Kulturen und Religionen in unserer eigenen Gesellschaft bringen Vielfalt mitten in unseren Alltag hinein.
Und je selbstverständlicher diese kulturelle und religiöse Vielfalt wird, desto begründungsbedürftiger wird die eigene, mitgebrachte Prägung. Sein eigenes Christsein damit begründen zu wollen, dass man als Kind entsprechend geprägt, vielleicht sogar getauft und christlich sozialisiert worden ist, reicht heute kaum noch aus.
Was also könnte Menschen dazu bewegen, Christ zu bleiben oder zu werden? Wieso sollten sie zu der Entscheidung kommen, dass der Gott der Bibel für sie der »richtige« Gott ist?
Es gibt sicher viele gute und vermutlich auch manche schlechten Gründe, eine solche Entscheidung zu treffen. Es ist jedoch immer eine persönliche Entscheidung, die rational nur bedingt nachvollziehbar ist.
Der entscheidende Grund für mich ist die Person Jesu Christi selbst. Um es pointiert zu formulieren: Ich glaube an den Gott der Bibel, weil ich Jesus seinen Gott glaube! Ich glaube, dass Gott so ist, wie er sich uns in Jesus Christus zeigt.
Wenn ich in der Bibel lese, dass Christus »das Ebenbild des unsichtbaren Gottes« ist (Kol 1,15; vgl. 2. Kor 4,3-4; Hebr 1,3a), und mir dann anschaue, wie Jesus gelebt hat, was er gelehrt und welchen Gott er den Menschen nahegebracht hat, wie er gelitten hat und gestorben ist und was nach dem Zeugnis des Neuen Testaments nach seinem Tod geschah, dann denke ich: »Ja! Wenn der Gott der Bibel so ist, wie sein Sohn Jesus Christus ihn uns vorgestellt hat, dann möchte ich an diesen Gott glauben, dann möchte ich mich diesem Gott anvertrauen und mein Leben an ihm ausrichten. Dann ist dieser Gott der ‚richtige‘ Gott für mich.«
Volkmar Hamp
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Wer an Gott glaubt, will nicht nur wissen, dass Gott ist, sondern auch, wie er ist. Der christliche Glaube orientiert sich bei der Antwort auf diese Frage an den Eigenschaften, die Gott in der Bibel zugeschrieben werden – wohl wissend, dass Gott immer anders und größer ist als das, was wir mit unserer Sprache ausdrücken und beschreiben können.
Vor allem gilt, dass wir nicht unterscheiden können zwischen den Eigenschaften Gottes und seinem Wesen. Alle Eigenschaften Gottes sind unmittelbarer Ausdruck seines Wesens. Gott hat keine Eigenschaften, ohne sie zu betätigen. Gott ist, was er tut, und er tut, was er ist.
Die wichtigste Eigenschaft Gottes ist seine Liebe.22 Die Liebe ist ein so vorherrschender Wesenszug Gottes, dass der Verfasser des ersten Johannesbriefes schreiben kann: »Gott ist Liebe, und wer sich von der Liebe bestimmen lässt, lebt in Gott, und Gott lebt in ihm.« (1. Joh 4,16b)
Gottes Liebe gilt der ganzen Schöpfung: »So sehr hat Gott die Welt (den Kosmos) geliebt, …« (Joh 3,16). Ihr deutlichster Ausdruck aber ist die (Selbst-)Hingabe Jesu am Kreuz: »… dass er seinen eingeborenen Sohn gab …« (Joh 3,16; vgl. Röm 5,8; 1. Joh 4,9).
Die eindrücklichste Beschreibung der Liebe Gottes, mit der auch wir Menschen einander lieben sollen, gibt der Apostel Paulus in seinem Hohelied der Liebe in 1. Korinther 13. Darin heißt es zum Schluss: »Was für immer bleibt, sind Glaube, Hoffnung und Liebe, diese drei. Aber am größten von ihnen ist die Liebe« (1. Kor 13,13; vgl. 1. Thess 1,3).23
Neben der Liebe werden in der Theologie noch folgende Eigenschaften Gottes genannt (in alphabetischer Reihenfolge und ohne Anspruch auf Vollständigkeit): seine Allgegenwart, Allmacht, Allwissenheit, Barmherzigkeit, Ewigkeit, Gerechtigkeit, Gnade, Güte, Heiligkeit, Lebendigkeit, Selbstgenügsamkeit, Souveränität, Treue, Unabhängigkeit, Unbegreiflichkeit, Unermesslichkeit, Unveränderlichkeit, Vollkommenheit, Wahrhaftigkeit und Weisheit. Alle diese Eigenschaften haben in der Liebe ihre Mitte und ihr Ziel!
Volkmar Hamp
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Das Bild von Gott dem Vater ist vielleicht das schönste und persönlichste Gottesbild, das die Bibel uns anbietet. Dennoch ist auch dieses Bild – wie alle Gottesbilder der Bibel – missverständlich und erklärungsbedürftig. Denn natürlich ist Gott nicht unser Vater, so wie wir menschliche Väter verstehen. Der Mensch ist zwar »zum Bilde Gottes« (als sein »Ebenbild«) erschaffen (Gen 1,26f) (→ Frage 12), aber er bleibt doch immer Geschöpf.
Wenn wir trotzdem – in einem geistlichen Sinn – »Vater« zu Gott sagen dürfen, dann nicht aufgrund einer wesensmäßigen Verwandtschaft mit Gott, sondern weil Gott selbst uns durch Jesus Christus dazu ermächtigt hat. Der Apostel Paulus bringt das in seinen Briefen an verschiedenen Stellen auf den Punkt (z.B. Gal 4,4-7; Röm 8,14-17), kurz und knapp im Galaterbrief: »Ihr alle seid also Söhne und Töchter Gottes, weil ihr an Jesus Christus glaubt und mit ihm verbunden seid« (Gal 3,26).
Wir sind also Gottes Kinder. Nicht biologisch – hier könnte der Abstand zwischen uns und Gott, zwischen dem Geschöpf und seinem Schöpfer, nicht größer sein –, aber in einem geistlichen Sinn (durch den Glauben). Und weil wir Gottes Kinder sind, dürfen wir auch Vater zu Gott sagen.
Allerdings sollten wir dabei nicht den Fehler machen, unsere Erfahrungen mit dem eigenen Vater unkritisch auf den »Vater im Himmel« zu übertragen. Dafür machen zu viele Menschen zu viele negative Erfahrungen mit irdischer Vaterschaft. Insofern ist es gut, dass das Bild von Gott dem Vater in der Bibel nur ein Gottesbild unter vielen ist, wenn auch ein besonders eindrückliches und hervorgehobenes.
Daneben gibt es noch viele andere Bilder, die unsere Vorstellung von Gott ergänzen und bereichern: der Herrscher (Ps 8,2) und König (Ps 10,16), der Retter (Dan 6,28) und der Richter (Ps 7,9), der Hirte (Ps 23) und der Hüter (Ps 121), der Fels (Ps 31,3f) und die Burg (Ps 31,3f) zum Beispiel.
Dass viele dieser Bilder männlich sind, bedeutet natürlich nicht, dass Gott ein Mann ist.24 Sicher sind diese Bilder – und mit ihnen der jüdisch-christliche Glaube – von einer patriarchalen Kultur (→ Patriarchat) geprägt, worauf insbesondere die → feministische Theologie hingewiesen hat.25 Aber die Bibel enthält auch weibliche Gottesbilder: Allen voran die göttliche Weisheit (hebr. okmā; griech. sophía), die in der nachexilischen Zeit Israels eine bedeutende Rolle spielt und in vielen späten Texten geradezu den Platz einnimmt, der in älteren Zeugnissen dem Gott Israels zukommt (vgl. Weish 6-11 u.a.). Aber auch die Hausfrau (Hi 10,10; Mt 13,33) und die Hausherrin (Ps 123,2; Lk 15,8-10), die Hebamme (Ps 22,10; Jes 66,8f), die Gebärende (Dtn 32,18; Jes 42,14) und die Mutter (Jes 49,15; Hos 11,1-4).
Entscheidend dabei ist, nicht die weiblichen gegen die männlichen Charakterzüge Gottes auszuspielen, weil das nur die klischeehaften Geschlechterunterschiede zementiert. Entscheidend ist, die Vielfalt biblischer Gottesbilder wahrzunehmen und von Christus her aufzubrechen, in dem die Unterschiede zwischen Mann und Frau keine Rolle mehr spielen (Gal 3,28).
Volkmar Hamp
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Dass Gott der Schöpfer der Welt ist, gehört zu den Grundüberzeugungen des christlichen Glaubens. An vielen Stellen der Bibel ist davon die Rede, im Alten wie im Neuen Testament (vgl. z.B. Jes 45,18; Am 4,13; Ps 8; Ps 104; Joh 1,1-3; 1. Kor 8,6; Kol 1,16).26 Von besonderer Bedeutung sind in diesem Zusammenhang natürlich die ersten Kapitel des Buches Genesis27 (1. Mose): der vermutlich in priesterlichen Kreisen um 550 v.Chr. verfasste Schöpfungshymnus in Genesis 1,1–2,3 und die etwa 400 Jahre ältere Paradieserzählung in Genesis 2,4–3,24.28
Viel ist über diese Texte gestritten worden – und wird es bis heute. Wer meint, sie aufgrund seines Bibelverständnisses (→ Frage 4) als historische oder naturwissenschaftliche Tatsachenberichte lesen zu müssen, gerät schnell in Konflikt mit heutigen Vorstellungen von der Entstehung der Welt und der Entwicklung des Lebens (die natürlich nur den aktuellen Erkenntnisstand wiedergeben).
Die gehen nicht davon aus, dass die Welt vor ungefähr 6000 Jahren in einer 7-Tage-Woche von Gott erschaffen wurde. Sie sehen den Ursprung von Materie, Zeit und Raum in einer fast 14 Milliarden Jahre zurückliegenden Singularität, die sie »Urknall« (»Big Bang«) nennen. Nach diesem Urknall hätten die Selbstorganisationskräfte des Universums zur Entstehung der Erde (vor ca.4,6 Milliarden Jahren), des Lebens (vor ca.3,5 Milliarden Jahren) und schließlich auch des modernen Menschen (homo sapiens) (vor ca.300000 Jahren) geführt.29
Wie lassen sich diese Erkenntnisse und der Glaube an Gott den Schöpfer miteinander unter einen Hut bringen? Geht das überhaupt? Oder gibt es im (vor allem in den USA) erbittert geführten Streit zwischen Kreationisten30 bzw. Vertretern der Intelligent Design-Theorie31 und Anhängern der Evolutionstheorie keinen Kompromiss?
Wie auch immer man sich hier positioniert, man sollte sich darüber im Klaren sein, dass der Kreationismus im 19. Jahrhundert als Widerstandsbewegung gegen die Evolutionstheorie entstand und sich auch heute vor allem über den Kampf gegen die moderne Naturwissenschaft und gegen den häufig, aber nicht immer damit verbundenen Atheismus definiert.
Wie beim Streit um das geozentrische Weltbild im 16. Jahrhundert32 gilt darum auch hier: Wenn sich die Theologie auf solche Weltbilddiskussionen einlässt, kann sie am Ende nur verlieren. Denn mit jeder historischen oder naturwissenschaftlichen Erkenntnis, die ohne Gott auskommt, wird der Raum kleiner, für den Gott dann noch zuständig ist. Gott wird auf diese Weise zu einem »Lückenbüßergott«, der nur noch die Leerstellen in einem ansonsten in sich geschlossenen, rein mechanistischen Weltbild füllt.
Die biblischen Schöpfungstheologien gehen einen anderen Weg. Sie bekennen gerade im Kontext des altorientalischen Weltbilds den Gott der Bibel als Schöpfer der Welt. Das heißt, die grundlegenden Vorstellungen über den Aufbau der Welt teilen sie mit den anderen Völkern des Alten Orients: die vertikale Aufteilung des Kosmos in Himmel, Erde und Meer bzw. Unterwelt, die oben wie unten vom Chaoswasser der Urflut umgeben sind. Aber diese Vorstellungen werden radikal entmythologisiert und auf den Gott Israels bezogen.
So entsteht die Welt hier nicht – wie in babylonischen Schöpfungsmythen – aus einem blutigen Götterkampf, sondern allein durch das Wort Gottes (»Gott sprach … und es geschah« – Gen 1,3ff). Sonne und Mond sind keine heil- oder unheilbringenden göttlichen Wesen mehr, sondern nur noch Lampen an der Feste des Himmels zur Unterscheidung von Tag und Nacht (Gen 1,14-19). Und der Mensch wird nicht erschaffen, um Gott wie ein Sklave zu dienen, sondern um ihm als sein Ebenbild ein Gegenüber zu sein, das in seinem Sinne über die Schöpfung herrscht (Gen 1,26f). Wobei diese Herrschaft darin besteht, die Welt wie ein guter Gärtner zu bebauen und zu bewahren (Gen 2,15).
Heute an Gott als den Schöpfer des Himmels und der Erde zu glauben, bedeutet, diese grundlegenden Aussagen über das Verhältnis Gottes zur Welt und zum Menschen und des Menschen zu Gott und zur Welt im Kontext des heutigen Weltbilds neu zu bedenken.
Dass überhaupt etwas ist und nicht nichts, ist ein starkes Argument für den Glauben an Gott den Schöpfer. Dass wir uns den Schöpfungsvorgang heute anders vorstellen als die Autoren der biblischen Schöpfungsgeschichten dies vor 2500 oder 3000 Jahren taten, tut dem keinen Abbruch.
Wie Naturwissenschaft und Glaube im Staunen über die Schöpfung zueinanderfinden können zeigt das grandios gestaltete »Buch vom Anfang von Allem« des Religionspädagogen Rainer Oberthür.33