Inhaltsverzeichnis
Impressum
Unfertige Bilder von Aly El Ghoubashy.
Vorwort
Ich über mich und meine Geschichten
Auf dem Weg zu Ihnen
Ankunft
Erste Eindrücke
Dein Leben wird Kopf stehen
Zweite Eindrücke
Ich bin Analphabet
Dritte Eindrücke
Ein Kilo Brot bitte
Die Schaufenster und ich
Wäschewaschen
Der Supermarkt
Das „Nichtsystem“
Die Welt der Zeitungen
Wie schaffen sie das?
Erste Berührungen mit Deutsch
Warum lernst du Deutsch?
An der Haltestelle
Moslem und nicht Mohammedaner
Warum haben wir versagt und versagen immer noch?
Nataschawörterbuch
Es regnet, es regnet, es regnet
Die WHO
Der Schatten
Die elf Gebote
Warum kommst du zu uns?
Rationale Fragen an meine Sprachgastgeberin Deutsch
Al-Alamein
Alle waren aufeinander angewiesen
Onkel Kamal, der Friseur, Ausbilder und Politiker
Eine deutsche Einladung
Der fremde Abwesende
Die Pfanne
Die Zwiebelfabrik
Dschamaiyya, eine arabische Volksbank
Endstation, bitte Aly aussteigen
Deutsch für Ausländer
Ich nehme das Bauamt nach Ägypten mit
Der erste Schnee
Fliegen, fliegen, noch einmal fliegen und fliehen
Bitte während der Fahrt mit niemandem sprechen
Karneval
Versicherung
Die Aufnahmeprüfung
Friedhof
Die Fachsprache
Das Geschenk des Meeres
Pershing 2
Linsensuppe
Tante-Emma-Laden
Die Kartoffeln
Ramadan
Leben mit vielen Masken
Wie existiert Ägypten ohne dich?
Wozu Physik?
Die Fremdenpolizei
Ein bisschen Frieden
Der arme arabische Hahn
Übersetzen 1
Die Schweine … schwimmen
Beirut, Beirut, Beirut
Knigge für Alkoholiker
Die ägyptische Baumwolle
Pseudosehnsucht
Rex
Möge man die Hände in Seide hüllen
Denken auf Arabisch, Schreiben auf Deutsch
Studentengespräche
Ulbricht Ulbricht Ulbricht
Vorurteile in der U-Bahn
Hör endlich damit auf!
Krankenhäuser in der Kindheit
Der Zug
Trauung
Heimweh
Wuff Wuff
Der Streifenwagen
Du bist einer von uns geworden
Falsche Loyalität
Umm Nadia
Der gleiche Gott
Der Professor
Denkt er denn …? wörtlich: Was vermutet er?
Die Armenküche
Der heilige Antonius
Das Bild mit dem Mond
Es regnet, es donnert und blitzt
Die Liebe in der Fremde
Speisen
Die Armut in der ersten Welt
Mein Herz, du warst gerade, warum biegst du denn ab?
Orient versus Westen
Der Messerschleifer
Ein unsichtbares Geschäft
Aufenthaltsgenehmigung
Vater gesucht
Das Land der Schokolade
Sechzehn Handtücher
Fische aus der Heimat
Den Rubikon überschreiten
Onkel Mohammed Fassad
Kolonialwaren
Gebäude der Teufel
Schande
Türkenzelt
Sehnsucht
Wenn ich älter werde, kaufe ich mir einen Mercedes
Erinnerungen
Ab auf die Baustellen
Stille und stillen
Banküberfall
Die Liebe könnte auch gefährlich sein
Der Prozess
Es ist verdammt hart, Ausländer zu sein
Die soziale Kontrolle
Steigerung, Reduzierung und Beschleunigung
Kunst ist nicht ein Spiegel, sondern Lachsbrötchen und Kaviar
Krippenfiguren
Das Fest am Bahnhof
Eine glorreiche Idee
Darf es ein bisschen weniger sein?
Gibt es noch etwas zu sagen?
Übersetzen 2
Neue Perspektive
Haare verkaufen
Eine orientalische Geschichte
Die Grundschule
Kommen Sie mit!
Karl May und Hadschi Aly
Ausländische Lebensmittelbomben
Es ist wahr
Oh Schiff der Illusion
Rechts nach links
Der Fischverkäufer
Das Bild mit meinem fiktiven Dorf
Der Informant
Familienplanung
Der Baum des Dichters
Er war ein Konditor
Klischees, die aufeinanderprallen
Die Ärzte, die nicht Medizin studiert hatten
Oh ihr Ausländer! Vergebt ihnen, denn sie wissen nicht, was sie sagen
Unsere Söhne im Ausland
Einen oder beide?
Der Bücherverkäufer
Der Architekt des Dekonstruktivismus
Schweinefleisch
Der Mensch ist der Feind dessen, was er nicht kennt
Abu l-Walid Ahmad ibn Zaidun al-Machzumi
Die Heilung mit dem Schock
Die reduzierte Sprache
Zwischen zwei Flaschen Sinalco
Mercedes Unimog
Die gestohlenen Schuhe
Ferdinand Brandner, Willy Messerschmitt und die Helwan HA-300
Aus der Wüste oder aus dem Wald?
Der Flughafen und meine Mutter
Die Zeit vergeht und das Leben passiert
Ein Pflichtbesuch, der mit Vertreiben endet
Sag mir wo die Blumen sind
Die Hundepension
Übersetzen 3
Schmerzensgeld
Der Kaiser der Republik – eine arabische Erfindung
Resistenz
Die Telefonzelle
Das Warten
Persönlicher Bezug zu Wörtern
Ali Baba und Till Eulenspiegel
Alkohol und Gelatine
Hansaluft
Oktoberkrieg – Jom Kippur
Die gotische Kirche
Prügel vermeiden
Die altägyptische Abteilung
Stille Nacht
Die Stunde der revolutionären Arbeit
Damaskus und Aleppo
Aus einem Traktor wurde ein Feld, ein Haus und zwanzig fremde Jahre
Ganz normale Menschen
Coca-Cola
Die alte Nachbarin
Geschenke
Berührende Begegnung
Der bunte Hund
Die Leere
Der arabische Frühling
Mäntel
Die Kuh meiner Schwester
Wo bist du, Bruder?
Keuschheitsgürtel
Der Schulinspektor
1. Mai 1968
Oh Araber
Die Eigenschaften der Tyrannei
Die Maske
Von Couscous bis Fladenbrot
Haltet den Dieb
Lass die Europäerinnen Europäer heiraten
Fremdsein
Der Architekt, der Ingenieur und der Bauunternehmer
Er kann nicht
Ein bisschen Ruhe
Radio Kairo
Das Herz ihres Hundes
Das Sparbuch
Ich verstehen Bahnhof
Woher kommt der Honig?
Tellerwäscher und Millionäre
Ein Reisender aus der deutschen, nicht demokratischen Republik
Ein Soldat aus Nordafrika
Sonne und Mond
Deine mir fremd klingende Muttersprache
Nicht paradiestauglich
Der Kennzeichenräuber
Ich bin der Herr meiner Existenz
Auf Besuch im Ländle
Übersetzen 4
Ja oder Nein?
Von Marokko bis Indonesien
Mangos
Alles unter Kontrolle
Die Gedankenleserin
Ampeln für Kamele
Wo warst du?
Angst vor der Angst
Ich liebe dich
Ich haben a dream
Algerien
Angst essen Seele auf – der Neid auch
Süßigkeiten aus Kuwait
Abu Hilal al-Askari
„Du gehst zu Frauen? Vergiss die Peitsche nicht!“
Zwei wunderbare Welten
Heimweh und Fernweh
Sigmund Freud’s Söhne und Töchter
Kindergarten der Integration
Vierte, fünfte … Eindrücke
Und jetzt …
Aly El Ghoubashy
Impressum
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie.
Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.d-nb.de abrufbar.
Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Film, Funk und Fernsehen, fotomechanische Wiedergabe, Tonträger, elektronische Datenträger und auszugsweisen Nachdruck, sind vorbehalten.
© 2018 novum Verlag
ISBN Printausgabe: 978-3-99064-192-7
ISBN e-book: 978-3-99064-193-4
Lektorat: Bianca Brenner
Umschlagfotos und -gestaltung: Aly El Ghoubashy
Layout & Satz: novum publishing gmbh
Innenabbildungen: Aly El Ghoubashy
www.novumverlag.com
Unfertige Bilder von Aly El Ghoubashy.
Wie im Leben – wir werden nie fertig.
Nichts ist erledigt
Vorwort
Meine Erkundungen in der arabischen Welt waren sporadisch. Die Erinnerungen daran verblassen immer mehr. In den Gedanken an diese wenigen Reisen tauchen viele Begegnungen mit freundlichen Menschen einer mir fremden Kultur auf. Lebhafte Gespräche, in denen sie versuchten, mir ihre Welt und ihre Sicht auf die Welt zu erklären. Sie haben mir damit vor allem ihre Sehnsüchte beschrieben und sie haben mir Hoffnung gegeben, dass die Welt keine schlechte ist und irgendwann doch noch besser wird. Wohlwollend, hilfsbereit, gastfreundlich, offen, das sind die Adjektive, die mir einfallen und die ich in den Erzählungen über meine Reiseerfahrungen freudig verwendet habe.
Heute spüre ich, dass ich diese unterbrochenen Erkundigungen in der arabischen Welt nicht mehr einfach so aufnehmen und fortsetzen könnte. Die Welt erscheint mir kleiner, ein Teil dieser Welt ist für mich nicht mehr erreichbar, reisend nicht mehr erlebbar. Die Gerüche der Suks, der Qualm der Wasserpfeifen, die trockene Hitze der Wüsten, das Gewurrl auf den Boulevards der Städte – diese Welt erscheint mir wie entzogen.
Mit den Geschichten, die mein Freund Aly El Ghoubashy erzählt, taucht diese verlorene Welt wieder vor meinem Auge auf. Die Gerüche, die Hitze, aber vor allem die Sehnsüchte schimmern durch die Geschichten hindurch und entschädigen mich eine Zeitlang für die fehlende reale Erfahrung. Und das, obwohl es Geschichten aus zwei Welten und aus unterschiedlichen Zeitfenstern sind. Sie sind von hier und jetzt, aber auch von damals und dort. Ein Wechselspiel des sehnsüchtigen Erzählens von Kindheitserinnerungen in Ägypten und beschreibenden Annäherungen an den mitteleuropäischen Alltag.
Die Geschichten sind mir vertraut, richtiger: die Art und Weise, wie Aly sie erzählt. Dies mag auch daran liegen, dass ich mit meinem Freund schon auf Reisen war – dort – und ihn dabei erlebt habe, gesehen habe, wie anders und entspannt er dabei war, wie er in seiner Heimat ist und wie anders in seiner Wahlheimat.
In dieser Wahlheimat ist er heimisch geworden und doch fremd geblieben, sodass er gar nicht anders kann, als die Unzähligen zu unterstützen, die auch heute noch und immer wieder, trotz aller Gefahren und Widrigkeiten, Ablehnungen und Kränkungen eine Wahlheimat suchen. Diesen Suchenden und Ankommenden steht Aly El Ghoubashy helfend, orientierend, wegweisend, illusionsraubend, zurechtrückend und lehrend, stark und stärkend zur Seite.
Er kann das, weil er es durchlebt hat.
Er weiß es, weil er Abstand dazu hat.
Er hofft, weil seine Geschichte Anlass dazu gibt.
Er hat seine Geschichten aufgeschrieben.
Also.
Lesen Sie selbst.
Dr. Gerhard Pusnik
Ich über mich und meine Geschichten
Ich bin oft vor dem Meer gesessen und habe davon geträumt, es irgendwann zu überqueren, Richtung Westen.
Nachdem ich das Studium und den Militärdienst abgeschlossen hatte, spielte ich mit dem Gedanken, eine Doktorarbeit über die alternative Architektur zu schreiben, einen Teil dieser Arbeit sollte ich in Europa absolvieren.
Gesagt, getan. Ich stieg in eine Lufthansamaschine, den blauen Kranich, um im großen deutschen Sprachraum zu landen, ja, bei Ihnen!
Hier lernte ich Deutsch, begann zu studieren und arbeitete nebenbei. Ich habe mein Fremdsein gelebt, erlebt und genossen.
Ich bin mit Vorstellungen, Erwartungen und Hoffnungen gekommen, doch die reale Welt hatte mich eingeholt, verändert und in mir neue Träume geboren.
Auf dem Weg zu Ihnen
Ich danke Allah, nachdem ich gegessen habe. Ein Schild weist darauf hin, dass dieses Essen kein Schweinefleisch enthielt. Ich trinke Tee ohne Geschmack. Die Sitznachbarin rät mir: „Vergiss den Tee bei uns, trink nur Kaffee! Guten Tee gibt es nur in Ostfriesland.
Warum verlässt du dein warmes Land und gehst in die kalte klare Ungewissheit? Ist es nicht ein Wagnis?“
Sie ist die erste Ausländerin, die mir eine solche Frage stellt. Ich finde keine Antwort, die sie überzeugt: „Studieren, arbeiten und Erfahrung sammeln. Wir jungen Leute haben viele Filme von euch, über euch, gesehen, viele Bücher, die ihr geschrieben habt, gelesen, wir haben uns lange Zeit in der Zelle eines alten Traums eingesperrt. Wir besitzen einen heftigen Drang, euch zu erleben, in euren Ländern, ohne Schauspieler, Regisseure, ohne Drehbücher, Fotos, Zeitungsberichte, Übertreibungen und Lügen. Außerdem möchte ich eure Nähe spüren.“
Der Flughafen ist unter mir, er ist ganz anders, als der, den ich verlassen habe. Die Flächen zwischen den Landebahnen sind grün, üppig grün, so unwirklich! Die Sonne scheint, sie lässt ihren Sohn seit seiner Abreise nicht im Stich. Ich bedanke mich bei den zwei Flugbegleiterinnen und dem Piloten, die sich von den Fluggästen verabschieden. Ich steige vorsichtig die Treppe hinunter. Dies ist der entscheidende Moment: ich berühre den Boden des Kontinents EUROPA als wäre ich der Astronaut, der die ersten Schritte der Menschheit auf dem Mond gegangen ist. Ich gehe zum Bus, der auf uns wartet.
Die Maschine übergibt mich der Bundesrepublik Deutschland. Ich bin jetzt im Land von … Goethe, Schiller, Brecht, Beckenbauer. Im Land des Feldmarschalls Erwin Rommel, im Lande der strengen Ordnung und Genauigkeiten. Das Land, das Mercedes, Leica und Sinalco herstellt. Das Land des Bauhauses, Bismarck, James Last, Made in West Germany und der Baader-Meinhof-Bande. Ich bin in einem Land, das keine arabischen Emotionen kennt. Ich bin in dem Land, das mit Italien und England Millionen tödliche Minen in Al-Alamein verpflanzt hat …
Ankunft
Der luxuriöse Flughafenbus trägt dich, deinen Koffer, dein Erstaunen, viel Optimismus und wenige Fahrgäste in die Mitte einer Stadt, deren saubere Straßen, deren Hausfassaden, deren Farbharmonie, deren Bäume, Blumen, Geschäfte dich mit ihren Namen begrüßen. Ach! Deine Augen lassen dich nicht ruhen, sie wollen die Stadt durch die sauberen Glasscheiben eines noch saubereren Busses bewundern. Was ist das? Wer sind sie? Du hast Fotos gesehen, Filme angeschaut, viel gehört, gelesen. All das konnte nicht genau vermitteln, was du jetzt berührst, siehst, riechst, empfindest. Orte empfangen dich mit Gelassenheit, wunderbarer Stille und einer Unsicherheit, die von Geheimnissen umgeben ist. Die Plätze, Kreuzungen, Verkehrsregeln, Parzellen, Schilder und der saubere, glatte Asphalt, die Fußgänger und die Autofahrer respektieren die Ordnung. Der öffentliche Raum ist voller Bewegung und Fleiß, die Menschen eilen und trotzdem gibt es kein Geschrei und keinen Lärm. Die Autos hupen nicht, sie stören weder die Kranken noch die Gesunden. Die Verkehrsampeln sind hier keine Empfehlung, sondern Rot heißt Stopp! Bei jedem Blick siehst du architektonische Perlen und Diamanten, imposante Gebäude aus der Zeit des Mittelalters bis zur Gegenwart.
Der blaue Kranich hat dich entführt, aus einem Land, das sein Verkehrssystem der Städte und Dörfer noch nicht organisiert hat. Das Flugzeug hat dich von deinem Bruder und deinem Vater, die dich frühmorgens zum Flughafen begleitet, dich verabschiedet haben, weggerissen. Es hat dich in ein Land befördert, dessen Schönheiten, dessen Geschmack dein ägyptischer Kopf nicht erfassen kann, und dieser Zustand dauert an. Damit die Stadt dich fasziniert, verführt sie dich mit einem Zauber, den du dir von deinem chaotischen Land wünschen würdest. Du bist nun scheinbar auf dem Gipfel der Seligkeit.
Die Maschine hat dich von deinen täglichen Rhythmen, deiner vermeintlichen Arbeit, der Langeweile, den verschlafenen Kaffeehäusern, den Vorstellungen und Wünschen, den Gesprächen über die Politik des Staates, von unfruchtbaren Diskussionen, die niemandem Nutzen bringen und zu keinem Ergebnis führen, und von deinen Freunden, die auf Erfolg, Geld, Heirat und Befreiung ihrer Köpfe von den dicken Fesseln hoffen, weggenommen. Deinen Freunden, die sich des Stacheldrahts, der ihre stillgelegten Energien umkreist, entledigen wollen. Deinen Freunden, die auf ein Visum warten – egal für welches Land –, das sie retten würde, nachdem ihr Schiff langsam sinkt. Du hast sie, während sie um die Hoffnung auf ein besseres Leben betteln, verlassen.
Du bist jetzt in einem fremden Land, in einer anderen Stadt, auf einem neuen Kontinent, zwischen anderen Menschen und einer Sprache, an die sich deine Ohren noch nicht gewöhnt haben. Hier und jetzt realisiert sich gerade der erste Teil deines alten Traums. Dort standest du am Strand des blauen Meeres, dich fragend, wann und wie du ans andere Ufer gelangen könntest. Jetzt bist du am anderen Ufer. Die Boeing hat dich Meer, Gebirge, Täler, Felder, Weideland, Dörfer und Städte, überqueren lassen. Das physikalische Gesetz des Fliegens hat alle Grenzen und Barrieren, die dein Kommen nach Europa verhindert haben, gelöscht. Es hat dir einen Weg geebnet für deine Wünsche und Ziele. Lufthansa öffnet dir die Türen in den deutschen Sprachraum.
Erste Eindrücke
Ich betrachte die Gesichter vor mir, hinter mir, neben mir, die Kleidung, die Hüte, die Haarschnitte und ihre Farben, wunderbare Frauen, starke, große Männer. Die Leute um mich herum sind in Eile, sie beachten den neuen Ägypter, der aus dem alten Ägypten kommt, nicht. Niemand begrüßt mich, außer den mich umgebenden Dingen. Jeder/jede geht in seine/ihre Richtung, verfolgt sein/ihr Ziel. So viele alte, aufrechte Menschen! Sie tragen elegante Kleidung, gehen schnellen Schrittes irgendwohin. Wo sind ihre Kinder? Der Rhythmus des Geschehens, das mich in diesem Moment umgibt, ist nicht vergleichbar mit demjenigen, der mich gestern umgeben hat. Alle hasten so fleißig. Wohin?
Ich habe Kairo vor ein paar Stunden verlassen und ab heute sind meine vergangenen Tage süße, schmackhafte Erinnerungen. Du wirst sie bestimmt ab und zu gerne wiederkauen. Der Klang der Sprache, den meine Ohren empfangen, und die Buchstaben, die meine Augen irritieren, sind ungewöhnlich. Ihre akustischen Signale sind merkwürdig. Wie können diese Menschen ihre Buchstaben aussprechen? Die Wörter auf den Fassaden, über den Geschäften, auf den Plakaten und in den Zeitungen zeigen mir meine Unwissenheit und meine Angst vor dieser Sprache. Es gibt keinen Schimmer von Hoffnung, der mir helfen könnte, die Bedeutung der Wörter zu erahnen. Die Zunge kann nicht einmal die Namen der Straßen oder der Plätze aussprechen.
Dein Leben wird Kopf stehen
Du hast in Ägypten nur vage Vorstellungen gehabt, aber wie die Träume tatsächlich mit allen Ecken und Enden aussehen, daran hast du nicht gedacht. Du bist allein, hast keinen Vater, keine Mutter, keinen Bruder, keine Schwester. Du wirst die Überschwemmungen, Lawinen und Vulkane deines neuen Lebens alleine bewältigen müssen. Mit niemandem, außer mit dir, wirst du diskutieren. Keinen Rat wirst du einholen, um eine Entscheidung zu treffen. Ab heute wirst du die Entschlüsse mit keinem teilen. Wie wirst du das machen? Du musst zuallererst lernen, wie du einen aufrichtigen Dialog mit dir selbst führst. In Ägypten warst du versunken und verloren in einem Sumpf, so wie alle deine Kameraden. Es ist ein großes Unterfangen, Verantwortung zu tragen. Wie kannst du dies in einem fremden Land machen? Wie kannst du dich schützen? Die ganze Zeit in einer fremden Sprache, in der fremde Leute wohnen, sprechen. Wie kannst du dich von einem Akkusativobjekt zu einem Nominativsubjekt verwandeln? Lange Zeit wurde alles für dich gemacht. Du wirst sicher anders sein. Aber wie kannst du die schweren Lasten, die auf dich zukommen, tragen? Wird diese Last dich verändern? Du hast keine Ahnung! Dein Vater sagte dir beim Abschied: „Verlasse den Weg nicht. Vergiss deine Ziele nie und inschaAllah wirst du dich in diesem Labyrinth finden.“ Dein Leben verändert sich, ob du willst oder nicht. Aber wie? Wann? Warum? Und wozu?
Zweite Eindrücke
Ich bin immer noch beeindruckt. Die zweiten Eindrücke holen mich ein: „Junge, geh nach Hause! Du wirst hier bestimmt als Vagabund leben.“ Ja, nein, ja, nein, nein, ja … Die deutsche Sprache fließt aus den Mündern ihrer Besitzer und versichert mir, dass ich nicht mehr dort, sondern hier bin und unter anderen Lebewesen leben werde. Werden sie mich akzeptieren oder ablehnen? Wird die Sprache mich daran hindern, mein Ziel zu erreichen? Die Fragewörter häufen sich zu Sätzen, um einen Berg von Fragen zu stellen. Die Leute sind wie ein Buch, das in einer Sprache, die dich schwindlig macht, geschrieben wurde. Ich bin noch am Beginn, bin Analphabet, habe noch nichts gelernt. Sie sind dicke, schwere Lexika, deren Inhalte nicht wie ihre bunten Umschläge aussehen.
Die Sprache, die ich jetzt höre, versichert mir, dass ich endgültig von meinem Land, meiner Familie und meinen Freunden getrennt wurde. Die Kleidung und die Hautfarbe sagen mir, dass ich tatsächlich meine Heimat verlassen habe. Die endgültige Abnabelung findet hier und jetzt statt, ich bin ein Fremder geworden. Wie lange habe ich auf so einen Moment gewartet? Spüre ich das Fremdsein? Ja? Nein? Doch im tiefen Innern schlummert ein Glücksgefühl. Dieses Gefühl will nicht herauskommen, um mir zu gratulieren, dass ich da bin, sondern Sorge und Angst beherrschen mich. Es ist mir gelungen, das Meer zu überqueren, das Wort „dort“ ist „hier“ geworden. Ich bin bei den Völkern der reichen, zivilisierten Welt, aber meine Seele schwebt immer noch dort. Ich sitze in einem Park, bestaune die Enten, die Schwäne. Meine Füße haben die fremde Erde, auf der fremde Menschen leben, betreten, nein, nein, ab heute bin ich … der Fremde, der mit ihnen lebt, der den Menschen mit seinen Sinnen alle Erscheinungen der Ästhetik, der Errungenschaften stehlen wird und sie werden es nicht merken. Plötzlich sind die Touristen in Ägypten Inländer geworden und du bist Ausländer. Du bist AUSländer.
Ich bin Analphabet
Ich verstehe nun, was es heißt, Analphabet zu sein. Oft habe ich als Kind meinen Nachbarn Briefe vorgelesen, da sie nicht lesen und schreiben konnten. Sie verstanden die Sätze wohl, ich nicht. Und jetzt? Ich bin immer noch ein Kind! Ich könnte nicht verstehen, wenn mir nun jemand etwas auf Deutsch vorlesen würde. Der Zug übergibt mich, meinen Koffer und meine Hoffnungen meiner neuen Stadt. Diese Stadt wischt den Staub, der auf meinen arabischen Jahren, Tagen, Stunden, die mir mein Alter gegeben haben, liegt. Diese Stadt nimmt mir die Scheu, mich und meine Einstellungen kritisch zu betrachten. Ach! Die deutsche Fluggesellschaft hat mich und meine Träume nicht nur von einem Platz zu einem anderen, sondern auch von einem Zeitalter in ein anderes gebracht. Lufthansa ist in einem Jahrhundert, in dem dein Volk, die Araber, noch nicht gelebt haben, gelandet.
Dritte Eindrücke
Ich habe mich noch nicht an die Gerüche der Körper in den öffentlichen Verkehrsmitteln gewöhnt. Gerüche von parfümierten Seifen. In den Geschäften rieche ich gute Düfte, aber ich kann mich nicht mit dem Geruch von gebratener oder gekochter Wurst, die überall mit Senf für jene, die in Eile sind, angeboten wird, anfreunden. Ihr Geruch hält meine Nase fest, so fest, dass ich den Platz verlassen muss. Die Ausdünstungen, die überall in der Stadt schweben, sind so intensiv und eigenartig. Ich brauche Zeit. Die Gerüche entsprechen keiner alten Erinnerung meiner Nase. Verschüttetes Bier und Wein am Boden verderben die Schönheit und Sauberkeit mancher Plätze, die mich umgeben. Mein Geruchssinn bereitet sich auf neue Entdeckungen vor.
Die Augen sind verwirrt, sie wandern zwischen Menschen, Schaufenstern, zwischen Straßen, Mode und Gesichtern von Frauen, die scheinbar keine Hemmungen haben. Sie schämen sich nicht, so viel von ihren Körpern herzuzeigen. Ach! Endlich ist die Frau da, die Blondine, mit ihren Knochen und Blut. Sie ist kein Bild mehr in einer Zeitschrift, auf der Kinoleinwand, kein Hirngespinst mehr. Sie ist keine Verführerin, wie die anmutige Blondine in den Kinos von Metro, Al-Hambra, Amir, Realto. Sie ist so ernst und streng. Sie arbeitet wie die Männer, geht an mir vorbei und schenkt mir keine Sekunde von ihrer Zeit, schaut mich nicht einmal an, kein Interesse, empfängt mich nicht wie die Alliierten nach dem Zweiten Weltkrieg, die ihr Land befreit haben, mit Blumen und Küssen. Sie fällt nicht auf meine Liebe herein, ich, der Orientale, der aus den Tausend-und-eine-Nacht-Geschichten gekommen ist. Der Morgenländer, der mit Zauberei, Seide, Parfüm, Teppichen, Dichtung und mit dem Respekt für ihre reizvolle Schönheit, die die Männer ihrer Heimat vernachlässigt haben, angekommen ist … die Männer, die sie durch Wein und Bier kompensiert haben, wie manche morgenländischen Vorstellungen meinen.
Die Stadt gibt mir viel zu wenig von ihren Geheimnissen Preis. Sie schenkt mir jeden Tag ein bisschen, und ich bin genügsam mit dem, was die Überraschungen der Tage mit sich bringen. Egal, wohin ich meine Augen richte, finde ich Autos, die ich nie gesehen habe. Sie rauben mir meine Blicke mit ihren Farben, eleganten Designs. Keine Kratzer, keine Wunden. Sie flitzen mit Männern und Frauen, die so gesund, glücklich und wohlhabend aussehen, manchmal verrückt und eitel. Ich stehe neben einem Sportwagen, Porsche 911, ich berühre ihn. Keine Halluzination, ich bin nicht im Kino, es ist Realität. Die Autos sterben hier…so jung, bei uns erleben sie die Auferstehung, drei-, vier-, sogar fünfmal. Der neugeborene Porsche nimmt mich zurück: „Hallo Freund!“
Ein Kilo Brot bitte
Der Hunger durchschneidet das Seil deiner Gedanken. „Geh essen!“ In einer Bäckerei verlangst du Brot. Man drückt dir etwas Großes, Langes, Dickes, Dunkles in die Hand, das deine Fremdheit extremer macht. Das Brot, wie isst du es? Eine dicke Masse wird in Scheiben geschnitten, wird in Kilogramm gekauft. Wie kannst du es kauen? Wird der Magen einverstanden damit sein? Wo findest du das Fladenbrot und das Essen, das du hinter dir gelassen hast? „Beruhige dich, du wirst weiterleben. Du gewöhnst dich mit der Zeit an diese Dinge und du wirst andere Möglichkeiten finden.“ Du bist nicht hierhergekommen, um eine Revolution gegen das Brot und das Essen dieses Landes zu organisieren. Dein Magen hält den Böen und Orkanen, die dir Falafel, Foul und die arabische Küche entrissen haben, stand. Am Morgen Brot, Käse und Marmelade. Ihr Geschmack in Ägypten ist anders. Auch das Wasser hat sich verändert, Obst, Gemüse, alles schmeckt gleich. Du musst dich zähmen, um die heftigen Veränderungen mit offener Brust aufzunehmen.
Die Schaufenster und ich
Die Glasscheiben der Schaufenster sind so klar und sauber, dass ich jedes Mal, wenn ich mir etwas genauer anschauen will, meine Nase und Stirn anschlage. Die Sauberkeit hat ihre Tücken!
Wäschewaschen
Im Müll finde ich ein Radio, in dem Männer und Frauen ununterbrochen singen und berichten, und ich verstehe gar nichts. Ich schicke mein Ticket an meinen Vater, damit er zum Lufthansabüro in der Talat-Harbstraße gehen kann, um die Hälfte des Geldes zurückzuholen. Jetzt habe ich keine Möglichkeit mehr, nach Kairo zurück zu fliegen. Ich habe mich endlich entschieden. Ich organisiere meinen Tag, stabilisiere die wackeligen Pfeiler meines Lebens, das die Fragen zwischen hier und dort belastet haben. Die Fragen werden nie enden. Ich muss eine Lösung finden, um mich selbst zu beruhigen. Warum ist ihr Leben leichter und unser Leben schwer? Das soll mich nicht mehr beschäftigen. Das Wäschewaschen macht mir Sorgen. Ich erinnere mich an die Nablusseifen, die in Würfelform verkauft wurden. Meine Mutter hat sie verwendet. Es ist misslungen, was ich begonnen habe. Es ist besser, wenn ich die Wäsche zwei Tage mit dem Waschmittel einweiche. Ich bearbeite sie mit meinen Händen, wie im Militär. „Geh zum Waschsalon, beruhige deine Nerven und deine Hände und lass deine Augen die schönen Frauen genießen!“, sagt einer.
Der Supermarkt
Du betrittst einen Supermarkt. So viele Regale von Lebensmitteln! Wer isst das? Wer trinkt das? Du zählst die Sorten von Käse. Eins, zwei, drei, vier … du schiebst den Wagen. Essen, sogar Essen für Hunde, Vögel und Katzen! Obst, Gemüse! Sind das Möhren? Ohne Erde, ohne Staub? Wer hat sie geputzt und wie? Kleidung. Seifen, unendlich viele Seifen, die dich an Ägypten denken lassen, als ihr manchmal, wenn eine Seife ins Stehklo fiel, den Deckel des Sammelbeckens außerhalb des Hauses öffnen musstet, um zu warten, bis die Seife auftauchte. Denn die Seife zählte damals zu den wertvollen Dingen im Leben.
Woher kommen all diese Güter? Wohin du auch schaust, findest du Dinge, die sie nicht herstellen oder ernten. Aha! Die Schiffe, die Züge, die Flugzeuge bringen nicht nur Fremde wie dich zu ihnen, sondern transportieren auch Waren aus allen Ecken der Erde. Auch aus der armen Welt. Die Fragen sind mehr geworden. Licht, Verpackungen, Preise, Lächeln, und die Frauen arbeiten ununterbrochen. Du stehst in einer Reihe vor der Kassa und fixierst deine Blicke auf die Finger der Kassiererin, die sich nicht beruhigen können, so schnell, blitzschnell, drücken sie die Ziffern der Tastatur. Du gibst ihr das Geld, erhältst Rückgeld, den Kassenbon und ein großes, müdes Lächeln. Du kehrst nach Hause zurück, deine Einkäufe mit dir tragend. Dein Magen braucht sicher mehr Zeit, als du denkst, um die Geschmäcker anzunehmen.
Das „Nichtsystem“
Die Bäume in der Stadt, im Wald, in den Feldern, vervielfältigen dir die Farbe Grün. Zwischen hell und dunkel schwimmen deine neugierigen Augen, in tausenden von Stufen. Du wartest auf den Bus. Er kommt pünktlich, keine Minute Verspätung. Alles steht auf dem Busplan. Vielleicht muss es ein Debakel in einem System geben, um die Zeiten der öffentlichen Verkehrsmittel durcheinander zu bringen. Wie organisieren sie das? Eure Verantwortlichen sind doch hierhergekommen. Konnten sie nicht von diesem System lernen und euer Leben dort erleichtern? Genieße dein neues Leben hier und vergiss sie. Es gibt keine Hoffnung mehr für eure Obrigkeiten. Bereite dich für deinen Alltag vor und organisiere ihn wie diesen Plan. Vergleiche euer „Nichtsystem“ nicht mit ihrem System. Reise nicht ständig in deine Heimat. Sind diese Menschen nicht Leute wie ihr? Warum können unsere Menschen in Ägypten nicht warten, bis die Fahrgäste aus dem Bus ausgestiegen sind? In Alexandria habt ihr den Bussen aus Amerika den Namen „Carter“ gegeben, damals war Jimmy Carter der Präsident der USA. Es reicht … Amerika war ebenfalls ein Traum von dir. Ein Traum, der durch die Papiere, die das amerikanische Konsulat verlangt hat, verdunstet und verbrannt ist. Wenn du nach Amerika geflogen wärest, gäbe es keine sprachliche Trennwand zwischen dir und den Menschen dort.
Du fährst mit der Straßenbahn. Sauberkeit, Stille, Fahrgäste lesen Zeitungen, Zeitschriften, Bücher und Romane. Ist das, was die Stadt dir an Attraktivität, an Gärten und Blumen zeigt, anders als das, was sie in ihrem Herzen trägt? Verbirgt sich hinter dieser Maske der Zivilisation und Herrlichkeit ein unsichtbarer Wolf, der dein Fleisch und die Knochen zerreißt? Warte ab!
Die Welt der Zeitungen
Du siehst Zeitungen vor einem Geschäft, in vielen Sprachen. Viele Journale aus verschiedenen Bereichen. Die Titelblätter der Zeitschriften sind geschmückt mit Frauen, die halbnackt oder nackt sind oder sich gerade überlegen, ob sie sich ausziehen sollen, das Bild der Frau, das unsere Gehirne über die Frauen in Europa gespeichert haben. Die Newsweek, Time, ach, es waren Zeiten, du hast sie von einem Händler, der sie unter anderem als Tüte für Knabbergebäck benützt hat, gekauft. Die Händler haben das Altpapier vom Hafen Alexandrias abgeholt. Diese Zeitschriften, Zeitungen und Broschüren, die du damals gesammelt hast, haben dich, neben Filmen und Literatur, in den Westen getragen. Sie waren voll von Artikeln, Bildern und Werbungen. Du tauchst jetzt in diese Welt ein, in deren Inhalte. Du berührst, spürst sie, doch das Papier schildert nicht immer die Wirklichkeit.
Wie schaffen sie das?
Die erste Woche ist vorüber. Die zweite ebenfalls. Heute ist der erste Tag der dritten Woche. Die Arbeit fängt mit Strebsamkeit an und am Wochenende bekommen die Einwohner ein fröhliches Gesicht. Die Stadt überlässt ihre Plätze, ihre Lokale, ihre Baulücken, ihre Straßen einem Volk, das nur Spaß, Trinken, Tanzen etc. im Kopf hat. Einige verwandeln sich in Verrückte, Betrunkene, die nie müde werden. Die Bewohner der Stadt werden niemals satt vom Vergnügen und von der Suche nach etwas, was du nicht nachvollziehen kannst. Aber wie werden sie am Montag die Woche beginnen? Wie kehren sie mit viel Elan und Eifer in die Arbeitswelt zurück?
Erste Berührungen mit Deutsch
Der erste Brief deines Vaters erreicht dich. Er macht Bittgebete für dich und inscha Allah (so Gott will) wirst du die deutsche Sprache bewältigen, um die Universität besuchen zu können, um heil und gesund zu ihnen zurückzukommen. Und assalamu aleikum (Friede sei mit euch). Die Worte deines Vaters motivieren dich, die hohen Mauern der Festung der Sprache zu stürmen. Du ziehst dein Schwert, nimmst dein Schild und beginnst die Schlacht. Du wirfst kein Handtuch mehr, nein, nein, ab heute gibt es keinen Krieg mehr mit Deutsch. Du unterschreibst den Friedensvertrag. Du schreibst dich am Goetheinstitut ein, um deinen deutschen Analphabetismus zu beseitigen und ihre Hieroglyphen zu entziffern. Die deutsche Sprache verheißt dir Arbeit und Anstrengung. Der Lehrer begrüßt euch auf Englisch und bittet euch, die Worte Mark Twains über die deutsche Sprache zu vergessen. Wie ein Schüler, der gerade die Grundschule besucht, liest du im Buch „Guten Tag!“. Du kaufst Stifte und Hefte, deren Aussehen anders als in Ägypten ist. Sie riechen anders und auf dem Heft ist keine Kuppel der Kairo-Universität abgebildet. Den ersten Vätern der deutschen Sprache war die Aufteilung von Maskulin und Feminin zu wenig, sie fügten das Neutrum dazu. Sicher war ihnen zu langweilig. „Geh weg, nach Hause mit dir, zu deinem Vater, deiner Mutter und zu deiner gemütlichen Arbeit! Du hast Europa gesehen. Überlasse die deutsche Sprache ihren Leuten und kehre zurück! Mit diesem Alter wirst du dir keine neue Sprache aneignen. Die deutsche Sprache lacht dich aus und spottet die ganze Zeit über dich. Du! Höre nicht auf die Stimme des Pessimismus, den dir manche Araber hier eingeimpft haben!“
Du arbeitest nebenbei, damit du überleben kannst, und der Kreis der Bekanntschaften und Freunde vergrößert sich. Der Durchmesser der Stadt, in der du dich bewegst, vergrößert sich ebenfalls. Jeden Tag entdeckst du ein Stück von ihren Schönheiten. Der Plan der Stadt führt dich zu neuen Nummern von Straßenbahnen und Bussen, aber du sprichst mit den Menschen immer noch Englisch. Du spürst keine echten Fortschritte mit Deutsch … Und doch, während eines Gesprächs mit einem Studenten, hörst du dich zum ersten Mal Deutsch sprechen. Oh, wunderbar! Du befindest dich im Bauch deiner neuen Mutter und hörst sie Deutsch sprechen … Allmählich wird sie dir vertrauter.
Warum lernst du Deutsch?
„Warum lernst du Deutsch?“, fragt deine norwegische Kollegin. Du sprichst mit ihr über deine Ziele. Dein Lehrer befiehlt euch, Deutsch zu sprechen. Du hast einmal, an einem fernen Tag in der Port-Said-Hauptschule, ein Buch über die skandinavischen Länder ausgeliehen. Das Buch hat dich beeindruckt. Und hier und jetzt kommt eine Frau aus dem alten Buch, sitzt dir gegenüber in einer Klasse und ihr beide versucht, Deutsch miteinander zu sprechen. Ihr sprecht vorsichtig und langsam, wie die Kinder setzt ihr Wort neben Wort, in kurzen Sätzen. Sie kriecht zu dir mit einem Satz von Seite 10 eures Lehrbuches und du kommst ihr entgegen mit einem Satz von Seite 14. Du fragst sie, weshalb sie Deutsch lernt.
„Ich habe einen Beruf gefunden, der dies verlangt.“ Dann willst du von ihr wissen, wie sie das Visum bekommen hat …
Westeuropa quält seine Völker nicht. Es verlangt nicht so viele Papiere, Fotos, Nachweise und die Milch des Vogels (das Unmögliche), um ein Visum eines Landes zu erlangen.
An der Haltestelle
Ich frage einen Mann: „Wenn kommen das Bus?“
„Bald. Sie sprechen aber gut Deutsch!“
Moslem und nicht Mohammedaner