Bildquellennachweis
Abb. 1, 2, 50, 55, 74, 75 und 84 (Fotos: Gregor Schmidt)
Abb. 3–49, 52–54, 56–73, 76–80, 82–88, 90, 92–110 und 115–130 (Fotos: Judith Schmidt)
Abb. 51: Wenn mehrspännig gefahren wird, kann auch mehr Gewicht gezogen werden (Foto: Heike Wulke)
Abb. 81: Dieses Kutschgeschirr wird dem Esel gerade angepasst (Foto: Sabine Deingruber)
Abb. 89: Barbara Bank – 1. Vorsitzende des deutschen Eselvereins (IGEM) – geht trotz Rollstuhl weiterhin mit ihren Eseln spazieren (Foto: Otmar Hoefer)
Abb. 91: Neugierig bestaunen die beiden Eselstuten das Instrument: ein Handpan (Foto: Janine Mailliet)
Abb. 112–114: Escargoline (Schneckeline) (Fotos: Judith Schmidt, mit freundlicher Genehmigung von J. Clouteau und J. Chevolleau: Randoline-Glücksschmiede, Montdoumerc)
1 Basiswissen über Esel
Ein Therapiebegleittier ist für gewöhnlich ein Hund oder ein Pferd. Zunehmend werden aber auch Esel in der tiergestützten Arbeit eingesetzt (Abb. 3).
DEFINITION
Unter Asinotherapie versteht man eine Verhaltenstherapie in Zusammenarbeit mit einem Esel. Sie ist ein Teil der großen Equidentherapiefamilie – der Oberbergriff für die pferdegestützten Therapien. Die Asinotherapie ist aus den vielseitigen Bereichen der Therapiemöglichkeiten eine unkonventionelle und alternative Medizin. In Italien, Frankreich und der Schweiz, wo es eine große Eselpopulation gibt, ist sie weit verbreitet. Der Esel wird unterstützend als Helfer unter therapeutischen Gesichtspunkten integriert.
Abb. 3: Esel erfreuen sich immer größerer Beliebtheit in der Asinotherapie.
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Die Asinotherapie boomt! Daher ist es wichtig, über die Bedürfnisse und Einsatzmöglichkeiten der Esel Bescheid zu wissen, damit die Zusammenarbeit mit ihnen nicht auf Kosten dieser äußerst intelligenten Geschöpfe geht., Tiergestützt sollte also unbedingt auch immer tiergeschützt sein! |
1.1 Evolution und Domestikation
Unsere meist mausgrauen oder dunkelbraunen Hausesel, mit weicher Mehlschnute und schwarz gegabeltem Aalstrich auf dem Rücken, haben ihren Ursprung in den heißen und gebirgigen Regionen Afrikas (Abb. 4). In einer Grabkammer bei Abydos (Ägypten) wurden vollständige Eselskelette gefunden, die nach pathologischer Begutachtung darauf schließen ließen, dass diese Tiere nicht primär als Nahrung dienten, sondern zum Lastentragen eingesetzt wurden. Sie wurden demnach noch vor dem Pferd ca. 5000 bis 6000 Jahre vor Christus domestiziert. Esel dienten auch als Zugtier und sogar als „Amme“, da ihre Milch der menschlichen Muttermilch sehr ähnlich ist. In Südeuropa schwört man z. B. auf Eselmilch als Heilmittel gegen Keuchhusten. Der wissenschaftliche Name des Esels lautet „equus asinus“; aus diesem Namen entstand der Begriff Asinotherapie (in Anlehnung an die Hippotherapie).
Abb. 4: Somali-Wildeselhengst in der „Wilhelma“ – der Zoologisch-Botanische Garten in Stuttgart
Die pferdeartigen Tiere (Pferde, Ponys, Esel und Zebras) können sich alle untereinander verpaaren. Auf diese Weise entstehen Maultiere (Mutter: Pferd, Vater: Esel), Maulesel (Mutter: Esel, Vater: Pferd) oder Zesel (Kreuzung zwischen Zebra und Esel). Diese sog. Hybriden sind durch eine ungerade Chromosomenzahl allerdings unfruchtbar (Abb. 5).
Abb. 5: Warmblut-Maultiere auf einem Militär-Areal in Thailand
1.2 Besonderheiten zu Eseln
Esel besitzen viele Qualitäten, von denen der Laie leider nur sehr wenig weiß. Meist sind es die eigensinnigeren Eigenschaften, die in Märchen, Sagen und Legenden Erwähnung finden und daher in Erinnerung bleiben. In dem über Jahrtausende als Haustier und Arbeitsgehilfe geschätzten Esel steckt jedoch weitaus mehr. Esel sind
● eingeschränkte Fluchttiere – sie sind nervenstark, trotzen Verkehrslärm und Feuerwerk und tendieren selten zu nervösen Galoppaden,
● vorsichtig – sie handeln überlegt,
● neugierig – sie wollen alles ganz genau inspizieren,
● kontaktfreudig – sie genießen Streicheleinheiten,
● soziale Partner – für Menschen und Tiere,
● selbstständig und trittsicher – in unwegsamen Gelände und auf schmalen Pfaden,
● aufmerksame Beobachter – durch ihre guten Sinne entgeht ihnen nichts (denn es sind nicht nur die Ohren und Augen, sondern auch das Riechen, Schmecken, Fühlen),
● verspielt – und entsprechend gelehrig,
● nachdenklich – sie wägen Pro und Contra ab,
● intelligent – sie lernen schnell,
● für menschliche Nasen eigengeruchsneutral – Eselfell ist nicht mit Pferdefell zu vergleichen.
Sie sind aber auch
● ziemlich triebhaft – vor allem die Hengste,
● früh geschlechtsreif – die Fortpflanzung ist schon im Fohlenalter möglich,
● lange Zeit „Teenager“ – erst mit ca. zehn Jahren werden sie zu sog. „Verlass-Eseln“,
● wetterfühlig – Esel sind nicht „wasserfest“ (z.B. bei Regen),
● bei Krankheit schwer einzuschätzen – Esel leiden still,
● im Rücken und auch im Zug vor der Kutsche gering belastbar – sie können prozentual weniger als ein Pferd / Pony tragen oder ziehen,
● aggressiv gegen Canidae (Hunde, Wölfe, Schakale usw.) – das sind ihre natürlichen Feinde,
● „Ausbruchskünstler“ – durch ihre Intelligenz und Neugierde finden sie schnell ein Schlupfloch,
● unzertrennlich – Esel sind Herdentiere, die sich gerne „Partner“ suchen,
● bei Unzufriedenheit laut – das „Iah“ ist kilometerweit zu hören.
1.3 Die Sinne der Esel
Esel werden als eingeschränkte Fluchttiere bezeichnet, da sie bei Gefahr nicht kopflos losrennen, sondern die Situation erfassen und abwägen, ob Flucht bei der augenblicklichen Gefahr wirklich die beste Entscheidung ist. Nichtsdestotrotz sind es Fluchttiere, und wie bei allen Fluchttieren befinden sich ihre Augen seitlich am Kopf – was zur Folge hat, dass sich direkt frontal vor ihrem Kopf und hinten zur Kruppe hin ein toter Winkel auftut. Wenn Sie sich die Faust selber einmal zwischen Nase und Stirn halten und geradeaus schauen, bekommen Sie einen Eindruck davon, wie das Blickfeld eines Esels ist. Esel können ihre Umwelt jedoch rechts und links in einem viel größeren Radius wahrnehmen, allerdings nicht gestochen scharf. In diesem Bereich sehen sie auf lange Distanzen überwiegend Bewegungen. Eine Übersicht der visuellen Wahrnehmungsmöglichkeiten eines Esels zeigt Abbildung 6.
Abb. 6: Die visuellen Wahrnehmungsmöglichkeiten des Esels
TIPP
Häufig nehmen Menschen, die einen Esel streicheln wollen, Kontakt zu ihm auf, indem sie frontal auf ihn zugehen und seine wollige Stirn tätscheln. Besser und respektvoller ist es jedoch, sich ein wenig seitlich zu positionieren und dem Esel im scharfsehenden Bereich die Hand hinzuhalten, damit dieser den ersten Kontakt schnuppernderweise zu Ihnen aufnehmen kann.
Esel haben auch ein ähnliches Farbspektrum wie wir Menschen und können daher alle Farben unterscheiden. Die Augen ermöglichen eine weite Sicht. Geht man mit einem Esel spazieren und kommt aus dem dichten Wald auf freies Gelände, bleibt der Esel meistens stehen, weil er in der Ferne so viel sieht. Er braucht eine gewisse Zeit, die Dinge, die er wahrnimmt, erfahrungsgemäß einzustufen und als gefährlich oder ungefährlich zu deuten. Dabei helfen ihm auch der Gehör- und Geruchssinn.
Die typisch langen Ohren machen in unübersichtlichem Gelände Sinn, denn wenn der Blick versperrt wird oder es dunkle Nacht ist, konzentriert sich der Esel vermehrt aufs Hören. Die Ohren können sich unabhängig voneinander in alle Richtungen drehen und nehmen damit gezielt die Eindrücke auf, die wichtig für sie sind.
Der Geruchssinn ist ebenfalls exzellent ausgeprägt und spielt vor allem bei der Partner- und Futtersuche eine große Rolle.
Begrüßung
Esel begrüßen sich untereinander, indem sie Maul an Maul aneinander herantreten und sich gegenseitig ihren Atem sanft in die Nüstern blasen. Das ist nicht zu verwechseln mit Schnauben, sondern es ist ein einfaches Ausatmen. Der Geruch des jeweils anderen ist unverkennbar – vergleichbar mit einem Fingerabdruck. Kommt ein Esel auf einen Menschen zu, indem er mit etwas gespitzten Lippen (es wirkt, als wolle der Esel einen küssen) seinen Kopf sacht nach vorne reckt, ist die richtige Reaktion, diesem Esel sanft in die Nüstern zu pusten. Der Esel wird diese Geste mit einem langen Ausatmen erwidern (Abb. 7).
Abb. 7: Dieser junge Esel begrüßt seine Besitzerin, die sanft in dessen Nüstern pustet.
Wenn Esel einen Geruch allerdings bis ins Detail analysieren wollen, flehmen sie. Dabei stülpen sie die Lippen weit auseinander und strecken den Kopf nach oben. Sie atmen den für sie interessanten Duft ein und können ihn über den Gaumen (dort sitzt das Jacobson-Organ) nicht nur riechen, sondern auch schmecken und bis in alle Einzelheiten aufschlüsseln. Meist flehmen Esel, um herauszufinden, ob eine Stute rossig ist. Der Hengst geht dafür zu der Stelle, wohin die Stute uriniert hat, riecht daran und kann herausfiltern, ob sie rossig oder bereits tragend ist. Aber auch andere Gerüche (z. B. eine Tasse mit frisch aufgebrühtem Kaffee oder Zigarettenrauch) veranlassen ihn dazu, diesen Duft genauer unter die Lupe nehmen zu wollen.
Das Haarkleid des Esels ist äußerst sensibel. Nicht nur die kleinen Tasthaare ums Maul herum, sondern das gesamte Fell. Esel spüren z. B., wenn sich eine Fliege auf den Rücken setzt und zucken gezielt an dieser Stelle mit dem Fell, um sie zu verscheuchen.
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Den Esel zur Belohnung nicht klopfen, sondern vielmehr streicheln oder kraulen! Das Klopfen wird der Esel nicht als Lob verstehen, denn geklopft wird unter Eseln nur, wenn sie miteinander spielen oder kämpfen. |
Wenn Sie einen Esel klopfen, verteilt er Tritte und Bisse. Das Streicheln oder Kraulen hingegen ist eine Zuwendung, die zwei Esel untereinander austauschen, wenn sie sich mögen und gegenseitig mit den Zähnen knabbernderweise sozialen Kontakt pflegen.
Esel sind beim Fressen wählerisch und ertasten mit den beweglichen Lippen ihre Nahrung. Im Maul wird das Futter geschmeckt und wenn es für nicht gut erachtet wird, auch wieder aus dem Maul fallen gelassen. Spucken oder Erbrechen können Esel rein anatomisch nicht. Daher wird das Futter vor dem Herunterschlucken bestmöglich untersucht.
Beim Trinken saugt der Esel das Wasser auf und behält gerne den letzten Schluck noch eine Weile im Maul, um damit die Futterreste ein wenig auszuspülen, bevor er alles herunterschluckt.
Im unwegsamen Gelände muss sich ein Esel gut ausbalancieren können. Dennoch sind seine Hufe, im Vergleich z. B. zu Ziegen, die als Paarhufer die perfekte Voraussetzung für das Klettern in den Bergen haben, dafür eher ungeeignet. Seine Anatomie – eine schmale Brust, U-förmige Hufe samt ausgeprägtem Strahl und leicht zu X-förmigen Hinterbeinen neigend – macht dennoch aus ihm ein geländegängigeres Tier, als es das Pferd oder Pony ist. Treppen zu meistern, stellt für Esel z. B. keine besonders große Herausforderung dar. Aufgrund der schmalen Brust „schnüren“ viele Esel. Das bedeutet, dass sie beim Gehen die Hufe nicht nebeneinander, sondern voreinander aufsetzen. So bewegen sich Esel in einem Karawanenzug hintereinander auf schmalen Pfaden fort. Das hintereinanderher Gehen liegt dem Esel also quasi im Blut (Abb. 8).
Abb. 8: Diesen schmalen Pfad haben sich die Esel selbst angelegt. Auf ihm marschieren sie in der Karawane hintereinander.
1.4 Gedanken zum Eselkauf
Im Hinblick darauf, den Esel zur tiergestützten Arbeit einsetzen zu wollen, ist es ratsam, sich gesunde Esel zu kaufen.
Hufe und Fell sagen Ihnen schon auf den ersten Blick eine ganze Menge über den Gesundheitszustand. Ein Esel sollte
● schönes, glattes Fell haben – Esel neigen zu Stoffwechselproblemen und haben daraufhin rasch verstrubbeltes oder löchriges Fell; ein gesunder Fellwechsel verläuft z. B. niemals löchrig, sondern ist immer ein fließender Übergang,
● glatte, nicht zu lange Hufe haben – abgeblätterte und ausgebrochene Hufe oder horizontale Rillen in den Hufen verraten, dass etwas mit dem Esel gesundheitlich nicht stimmt,
● keine sichtbaren Fettpolster an Mähnenkamm, auf den Rippen oder der Kruppe haben,
● bei gesenktem Kopf einen geraden Rücken haben – bei hoch erhobenen Kopf ist der Rücken nur leicht gesenkt,
● aufeinandertreffende Schneidezähne haben – ein Über- oder Unterbiss führt früher oder später zu Problemen,
● gerade Vorder- und Hinterbeine haben – eine leichte X-Gliedmaßenstellung der Hinterbeine kann im Gebirge von Vorteil sein.
Exterieur, aber auch Interieur sollten „stimmig“ sein, damit tiergestützt gearbeitet werden kann.
Esel werden zum Teil nur mäßig erzogen und neigen dann dazu, sich aufdringlich oder respektlos zu verhalten. Sie benutzen den Menschen z. B. als „Kratzbaum“, um sich das Auge zu jucken, oder rempeln einen auffordernd an, damit sie gekrault werden. Wohlerzogene und gut sozialisierte Esel halten ca. eine Armlänge vor dem Menschen an und warten ab, ob sie sich weiter annähern dürfen. Sie knabbern nicht an der Kleidung und lassen sich ohne viel Mühe auch wieder wegschicken.
Esel können z. B. beim Züchter, von Privatleuten oder vom Verein der Noteselhilfe (www.noteselhilfe.org, 05.11.18) erworben werden.
Die Wahrscheinlichkeit, einen passenden Esel für Ihre Zwecke zu bekommen, ist bei einem seriösen Züchter am höchsten. Sie achten darauf, dass der Nachwuchs gut sozialisiert wird, die Eselstuten nicht permanent gedeckt werden und dass der Eselhengst gute Gene weitervererbt. Meist haben diese Esel einen höheren Verkaufspreis; das zahlt sich aber während eines langen Esellebens aus. Von Grund auf gesunde Esel benötigen Tierarzt und Hufschmied viel seltener. Hinzu kommt zum tadellosen Charakter ein klarer Geist, was Erziehung und Ausbildung vereinfacht.
Beispielsweise vor dem Schlachter „gerettete“ Esel haben meist eine traumatische oder unbekannte Vorgeschichte und sind häufig krank. Das ist keine gute Voraussetzung, um sie in tiergestützten Interventionen einzusetzen. Allerdings gibt es auch Ausnahmen (Abb. 9)!
Abb. 9: Bei diesem Mischling hat auch einmal ein Poitou-Esel seine Gene weitergegeben.
TIPP
Ich persönlich habe alle meine Tiere von Privatleuten gekauft, mit denen ich mich im Vorfeld stets ausgiebig über die jeweiligen Eigenschaften der Tiere und meine Ziele bzw. Wünsche ausgetauscht habe.
Am besten ist es, sich im Vorfeld zu überlegen, wo und wie der Esel später überhaupt eingesetzt werden soll:
● Soll mein Esel in engem Kontakt mit Menschen stehen (zum Kuscheln, Streicheln, Putzen etc.)?
● Möchte ich mit meinem Esel spazieren gehen, soll er für Tageswanderungen oder Mehrtagestouren eingesetzt werden?
● Soll er zum Reiten oder zum Fahren geeignet sein?
● Möchte ich mit ihm in Einrichtungen direkt zu Patienten oder Bewohnern gehen?
Entsprechend der Zielgruppe sollten Sie sich die Esel nach geeigneten Voraussetzungen aussuchen. Ein Miniesel z. B. kann nicht geritten werden, wohl aber eine Kutsche ziehen. Ein Großesel passt schlecht in den Aufzug zum Aufenthaltsraum eines Seniorenheims; hier eignet sich hingegen der Miniesel (Abb. 10).
Abb. 10: Miniesel beim Hausbesuch eines Patienten
Ein junger Esel kommt mit ca. zweieinhalb bis drei Jahren – zeitgleich zum Zahnwechsel – in die „Flegeljahre“ und ist erfahrungsgemäß bis zum sechsten Lebensjahr im Umgang recht schwierig.
TIPP
Sollten Sie mit der Ausbildung von Eseln noch keine Erfahrung haben, rate ich dringend von „Esel-Teenagern“ ab. Ein ausgewachsener Esel ist in diesem Fall mit Sicherheit die bessere Wahl.
Da Esel sich mehr als alle anderen Herdentiere paarweise zusammenfinden, bietet es sich an, zwei miteinander befreundete Esel zu kaufen. Nutzen Sie es also ruhig aus, wenn die Esel sich bereits mögen und kaufen Sie beide im „Doppelpack“ (Abb. 11).
Abb. 11: Esel leben lieber als alle anderen Herdentiere paarweise zusammen.
1.5 Haltungsbedingungen
Stall: Esel sind von Natur aus Langstreckenläufer, denn in ihrer ursprünglichen Heimat müssen sie weite Wege zurücklegen, um ihren täglichen Futterbedarf zu decken. Da Esel kein wasserabweisendes Fell haben, müssen sie aber immer die Möglichkeit bekommen, sich zugfrei unterstellen zu können. Ansonsten können sie sich an feuchtkalten Tagen schnell unterkühlen.
TIPP
Es eignet sich am besten die Offenstallhaltung mit einem befestigten Auslauf.
Ein Plastikstreifenvorhang hält im Sommer effektiv die Insekten aus dem Stall (Abb. 12). Eine Fliegenmaske schützt zusätzlich die Augen.
Abb. 12: Dieser Esel lugt neugierig hervor, wer im Auslauf mit dem Fotoapparat herumläuft.
Auch im Offenstall ist eine Quarantänebox sinnvoll – sollte z. B. ein Esel einmal krankheitsbedingt separiert werden müssen (Abb. 13).
Abb. 13: Quarantänebox
Zaun: Ein doppelter Zaun aus z. B. Holzbalken ist besonders langlebig.
TIPP
Sichern Sie den feststehenden Zaun am besten mit einer davor gespannten Stromlitze, damit die Esel ihn im Frühjahr aufgrund des juckenden Fellwechsels nicht als Kratzbaum missbrauchen oder im Winter das Holz anknabbern, denn Esel benötigen für eine einwandfreie Verdauung faserreiche Nahrung.
Wenn sich nach und nach die Pfähle lockern, sollte die Reparatur umgehend erfolgen. Esel sind sehr intelligent und verspielt und finden daher meist schnell einen Weg durch den Zaun. Außerdem kann auch eine saftige, grüne Wiese des Nachbarn den Esel von zuhause weglocken.
Futter: Esel sind überaus gute Futterverwerter und benötigen karge und faserreiche Kost. Die Fütterung aus einem engmaschigen Heunetz ist ein guter Kompromiss, den Esel mit Futter zu beschäftigen bzw. dafür zu sorgen, dass er seine Mahlzeit nicht wiedernatürlich schlingen kann (Abb. 14).
Abb. 14: Heunetz
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Das Raufutter (Heu, Stroh und Äste), das Trinkwasser und der Salzleckstein sollten weit voneinander entfernt platziert werden, damit die Esel sich möglichst viel bewegen. Denn nichts schadet Eseln mehr, als herumzustehen und nichts zu tun. |
Esel als „Rasenmäher“ einzusetzen, ist grundverkehrt. Da sie als Halbwüstentiere nur karges Futter gewöhnt sind, ist das Nahrungsangebot in unseren Breitengraden in der Regel zu gehaltvoll. Die Esel werden hier rasch zu dick. Fettleibigkeit führen zu Krankheit (häufig sind Verdauungsprobleme, Magengeschwüre oder Fettleber) und letztendlich zu einem frühen Tod. Erfahrungsgemäß werden die Esel in Nord- und Mitteleuropa allerdings nur um die 20 Jahre alt, dabei können sie unter den richtigen Bedingungen 35 Jahre und älter werden.
Weide: Möchten Sie Ihren Eseln den Gang auf die Weide nicht versagen, sorgen Sie für eine magere Wiese mit möglichst zuckerarmen Gräsern, die nur stundenweise beweidet werden kann. Frisches, grünes, saftiges Gras ist keine natürliche Ernährung für einen Esel. Die meisten Esel werden bei so einer Fütterung rasch übergewichtig und krank (Abb. 15). Die meisten eselgerechten Gräser können sich in Nord- und Mitteleuropa jedoch nicht lange halten, und die heimischen Gräser gewinnen schnell wieder die Oberhand.
Abb. 15: Esel weiden frisches Gras schnell ab.
Es gibt ein Beweidungsprojekt mit Eseln bei Köln (in der Wahner Heide), das recht gut funktioniert. Die dort von Frühjahr bis Herbst lebende Eselherde (ca. zwanzig Tiere) nimmt auf dem Gelände an Gewicht nicht zu, da die Tiere bei der Futtersuche am Tag durchschnittlich zehn Kilometer und mehr zurücklegen und neben kargen Gräsern auch jede Menge Buschwerk fressen (www.wahnerheide.net, 29.10.2018).
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Der Stein- und Geröllwüstenbewohner Esel braucht kein frisches Gras, denn es ist nicht seine natürliche Nahrung! |
Immer wieder wird argumentiert: „Ich mähe die Wiese regelmäßig, damit die Esel nicht so viel fressen können.“ Das ist jedoch ein Trugschluss: Eine Weide, die durch Mähen ständig kurz gehalten wird, ist viel gehaltvoller als eine Weide, auf der die Gräser lang gewachsen sind und bereits in Blüte stehen (Abb. 16).
Abb. 16: Es ist ein Irrglaube, dass ein kurzer Rasen besser für den Esel geeignet ist.
Kurzes Gras ist sogenanntes „gestresstes Gras“, das wachsen will und besonders viel Energie in den Halm steckt. Lange Gräser in Blüte hingegen sind meist schon angetrocknet und fast mit Heu vergleichbar (Abb. 17).
Abb. 17: Ein Esel soll vertrocknete und zuckerarme Gräser bekommen.
Pflege: Den Esel täglich zu putzen, mag aufwendig erscheinen, denn sie wälzen sich oft bis zu 15 Mal am Tag (Abb. 18). Doch das Bürsten dient nicht nur der Sauberkeit. Gleichzeitig regt das feste Bürsten die Durchblutung und damit den Kreislauf an – und ganz nebenbei kann man den Esel auf Verletzungen untersuchen.
Abb. 18: Esel wälzen sich mehrmals am Tag ausgiebig.
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Das Bürsten ist vor allem als sozialer Kontakt zu verstehen! |