cover

Westend Verlag

Ebook Edition

Per Molander

Die Anatomie der Ungleichheit

Woher sie kommt und wie wir sie beherrschen können

aus dem Schwedischen von
Jörg Scherzer

Westend Verlag

Mehr über unsere Autoren und Bücher:

www.westendverlag.de

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig.

Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

ISBN 978-3-86489-682-8

© Westend Verlag GmbH, Frankfurt/Main 2017

Umschlaggestaltung: Buchgut, Berlin

Satz und Datenkonvertierung: Publikations Atelier, Dreieich

Inhalt

Zitat
1 Die Ungleichheit und ihr Schatten
2 Murmeln spielen
Verhandeln ist notwendig
Eine lange Geschichte
3 Die Archäologie der Ungleichheit
Unsere nächsten Verwandten
Jäger, Sammler und Bauern
Frühe historische und klassische Zeit
Mittelalter
Moderne Beispiele
Theoretische und tatsächliche Ungleichheit35
Zusammenfassung
4 Das Ende des Märchens
Die Elementarverhandlung
Verhandlungen nach Nash2
Die langsichtige Dynamik des Verhandlungsspiels5
Modell und Wirklichkeit
Die Brücke zwischen Sein und Soll7
5 Die Kunst des Fliegens
Stabilität in einer unsicheren Welt
6 Zurück zum Sozialkontrakt
Klassisches und mittelalterliches Denken
Moderne Theorien
Die liberale Antwort
Rousseaus Sozialkontrakt10
Das Individuum und das Kollektiv13
Moderne analytische Versionen15
Der Gesellschaftsvertrag – und dann?
7 Liberalismus und Ungleichheit
Konturen des Liberalismus1
Das Fehlen eines stabilen Gleichgewichts
Legitimitätsfragen
Der Liberalismus und die Verteilungspolitik
Der Wert der Ungleichheit
8 Der Konservatismus: Ungleichheit als Notwendigkeit und Ressource
Das Fehlen eines stabilen Gleichgewichts
Legitimitätsprobleme
Religiöse Grundlage: der Hinduismus7
Religiöse Grundlage: das Christentum
Religiöse Grundlagen: der Islam20
Säkulare Grundlagen
Die Umverteilung von Einkommen und Vermögen
9 Die Sozialdemokratie und die Ungleichheit
Das Fehlen eines stabilen egalitären Gleichgewichts
Strategien der Umverteilung
Warum sich engagieren?
Was sollte getan werden?
10 Bilanz
Literatur
Anmerkungen

Anmerkungen

1 John Philpot Curran: »Election of Lord Mayor of Dublin«. Rede vor dem Geheimrat in Dublin 1790 (Curran 1865, 105).

1. Die Ungleichheit und ihr Schatten

1 Kramer (1981), 104.

2 Parkinson (1991), 63. Weiterführende Literatur zur Ideengeschichte: Sabine & Thorson (1973), Strauss & Cropsey (red.) (1987) und Kymlicka (1990).

3 Rawls (1972), Nozick (1974).

2. Murmeln spielen

1 Oxfam (2015).

2 Selander (1926).

3 Kemeny & Snell (1976): Die Markow-Kette ist hier Teil des Arguments.

4 Dr. Pangloss ist ein Protagonist in Voltaires Candide (1759). In Tvärsnitt (Querschnitt) (1984) habe ich einen Beitrag über das Pangloss-Paradigma geschrieben, in dem weitere Literatur zu finden ist, in der die Rationalität der Evolution infrage gestellt wird.

5 Shubik (1954).

6 Zur Fortpflanzung siehe Emlen & Oring (1977); zur Forschung zu See-Elefanten siehe Le Boeuf (1974).

7 Allgemein zu Tauschtheorien: Bredemeier (1978), Coleman (1990), Homans (1961).

8 Praktische Illustrationen zu Verhandlungsproblemen finden sich bei Fisher & Ury (1981) und Raiffa (1982).

9 Modelle für politische Verhandlungen sind ein weiter, umstrittener Forschungsbereich. Mueller (1989) und Ordeshook (1992) enthalten Übersichten zur Literatur über ökonomische Rationalitätsmodelle, wie Downs (1957), Buchanan & Tullock (1962) und Buchanan (1975). Kritische Analysen dieses Ansatzes in Barry (1965) aus staatswissenschaftlicher und in Udehn (1996) aus soziologischer Perspektive.

10 Adam-Smith-Zitat: Wealth of nations, Book I, Ch. II.

11 Über Brautkauf und Mitgift siehe Goody (1983).

12 Die erwähnte Klassiker sind Durkheim (1893), Malinowski (1922) und Mauss (1923–1924), 30.

3. Die Archäologie der Ungleichheit

1 Über Maße der Ungleichheit: Atkinson (1983) und Cowell (2000).

2 Dass Analysen der Ungleichheit auch die Unterschiede bzgl. der Möglichkeiten und nicht nur der tatsächlichen Aktiva zu beachten haben, wurde von Amartya Sen betont. Siehe Sen (1985), (1992).

3 Studien zu Primaten: de Waal (2005), Gallup (1970), Byrne & Whiten (1997), Goodall (1990).

4 Zur Hackordnung bei zahmen Hühnern: Schjelderup-Ebbe (1922).

5 Zum Dominanztrieb siehe Maslow (1933–4).

6 Hobbes-Zitat: Leviathan, Hobbes (1651), Kap. 11.

7 Allgemeine Übersichten bei Brown (1991), Scarr (red.) (2005). Im Übrigen siehe Evans-Pritchard (1940), Sahlins (1972), Service (1975). Über die Entwicklung der sozialen Intelligenz siehe weiter Boehm (1997) und Barton & Dunbar (1997).

8 Zur zentralrussischen Ebene: Soffer (1985).

9 Lekberg (2002).

10 Bowles et al. (2010).

11 Smith et al. (2010).

12 Gurven et al. (2010).

13 Borgerhoff Mulder et al. (2010).

14 Murdock & White (2010).

15 Taçon & Chippendale (1994).

16 Die Bedeutung organisierter Gewalt für die Sozialstruktur wird behandelt von Boix (2010).

17 Gellner (1988).

18 Wittfogel (1957); kritische Analysen in Butzer (1976) und Mann (1986).

19 Shenk et al. (2010).

20 Smith et al. (2010b).

21 Foxhall (2002) und Osborne (1992), zit. bei Scheidel (2010).

22 Klassische Analysen der Sozialstruktur Athens sind Burns (1966) und Finley (1953).

23 Ein genaue Analyse der Solon’schen Reformen anhand zeitgenössischer Dokumente ist Stanton (1990).

24 Milanovic u.a. (2007).

25 Garnsey (1988).

26 Eine Übersicht der wirtschaftlichen und demografischen Geschichte der letzten 1 000 Jahre: Maddison (2001).

27 Bekar & Reed (2009) und Campbell (2008), für Paris: Sussmann (2008), für Byzanz und Rom: Milanovic (2006) respektive Milanovic et al. (2007).

28 Über den Sklavenhandel siehe Thomas (1997).

29 Lindert (2000), Soltow & van der Zanden (1998) und Morrisson (2000).

30 OECD (2011) enthält eine Übersicht der Entwicklung in den OECD-Ländern während der letzten Jahrzehnte. Siehe weiter Brandolini & Smeeding (2009) und Immervoll & Richardson (2011).

31 Piketty (2013).

32 Ferreira & Ravallion (2009).

33 Voitchovsky (2009).

34 Bourguignon & Morrisson (2002).

35 Dieser Abschnitt basiert auf Milanovic et al. (2007).

36 Die Möglichkeit, den Wechsel zu neuen Voraussetzungen zu bewältigen, wird für Europa analysiert von: Mayer (1981).

4. Das Ende des Märchens

1 Das Gedicht Sigfrid Lindströms wurde zuerst 1927 in der Sammlung De besegrade [Die Besiegten] veröffentlicht.

2 Nashs Abhandlung (Nash 1950) und eine Reihe anderer Schlüsselwerke wurden wiederveröffentlicht in Kuhn & Nasar (2002). Ein moderne Darstellung zum Beispiel bei Osborne & Rubinstein (1990).

3 Dehaene (2003).

4 Eine Übersicht über die Entwicklung seit Nash mit Schlüsselpublikationen anderer Forscher bei Thomson (red.) (2010). Die hauptsächlichen Alternativen zu Nash sind die Lösung von Kalai-Smorodinsky (Kalai & Smorodinsky 1975) und die sog. egalitäre Lösung (Kalai 1977) (die nicht sonderlich egalitär ist). Ok (1998) hat gezeigt, dass Nashs Lösung eine effektive Abwägung zwischen Effektivität und Verteilungsambitionen ist, während dies bei Kalai-Smorodinskys Lösung nicht der Fall ist. Nashs Ansatz ähnelt dem von Kenneth Arrow zum gleichen Zeitpunkt zur Analyse kollektiver Entscheidungsprobleme verwendeten, vgl.; Arrow (1950), Kelly (1978). Nash schlug ein strategisches Modell vor, mit dem Auktionsprozess als Alternative zu seinem Hauptmodell. Realistischere Modelle waren bereits entwickelt worden von Zeuthen (1930), ein späteres wurde von Harsanyi (1956) vorgestellt. Das heute meist verwendete Modell geht zurück auf Ståhl (1972) und Rubinstein (1982); vgl. außerdem Ståhl (1994). Weitere Argumente für die Lösung Nashs bei van Damme (1986) und Young (1993).

5 Der Beweis für die Behauptung erfordert keine höheren mathematischen Kenntnisse als zwei Semester Mathematik. (Differenzial und Integral). Die Risikobereitschaft wird mithilfe von Arrow-Pratts definiert (Pratt 1964; Arrow 1965, 1971). Die Forderung nach einer abnehmenden Risikobereitschaft mit zunehmenden Aktiva ist notwendig. Für eine empirische Diskussion dieser Voraussetzung siehe Meyer & Meyer (2006).

6 Smith-Zitat aus Wohlstand der Nationen. Buch I Kap. VIII.

7 Humes Diskussion der Beziehung zwischen Sein und Soll in Hume (1739– 1740), Buch III, Teil I, Abschnitt I. Humes These wurde weiterentwickelt von Moore (1903), Hägerström (1911); für kritische Analysen siehe Prior (1960) und Searle (1964).

8 Schurz (1997).

5. Die Kunst des Fliegens

1 Eine lesenswerte Darstellung der Flugversuche mit Geräten schwerer als Luft ist Tobin (2003).

2 Das Zitat von Orville Wright in: Wright (1913).

3 Über den Zusammenhang zwischen der Entwicklung der Kommunikationssysteme und die Verbreitung ansteckender Krankheiten siehe McNeill (1976).

4 Das Zitat von Wilbur Wright bei Jakab & Young (red.) (2000).

5 Über die Versuche Elmer Sperry siehe Hughes (1971).

6 Källström (1979).

7 Keynes (1936) über die intellektuelle Abhängigkeit von verstorbenen Ökonomen.

8 Die Geschichte des Feedback wird behandelt in Mayr (1969). Eine Quelle mit frühen wichtigen Beiträgen ist Bellman & Kalaba (1964).

9 Frankena (1973), Mackie (1977).

10 Ullman-Margalit (1977).

11 Standardreferenzen für moralische Reife sind Piaget (1932/1960) und Kohlberg (1981).

12 Über den Zehnten siehe Lane Fox (1986), Kap. 10.

13 Ähnlich kritische Gedanken zur Suche nach der perfekten Konstitution bei Sen (2009).

6. Zurück zum Sozialkontrakt

1 Zitat nach Hume (1742). Allgemeine Referenzen für den ideenhistorischen Überblick wie oben genannt Sabine & Thorson (1973), Strauss & Cropsey (red.) (1987) und Kymlicka (1990). Für einen mehr auf das eigentliche Verteilungsproblem ausgerichteten Überblick siehe Sandmo (2014).

2 Nicholas von Kues zitiert nach Sabine & Thorson (1973).

3 Filmer (1652).

4 Hobbes (1651), Kap. 21.

5 Hobbes (1651), Kap. 13.

6 Tuck (1989), Teil III.

7 Locke (1690), § 6; siehe auch Laslett (1988).

8 Locke (1690), §§ 27, 40, 193 respektive 4. 203.

9 John Locke: Zweite Abhandlung über die Regierung.

10 Rousseau (1755).

11 Rousseau (1755).

12 Der Hinweis auf die moderne Abstimmungstheorie betrifft Condorcets Jurytheorem; siehe zum Beispiel Nurmi (2002) und Molander & Nurmi (2002).

13 Ideenhistorischer Hintergrund in: Hirschman (1977) und Myers (1983).

14 Merton (1936). Beiträge zur Tradition: Vico (1725), von Hayek (1967) und Campbell (1974).

15 Braithwaite (1955), Hamilton (1964), Trivers (1971), Axelrod (1984) mit kritischem Kommentar in: Molander (1992).

16 Rawls (1972), Nozick (1974).

17 Harsanyi (1977), Binmore (1994), (1998), (2005).

7. Liberalismus und Ungleichheit

1 Eine Einführung in den Liberalismus und wichtige Quellen: Bramsted & Melhuish (1978).

2 Arblaster (1984) legt eine kritische Perspektive an die Ideengeschichte des Liberalismus an.

3 Macfarlane (1978), Le Roy Ladurie (1975).

4 Nozick über Besteuerung als Strafarbeit: Der Text stellt keine generelle Analyse von Nozicks Theorie dar. Jedoch erscheint der Hinweis angemessen, dass Nozicks Argument seine eigene Rekonstruktion des Nachtwächterstaates betrifft. Was ein solcher Staat umfassen soll, ist keineswegs eindeutig. Manche begnügen sich mit einer Landesverteidigung durch eine Miliz, während andere Kernwaffen für nötig halten. Falls anderes als die Minimal-Möglichkeit realisiert wird, werden die Befürworter in Nozicks Terminologie der Strafarbeit ausgesetzt.

5 Nozick (1974), S. 331.

6 Popper (1945), von Hayek (1967).

7 Sadurski (1985), Kap. 5.

8 Knight (1923).

9 Milanovic (2009).

10 Die Lohnvergleiche für die USA von Mishel (2006) und für Schweden von Bergström & Järliden in: Bergström (2013).

11 Trollope (1883).

12 Siehe etwa Letwin (red.) (1983) passim.

13 Nilsson (2009).

14 Herrnstein & Murray (1994). Kritische Analysen der statistischen Bearbeitung siehe Heckman (1995). Eine allgemeinere Kritik findet sich bei Fischer et al. (1996).

15 [eigene Übersetzung] vgl. Rawls (1972), Absatz 46.

16 Tuomala (1990).

17 Mulhall & Swift (1996), bei Rechtsliberalen und Konservativen: Nozick (1974), Letwin (red.) (1983); Methodenkritik: Harsanyi (1977b), Binmore (1994, 1998, 2005).

18 Kritik an Harsanyi: Sen & Williams (1982), Introduction.

19 Savage (1954), Anscombe & Aumann (1963), Pratt, Raiffa & Schlaifer (1964); außerdem die Diskussion in: Harsanyi (1977).

20 Humboldt (1792).

21 De Tocqueville (1835–1840).

22 Mill (1859), (1848).

23 Schumpeter (1943), insbesondere Teil II.

8. Der Konservatismus: Ungleichheit als Notwendigkeit und Ressource

1 Für eine Einführung in die Ideen des Konservatismus mit Schlüsseltexten siehe Muller (1997).

2 Hirschman (1991), Boulding (1975), Keyfitz (1973). Die Stabilität bei ungleichen Verteilungen wird von völlig anderen Ausgangspunkten diskutiert in Banerjee and Duflo (2011), Banerjee et al. (red.) (2006) und Piketty (2000).

3 Über die Sklaverei im 20. Jahrhundert vgl. Miers (2003), der jedoch eine relativ breite Definition zugrunde legt.

4 Siehe Popper (1945) für eine klassische Kritik.

5 Maistre (1814).

6 Collins (1998) für eine breite Analyse des Zusammenspiels zwischen den Religionen und den sie umgebenden Gesellschaften.

7 Rothermund (1993), Basham (red.) (1975) und Gandhi (1947/2001).

8 Bamshad et al. (2001).

9 Dt. Übersetzung von Johann Chr. Hüttner: Die Gesetze des Manu. Husum, 1981. (Überarbeitete Fassung von »Menu’s Verordnung nach Cullucas Erläuterung«. Weimar, 1797).

10 Die Gesetze des Manu, I:99-101, VIII:37.

11 Über die Problematik der Paulus-Gestalt: siehe Eisenman (1997).

12 Bibelzitate: »Mein Reich …«: Joh. 18:36; »Gebt dem Kaiser …«: Matt. 22:21, Mark. 12:17, Luk. 20:25; »Jeder Mensch …«: Rom. 13:1–2; »Darum …»: Röm. 13:6–7.

13 Der Konflikt zwischen dem Verbot zu töten und dem Dienst in der kai-serlichen Armee wird diskutiert von Lane Fox (1986), passim.

14 Über Gregor VII: siehe Berman (1983), Kap. 2.

15 Über den sumerischen Ursprung des Hohen Lieds siehe Kramer (1981), Kap. 33.

16 Noah-Zitat: 1. Mos. 9:20–27. Allgemein zu Noahs Fluch: Haynes (2002).

17 Frühe jüdische Kommentatoren: Braude (1997). Origenes Predigten über Genesis und Exodus und Augustinus Gottesstaat von Haynes (2002).

18 Über Noas Fluch als Legitimierung der Stellung des Adels, siehe Freedman (1999), Kap. 4.

19 Zur Veränderung der Zehn Gebote durch das Christentum 2 Mos. 20:4 (beziehungsweise 2 Mos. 34:17) zur ursprünglichen Version. Das Zitat von Matt. 5:18.

20 Allgemeine Referenzen zum Islam Gellner (1981) und Crone (2004).

21 Crone (2004), Berkey (2003).

22 Crone (2004), 342.

23 Zitat über den Hinduismus von Chaudhuri (1979), 27.

24 Koranzitate: 43:32 respektive 62:4.

25 Crone (2003), Kap. 17.

26 Bezüglich der Sklaverei: Braude (2003).

27 Zum Sklavenhandel während des Hadsch: Miers (2003), Kap. 7.

28 Hume (1739–40), Buch III, Teil II, Abschnitt III. Barry (1965), Anm. U.

29 De Maistre (1819), Burke zitiert nach Muller (1997), Introduction.

30 Die südafrikanische Archäologie während der Apartheid: Hall (1990).

31 De Maistre als Utilitarist, zit. n. Muller (1997), Introduction.

32 Merton (1936).

33 Über die ideologische Entwicklung der amerikanischen Rechten siehe Gelin (2012).

9. Die Sozialdemokratie und die Ungleichheit

1 Smith (1776), Buch I, Kap. X, Teil II.

2 Ghemawat (1990).

3 Zum Ausgleich von Voraussetzungen: Meghir & Palme (2005), Björk­lund & Jäntti (2009), Corak (2013).

4 Nordén (2005).

5 Zur Auswirkung von Gewerkschaften siehe: Visser & Checchi (2009).

6 Okun (1975).

7 Über den Zusammenhang zwischen Verteilung und wirtschaftlicher Entwicklung vgl. Voitchovsky (2009).

8 Zur wirklichen Größe des amerikanischen Wohlfahrtsstaates vgl. Howard (1997).

9 Über die Beziehungen zwischen öffentlichem Sektor und ökonomischer Entwicklung gibt es umfangreiche und teilweise widersprüchliche Darstellungen, zum Beispiel Agell et al. (1995), Agell et al. (1997), Atkinson (1995), Barro (1991), Cashin (1995), Hansson & Henrekson (1994), Katz u.a. (1983), Koester & Kormendi (1989), Landau (1983), Levine & Renelt (1992), Levine & Zervos (1993), Ram (1986) und Slemrod (1995).

10 Mikrostudien zur Arbeitslosenversicherung: Carling u.a. (2001), Krankenversicherung: Johansson & Palme (2002) resp. Renten: Gruber & Wise (red.) (1999).

11 de Waal (1996).

12 Jordahl (2009).

13 Die moderne Erforschung von Vertrauen und sozialem Kapital begann mit Putnams Buch Making Democracy Work (1992), das seinerseits auf Edward Banfields Studie The Moral Basis of a Backward Society (1958) aufbaute. Eine relativ frühe Referenz ist auch Coleman (1990), Kap. 12. Einer von Putnams meistzitierten Beiträge ist »Bowling Alone: America’s Declining Social Capital« von 1995. Eine erweiterte Version in Buchform ist Putnam (2000). Die Zusammenfassung stammt von Putnam (2001).

14 Wilkinson (2005), Wilkinson & Pickett (2009).

15 Über die Zusammenhänge zwischen Vertrauen und wirtschaftlicher Wachstumsgeschwindigkeit siehe Bjørnskov (2009).

16 World Bank (2005).

17 Corak (2013).

10. Bilanz

1 Camus (1942).

1 Die Ungleichheit und ihr Schatten

Die Ungleichheit hat den Menschen vom Beginn seiner Existenz an begleitet. Überall hat sie Spuren hinterlassen, die von Archäologen freigelegt und erforscht wurden.

Eine sumerische Hymne aus Nippur, in Keilschrift geschrieben und 1951 übersetzt, preist die Göttin Nansche:

»Sie, welche die Waise kennt, welche die Witwe kennt,
die Unterdrückung des Menschen durch den Menschen kennt,
Mutter der Waise ist.
Nansche, welche für die Witwe sorgt, 
die Gerechtigkeit für die Ärmsten verlangt.
Die Königin nimmt den Flüchtling in ihren Schoß,
Gibt dem Schwachen Schutz.«
1

Das Fragment ist viertausend Jahre alt und damit eines der ältesten uns bekannten Dokumente. Es berichtet von Unterdrückung und von Waisen und Witwen, die die Gruppen der Unterdrückten repräsentieren. Auch ein verhaltener Zorn angesichts des Stands der Dinge lässt sich erkennen – der Text hat einen moralischen Resonanzboden. Vollkommen einzigartig ist er jedoch nicht. Der folgende Text auf einer Stele, die zu Beginn des zweiten Jahrtausends vor unserer Zeitrechnung errichtet wurde, preist dieselben Tugenden:

Ich war mildtätig und freigebig
Ein lobenswerter hoher Beamter

Ich war ein Freund der Kleinen,
Milde zu den Mittellosen

Ich sorgte für die Hungrigen ohne Besitz
Freigebig gegenüber den Armen
2

Ein weiteres Zeugnis für Ungleichheit und für die ethische Norm, sie auszugleichen.

Im Verlauf der Geschichte blieb die Situation lange unverändert. Erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts haben wir begonnen, uns einem Ideal angemessener Gleichheit anzunähern – allgemeines Wahlrecht, prinzipielle Gleichheit vor dem Gesetz, Achtung vor der Integrität des Individuums und grundsätzliche materielle Sicherheit – wenn auch nur in einigen Teilen der Welt, und selbst in der westlichen Welt mit gelegentlichen Rückfällen in den Despotismus. In allen wesentlichen Punkten ist die Geschichte der Menschheit eine Geschichte der Ungleichheit.

Eine solche Unveränderlichkeit im Zeitverlauf verlangt nach einer Erklärung. Nicht nur die Ungleichheit an sich, sondern auch die Normen der Gleichheit, die ihr wie ein Schatten gefolgt sind, verdienen eine Untersuchung. Wer immer die oben zitierten Zeugnisse niederschrieb, er reagierte offenbar auf die Verhältnisse und hatte eine Vision von einer anderen Gesellschaft.

Politische Philosophie beschäftigt sich mit der Frage, was man unter einer guten Gesellschaft versteht. Im Wesentlichen gibt es drei Arten des Philosophierens. Die eine setzt – relativ bequem – beim Status quo an und diskutiert die Frage, wie man am besten und vorzugsweise mit marginalen Veränderungen von der aktuellen Situation ausgeht. Vertreter dieser philosophischen Methode sind Machiavelli und Hume.

Eine zweite Tradition, wie Platons Politeia oder die Manu­smriti, der Entwurf einer indischen Kastengesellschaft, erstellt die Skizze einer Gesellschaft, ohne Argumente für oder gegen unterschiedliche Möglichkeiten. Hierbei handelt es sich nicht um politische Philosophie im eigentlichen Sinn, da man der Frage aus dem Weg geht, wie die empfohlene Lösung Legitimität erlangen solle und sich mit dem Verweis auf historisch Dunkles und Mystisches begnügt. Aus neuerer Zeit sind Beispiele hierfür die Utopia des Thomas Morus, Tommaso Campanellas Der Sonnenstaat und die Visionen von Robert Owen und den utopischen Sozialisten. Ein gemeinsamer Zug dieser Entwürfe, bei deren Lektüre man sich mitunter eines Lächelns nicht erwehren kann, ist der Detailreichtum. Nicht nur Regeln und Vorschriften für alle Lebenslagen gehören zu diesem Paket, sondern auch Ausführungen zur Städteplanung.

Eine dritte, ursprünglichere philosophische Tradition versucht, Rechte und Freiheiten zu bestimmen, um auf dieser Grundlage eine legitime Basis der politischen Macht zu definieren. Eine der wichtigsten Traditionen versteht den Bau der Gesellschaft als Sozialvertrag, dem zufolge eine Gruppe von Individuen einen Teil ihrer naturgegebenen Freiheit aufgeben, um zugleich der Früchte einer sozialen Gemeinschaft teilhaftig zu werden. Hier beschäftigt sich die philosophische Erörterung mit den Vertragsbedingungen.

Eine tatsächliche historische Situation wird mit diesem Denkmodell natürlich nicht beschrieben, selbst wenn man dem mitunter recht nahekam. Der Vorzug liegt vielmehr darin, dass historische Hinterlassenschaften und andere Zufälligkeiten außer Acht gelassen werden. Der Ausgangspunkt der Überlegungen ist ein egalitärer Zustand; eine Garantie für ein egalitäres Ergebnis gibt es jedoch keineswegs. Intellektuell ist dieser Ansatz ansprechend; Vertragstheorien wurden in gleichbleibender Häufigkeit von der klassischen bis in die moderne Zeit publiziert. Erste Ansätze finden sich bei griechischen Philosophen, bei Epikureern, Zynikern und Stoikern, Versuche, die von Lukrez im 1. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung in seinem Werk Von der Natur der Dinge systematisiert wurden. Im Mittelalter wurde die Idee innerhalb eines christlichen Rahmens von Manegold von Lautenbach und Nikolaus von Kues aufgegriffen. Marsilius von Padua ist so kühn, den Vertrag auf nichtreligiöser Grundlage zu diskutieren, und war damit seiner Zeit weit voraus. Noch im 17. Jahrhundert schrieben Hugo Grotius und Thomas Hobbes innerhalb eines religiösen Rahmens, obwohl deutlich zu erkennen ist, dass keiner von ihnen Gott als Hypothese benötigte. Rousseaus Analyse des Sozialkontraktes kündigte die Französische Revolution an.

Hobbes und Rousseau provozierten liberale Antworten, die zum klassischen Liberalismus überleiteten. Wer in dieser Tradition schrieb – Mandeville, Smith, Mill und andere – bediente sich nicht der Terminologie von Sozialkontrakten. Späte Autoren wie von Hayek haben gar ihren Widerwillen gegen die ganze Idee geäußert. Gleichwohl kreisen die Arbeiten dieser Autorengruppe häufig um eine Art Idealverfassung – ein populäres Werk von Hayeks trägt den Titel The Constitution of Liberty (1960, dt. 1991, Die Verfassung der Freiheit) – der Ansatz in der Sache ist also vorhanden, auch wenn er nicht erwähnt wird.

Obwohl die Idee von einem Sozialkontrakt vor allem unter dem Druck konservativer und rechtsliberaler Kritik ein wenig von ihrer Attraktion eingebüßt hat, wurde sie in den 1970er-Jahren mit John Rawls Eine Theorie der Gerechtigkeit neu belebt, und als Robert Nozick einige Jahre später mit Anarchie-Staat-Utopia zum Gegenangriff überging, bediente auch er sich der Kontraktterminologie, mochte der Kontrakt selbstverständlich auch einen anderen Inhalt haben.3 Der Sozialkontrakt als Denkfigur hat uns seit zweitausend Jahren begleitet und offenbar wird das auch noch weiter der Fall sein.

Recht bemerkenswert ist, dass auffallend viele politisch-philosophische Arbeiten offensichtlich ohne jeden Kontakt zu den Sozialwissenschaften entstanden sind. Will man diskutieren, wie menschliche Beziehungen im politischen Bereich geregelt werden sollten, sei es in der Form eines Sozialkontrakts oder einer idealen Verfassung, sollte das Wissen darum, wie Menschen in unterschiedlichen Situationen reagieren, selbstverständlich zu den Grundlagen gehören. Da Politik sich größtenteils mit der Verteilung sowohl der materiellen wie der nichtmateriellen Ressourcen einer Gesellschaft beschäftigt und da die ungleiche Verteilung dieser Ressourcen bei einem Überblick über die Geschichte der Menschheit dominiert, ist der angemessene Ausgangspunkt eine Analyse der Mechanismen der Ungleichheit. Die dominierende Frage lautet: Warum sind alle Gesellschaften ungleich? – und die natürliche Anschlussfrage: Kann Ungleichheit politisch beeinflusst werden? Wenn die Ungleichheit ein durchgehender Zug in praktisch allen Gesellschaften ist, sollte man womöglich darauf verzichten, dies zu beeinflussen – ein Gedanke, der regelmäßig von konservativer Seite vorgetragen wurde und wird. Jedoch handelt es sich hier um eine voreilige Schlussfolgerung. Selbst wenn man die Ungleichheit nicht beseitigen kann, lässt sie sich nach Grad und Struktur womöglich jedoch beeinflussen und auf diese Weise innerhalb natürlicher Grenzen halten.

Die dritte Frage lautet, wie die klassischen ideologischen Hauptentwürfe – der Liberalismus, der Konservatismus, der Sozialismus – sich als Phänomene zur Ungleichheit verhalten. Schließlich sollen die Ideologien als eine Art Landkarte dienen, mit deren Hilfe wir uns auf dem Terrain der Politik orientieren. Ist die Ungleichheit ein fundamentales Problem der Politik, besitzt eine kritische Überprüfung, wie sie innerhalb jener ideologischen Hauptentwürfe beschrieben und bearbeitet wird, zentrale Bedeutung für deren Geltungsanspruch.

Zu erleben, wie ihre Rechte den Aktiven zum
Opfer fallen, ist das übliche Schicksal der Passiven,
Gott hat dem Menschen die Freiheit unter der Bedingung
ständiger Wachsamkeit geschenkt.
1

John Philpot Curran,
irischer Jurist und Politiker, 1790

4 Das Ende des Märchens

Mein liebes Kind, nun ist das Märchen zu Ende,
der Prinz und die Prinzessin kamen in ihr Königreich
und wurden mit Pomp und Salut empfangen
Und du, du musst jetzt schlafen.

Und als sie nach der gefährlichen Reise zu Hause waren
passierte ihnen gar nichts mehr,
nur Sachen wie sie jedem anderen hier
auf der Welt passieren.
Die Jahre vergingen, und die Prinzessin wurde alt und fett,
und der Prinz wurde alt und mager
und sie bekam Migräne und Familienärger
und er Krieg und Gicht.

Aber darüber musst du dir keine Sorgen machen
denn du, du sollst jetzt einfach schlafen
und davon träumen, dass du der Prinz bist
und die Prinzessin aus Gefahr gerettet hast.

Und wenn du so lange geträumt hast,
wird die Sonne dich im Bett überraschen.
Dann musst du schnell die Kleider anzieh‘n,
denn morgen mäht man Heu auf der Wiese.

(Sigfried Lindström, «Das Ende des Märchens«)1

Alle Kontrakttheoretiker, von Lukrez über Marsilius von Padua, Hobbes und Locke bis zu modernen Philosophen wie Rawls und Nozick suchten nach dem perfekten Vertrag, der die hypothetischen Individuen in einer staatenlosen Gesellschaft auf ihrem Marsch durch die Geschichte von einer Generation zur nächsten führt. Ihre Lösungsvorschläge fielen im Lauf der Jahrhunderte unterschiedlich aus, der Grundentwurf blieb derselbe. Eine politische Theorie mit einem solchen Anspruch muss die sozialen Mechanismen berücksichtigen, die die Entwicklung nach Abschluss der Vertragsverhandlungen bestimmen werden. Seine Überlegungen bei der Unterzeichnung des Vertrages zu beenden wäre vergleichbar mit dem Ende eines Märchens, wo der Prinz die Prinzessin bekommt, nachdem er sie vor dem Drachen gerettet hat. Das ist nicht das Ende des Märchens, es ist vielmehr sein Beginn.

Wie muss man sich eine Gruppe von Menschen vorstellen, die sich zur Unterzeichnung eines Sozialvertrags versammelt? Historisch ist es natürlich niemals zu dieser Situation gekommen. Am nächsten kommen dem jene Szenarien, in denen sich neue Länder, zum Beispiel nach einem Befreiungskrieg, mit der Aufgabe konfrontiert sehen, eine Verfassung zu entwerfen. Aber auch in solchen relativ offenen Situationen sind die Verfassungsautoren zwangsläufig einer Vorgeschichte und einer sozialen Struktur verhaftet, die sie berücksichtigen müssen, wenn das konstitutionelle Projekt gelingen soll. Unterschiede hinsichtlich des Vermögens und des sozialen Status werden höchstwahrscheinlich Einfluss auf die Ausformung der Verfassung haben.

Als Gedankenexperiment kann man sich das folgende Szenario vorstellen. Eine erste Voraussetzung ist, dass die Individuen in jenen Belangen identisch sind, die die Ausformung des Sozialvertrages beeinflussen können. Individuellen Unterschieden darf ebenso wenig Vorrang eingeräumt werden wie bei der Diskussion moralischer Normen. Das muss nicht heißen, dass es keine signifikanten Unterschiede gibt. Ist der Vertrag unterschrieben, wird sich zeigen, dass einige Individuen es vorziehen, in dicht besiedelten Orten zu leben, um Handel zu betreiben, während andere sich mit Landwirtschaft beschäftigen. Manche werden unternehmungslustig und risikobereit sein, andere vorsichtiger. Von einigen ist zu erwarten, dass sie bei ihren Mitbürgern schmarotzen, und der Vertrag muss auch diese Möglichkeit in Rechnung stellen.

Zu den grundlegenden Voraussetzungen muss auch gehören, dass alle bei Spielbeginn die gleichen Voraussetzungen haben – materiell, intellektuell und so weiter –, mit diesen Voraussetzungen jedoch in unterschiedlicher Weise umgehen. Wie sich das Leben anschließend gestaltet, lässt sich nicht präzise voraussagen. Es wird sowohl positive wie negative Überraschungen geben – unerwartete Entdeckungen, Naturkatastrophen und vieles andere. Nimmt man an, dass die Ausgangsvoraussetzungen die Voraussetzungen des größten Teils der Menschheit während des größten Teils der Geschichte widerspiegeln, werden die Lebensbedingungen in der Nähe des Existenzminimums liegen.

Eines aber ist sicher: Die entstehende Gesellschaft wird geprägt sein von Arbeitsteilung und kollektiven Anstrengungen und damit auch von Verhandlungen darüber, wie das Ergebnis verteilt werden soll. Manche jagen, andere sammeln. Unter den Jägern schrecken einige die Beute auf, während andere sie fangen. Die Früchte der Arbeit unterschiedlicher Individuen müssen gegeneinander getauscht werden, und dies erfordert Bedingungen für diesen Austausch – Voraussetzung dafür sind offene oder stillschweigende Verhandlungen. Darum ist der Ablauf solcher Verhandlungen entscheidend für die weitere Entwicklung der Gesellschaft.

Die Elementarverhandlung

Wie im zweiten Kapitel gezeigt wurde, können Verhandlungen als elementarer Baustein für Sozialbeziehungen gelten. Im vorangegangenen Kapitel haben wir gesehen, dass die Ungleichheit dazu tendiert, sich im Zeitverlauf zu vergrößern. Hierbei handelt es sich um kein Naturgesetz, sondern eine Tendenz, und die Entwicklung ist unter anderem abhängig von Veränderungen der Umwelt oder der Verhandlungsstärke der gesellschaftlichen Gegenspieler. Beschränken wir uns auf die Haupttendenz, um festzustellen, ob sie sich mit dem Verhandlungsmoment im sozialen Leben verbinden lässt. Wohnt der Verhandlung selbst ein Mechanismus inne, der zum Ungleichgewicht beiträgt? Lässt sich die Verhandlung in hinreichend allgemeinen Begriffen beschreiben, die die typische Verhandlungssituation abdecken, aber dennoch nicht inhaltslos werden?

In der einfachsten aller Verhandlungssituationen wollen zwei Partner etwas verteilen – zum Beispiel eine Jagdbeute, die Jahresernte oder einen Laib Brot. Diese beiden Partner können Individuen sein, wie etwa Robinson Crusoe und Freitag in der kleinsten aller vorstellbaren Gesellschaften. Natürlicher erscheint es jedoch, sich Gruppen vorzustellen, die koordiniert vorgehen, weil die Individuen innerhalb der gleichen Gruppe weitgehend gemeinsame Interessen haben – Landbesitzer kontra Pächter, Hausherr kontra Dienstboten oder Kapitalbesitzer kontra Gehaltsempfänger.

Die Rede ist nicht von einer einzelnen Verhandlung, sondern von einer langjährigen Beziehung, wo man sich häufig oder selten trifft, vielleicht nur einmal jährlich, um über die Verteilung zu entscheiden. In der Zwischenzeit wird das Verhandlungsergebnis konsumiert. Damit die Beschreibung repräsentativ ausfällt, muss man außerdem in Erinnerung behalten, dass der größte Teil der Menschheit während des größten Teils der Geschichte am oder in der Nähe des Existenzminimums gelebt hat. Eine Konsequenz hieraus ist, dass der Zeithorizont bis zur nächsten Verhandlung relativ kurz ausfällt, schließlich muss man sich auf die unmittelbare Zukunft konzentrieren, um bis zur nächsten Ernte oder Gehaltszahlung überleben zu können. Darum hat eine langwährende Beziehung der Partner keinen nennenswerten Einfluss auf die Verhandlung.