von
Dr. Bettina Heiderhoff
Professorin an der Universität Münster
5., neu bearbeitete Auflage
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Im Gegensatz zur 4. Auflage dieses Werks, die große Veränderungen mit sich brachte, weil die Verbraucherrechte-RL gerade neu umgesetzt worden war, trifft die 5. Auflage in eine Art Zwischenstadium. Zwar sind die lange erwarteten verbrauchervertragsrechtlichen Richtlinien – die Warenkauf-RL und die Digitale-Inhalte-RL – am 20.5.2019 endlich verabschiedet worden und der „New Deal for Consumers“ wird ebenfalls spürbare Veränderungen des EU-Privatrechts bewirken. Doch wird die Umsetzung dieser Rechtsakte in das nationale Recht noch dauern. Sie muss für die Warenkauf-RL und die Digitale-Inhalte-RL erst zum 1.7.2021 erfolgen und diese Richtlinien werden erst ab dem 1.1.2022 angewendet werden. Für die einzelnen Bausteine des New Deal for Consumers liegt der Geltungsbeginn noch später. In der vorliegenden Auflage werden die neuen Rechtsakte daher vorerst nur soweit behandelt, wie sie schon heute von Interesse sind. Bei den sonstigen privatrechtlichen Fragen der Digitalisierung, wie etwa der Haftung für autonome Systeme und künstliche Intelligenz, steht der Erlass europäischer Regelungen noch bevor. Es hat aber seit der letzten Auflage nicht nur mehrere wichtige neue Urteile des EuGH sowie des BGH gegeben, sondern zum 1.1.2018 sind auch einige Neuerungen insbesondere im Verbrauchsgüterkaufrecht in Kraft getreten.
Das EU-Privatrecht bleibt als Gegenstand für ein Lehrbuch ungewöhnlich, weil es in hohem Maße eine Querschnittsthematik ist. Von Grundlagen des Rechts der EU bis zu Details des Rechts der AGB und zu Fragen des IPR sind viele Dinge miteinander zu verknüpfen. Dabei ist das Ziel des Buchs ehrgeizig: Ich habe versucht, Elemente eines Lehrbuchs, nämlich Anschaulichkeit und Beispielsreichtum, mit wissenschaftlich vertieften Schwerpunkten zu verbinden. Die unendlich vielen offenen Auslegungsfragen, die das EU-Privatrecht bereithält, mit Hilfe von Grundlagenverständnis und Hintergrundwissen selbst lösen zu können, dazu sollen die Leserinnen und Leser befähigt werden.
Ich bin vielen Personen zu Dank verpflichtet. Namentlich erwähnen möchte ich Kilian Gramsch, Dominik Keller, Florian Leber, Daniel Nickisch, Elena Schöne und Maximilian Weißenberg, die mir mit ihren vielen guten Ideen und ihrer großen Sorgfalt bei der Aktualisierung für diese 5. Auflage sehr geholfen haben.
Münster, Februar 2020
Bettina Heiderhoff
Vorwort
§ 1Vorüberlegungen
A.Gegenstand des Buchs
B.Zielsetzung und Aufbau des Buchs
C.Informationsquellen zum EU-Privatrecht
I.Informationen in diesem Buch
II.Weitere wichtige Quellen
1.Die Richtlinien
2.Rechtsprechung des EuGH
3.Lehrbücher und Kommentare
4.Weiterführende Informationen im Internet
§ 2Überblick über das bestehende Privatrecht der EU
A.Privatrecht im primären EU-Recht
B.Privatrecht im sekundären EU-Recht
I.Arten sekundären EU-Privatrechts
II.Die Richtlinie
III.Die Verordnung
§ 3Europarechtliche Grundlagen für die Privatrechtssetzung
A.Kompetenz der EU zur Rechtssetzung im Bereich des Privatrechts
I.Grundlagen in EUV und AEUV
1.Grundsätzliches
2.Reichweite des Art. 114 AEUV
a)Allgemeines
b)Art. 114 AEUV als Kompetenzgrundlage für privatrechtliche Richtlinien
3.Subsidiaritätsprinzip und Verhältnismäßigkeitsgrundsatz als Kompetenzschranken
a)Umrisse
b)Rechtsangleichung und Subsidiaritätsprinzip
aa)Geltung des Subsidiaritätsgrundsatzes im Rahmen des Art. 114 AEUV
bb)Mindeststandardgrundsatz
cc)Entwicklung zur Vollharmonisierung
4.Kompetenz der EU für den Erlass eines europäischen Vertragsgesetzbuchs
5.Zusammenfassung
II.Auswirkungen fehlender Kompetenz
1.Nichtigkeitsklage
2.Rüge der Kompetenz im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens (Imperial Tobacco)
B.Vorrang des EU-Rechts
I.Grundsatz
II.Wirkungsweise des Vorrangs
III.Vorrang des EU-Rechts und Grundrechte
1.Konflikt
2.Zurücktreten der deutschen Grundrechte hinter die Richtlinien
3.Europäische Grundrechte und Privatrecht
4.Keine nationale Grundrechtskontrolle umgesetzten Rechts
5.Zusammenfassung
C.Grundfreiheiten, Diskriminierungsverbot, Unionsbürgerschaft und Privatrecht
I.Inhalt und Wirkungsweise der Grundfreiheiten
1.Die Grundfreiheiten
2.Überblick zur Wirkungsweise der Grundfreiheiten
a)Deregulierungs- und Angleichungsgebot
b)Diskriminierungs- und Beschränkungsverbot
II.Allgemeines Diskriminierungsverbot
III.Unionsbürgerschaft
IV.Wirkung der Grundfreiheiten auf das Privatrecht
1.Vorüberlegungen
2.Freizügigkeit und nicht diskriminierendes nationales Recht in der Rechtsprechung des EuGH
3.Warenverkehrsfreiheit und nicht diskriminierendes nationales Recht in der Rechtsprechung des EuGH
a)Die Entwicklung der Rechtsprechung bis zur Keck-Entscheidung
b)Heutiger Stand der EuGH-Rechtsprechung
4.Meinungsstand in der Wissenschaft
a)Ausgangspunkt: Untragbarkeit einer umfassenden Grundfreiheitenkontrolle für das Privatrecht
b)Eingrenzung der Wirkung der Grundfreiheiten auf grenzüberschreitende Sachverhalte
c)Eingrenzung der Wirkung der Grundfreiheiten auf zwingendes Recht
d)Eingrenzung der Wirkung der Grundfreiheiten durch Aufteilung des Privatrechts in Verkaufs- und Produktmodalitäten (Weiterentwicklung der Keck-Entscheidung)
aa)Grundidee
bb)Anwendungsbeispiele
cc)Bewertung
e)Begrenzung der Wirkung des Art. 34 AEUV durch Anwendung von Rechtfertigungsgründen
f)Immanente Begrenzung der Wirkung der Grundfreiheiten
5.Zwischenergebnis
6.Grundfreiheiten und nationales Privatrecht, welches über den Schutzstandard einer Richtlinie hinausgeht
a)Vorrang der Grundfreiheiten vor dem Mindeststandardgebot?
b)Rechtfertigungsgründe bei einem Grundfreiheitenverstoß durch Ausschöpfung der in den Mindeststandardklauseln gewährten Regelungsbefugnis
V.Drittwirkung von EU-Grundrechten, Grundfreiheiten und Diskriminierungsverboten im Privatrecht
1.Überblick
2.Geltung der Grundfreiheiten im Rechtsverhältnis zwischen Privaten
3.Drittwirkung der Grundfreiheiten durch die Generalklauseln des nationalen Privatrechts, insbesondere § 307 BGB?
4.Wirkung der Grundrechtecharta im Verhältnis zwischen Privaten
a)Schutzpflichtlehre und Grundrechtecharta
b)Anwendung konkreter subjektiver Rechte bei fehlerhafter Richtlinienumsetzung
§ 4Umsetzung, Anwendung und Auslegung von EU-Privatrecht
A.Die Richtlinie und ihre Umsetzung
I.Umsetzungspflicht
1.Notwendigkeit der Umsetzung
2.Umfang der Umsetzungspflicht
3.Folgen von Verletzungen der Umsetzungspflicht
a)Unmittelbare Wirkung von privatrechtlichen Richtlinien
aa)Grundlagen
bb)Ausnahmefälle
b)Vertragsverletzungsverfahren
c)Staatshaftungspflicht
aa)Allgemeines
bb)Verletzung der Umsetzungspflicht durch nationale Gerichte
cc)Staatshaftung als wirksames Druckmittel
dd)Exkurs: Staatshaftung oder Direktwirkung?
II.Die überschießende Umsetzung
B.Die Anwendung des EU-Privatrechts
I.Lückenhaftes, nur mittelbar geltendes EU-Privatrecht
1.Mittelbare Geltung des eigentlichen EU-Privatrechts
2.Lückenhaftes Gebilde
II.Die Auslegung des EU-Privatrechts
1.Allgemeines
2.Die Auslegungsmethoden des EuGH
a)Wortlaut
b)Systematische Auslegung
c)Teleologische Auslegung
aa)Grundsätzliche Bedeutung
bb)Effet utile
d)Autonome Auslegung
e)Rechtsvergleichende Auslegung
III.Rechtsfortbildung im EU-Recht
1.Rechtsfortbildung
2.Analogie als vom EuGH genutzte Methode
3.Wertung
IV.Zusammenfassung
C.Die Auslegung von nationalem Recht mit EU-rechtlichem Hintergrund
I.Europäische Auslegung
II.Grundlagen der richtlinienkonformen Auslegung
III.Richtlinienkonforme Auslegung als Gebot des EU-Rechts
IV.Die Reichweite der richtlinienkonformen Auslegung nationaler Gesetze
1.Richtlinienkonforme Auslegung gegen den Willen des nationalen Gesetzgebers?
2.Richtlinienkonforme Auslegung und andere Auslegungsmethoden
3.Richtlinienkonforme Rechtsfortbildung
4.Richtlinienkonforme Auslegung bei überschießender Umsetzung
5.Zeitlicher Beginn der richtlinienkonformen Auslegung
6.Zusammenfassung
V.Weitere Formen „europäischer“ Auslegung des nationalen Rechts
1.Harmonisierende Auslegung
2.Historische Rechtsvergleichung
3.Zusammenfassung
D.Die Vorlage an den EuGH
I.Zuständigkeit für die Auslegung von EU-Recht
II.Das Vorabentscheidungsverfahren
1.Vorlagepflicht
2.Die Auslegung von EU-Recht als Gegenstand der Vorlagefrage
3.Zusammenarbeit von vorlegendem Gericht und EuGH
a)Technik des EuGH
b)Die geschickte Vorlagefrage
4.Möglichkeiten der Parteien
III.Reichweite der Vorlagepflicht
1.Allgemeines
2.Keine Vorlagepflicht bei fehlender Entscheidungserheblichkeit
3.Keine Vorlagepflicht bei Offensichtlichkeit des Auslegungsergebnisses
4.Mindestharmonisierung, Vollharmonisierung und Vorlagepflicht
5.Sonderfall: Die Generalklausel in der Richtlinie
a)Problematik
b)Vorlage von Generalklauseln und Mindeststandardprinzip
c)Vorlage von Generalklauseln und Acte-clair
d)Vorlagepflicht bei Generalklauseln in sonstigen Fällen
aa)Ausgangsüberlegung
bb)Grundlegende Gegenansicht
cc)Die Rechtsprechung des EuGH
dd)Begründung
ee)Verbleibende Fälle notwendiger Vorlagen
6.Zusammenfassung
a)Allgemeines
b)Generalklauseln
IV.Sonderfall: Die Vorlage an den EuGH bei überschießender Umsetzung
1.Grundsätzliche Zulässigkeit der Vorlage bei überschießender Umsetzung
2.Grenzen der Vorlage bei überschießender Umsetzung
3.Überschießende Umsetzung und gesetzlicher Richter
V.Verletzung der Vorlagepflicht und gesetzlicher Richter
VI.Wirkung der Entscheidungen des EuGH
1.Rechtskraft im engen Sinne
2.Bindungswirkung der Urteile des EuGH nach den EU-Verträgen
§ 5Allgemeine Rechtsgrundsätze des EU-Privatrechts
A.Regelungsziele des EU-Privatrechts
I.Privatrecht als Binnenmarktrecht
II.Privatrechtsordnung und Wettbewerb
III.Zielsetzung und Dogmatik
B.Unternehmerrecht und Verbraucherrecht
I.Unternehmerrecht
II.Verbraucherrecht als Marktrecht – Modell der Konsumentensouveränität
III.Verbraucher- und Unternehmerbegriff
1.Vorüberlegungen
a)Rollenspezifische Begrifflichkeit
b)Der Verbrauchervertrag
c)Uneinheitliche Definition
d)Problembereiche
2.Das Verbraucherleitbild
3.Das Unternehmerleitbild
4.Einzelfragen der Abgrenzung von Verbraucher und Unternehmer im EU-Recht
a)Allgemeine Schlussfolgerungen
b)Mischgeschäfte
c)Existenzgründer
d)Beruflich handelnder Arbeitnehmer
e)Stellvertretung zwischen Verbraucher und Unternehmer
e)Abtretung einer „Verbraucherforderung“
f)Beweislast bei Zweifelsfällen
5.Auswirkungen auf die Rechtsanwendung in Deutschland
a)Vorüberlegung
b)Reichweite der Anwendbarkeit des Mindeststandardgrundsatzes in Hinblick auf den in Deutschland anzuwendenden Verbraucher- und Unternehmerbegriff
c)Keine Spiegelbildlichkeit von Verbraucher- und Unternehmerbegriff
d)Einzelfälle
IV.Zusammenfassung
C.Einzelne erkennbare Rechtsprinzipien
I.Vertragsfreiheit
1.Die Vertragsabschlussfreiheit
2.Die Vertragsausgestaltungsfreiheit
3.Neuere Entwicklungen und Diskussion
II.Bindungswirkung des Vertrags
1.Pacta sunt servanda im EU-Recht?
2.Bindungswirkung des Vertrags als notwendige Ergänzung der Vertragsfreiheit
3.Bewertung
4.Widerruflichkeit der Erklärung des Verbrauchers als Rechtsprinzip?
a)Bindungswirkung und Vertrauensschutz
b)Widerruflichkeit des Verbrauchervertrags und Vertrauensschutz
c)Begrenzung der Widerruflichkeit durch Unternehmerinteressen
5.Zusammenfassung
III.Informationsprinzip – Transparenzgebot
1.Information als Rechtsprinzip
2.Vorrang der Information vor anderen Schutzinstrumenten
3.Notwendigkeit von Information über das geschriebene Recht hinaus?
4.Informationsmodell kontra Konsensprinzip?
a)Formbindung und Widerrufsrecht als Ausfluss des Informationsprinzips
b)Verhältnis von Informationsprinzip und Konsensprinzip
5.Transparenz als Prinzip des Verbrauchervertragsrechts
6.Zusammenfassung
IV.Gleichbehandlungsgrundsatz oder Diskriminierungsverbot
1.Gleichbehandlung im geschriebenen Recht
2.Auswirkungen des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes des EU-Rechts auf das Privatrecht
3.Zusammenfassung
V.Schutz des Verbrauchers als Rechtsprinzip?
VI.Berechtigte Erwartungen
1.Verbrauchervertrauen und Verbrauchererwartungen
2.Ablesbarkeit des Prinzips der „berechtigten Erwartungen“ im Verbraucherprivatrecht
a)Berechtigte Erwartungen in den Richtlinien
b)Berechtigte Erwartungen in der Rechtsprechung des EuGH
3.Abgrenzung des Grundsatzes der berechtigten Erwartungen zu anderen Rechtsgrundsätzen
4.Auswirkungen des Grundsatzes der berechtigten Erwartungen im Vertragsrecht
a)An den berechtigten Erwartungen ausgerichtetes Recht
b)Berechtigte Erwartungen als Grundsatz für die Auslegung des EU-Privatrechts
c)Auswirkung auf die Vertragsauslegung
5.Zusammenfassung und Bewertung
VII.Vertragliche Solidarität
VIII.Umfassender Schadensersatz
1.Grundsatz der Schadensersatzpflicht?
2.Grundsatz des umfassenden Ersatzes bei ersatzpflichtigen Schäden
a)Allgemeines
b)Ersatz immaterieller Schäden
IX.Verbot des Rechtsmissbrauchs
X.Allgemeiner Grundsatz von Treu und Glauben
XI.Verhaltenssteuerung durch EU-Privatrecht
1.Paternalistische Tendenzen im Recht der EU
2.Verhaltenssteuerung durch Privatrecht
XII.Problem der Rechtsdurchsetzung
1.Der zögerliche Verbraucher
2.Kollektive Gerichtsverfahren
3.Wettbewerbsrecht
XIII.Zusammenfassung: Vernunft statt Freiheit?
§ 6Die einzelnen Regelungen des EU-Privatrechts und ihre Auswirkungen auf die Rechtsanwendung
A.Die Regelungen des sekundären EU-Privatrechts zum Abschluss und zur Wirksamkeit von Verträgen
I.Allgemeine Rechtsgeschäftslehre
1.Fehlen von Regelungen in den Richtlinien
2.Elektronischer Vertragsschluss
II.Wirksamkeitsvoraussetzungen
1.Allgemeines
2.Gleichbehandlung als Wirksamkeitsvoraussetzung?
3.Wirksamkeitsgebote
4.Zusammenfassung
III.Informationspflichten und Vertragsschluss
1.Bedeutung der Information für die Wirksamkeit des Vertrags
2.Informationspflichten in der Verbraucherrechte-RL
a)Allgemeine Informationspflichten
b)Informationspflichten für Fernabsatzverträge und Haustürgeschäfte
3.Informationspflichten im elektronischen Geschäftsverkehr
4.Informationspflichten bei sonstigen Verträgen
5.Sanktionen bei der Verletzung von Informationspflichten
IV.Formvorschriften
V.Widerrufsrechte
1.Überblick
a)Regelungstechnik in den Richtlinien und in der deutschen Umsetzung
b)Übersicht über die Problembereiche
aa)Von der Mindest- zur Vollharmonisierung
bb)Einzelfragen bei den Widerrufsvoraussetzungen und -folgen
2.Die einzelnen Widerrufstatbestände und ihre Umsetzung in das deutsche Recht
a)Das Widerrufsrecht bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Geschäften und Fernabsatzgeschäften
aa)Erfasste Rechtsgeschäfte
(1)Übersicht
(2)Entgeltlichkeit des Vertrags (§ 312 Abs. 1 BGB)
(3)Insbesondere: Der Widerruf von Bürgschaften und Vollmachten
(4)Ausnahmen vom Anwendungsbereich des gesamten Kapitels (§ 312 Abs. 2 BGB)
(5)Ausnahmen vom Anwendungsbereich des Widerrufsrechts (§ 312g Abs. 2 BGB)
bb)Begriff des „Außergeschäftsraumvertrags“
(1)Entstehungsgeschichte
(2)Die Außergeschäftsraumsituation
(3)Zurechenbarkeit des Handelns eines Dritten
cc)Begriff des Fernabsatzvertrags
(1)Entstehungsgeschichte
(2)Bestimmung des Fernabsatzvertrags
b)Widerrufsrecht in der Verbraucherkredit-RL und der Wohnimmobilienkredit-RL
c)Das Widerrufsrecht in der Teilzeitnutzungsrechte-RL
d)Das Widerrufsrecht in der FAF-RL
3.Widerrufsfrist und Widerrufserklärung und ihre Umsetzung in das deutsche Recht
a)Allgemeines
b)Die Widerrufserklärung
c)Die Widerrufsfrist
d)Die Widerrufsfrist bei nachgeholter Belehrung
aa)Nachholung der Belehrung
bb)Fehlende Nachholung der Belehrung
e)Widerrufsfrist und Präklusion nach § 767 Abs. 2 ZPO
4.Die Rechtsfolgen des Widerrufs und ihre Umsetzung in das deutsche Recht
a)Vorüberlegung zur Systematik des BGB
b)Nutzungs- und Wertersatz bei Widerruf
aa)Regelung in den Richtlinien und im BGB
bb)Regelungen zum Nutzungsersatz in der Verbraucherkredit-RL und der Teilzeitnutzungsrechte-RL
cc)Wertersatz nach der Verbraucherrechte-RL
(1)Wertersatz bei Kauf- und Dienstleistungsverträgen
(2)Wertersatz für die Nutzung der Ware
(3)Wertminderung aufgrund anderer Ursachen
(4)Wertersatz bei Dienstleistungsverträgen
c)Versandkosten bei Widerruf
d)Verbundene Verträge
e)Rechtsmissbrauch
f)Insbesondere: Der Widerruf in den Schrottimmobilienfällen
aa)Übersicht
bb)Verbundenes Geschäft zwischen Realkreditvertrag und Immobilienkaufvertrag?
cc)Reaktion der deutschen Rechtsprechung auf die Entscheidung Heininger
dd)Die Urteile Schulte und Crailsheimer Volksbank
ee)Reaktion der deutschen Rechtsprechung auf die Entscheidungen Schulte und Crailsheimer Volksbank
ff)Sonderfall: Rückabwicklung bei Beteiligung an einem Immobilienfonds
VI.Die Einbeziehung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) in den Vertrag
1.Einbeziehung von AGB nach der Klausel-RL
2.Einbeziehung von AGB im Fernabsatz und E-Commerce
3.Sonderfall: Einbeziehung von AGB bei Internetauktionen
VII.Sonderfall: Die Regelung über unbestellt zugesandte Leistungen und ihre Umsetzung in Deutschland
1.Regelung in der Fernabsatz- und der Verbraucherrechte-RL
2.Die Reichweite des § 241a BGB vor dem Hintergrund der Richtlinienvorgaben
a)Möglichkeit der konkludenten Annahme
b)Gesetzliche Ansprüche
B.Allgemeine Regelungen zum Inhalt von Verträgen
I.Die Inhaltskontrolle nach der Klausel-RL
1.Grundlagen
2.Ziele der Klausel-RL
3.Erfasste Klauseln
a)Kontrolle kurzer und klarer Vertragsbedingungen
b)Notarielle Verträge als Klauseln im Sinne der Richtlinie
c)Vom nationalen Gesetzgeber geschaffene Vertragsbedingungen
4.Der unionsrechtliche Maßstab von Treu und Glauben nach Art. 3 Klausel-RL
a)Treuwidriges Abweichen vom dispositiven Recht
b)Eigenständiger europäischer Maßstab von Treu und Glauben
c)Der Anhang zu Art. 3 Klausel-RL
5.Der Maßstab des Art. 5 Klausel-RL – Transparenz
6.Rechtsfolgen der Nichtigkeit von AGB
II.Klauselverbote in anderen Richtlinien
C.Besondere Vertragsarten im EU-Privatrecht
I.Einführung
II.Der Verbraucherkreditvertrag
1.Entstehungsgeschichte und Ziele der Verbraucherkredit-RL
2.Strategie der Vollharmonisierung
3.Der Verbraucherkreditvertrag
a)Begriff und erfasste Verträge
b)Sonderprobleme: Vollmacht, Bürgschaft und Schuldbeitritt durch einen Verbraucher
III.Der Verbrauchsgüterkaufvertrag
1.Entstehungsgeschichte und Ziele der Verbrauchsgüterkauf-RL
2.Der Verbrauchsgüterkaufvertrag
IV.Der Pauschalreisevertrag
1.Ziele der Pauschalreise-RL
2.Der Pauschalreisevertrag
V.Der Zahlungsdienstevertrag
1.Ziele der Zahlungsdienste-RL I und II
2.Der Zahlungsdienstevertrag
VI.Der Teilzeitnutzungsrechtevertrag
1.Ziele der Teilzeitnutzungsrechte-RL
2.Der Teilzeitnutzungsrechtevertrag
D.EU-Vorschriften zur vertraglichen Haftung
I.Übertragung des Rechtsfolgenbereichs in den Umsetzungsspielraum der Mitgliedstaaten
II.Haftung bei der Verletzung von Informationspflichten
1.Schadensersatzpflicht als Folge von Informationspflichtverletzungen
2.Informationspflichtverletzung als Pflichtverletzung i.S.d. § 280 Abs. 1 BGB
3.Kausal verursachter Schaden
III.Haftung bei der Verletzung von Gleichbehandlungspflichten
IV.Leistungsfristen und Verzug
1.Überblick: Vorschriften zu Leistungsfristen und Verzug im EU-Privatrecht
2.Lieferfristen in der Verbraucherrechte-RL
a)Überblick
b)Entbehrlichkeit der Fristsetzung über § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB hinaus
c)Pflicht zur unverzüglichen Lieferung nach § 475 Abs. 1 BGB
3.Geltungsbereich und wesentliche Elemente der Zahlungsverzugs-RL
4.Umsetzung der Zahlungsverzugs-RL
a)Geringe Abweichung vom nationalen Recht
b)Der Begriff „verantwortlich“
c)Verzugseintritt bei Banküberweisung
V.Mängelhaftung beim Warenkauf
1.Grundlagen
2.Begriff der Vertragsmäßigkeit
a)Vorüberlegung
b)„Vernünftige“ Erwartungen
c)Vereinbarungen und Beschaffenheit
aa)Beschreibung gleich Vereinbarung?
bb)Negativvereinbarungen
cc)Begriff der Beschaffenheit
d)Erwartungen des Käufers und Vertragsmäßigkeit
e)Die Regelung des Art. 2 Abs. 3 Verbrauchsgüterkauf-RL (§ 442 BGB)
3.Weitere Einzelfragen zur Mängelhaftung nach dem Verbrauchsgüterkaufrecht
a)Erheblichkeit des Mangels
b)Beweislast für das Vorliegen des Mangels bei Gefahrübergang
c)Erfordernis der Fristsetzung durch den Verbraucher
d)Minderung nach Nacherfüllung und Rücktritt nach Minderung?
e)Wertersatz für die erfolgte Nutzung der Ware bei Ersatzlieferung
f)Ersatzlieferung beim Stückkauf
g)Umfang und Erfüllungsort der Nacherfüllung
aa)Der Aus- und Wiedereinbau
bb)Die Unverhältnismäßigkeit der Nacherfüllung
cc)Erfüllungsort der Nacherfüllung
h)Verjährung
i)Die Regresskette bei Gebrauchtwaren
j)Zwingende Geltung oder Abweichungen „zugunsten des Verbrauchers“?
VI.Haftung bei Pauschalreisen
1.Die Haftungstatbestände in der Pauschalreise-RL
2.Die Umsetzung der Haftungstatbestände
3.Der Umfang der Ersatzpflicht
VII.Die Haftung im Zahlungsdienstevertrag
1.Haftung des Zahlungsinstituts
2.Haftung bei missbräuchlicher Nutzung eines Zahlungsinstruments
E.EU-Vorschriften zur außervertraglichen Haftung
I.Produkthaftung
1.Die Produkthaftungs-RL
2.Für die Auslegung des nationalen Rechts wichtige Inhalte der Richtlinie
a)Fehler
b)Haftungsausfüllende Kausalität
c)Schadensbegriff
d)Umfang der Haftung
aa)Sich ausbreitende Sachschäden – die sog. Weiterfresserschäden
bb)Selbstbeteiligung
cc)Haftungshöchstgrenze
II.Verantwortlichkeit des Diensteanbieters und des Datenverantwortlichen
1.Regelungsrahmen
2.Ausgestaltung der Regelung
F.Sachenrecht
I.Allgemeines
II.Unverlangt übersendete Ware
III.Teilzeitnutzungsrechte
G.EU-Vorschriften zum anwendbaren Recht
I.Bedeutung des Kollisionsrechts im Binnenmarkt
1.Rechtsverfolgung und Durchsetzung im Binnenmarkt
2.Europäisches Zivilverfahrensrecht
3.Entwicklung des Kollisionsrechts und spezifische Schwierigkeiten
4.Regelungsziele und grundlegender Konflikt
a)Kollisionsrecht und Binnenmarktverbesserung
b)Binnenmarktausrichtung der Kollisionsnormen
II.Die Rom I-VO
1.Grundsätzliches
2.Sachlicher Anwendungsbereich
a)Allgemeines
b)Culpa in contrahendo
c)Weitere Abgrenzungsfragen zur Rom II-VO
d)Ausgenommene Rechtsfragen
3.Wichtige Kollisionstatbestände
a)Vorrang der Rechtswahl
b)Allgemeine Anknüpfungsregeln
c)Verbraucherverträge
d)Eingriffsnormen
e)Verkehrsschutz vor Minderjährigenschutz
f)Weitere Rechtsfragen
III.Die Rom II-VO und ihre Lücken
1.Grundsätzliches
2.Internationaler und sachlicher Anwendungsbereich
3.Die wesentlichen Anknüpfungstatbestände
a)Der allgemeine Deliktstatbestand
b)Produkthaftung als deliktischer Sondertatbestand
c)Rechtswahl beim Delikt
d)Die Anknüpfung sonstiger außervertraglicher Schuldverhältnisse
IV.Kollisionsrecht im sekundären EU-Recht
1.Allgemeines
2.Der Günstigkeitsgrundsatz
V.Allgemeine Grundsätze
1.Grundfreiheiten und anzuwendendes Recht
2.Begriffsverwendung
3.Konflikt zwischen Herkunftsland-/Anerkennungsprinzip und Kollisionsregeln
4.Kritik
5.Herkunftslandprinzip und schützenswerte Interessen
a)Allgemeines
b)E-Commerce-RL
aa)In der Richtlinie vorgesehene Einschränkungen
bb)Umsetzung des Herkunftslandprinzips für den E-Commerce in § 3 TMG
c)Dienstleistungs-RL
6.Herkunftslandprinzip und Drittstaaten
7.Zusammenfassung
§ 7Die Zukunft des EU-Privatrechts – Entstehung eines europäischen Vertragsgesetzbuchs?
A.Überblick
I.Eingrenzung
II.Private Arbeitsgruppen und Projekte im Bereich des Vertragsrechts
III.Öffentliche und private Projekte im Bereich der Rechtsvereinheitlichung auf weiteren Gebieten des Privatrechts
B.Entwicklung eines europäischen Vertragsgesetzbuchs
I.Überblick
II.Entwicklungen bis zur Fertigstellung des Verbraucher-Acquis und des Referenzrahmens (DCFR)
1.Anfänge
2.Erste Mitteilung der Kommission vom Juli 2001
3.Zweite Mitteilung der Kommission mit dem Aktionsplan zur Weiterentwicklung des europäischen Privatrechts vom 12.2.2003 und die Gründung des Joint Network on European Private Law
4.Dritte Mitteilung der Kommission vom 11.10.2004
5.Erster jährlicher Fortschrittsbericht zum europäischen Vertragsrecht und zur Überprüfung des gemeinschaftlichen Besitzstands der Kommission vom 23.9.2005 und die Reaktionen von Parlament und Rat
6.Zweiter Fortschrittsbericht der Kommission zum Gemeinsamen Referenzrahmen vom 25.7.2007
III.Acquis-Sammlung und Referenzrahmen
1.Herausarbeitung des Verbraucher-Acquis
2.Erarbeitung des Referenzrahmens
IV.Weitere Schritte der Organe der EU in Hinblick auf die Sammlung und Überarbeitung des Acquis sowie auf das europäische Vertragsrecht
1.Überblick
2.Verwertung der Acquis-Sammlung – Erarbeitung der Verbraucherrechte-RL
a)Grünbuch zur Überprüfung des gemeinschaftlichen Besitzstands im Verbraucherschutz vom 8.2.2007
b)Verbraucherrechte-RL
3.Verwertung des Referenzrahmens – das GEK als optionales Instrument
a)Grünbuch zu den Optionen für die Einführung eines europäischen Vertragsrechts für Verbraucher und Unternehmen vom 1.7.2010
b)Veröffentlichung der „Machbarkeitsstudie“
c)Veröffentlichung des Entwurfs über ein Gemeinsames Europäisches Kaufrecht
4.Die Warenkauf-RL
5.Der „New Deal for Consumers“
C.Bewertung der Entwicklungen und Blick in die Zukunft
I.Handlungsbedarf
II.Inhaltliche Überlegungen
1.Allgemeines
2.Bewertung des GEK
III.Digitale Agenda und Privatrecht
1.Vertragsrecht in der Digitalen Agenda
2.Die Digitale-Inhalte-RL
3.Weitere privatrechtliche Instrumente im digitalen Binnenmarkt
Anhang I Die wichtigsten privatrechtlichen Richtlinien (chronologisch)
Anhang IIDie wichtigsten privatrechtlichen Verordnungen
Anhang IIIEinige Schlüsselbegriffe aus dem Prozess der Entstehung eines EU-Vertragsrechts
Stichwortverzeichnis
A.Gegenstand des Buchs
B.Zielsetzung und Aufbau des Buchs
C.Informationsquellen zum EU-Privatrecht
§ 1 Vorüberlegungen › A. Gegenstand des Buchs
1
Gegenstand des vorliegenden Buchs sind das Recht der EU, soweit es das deutsche Privatrecht prägt, sowie das deutsche Privatrecht, soweit es vom Recht der EU geprägt ist. Europäisches Privatrecht (EU-Privatrecht) bezeichnet somit kein einschichtiges, vollständiges Privatrecht, wie es etwa das BGB darstellt, sondern vereinigt bruchstückhafte und auf verschiedenen Ebenen wirkende Rechtsbausteine. Den „inneren Kern“ des EU-Privatrechts, also seine wesentlichen materiellen Regelungen, findet man in den eigentlichen Rechtsakten der EU. Dazu gehören vor allem die privatrechtlichen europäischen Richtlinien, die konkrete Regelungen zu speziellen Rechtsfragen enthalten.
Da die europäischen Richtlinien in nationales Recht umgesetzt werden müssen, um Geltung für den privaten Rechtsverkehr in den Mitgliedstaaten zu erlangen, bleibt aber das Privatrecht, welches den Bürger betrifft, meist das im nationalen Gesetzbuch enthaltene Recht. Wer sich mit europäischem Privatrecht befasst, hantiert daher viel, vielleicht sogar überwiegend, mit Normen, die formal nationales Recht sind. Inhaltlich allerdings ist dieses nationale Recht gleichsam „ferngesteuert“, steht also unter dem Einfluss des „echten“ EU-Privatrechts im engen Sinne. Die wichtigste Aufgabe besteht darin, diesen Einfluss zu erkennen und richtig zu deuten.
§ 1 Vorüberlegungen › B. Zielsetzung und Aufbau des Buchs
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Das Privatrecht der EU ist bereits gegenwärtig sehr umfangreich und gleichzeitig in ständigem Wachstum begriffen. Dieses Buch möchte keine umfassende Sammlung von Einzelregelungen bieten, sondern es kann nur einen knappen, aber zugleich weiterführenden Einblick in wichtige Bereiche des EU-Privatrechts geben. Es soll ein Leitfaden für das Verständnis und die selbstständige Arbeit mit dem privatrechtsbezogenen Europarecht und insbesondere mit den Richtlinien sowie den sie umsetzenden Normen sein. Daher liegt ein Schwerpunkt auf der Vermittlung allgemeiner Grundgedanken und Zielsetzungen des EU-Rechts.
In einem ersten Teil (§ 2 und § 3) werden die europarechtlichen Grundlagen des Privatrechts dargestellt. Welche Kompetenzen hat die EU im Bereich des Privatrechts, wie gelangt europäisches Privatrecht zur Geltung, wie ist es auszulegen und wie weit reicht die Zuständigkeit des EuGH?
Im zweiten Teil (§ 4 und § 5) wird ein Überblick über die Inhalte des existierenden EU-Privatrechts gegeben. Dabei erfolgt eine Beschränkung auf den Bereich des allgemeinen Privatrechts. Das Arbeits-, Gesellschafts- und Wettbewerbsrecht, das Bank- und Kapitalmarktrecht, das Urheber- und Markenrecht, das Agrar- und Beihilferecht der EU sind nicht aufgenommen worden. Diese Rechtsgebiete sind auf europäischer Ebene teilweise bereits deutlich weiterentwickelt und nehmen mehr Raum ein, als das allgemeine EU-Privatrecht. Daher muss ihre Darstellung der Spezialliteratur vorbehalten bleiben. In diesem zweiten Teil ist der Blick auf die Auswirkungen des EU-Rechts auf die konkrete Rechtsanwendung gerichtet. Es geht also darum, das deutsche Recht im Lichte des EU-Rechts zu begreifen. Dazu werden zunächst allgemeine, immer wieder verwendbare Grundgedanken des EU-Privatrechts vorgestellt.
Sodann werden in einem dritten Teil (§ 6) die wichtigsten Einzelfragen des EU-Privatrechts in der dem BGB entsprechenden Reihenfolge angesprochen. Angefangen beim Vertragsschluss bis zu einzelnen sachenrechtlichen Fragen und schließlich zum IPR werden verschiedene konkrete Problembereiche und Regelungsschwerpunkte dargelegt, wobei immer auf die Argumentationsstrukturen geachtet wird.
Im vierten Teil (§ 7) wird das Projekt eines europäischen Vertragsgesetzbuchs näher vorgestellt.
§ 1 Vorüberlegungen › C. Informationsquellen zum EU-Privatrecht
§ 1 Vorüberlegungen › C. Informationsquellen zum EU-Privatrecht › I. Informationen in diesem Buch
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Um die vertiefte Auseinandersetzung mit den angesprochenen Fragen zu ermöglichen, enthält das vorliegende Werk mehr Fußnotenverweise, als es für ein Lehrbuch üblich ist. Neben den Primärquellen und der wichtigsten Rechtsprechung werden teils auch ausgewählte vertiefende Aufsätze oder sogar Monographien angegeben.
Zudem befindet sich im Anhang I des Buchs eine Liste der wichtigsten Richtlinien mit kurzen Zusammenfassungen des Inhalts sowie der wesentlichen dazu ergangenen Urteile des EuGH. Im Anhang II sind die wesentlichen privatrechtlichen Verordnungen aufgelistet. Anhang III erläutert zentrale Fachbegriffe, die im Prozess der (möglichen) Entstehung eines europäischen Vertragsrechts bedeutsam sind.
§ 1 Vorüberlegungen › C. Informationsquellen zum EU-Privatrecht › II. Weitere wichtige Quellen
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Die europäischen Richtlinien sind inzwischen recht leicht zugänglich. In Großkommentaren sind sie vielfach mit abgedruckt und es gibt verschiedene Textsammlungen. Eine übersichtliche Darstellung bietet die „Textsammlung Europäisches Privatrecht“, Hrsg. Grundmann/Riesenhuber, 3. Aufl. de Gruyter 2019. Auch auf nichtstaatliche Normkataloge ausgerichtet ist der Band „Europäisches Privatrecht – Basistexte“, Hrsg. Schulze/Zimmermann, 5. Aufl. Nomos 2016.
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Für das EU-Recht sind die Entscheidungen des EuGH, der das Auslegungsmonopol hat und auch Rechtsfortbildung betreibt, von großer Bedeutung. Die Entscheidungen sind mithilfe einer komfortablen Suchmaske auf der Seite des EuGH (https://curia.europa.eu) abrufbar.
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Es gibt einige Bücher zum EU-Privatrecht, die sich besonders an Studierende richten. Zur Vertiefung sind vor allem zu nennen: Riesenhuber, „Europäische Methodenlehre“, 3. Aufl. de Gruyter 2015 sowie der von Langenbucher herausgegebene Band „Europäisches Privat- und Wirtschaftsrecht“, 4. Aufl. Nomos 2017. Ein Kurzlehrbuch zum privaten Vertragsrecht der EU ist Riesenhuber, „EU-Vertragsrecht“, Mohr Siebeck 2013. Einen etwas anderen Gegenstand hat das Werk Schulze/Zoll, „Europäisches Vertragsrecht“, 2. Aufl. Nomos 2017, das sich hauptsächlich mit den im Vertragsrecht der EU, und dort vor allem im GEK (Gemeinsamen Europäischen Kaufrecht) und im Acquis Communautaire bestehenden Prinzipien und Leitgedanken befasst. Eine Kommentierung aller relevanten Normen des europäischen Vertragsrechts bietet das Werk „Commentaries on European Contract Laws“, Hrsg. Jansen/Zimmermann, Oxford University Press 2018. Für 2020 ist zudem das Werk Gebauer/Wiedmann, „Europäisches Zivilrecht“, 3. Aufl. C.H. Beck, angekündigt, welches ebenfalls Kommentierungen zu den EU-Richtlinien und Verordnungen enthält.
Ein riesiges, enzyklopädisches Werk ist das von Basedow/Hopt/Zimmermann herausgegebene „Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts“, Mohr Siebeck 2009. Es ist in Stichwörter gegliedert und erfasst rechtsvergleichende sowie EU-rechtliche Fragen.
Rechtsvergleichend richten sich an Studierende die Werke von Alpa/Andenas, „Grundlagen des Europäischen Privatrechts“, Springer 2010; Kötz, „Europäisches Vertragsrecht“, 2. Aufl. Mohr Siebeck 2015; sowie Ranieri, „Europäisches Obligationenrecht“, 3. Aufl. Springer 2009.
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Die EU betreibt mehrere Seiten im Internet. Auf der Hauptseite https://europa.eu werden umfassende Informationen – auch zu Rechtssetzungsvorhaben – in bürgernaher Form zur Verfügung gestellt. Dort sind aber auch alle Richtlinientexte und sogar die Entwürfe und Materialien zu finden. Die offizielle Seite für alle rechtlichen Informationen ist https://eur-lex.europa.eu, wo vor allem dann gute Suchmöglichkeiten bestehen, wenn man die Dokumentnummer kennt.
Das nationale Recht der Mitgliedstaaten ist Gegenstand der Seite https://n-lex.europa.eu.
Empfehlenswert sind einige hervorragende, stets aktuelle Informationsseiten, die von deutschen Wissenschaftlern betreut werden, wie z.B. die Seite von Prof. Dr. Oliver Remien, Universität Würzburg (https://www.jura.uni-wuerzburg.de/lehrstuehle/remien/europaeisches_privatrecht/).
A.Privatrecht im primären EU-Recht
B.Privatrecht im sekundären EU-Recht
§ 2 Überblick über das bestehende Privatrecht der EU › A. Privatrecht im primären EU-Recht
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Mit dem Begriff Europarecht wird in aller Regel zunächst öffentliches Recht assoziiert. Tatsächlich besteht das Europarecht zu einem sehr großen Anteil aus öffentlich-rechtlichen Normen. Der öffentlich-rechtliche Charakter ist jedoch kein Muss. Das Europarecht findet seine Identität vielmehr darin, dass es das – entweder von den Organen der EU oder auch von den Mitgliedstaaten gemeinsam geschaffene – Recht der Europäischen Union ist. Es enthält sowohl öffentlich-rechtliche als auch privatrechtliche Normen. Dabei ist das Europarecht nach herrschender Ansicht eine Rechtsordnung sui generis, also weder Völkerrecht noch nationales Recht.[1] Der Vertrag von Lissabon stellt mehr dar als einen bloßen Staatsvertrag.[2] Das gesamte EU-Recht hat Anwendungsvorrang vor dem nationalen Recht (näher dazu auch Rn. 31 ff.).[3]
Das in den so genannten Gründungsverträgen der EU und in den sonstigen unmittelbar zwischen den Mitgliedstaaten abgeschlossenen Verträgen enthaltene Recht wird als primäres EU-Recht bezeichnet.[4] Gerade hier findet sich ganz überwiegend öffentliches Recht. Aber im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) selbst sind auch einige privatrechtliche oder wenigstens für den Privatrechtsverkehr unmittelbar relevante Normen enthalten. So enthalten die wettbewerbs- und kartellrechtlichen Vorschriften in den Art. 101 ff. AEUV privatrechtliche Elemente. Ohnehin richten sie sich nicht an die Mitgliedstaaten, sondern an die Unternehmen. Zumeist enthalten sie allerdings hoheitliche Verbote. Privatrechtlichen Charakter trägt Art. 101 Abs. 2 AEUV, der die Nichtigkeit verbotener Vereinbarungen bestimmt. Viele weitere Normen sind zwar nicht privatrechtlicher Art, betreffen aber dennoch unmittelbar den Rechtsverkehr Privater. So ist es mit den Grundfreiheiten (dazu unten Rn. 45 ff.) und Diskriminierungsverboten (dazu unten Rn. 49).
Bei anderen Normen des AEUV ist es umstritten, ob sie Wirkungen zwischen Privaten entfalten. So wird teilweise behauptet, aus Art. 169 AEUV könne der Verbraucher ein Recht auf Information gegen seinen privaten Vertragspartner ableiten.[5]
Zum primären Recht der Union gehören auch die allgemeinen Rechtsgrundsätze, die ebenfalls privatrechtlich (oder ganz allgemein) gelten können. Ein Beispiel ist das Verbot des Rechtsmissbrauchs. Die Existenz dieser Rechtsgrundsätze ist im Einzelfall allerdings oft sehr streitig (so ganz besonders für ein privatrechtliches Diskriminierungsverbot, dazu unten Rn. 79 und Rn. 269).
Schließlich gehören auch die in der EU-Grundrechtecharta (GRCh) enthaltenen europäischen Grundrechte zum europäischen Primärrecht. Sie binden laut Art. 51 Abs. 1 GRCh die Einrichtungen und Organe der Union sowie die Mitgliedstaaten bei der Durchführung des Unionsrechts. Wie weit es eine mittelbare oder unmittelbare Drittwirkung im Rechtsverhältnis zwischen Privaten gibt, ist noch sehr in der Diskussion. Jedenfalls können die EU-Grundrechte aber dann zur Anwendung kommen, wenn es um die Umsetzung, Auslegung und Anwendung von privatrechtlichen Vorschriften geht (hierzu ausführlich Rn. 83).[6]
§ 2 Überblick über das bestehende Privatrecht der EU › B. Privatrecht im sekundären EU-Recht
§ 2 Überblick über das bestehende Privatrecht der EU › B. Privatrecht im sekundären EU-Recht › I. Arten sekundären EU-Privatrechts
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Als geltendes EU-Privatrecht wesentlich bedeutsamer als die soeben dargestellten Normen des primären EU-Rechts sind die sekundären Normen des EU-Rechts. In Art. 288 AEUV sind die der EU zur Verfügung stehenden „Maßnahmen“ sekundärer Rechtsschaffung aufgeführt. Es gibt Verordnungen, Richtlinien und Entscheidungen sowie Empfehlungen und Stellungnahmen. Für das Privatrecht ragt die Richtlinie als meistgenutztes Rechtssetzungsinstrument heraus.
§ 2 Überblick über das bestehende Privatrecht der EU › B. Privatrecht im sekundären EU-Recht › II. Die Richtlinie
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Die Richtlinie ist dadurch geprägt, dass sie gemäß Art. 288 S. 3 AEUV keine Direktwirkung entfaltet. Das in der Richtlinie Geregelte ist also nicht unmittelbar im Rechtsverkehr anwendbares Recht. Vielmehr richtet sich die Richtlinie an die Mitgliedstaaten, welche die Vorgaben der Richtlinie innerhalb eines vorgegebenen Zeitraums in nationales Recht umsetzen müssen. Erst durch diese Umsetzung werden die in den Richtlinien vorgesehenen Regelungen zu in den Mitgliedstaaten geltendem, anwendbarem Recht (näher zum Ganzen unten Rn. 85 ff.).
Ein weiteres Charakteristikum der Richtlinie besteht darin, dass sie stets eine sektorspezifische Regelung ist. Sie betrifft immer einen bestimmten Politikbereich. Die ersten wichtigen privatrechtlichen Richtlinien betrafen alle das Arbeitsrecht. Ein wichtiges Beispiel ist die Richtlinie zur Gleichbehandlung von Mann und Frau von 1976.[7] Auch viele verbraucherschützende Richtlinien waren bereits in dieser Zeit entworfen worden. Es dauerte jedoch bis 1985, ehe die erste dieser Richtlinien, nämlich die Haustürgeschäfte-RL[8], in Kraft trat. Heute gibt es eine Vielzahl von privatrechtlichen Richtlinien. Sie betreffen insbesondere das Verbraucherschutzrecht, das Arbeitsrecht, das Wettbewerbsrecht und das Gesellschaftsrecht. Das Tempo der Richtliniengebung hat sich derzeit etwas verlangsamt. Dafür fließen viele Energien in die Systematisierung des acquis communautaire mit dem Ziel, Lücken und Unstimmigkeiten bei den Regelungen zu beseitigen.[9] Wie schwierig eine solche Systematisierung ist, zeigt sich deutlich an der Verbraucherrechte-RL. Es dauerte nicht nur viele Jahre bis die Richtlinie verabschiedet wurde und es wurden nicht – wie anfangs geplant – vier, sondern nur zwei bereits bestehende Richtlinien vollständig in sie einbezogen.[10] Eine Übersicht über die existierenden Richtlinien und Richtlinienvorschläge des allgemeinen Privatrechts findet sich im Anhang dieses Buchs.
§ 2 Überblick über das bestehende Privatrecht der EU › B. Privatrecht im sekundären EU-Recht › III. Die Verordnung
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Das zweite für das Privatrecht relevante Rechtssetzungsinstrument ist die in Art. 288 S. 2 AEUV beschriebene Verordnung. Die Verordnung gilt, anders als die Richtlinie, unmittelbar. Während die Verordnung im internationalen Zivilprozessrecht und im IPR viel verwendet wird, kommt ihr im eigentlichen materiellen Privatrecht generell nur eine geringe Rolle zu. Der wichtigste Grund für diese gering bleibende Bedeutung der Verordnung besteht in der fehlenden Praktikabilität. Es ist wohl kaum möglich, einzelne privatrechtliche Normen zu schaffen, die sich unmittelbar in die Rechtsordnungen aller Mitgliedstaaten integrieren lassen, ohne dass es zu deutlichen Systembrüchen kommt.[11]
Die Kompetenzgrundlage in Art. 114 AEUV (dazu Rn. 12 ff.) erlaubt es der EU an sich, auch Verordnungen zu erlassen. Aber die EU ist immer dem Verhältnismäßigkeitsprinzip verpflichtet (Art. 5 Abs. 1 S. 2 EUV) und die Richtlinie, welche den Mitgliedstaaten Umsetzungsspielraum lässt, ist zumeist das gegenüber der Verordnung gleichermaßen geeignete, aber mildere Mittel. Außerdem ist EU-Recht und besonders das verbraucherschützende EU-Privatrecht dem Grundsatz der Transparenz verpflichtet. Dem stünde es entgegen, wenn die privatrechtlichen Normen in einzelnen, nicht in das nationale Recht integrierten Verordnungen enthalten wären.
Anders ist es, wenn komplexe Regelungen für in sich geschlossene Rechtsbereiche geschaffen werden sollen. Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn ganz neue Gesellschaftsformen geschaffen werden sollen, wie die Europäische Aktiengesellschaft, die Societas Europaea (SE), und die Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung (EWIV), die beide in Verordnungen enthalten sind.[12] Die Verordnung als Regelungsform wird zudem häufig in Rechtsbereichen verwendet, in denen es eher um Regulierung als um das privatrechtliche Verhältnis der Akteure geht (Kapitalmarktrecht, Datenschutz).
Zur Darstellung des Streitstands Streinz, Europarecht, Rn. 121 ff. (letztlich für Völkerrecht); so schon EuGH Slg. 1964, 1269 LS 3: „eigene Rechtsordnung“ (Costa); BVerfGE 22, 292.
Lenz/Borchardt/Lenz, EU-Verträge Kommentar, Art. 1 AEUV Rn. 2 f.
Unstreitig, vgl. vorerst nur Lenz/Borchardt/Lenz, EU-Verträge Kommentar, Art. 1 AEUV Rn. 3.
Zur Unterscheidung nur Oppermann, Europarecht, § 9 Rn. 19 ff.
Reich, VuR 1999, 3, 6 ff.; Reich/Micklitz, Europäisches Verbraucherrecht, S. 25 ff.; ablehnend die überwiegende Auffassung, vgl. nur Grabitz/Hilf/Nettesheim/Pfeiffer, Das Recht der EU, Band II, Art. 169 AEUV Rn. 15.
Jarass, Charta der Grundrechte der EU, Art. 51 GRCh Rn. 32 ff., 36 ff.
Richtlinie 76/207/EWG (Gleichbehandlungs-RL). Sie wurde 2006 durch die Richtlinie 2000/78/EG (Gleichbehandlungs-RL (Beruf)) ersetzt.
Siehe zu allen privatrechtlichen Richtlinien die genaueren Angaben im Anhang I.
Näher unten Rn. 613 ff.
Grundmann, JZ 2013, 53, 54 f.
Eine Liste der wichtigsten privatrechtlichen Verordnungen findet sich in Anhang II.
Zur SE die Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates vom 8. Oktober 2001 über das Statut der europäischen Gesellschaft – auch hier wurden Einzelgebiete, wie die Arbeitnehmermitbestimmung, einer Richtlinie vorbehalten. Zur EWIV die Verordnung (EWG) Nr. 2137/85 des Rates vom 25. Juli 1985 über die Schaffung einer Europäischen Wirtschaftlichen Interessenvereinigung (EWIV).
A.Kompetenz der EU zur Rechtssetzung im Bereich des Privatrechts
B.Vorrang des EU-Rechts
C.Grundfreiheiten, Diskriminierungsverbot, Unionsbürgerschaft und Privatrecht