PROLETARIER ALLER LÄNDER, VEREINIGT EUCH!
In der vorliegenden Ausgabe wird der Text des »Manifestes« nach der deutschen Originalfassung von 1848 wiedergegeben. Diese Ausgabe enthält ferner die von Friedrich Engels stammenden Fußnoten zur englischen Ausgabe von 1888 und zur deutschen Ausgabe von 1890 sowie sämtliche Vorreden der Verfasser des »Manifestes« zu verschiedenen Ausgaben. Die Vorreden zur englischen und zur italienischen Ausgabe sind ins Deutsche übersetzt, die übrigen liegen im Originaltext vor.
Die Anmerkungen im Anhang zum Text wurden nach denen der chinesischen und der deutschen Ausgabe des »Manifestes« bearbeitet.
Dem Originaldruck wird weitgehend entsprochen; Hervorhebungen im Text wurden übernommen. Die Rechtschreibung wurde beibehalten. Eindeutige Druckfehler wurden korrigiert.
1. Auflage Mai 2018
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Das »Manifest der Kommunistischen Partei«
wurde von Karl Marx und Friedrich Engels von
Dezember 1847 bis Januar 1848 geschrieben und
erstmalig im Februar 1848 in London gedruckt.
VORWORT ZUR DEUTSCHEN AUSGABE VON 1872
VORREDE ZUR RUSSISCHEN AUSGABE VON 1882
VORWORT ZUR DEUTSCHEN AUSGABE VON 1883
VORREDE ZUR ENGLISCHEN AUSGABE VON 1888
VORWORT ZUR DEUTSCHEN AUSGABE VON 1890
VORWORT ZUR POLNISCHEN AUSGABE VON 1892
VORWORT ZUR ITALIENISCHEN AUSGABE VON 1893 (An den italienischen Leser)
MANIFEST DER KOMMUNISTISCHEN PARTEI
I. BOURGEOIS UND PROLETARIER
II. PROLETARIER UND KOMMUNISTEN
III. SOZIALISTISCHE UND KOMMUNISTISCHE LITERATUR
1. Der reaktionäre Sozialismus
a) Der feudale Sozialismus
b) Kleinbürgerlicher Sozialismus
c) Der deutsche oder der »wahre« Sozialismus
2. Der konservative oder Bourgeoissozialismus
3. Der kritisch-utopistische Sozialismus und Kommunismus
IV. STELLUNG DER KOMMUNISTEN ZU DEN VERSCHIEDENEN OPPOSITIONELLEN PARTEIEN
ANMERKUNGEN
Titelblatt der ersten Auflage des »Manifestes der Kommunistischen Partei«
Seite aus Marx’ Konzept zum »Manifest der Kommunistischen Partei«
Umschlagseite des »Manifestes der Kommunistischen Partei« London 1848 (dreißigseitige Ausgabe)
Der »Bund der Kommunisten«, eine internationale Arbeiterverbindung, die unter den damaligen Verhältnissen selbstredend nur eine geheime sein konnte, beauftragte auf dem in London im November 1847 abgehaltenen Kongresse die Unterzeichneten mit der Abfassung eines für die Öffentlichkeit bestimmten, ausführlichen theoretischen und praktischen Parteiprogramms. So entstand das nachfolgende Manifest, dessen Manuskript wenige Wochen vor der Februarrevolution3 nach London zum Druck wanderte. Zuerst deutsch veröffentlicht, ist es in dieser Sprache in Deutschland, England und Amerika in mindestens zwölf verschiedenen Ausgaben abgedruckt worden. Englisch erschien es zuerst 1850 in London im »Red Republican«4, übersetzt von Miß Helen Macfarlane, und 1871 in wenigstens drei verschiedenen Übersetzungen in Amerika. Französisch zuerst in Paris kurz vor der Juni-Insurrektion 1848, neuerdings in »Le Socialiste«5 von New York. Eine neue Übersetzung wird vorbereitet. Polnisch in London kurz nach seiner ersten deutschen Herausgabe. Russisch in Genf in den sechziger Jahren. Ins Dänische wurde es ebenfalls bald nach seinem Erscheinen übersetzt.
Wie sehr sich auch die Verhältnisse in den letzten fünfundzwanzig Jahren geändert haben, die in diesem Manifest entwickelten allgemeinen Grundsätze behalten im ganzen und großen auch heute noch ihre volle Richtigkeit. Einzelnes wäre hier und da zu bessern. Die praktische Anwendung dieser Grundsätze, erklärt das Manifest selbst, wird überall und jederzeit von den geschichtlich vorliegenden Umständen abhängen, und wird deshalb durchaus kein besonderes Gewicht auf die am Ende von Abschnitt II vorgeschlagenen revolutionären Maßregeln gelegt. Dieser Passus würde heute in vieler Beziehung anders lauten. Gegenüber der immensen Fortentwicklung der großen Industrie in den letzten fünfundzwanzig Jahren und der mit ihr fortschreitenden Parteiorganisation der Arbeiterklasse, gegenüber den praktischen Erfahrungen, zuerst der Februarrevolution und noch weit mehr der Pariser Kommune, wo das Proletariat zum erstenmal zwei Monate lang die politische Gewalt innehatte, ist heute dies Programm stellenweise veraltet. Namentlich hat die Kommune den Beweis geliefert, daß »die Arbeiterklasse nicht die fertige Staatsmaschine einfach in Besitz nehmen und sie für ihre eignen Zwecke in Bewegung setzen kann«. (Siehe »Der Bürgerkrieg in Frankreich, Adresse des Generalrats der Internationalen Arbeiterassoziation«, deutsche Ausgabe, S. 19, wo dies weiterentwickelt ist.) Ferner ist selbstredend, daß die Kritik der sozialistischen Literatur für heute lückenhaft ist, weil sie nur bis 1847 reicht; ebenso daß die Bemerkungen über die Stellung der Kommunisten zu den verschiedenen Oppositionsparteien (Abschnitt IV), wenn in den Grundzügen auch heute noch richtig, doch in ihrer Ausführung heute schon deswegen veraltet sind, weil die politische Lage sich total umgestaltet und die geschichtliche Entwicklung die meisten der dort aufgezählten Parteien aus der Welt geschafft hat.
Indes, das Manifest ist ein geschichtliches Dokument, an dem zu ändern wir uns nicht mehr das Recht zuschreiben. Eine spätere Ausgabe erscheint vielleicht begleitet von einer, den Abstand von 1847 bis jetzt überbrückenden Einleitung; der vorliegende Abdruck kam uns zu unerwartet, um uns Zeit dafür zu lassen.
London, 24. Juni 1872
Karl MarxFriedrich Engels
Die erste russische Ausgabe des »Manifestes der Kommunistischen Partei«, übersetzt von Bakunin, erschien anfangs der sechziger Jahre7 in der Druckerei des »Kolokol«8. Der Westen konnte damals in ihr (der russischen Ausgabe des Manifestes) nur ein literarisches Kuriosum sehn. Solche Auffassung wäre heute unmöglich.
Welch beschränktes Gebiet damals (Dezember 1847) die proletarische Bewegung noch einnahm, zeigt am klarsten das Schlußkapitel des Manifests: Stellung der Kommunisten zu den verschiedenen Oppositionsparteien in den verschiedenen Ländern. Hier fehlen nämlich grad — Rußland und die Vereinigten Staaten. Es war die Zeit, wo Rußland die letzte große Reserve der europäischen Gesamtreaktion bildete; wo die Vereinigten Staaten die proletarische Überkraft Europas durch Einwanderung absorbierten. Beide Länder versorgten Europa mit Rohprodukten und waren zugleich Absatzmärkte seiner Industrieerzeugnisse. Beide Länder waren damals also, in dieser oder jener Weise, Säulen der bestehenden europäischen Ordnung.
Wie ganz anders heute! Grade die europäische Einwanderung befähigte Nordamerika zu einer riesigen Ackerbauproduktion, deren Konkurrenz das europäische Grundeigentum — großes wie kleines — in seinen Grundfesten erschüttert. Sie erlaubte zudem den Vereinigten Staaten, ihre ungeheuren industriellen Hilfsquellen mit einer Energie und auf einer Stufenleiter auszubeuten, die das bisherige industrielle Monopol Westeuropas und namentlich Englands binnen kurzem brechen muß. Beide Umstände wirken revolutionär auf Amerika selbst zurück. Das kleinere und mittlere Grundeigentum der Farmers, die Basis der ganzen politischen Verfassung, erliegt nach und nach der Konkurrenz der Riesenfarms; in den Industriebezirken entwickelt sich gleichzeitig zum erstenmal ein massenhaftes Proletariat und eine fabelhafte Konzentration der Kapitalien.
Und nun Rußland! Während der Revolution von 1848/49 fanden nicht nur die europäischen Fürsten, auch die europäischen Bourgeois in der russischen Einmischung die einzige Rettung vor dem eben erst erwachenden Proletariat. Der Zar wurde als Chef der europäischen Reaktion proklamiert. Heute ist er Kriegsgefangener der Revolution in Gatschina9, und Rußland bildet die Vorhut der revolutionären Aktion von Europa.
Das Kommunistische Manifest hatte zur Aufgabe, die unvermeidlich bevorstehende Auflösung des modernen bürgerlichen Eigentums zu proklamieren. In Rußland aber finden wir, gegenüber rasch aufblühendem kapitalistischen Schwindel und sich eben erst entwickelndem bürgerlichen Grundeigentum, die größere Hälfte des Bodens im Gemeinbesitz der Bauern. Es fragt sich nun: Kann die russische Obschtschina, eine wenn auch stark untergrabene Form des uralten Gemeinbesitzes am Boden, unmittelbar in die höhere des kommunistischen Gemeinbesitzes übergehn? Oder muß sie umgekehrt vorher denselben Auflösungsprozeß durchlaufen, der die geschichtliche Entwicklung des Westens ausmacht?
Die einzige Antwort hierauf, die heutzutage möglich, ist die: Wird die russische Revolution das Signal einer proletarischen Revolution im Westen, so daß beide einander ergänzen, so kann das jetzige russische Gemeineigentum am Boden zum Ausgangspunkt einer kommunistischen Entwicklung dienen.
London, 21. Januar 1882
K. MarxF. Engels
Das Vorwort zur gegenwärtigen Ausgabe muß ich leider allein unterschreiben. Marx, der Mann, dem die gesamte Arbeiterklasse Europas und Amerikas mehr verdankt als irgendeinem andern — Marx ruht auf dem Friedhof zu Highgate, und über sein Grab wächst bereits das erste Gras.11 Seit seinem Tode kann von einer Umarbeitung oder Ergänzung des Manifestes erst recht keine Rede mehr sein. Für um so nötiger halte ich es, hier nochmals das Folgende ausdrücklich festzustellen.
Der durchgehende Grundgedanke des Manifestes: daß die ökonomische Produktion und die aus ihr mit Notwendigkeit folgende gesellschaftliche Gliederung einer jeden Geschichtsepoche die Grundlage bildet für die politische und intellektuelle Geschichte dieser Epoche; daß demgemäß (seit Auflösung des uralten Gemeinbesitzes an Grund und Boden) die ganze Geschichte eine Geschichte von Klassenkämpfen gewesen ist, Kämpfen zwischen ausgebeuteten und ausbeutenden, beherrschten und herrschenden Klassen auf verschiedenen Stufen der gesellschaftlichen Entwicklung; daß dieser Kampf aber jetzt eine Stufe erreicht hat, wo die ausgebeutete und unterdrückte Klasse (das Proletariat) sich nicht mehr von der sie ausbeutenden und unterdrückenden Klasse (der Bourgeoisie) befreien kann, ohne zugleich die ganze Gesellschaft für immer von Ausbeutung, Unterdrückung und Klassenkämpfen zu befreien — dieser Grundgedanke gehört einzig und ausschließlich Marx an.*
Ich habe das schon oft ausgesprochen; es ist aber gerade jetzt nötig, daß es auch vor dem Manifest selbst steht.
London, 28. Juni 1883
F. Engels
* »Diesem Gedanken«, sage ich in der Vorrede zur englischen Übersetzung, »der nach meiner Ansicht berufen ist, für die Geschichtswissenschaft denselben Fortschritt zu begründen, den Darwins Theorie für die Naturwissenschaft begründet hat — diesem Gedanken hatten wir beide uns schon mehrere Jahre vor 1845 allmählich genähert. Wie weit ich selbständig mich in dieser Richtung voranbewegt, zeigt meine ›Lage der arbeitenden Klasse in England‹. Als ich aber im Frühjahr 1845 Marx in Brüssel wieder traf, hatte er ihn fertig ausgearbeitet, und legte ihn mir vor in fast ebenso klaren Worten wie die, worin ich ihn oben zusammengefaßt.« (Anmerkung von Engels zur deutschen Ausgabe von 1890.)
Das »Manifest« wurde als Plattform des »Bundes der Kommunisten« veröffentlicht, einer anfangs ausschließlich deutschen, später internationalen Arbeiterassoziation, die unter den politischen Verhältnissen des europäischen Kontinents vor 1848 unvermeidlich eine Geheimorganisation war. Auf dem Kongreß des Bundes, der im November 1847 in London stattfand, wurden Marx und Engels beauftragt, die Veröffentlichung eines vollständigen theoretischen und praktischen Parteiprogramms in die Wege zu leiten. In deutscher Sprache abgefaßt, wurde das Manuskript im Januar 1848, wenige Wochen vor der französischen Revolution vom 24. Februar, nach London zum Druck geschickt. Eine französische Übersetzung wurde kurz vor der Juni-Insurrektion von 1848 in Paris herausgebracht. Die erste englische Übersetzung, von Miß Helen Macfarlane besorgt, erschien 1850 in George Julian Harneys »Red Republican« in London. Auch eine dänische und eine polnische Ausgabe wurden veröffentlicht.