DANKE
Allen, die mir Tagebücher, private Berichte, Auszüge aus Familienchroniken, Informationen, Fotos und vieles mehr überlassen haben und damit erheblich zum Gelingen dieses Buches beigetragen haben, danke ich sehr herzlich.
Mein ganz besonderer Dank gilt der Bibliotheksleiterin Frau Ann McLachlan „am anderen Ende der Welt“, in Australien, die mir viele wichtige Tipps gegeben hat und mir über einen langen Zeitraum wertvolle Informationen zukommen ließ.
Zu großem Dank verpflichtet bin ich zudem Frau Lyn Hall, die ehrenamtlich tätig ist für das Berrima District Historical & Family History Society Museum in Australien, sowie Herrn Franz Streibl in Deutschland für die mir in großer Zahl überlassenen Fotos; diese stellen – zur Veranschaulichung des Textes – eine außerordentliche Bereicherung für das Buch dar.
Vor allem aber danke ich meiner Frau Anke, die mich zu „Schauplätzen“ meiner Nachforschungen begleitet, mich bei unzähligen Recherchen im Internet und auch sonst in jeder Hinsicht tatkräftig unterstützt und zudem das gesamte Manuskript getippt hat.
Gerhard Dannemann
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© 2018 Gerhard Dannemann
Satz, Umschlaggestaltung, Herstellung und Verlag:
BoD – Books on Demand GmbH
ISBN: 978-3-7528-0083-8
Aufzug dunkler Wolken
„Die Zeit, in der sich mein Leben seit der Mitte der achtziger Jahre (1884) abspielte, war scheinbar eine Zeit ruhiger Entwicklung, und doch trieb unser Volk mit fast berechenbarer Geschwindigkeit der Katastrophe entgegen, die uns 1914 ereilte. Die Gründe waren militärischer und wirtschaftlicher Art. Allein die fortgesetzten Rüstungen, hinter denen in Frankreich der Revanchegedanken lauerte, mussten schließlich zu einem europäischen Kriege, wenn nicht gar zu einem Weltkriege führen. Die Worte si vis pacem, para bellum hätte man dem Satz entgegenstellen müssen: je schwerer die Rüstung, desto größer die Kriegsgefahr. Mit der Größe der stehenden Heere wuchs nämlich auch die Zahl der Elemente, die zum Kriege trieben. Sie waren nicht nur in den Heeren selbst unter den höheren militärischen Posten, sondern auch unter den ehrgeizigen Diplomaten und in der Rüstungsindustrie zu finden. Aus dieser Ursache wäre es fast schon 1876 und ganz besonders 1886 zum Kriege gekommen. Hatte doch Bismarck nach dem Frankfurter Frieden die Meinung ausgesprochen, dass der Rest des 19. Jahrhunderts eine Zeit voller kriegerischer Konflikte sein würde. Immerhin wären solche Konflikte wahrscheinlich nur zwischen Frankreich und Deutschland ausgetragen worden, während doch seit 1890 Europa mehr und mehr sich in zwei Lager spaltete, die immer drohender einander gegenüberstanden. Nur eine sehr geschickte Politik konnte das Deutsche Reich durch diesen Zwiespalt führen. Indes das Schicksal fügte es, dass die politische Führung des Deutschen Reiches 1890 in die unfähigsten Hände glitt. Es war eine Politik des großen Maules und des Säbelrasselns, die damals von oben herunter gemacht wurde und die von dort aus leider auch in immer weitere Volkskreise eindrang. Man dachte, es sei ein leichtes, dass Deutschland, das 1866 und 1870/71 unter Preußens Führung solch glänzende Siege auf den Schlachtfeldern erfochten hatte, nun auch dem gesamten Europa das Gesetz des Handelns vorschreiben könne“, das schrieb mein Großvater Friedrich Dannemann (1859–1937), Professor der Geschichte der Naturwissenschaften in Bonn, womit er die Zusammenhänge aufzeigte, die zum Krieg 1914/1918 führten.
Gerhard Dannemann Hamburg, den 7. April 2018
Für Ostasien, Ozeanien und Australien war das Verhältnis zu Großbritannien besonders auf dem Gebiet des Handels von fundamentaler Bedeutung. Die europäische Großmacht war zur größten Welthandelsmacht aufgestiegen, fühlte sich allen anderen Nationen gegenüber überlegen und meinte auch ohne Aufrechterhaltung der Produktivität weiterhin seine beherrschende Position beibehalten zu können. Auf englischer Seite war man sehr ungehalten darüber, dass ihre Ausfuhr spätestens ab 1873 zu schrumpfen begann. Der zunehmend deutschen Konkurrenz versuchte man statt erhöhter Anstrengungen durch protektionistische Maßnahmen entgegenzuwirken. Die Engländer sprachen von der „german invasion“ der sich immer weiter ausbreitenden und immer mächtiger werdenden Handelshäuser, die ihnen einen beträchtlichen Teil ihrer Geschäfte abnahmen. Die Deutschen waren offensichtlich tüchtiger, früher auf den Beinen, arbeiteten länger und waren dadurch einfach erfolgreicher. Sie konnten ihre Waren billiger anbieten und sorgten für prompte und zuverlässige Ausführung der Aufträge. Als dann der Erste Weltkrieg ausbrach, wurden von den Kriegsgegnern der Deutschen in Ostasien, Großbritannien und Japan, zahlreiche junge Männer im wehrfähigen Alter als Kriegsgefangene interniert. Die Soldaten, die vom deutschen Pachtgebiet Kiautschou aus gegen die Japaner gekämpft hatten und sich wegen der Übermacht des Feindes am Ende geschlagen geben mussten, gingen in japanische Kriegsgefangenschaft. Die im ostasiatischen Raum gefangengenommenen Zivilisten wurden zunächst vor Ort interniert und von dort nach Australien gebracht, da den Engländern der Kontinent „am anderen Ende der Welt“ wegen der Insellage ausbruchsicher zu sein schien. Deutsche Seeleute, die sich im ostasiatischen Raum oder Australien in den Häfen befanden oder in den dortigen Gewässern auf Handelsschiffen unterwegs waren, wurden von Bord geholt und gefangengenommen. Außerdem befanden sich unter den Gefangengenommenen in den asiatischen Ländern und im fernen Australien Personen, die jeweils dort beruflich unterwegs waren, in der Mehrzahl vor allem Kaufleute, darunter viele Firmeninhaber von deutschen Niederlassungen und höchst angesehene Persönlichkeiten, die in den jeweiligen Ländern ganz normal ihren Geschäften nachgingen und teilweise mit ihren Familien dort schon lange lebten. Daher entschlossen sich auch viele Ehefrauen, gegebenenfalls mit ihren Kindern, ihren Männern auf dem Weg in die Gefangenschaft – und damit in eine ungewisse Zukunft – zu folgen.
Die bedeutendste, 1857 in Bremen gegründete deutsche Reederei war in Ostasien Anfang des 20. Jahrhunderts der Norddeutsche Lloyd. Größter Beliebtheit vor allem bei Passagieren, aber auch bei den Abladern erfreute sich der zwischen Europa und den Haupthäfen östlich von Suez aufgebaute exzellente Dienst, mit dem die übrigen Reedereien kaum mithalten konnten. Der Grund für den überdurchschnittlichen Standard war das 1885 zwischen dem Deutschen Reich und dem Lloyd abgeschlossene Reichspostdampferabkommen, das die Reederei verpflichtete, eine festgelegte Anzahl von Abfahrten nach Ostasien zu gewährleisten bei einem gehobenen Standard der Passagiereinrichtungen. Das erwies sich als weitere Trumpfkarte, denn die Schifffahrtsgesellschaft bediente bereits seit fast 30 Jahren sehr erfolgreich verschiedene Routen über den Atlantik nach Nordamerika. Die Aussichten der Ausweitung nach Ostasien und Australien waren so erfolgversprechend, dass die Aktionäre des Norddeutschen Lloyd sogar einer Aufstockung des Kapitals um 20 Millionen Mark zustimmten. Das Hauptaugenmerk wurde gelegt auf Zuverlässigkeit, Komfort und erstklassigen Service, was die Schiffspassagiere zu schätzen wussten. In der Folge wurde eine neue Serie von schnellen Schiffen (mit 12 ½ bis 14 Knoten – 1 Knoten ~ 1,62 km/h) in Dienst gestellt, die die Einhaltung der Fahrpläne gewährleisten konnte. Außerdem war das Lüftungssystem auf den Schiffen derart verbessert worden, dass das Tropenklima besser zu ertragen war. 1886 wurde mit dem Dampfer „Oder“ (107 m lang, 12 m breit, 3.159 BRT, 13,5 Knoten, 144 Passagiere 1. Klasse, 68 Passagiere 2. Klasse, 502 Passagiere im Zwischendeck und bis zu 115 Besatzungsmitglieder) die Linie nach Fernost und Australien eröffnet.
Am 30. Juni 1886 legte der erste Reichspostdampfer „Oder“ in Bremerhaven ab mit dem Ziel Shanghai, wo er am 15. August ankam. Zur Verabschiedung waren außer den örtlichen Vertretern aus Bremen auch die von den Reichsbehörden Entsandten aus Berlin sowie die Vertreter der Handelskammern vom Rheinland, von Westfalen und Sachsen erschienen. Selbst der in Berlin anwesende chinesische Handelsminister ließ es sich nicht nehmen, bei der von einer jubelnden Menschenmenge begleiteten Abreise aus Deutschland dabei zu sein. Gleich am folgenden Tag nach der Ankunft wurde dann die Kaiserliche Deutsche Postniederlassung in Shanghai gegründet. Neben der „Oder“ fuhren auf der Ostasien-Linie anfangs auch noch die Dampfer „Neckar“, „Nürnberg“ und „Braunschweig“, wodurch eine monatliche Abfahrt in beide Richtungen gewährleistet war. Im zweiten Jahr war die Nachfrage bereits so groß, dass man die Abfahrtfrequenz verdoppeln musste. Subventioniert wurde die neue Linie vom Deutschen Reich mit 3.420 Millionen Mark.
Nachdem die1874 in Hull in England gebaute „Salier“ (107 m lang, 12 m breit, 3.083 BRT, Geschwindigkeit 12 Knoten, 142 Passagiere 1. Klasse, 800 Passagiere im Zwischendeck) in Bremerhaven zum Reichspostdampfer umgebaut worden war, wurde noch im Jahre 1886 auch die Linie nach Australien eröffnet. Die Reichspostdampferlinien wurden vom Reich auf verschiedene Weise unterstützt. Als Gegenleistung waren die Brief- und Paketsendungen der Reichspost einerseits auf schnellstem Weg zu befördern und andererseits im Bedarfsfall die Marine zu unterstützen und Kriegstransporte vorzunehmen – wie dies beispielsweise beim Boxeraufstand in China geschehen ist. So stellte der Norddeutsche Lloyd (NDL) für den Transport des ersten Expeditionskorps die Dampfer „Halle“, „Dresden“, „Aachen“, „Straßburg“, „Rhein“ und „H.H. Meier“ zur Verfügung. Damit wurde den Kriegsteilnehmern seitens der Reederei jeder erdenkliche Komfort geboten. Das bezog sich sowohl auf die auf die Tropen ausgerichtete Bauweise als auch die prachtvolle Ausgestaltung der Räumlichkeiten. Die Schiffe der so genannten Prinzenklasse („Prinz Waldemar“, „Prinz Sigismund“), deren Passagierkabinen sich alle oberhalb des Hauptdecks befanden, zeichneten sich aus durch stilvolle Einrichtungen, die sich vor allem auch hinsichtlich Tropentauglichkeit auf dem neuesten Stand befanden. Sie wurden eingesetzt für die Austral-Japan-Linie, die die Verbindung zwischen der Ostasien- und der Australlinie darstellte. Neben den oben genannten Prinzen-Dampfern verkehrten in monatlichem Abstand auf dieser Linie auch die Schiffe „Willehard“ und „Sandokan“. Ausgangshafen war Sydney, von dort ging es nach Simsonhafen (Neupommern), Friedrich-Wilhelmshafen (Neuguinea), Manila, Hongkong, Yokohama, Kobe, Moji und dann in umgekehrter Reihenfolge wieder zurück nach Sydney. Bei Bedarf konnten auch Melbourne, New Castle, Brisbane und Koppel-Bay angelaufen werden.
Der Dampfer „Prinz Sigismund“ lief am 12. Mai 1903 bei der AG Weser vom Stapel und wurde am 4. September 1903 abgeliefert. Er war 103,63 m lang, 12,86 m breit, verfügte über zwei Schrauben, lief 12 Knoten und seine Tonnage betrug 3.302 BRT und 3.700 tdw. In der 1. Klasse konnten 28, in der 2. 40 und in der 3. Klasse 22 Passagiere befördert werden, bei insgesamt 96 Besatzungsmitgliedern. Bei Ausbruch des Krieges befand er sich auf der Rückreise von Japan auf dem Weg durch die Südsee und traf, von Neuguinea kommend, am 4. August in Brisbane ein, wo er, vom Militär zunächst noch festgehalten, anschließend beschlagnahmt wurde.
Durch die Frachtlinie von Bremen nach Australien erschlossen sich für den deutschen Handel neue Möglichkeiten durch eigens für diesen Verkehr gebaute neue Frachter, die im Durchschnitt 5.000 BRT groß und mit Kühlanlagen ausgestattet waren für die Verschiffung von Fleisch und anderen leicht verderblichen Waren. Das waren die Dampfer „Westfalen“, „Schwaben“, „Lothringen“, „Pfalz“ und „Thüringen“.
Um die Verbindung zum Hinterland der durch die Reichspostlinien bedienten Häfen Penang, Singapur und Hongkong zu gewährleisten, suchte man nach geeigneten, bereits bestehenden Linien. Aus diesem Grunde kaufte der NDL im Jahre 1899 zwei im hinterindischchinesischen Verkehr tätige Dampferlinien auf. Es waren 14 Dampfer der Scottish Oriental Steamship Company, die den Verkehr zwischen Hongkong, Swatow (heute Shantou) und Bangkok versah, und 13 Dampfer der Holtschen East Indian Ocean Steamship Company. Die aufgekaufte Flotte von 27 Schiffen wurde von Grund auf überholt und durch deutsche Neubauten ergänzt, so dass schließlich insgesamt 51 Schiffe zur Verfügung standen. Die mit den beiden Linien übernommenen englischen Kapitäne waren von dieser Entwicklung alles andere als begeistert und versuchten, die deutsche Flagge am Heck ihrer Schiffe nicht zu setzen oder zumindest zu ignorieren, indem sie ihr immer den Rücken zudrehten. Die Auflagen des deutschen Staates an die Reichspostdampferlinien hinsichtlich Komfort, Ausstattung, Geschwindigkeit und Pünktlichkeit genügten seinerzeit höchsten Ansprüchen, so dass selbst die Engländer die deutschen Schiffe den eigenen vorzogen.
Folgende Küstenlinien wurden vom NDL betrieben:
von: | nach: |
Penang | Deli (Belawan) |
Singapur | Deli, Asahan, Penek, Penang |
Singapur | Bangkok |
Singapur | Britisch Nord Borneo – Südphilippinen |
Singapur | Borneo, Südphilippinen – Molukken |
Singapur | Celebes – Molukken |
Hongkong | Bangkok |
Hongkong | Swatow – Amoy – Straits |
Hongkong | Hankow – Singapur – Bangkok |
Hongkong | Borneo – Südphilippinen |
Shanghai | Hankow (via Yangtse-Hafen) |
Australien | Japan (via Neuguinea – Manila und Hongkong |
In Verbindung mit dem in China stark vertretenen Handelshaus Melchers & Co. baute der NDL auf der wichtigsten Verkehrsader Chinas, dem Yangtse, den europäischen Schifffahrtsverkehr erheblich aus.
Die während des Krieges in Ostasien/Australien aufgelegten Schiffe wurden in den genannten Orten beschlagnahmt:
Dampfer: | beschlagnahmt in: |
„Princess Alice“ | Cebu (Philippinen) |
„Königsberg“ | Sabang (Indonesien) |
„Bamberg“ | Wladiwostok (Russland) |
„Chow Fa“ | Riouw (Indonesien) |
„Machew“ | Surabaya (Indonesien) |
„Chow Tai“ | Singapur |
„Wong Koi“ | Belawan (Indonesien) |
„Deli“ | Bangkok |
„Rayabun“ | Hongkong |
„Mei Lee“ | Shanghai |
„Mei Dah“ | Shanghai |
„Kosichang“ | Bangkok |
„Melong“ | Sumatra |
„Pitsanulok“ | Bangkok |
„Petchabun“ | Bangkok |
„Bangpakong“ | Bangkok |
„Borkum“ | Massaua (Stadt am Roten Meer) |
„Tsingtau“ | Manila (Philippinen) |
„Paklat“ | Tientsin – heute Tianjin (China) |
„Samsen“ | Bangkok |
„Tübingen“ | Manila |
„Hessen“ | Port Phillip/Victoria (Australien) |
„Lothringen“ | Melbourne |
„Thüringen“ | Fremantle (Australien) |
„Greifswald“ | Fremantle |
„Malaya“ | Belawan |
„Manila“ | Amboina (Indonesien) |
„Sandokan“ | Labuan (Malaysia) |
„Marudu“ | Zamboanga (Philippinen) |
„Darvel“ | Zamboanga |
„Rajah“ | Manila |
„Menam“ | Bangkok |
„Ranee“ | Singapur |
„Kwon Eng“ | Makassar (Indonesien) |
„Teo Pao“ | Amboina |
„Chiengmai“ | Bangkok |
„Patani“ | Bangkok |
„Ayuthia“ | Sumatra |
„Chantaboon“ | Bangkok |
„Zieten“ | Mosambik |
„Roon“ | Tjilatjap (Indonesien) |
„Kleist“ | Padang (Indonesien) |
„Derfflinger“ | Port Said |
„Lützow“ | Suezkanal |
„Rheinland“ | Padang |
„Elsass“ | Pago Pago, Samoa |
„Pommern“ | Honolulu |
„Mark“ | Manila |
„Pfalz“ | Melbourne |
„Anhalt“ | Telok Betong (Indonesien) |
Die Hansa-Linie war eine weitere bedeutende, von Bremer Kaufleuten gegründete Reederei mit Liniendiensten nach Asien, ins Mittelmeer und zur Ostsee. So fuhr das erste 1882 in Dienst gestellte Schiff, die „Stolzenfels“, von New Castle nach Singapur. Als Schwerpunkt der Reederei entwickelten sich die Fahrtgebiete nach Indien, Ostindien, dem damaligen Niederländisch-Indien (heute Indonesien), und Australien. Im Juli 1903 wurde die Ostindische Linie in den Status einer Reichspostdampferlinie aufgenommen. 1902 und 1911 erfolgten Abkommen mit dem Norddeutschen Lloyd und der HAL (Hamburg-Amerika-Linie) hinsichtlich des Dienstes nach Indien und Ostasien. Bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges war die „Hansa“ die weltweit größte reine Frachtschiffsreederei mit insgesamt 70 Schiffen (417.489 BRT).
Die folgenden Dampfer der Reederei „Hansa“ wurden während des Krieges im Orient und in Asien bzw. Australien beschlagnahmt:
Dampfer: | |
„Tannenfels“ | Hong Kong |
„Hohenfels“ | Tandjong Priok (Indonesien) |
„Bärenfels“ | Port Said |
„Drachenfels“ | Sabang |
„Wartburg“ | Manila |
„Argenfels“ | Saigon |
„Wildenfels“ | Melbourne |
„Schwarzfels“ | Adelaide |
„Schönfels“ | Sabang |
„Werdenfels“ | Port Said |
„Wartenfels“ | Aden |
„Reichenfels“ | Colombo |
„Trifels“ | Colombo |
„Trautenfels“ | Bangkok |
„Moltkefels“ | Colombo |
„Rheinfels“ | Bombay |
„Braunfels“ | Bombay |
„Rotenfels“ | Kalkutta |
„Lindenfels“ | Aden |
„Uhenfels“ | Tandjonk Priok |
„Wartum“ | Bombay |
„Imkenturm“ | Surabaya |
„Pagenturm“ | Kalkutta |
„Arsterturm“ | Sabang |
„Seinturm“ | Colombo |
„Birkenfels“ | Kapstadt |
„Freienfels“ | Kalkutta |
„Sturmfels“ | Massaua/Eritrea |
„Lauterfels“ | Port Said |
„Goldenfels“ | Sabang |
„O.J.D. Ahlers“ | Hawaii |
„Rappenfels“ | Colombo |
Ein außergewöhnlicher Dampfer der Hansa, der während des Krieges nicht requiriert wurde, war die von der Flensburger Schiffsbau-Gesellschaft gebaute „Wachtfels“. Am 8. März 1913 vom Stapel gelaufen, wurde sie am 19. April 1913 in Dienst gestellt. Bei Kriegsbeginn befand sich das Schiff in Hamburg und fuhr, bis es 1916 von der Kaiserlichen Marine eingezogen und auf der Marinewerft in Wilhelmshaven zum Hilfskreuzer umgebaut wurde, als Handelsschiff unter deutscher Flagge. Unter dem Namen S.M.S. „Wolf“ kam es ab Mai 1916 zunächst zum Einsatz als U-Boot-Begleitschiff der S.M.S. „Jupiter“. Danach, ab dem 29. November 1916, wurde es als eigenständiger Hilfskreuzer unter Korvettenkapitän Karl-August Nerger aus Kiel auf außerordentlichen Kaperfahrten eingesetzt. Berühmtberüchtigt wurde, von den Feinden praktisch unbemerkt, seine Fahrt, die ihn ganz bis nach Australien, Neuseeland und wieder zurück in die Heimat führte. Zunächst ging es durch den Skagerrak nordwärts um Island herum, dann südwärts durch die Mitte des Atlantiks bis hinunter nach Kapstadt, weiter hinein in den Indischen Ozean und dann vorbei an Colombo hoch bis nach Bombay. Nach einer Kehrtwendung in südliche Richtung ging es, vorbei an Australiens Westküste, zum entfernten Neuseeland, wo die „Wolf“, begünstigt durch das Verminen neuseeländischer Häfen, eine Vielzahl von feindlichen Schiffen aufbrachte und anschließend versenkte. Danach dampfte der Hilfskreuzer zunächst an der Ostküste Australiens entlang. In dieser Zeit wurden die Militärs des großen Kontinents in Angst und Schrecken versetzt, weil sie befürchtet hatten, dass die deutschen Kriegsgefangenen, die an dieser Küste interniert waren, von dem Kriegsschiff „Wolf“ befreit werden könnten. Der Verdacht schien jedoch unbegründet. Jedenfalls hatten die Australier die Deutschen vorsichtshalber bereits kurz zuvor weiter ins Landesinnere verfrachtet. Das Schiff setzte dann seine „Rundreise“ weiter fort in Richtung Südsee, vorbei an Neu-Guinea und Borneo, um dann wieder in den Indischen Ozean und weiter in den Atlantik einzufahren hinauf bis nach Island, bis es schließlich gen Süden entlang der norwegischen Küste fuhr. In der Nacht zum 15. Februar 1916 umrundete die „Wolf“ die sogenannte „Nase“ im Süden Norwegens. Im Skagerrak musste sie, um unbemerkt in den Kattegat einlaufen zu können, ständig feindlichen Vorpostenschiffen ausweichen. Bei diesem riskanten Manöver waren alle, die an Bord waren, ob Gefangener, Neutraler oder Deutscher, bis aufs Äußerste angespannt. Als ihnen dann am 17. Februar beim Verlassen der Seestraße das deutsche Kriegsschiff „Panther“, das sie zu Beginn der Mission vor gut 14 Monaten verabschiedet hatte, entgegenkam und stoppte, entlud sich die Anspannung bei allen an Deck durch lautstarke Hurrarufe. Die Crew der „Panther“ hatte bei dieser Begegnung fast nicht glauben wollen, dass es sich tatsächlich um die „Wolf“ handelte. Die „Wolf“ wurde von ihnen bis zur Reede von Flensburg begleitet, wo sie vor Anker ging, um auf weitere Befehle zu warten. Der Hilfskreuzer kam am 24. Februar 1918 ohne Blessuren in Kiel an nach genau 444 Tagen auf See und einer zurückgelegten Distanz von rund 64.000 Seemeilen (ca. 118.528 km); das entspricht einer dreifachen Erdumrundung. Auf das Konto der „Wolf“ gingen 30 versenkte Schiffe, von denen zu den eigenen 330 Besatzungsmitgliedern ungefähr 400 Gefangene mitgenommen wurden. Die „Wolf“ (man sagte auch der „Wolf“) war 127,7 m lang, 17,17 m breit, ihre Größe betrug 5.804 BRT bzw. 8.930 tdw. Sie erreichte eine Geschwindigkeit von 11,5 Knoten. An Bewaffnung waren vorhanden: 7 15-cm-Geschütze, 7 Torpedorohre mit 17 Torpedos, 465 Minen, ein Seeflugzeug „Wölfchen“ (ein zweisitziger Doppeldecker). 1919 wurde der Hilfskreuzer an Frankreich abgeliefert, um von 1921 bis 1931 als Passagierdampfer „Antonius“ für die französische Reederei Contractuels des Messagerics Maritimes hauptsächlich im Dienst zwischen Marseille und Noumea (Korsika) zu fahren.
Die von den Firmen Robert M. Sloman jr., Knöhr & Burchardt, C.F. Laeisz, B. Wencke Söhne, H.F. Kirsten und Deutsche Bank im Jahre 1888 gegründete Reederei bediente von Hamburg aus über Antwerpen Australien mit ihren Endhäfen Melbourne und Sydney. Sie war eine Reederei, die sich im Laufe der Jahre auf Frachtschiffe spezialisiert hatte. Sofern auf dem Wege auch Kapstadt angefahren werden musste, verzichtete man zeitweise darauf, durch den Suezkanal zu fahren, wodurch sowohl die Kanalgebühren als auch die wegen der Piraten gefürchtete Route durch das Rote Meer vermieden wurden. Nachdem sich Australien im Zuge der Selbstverwaltung jedoch von der Einfuhrabhängigkeit verschiedener Produkte aus Europa gelöst hatte und der Verkehr von und nach Niederländisch-Indien und den Häfen der australischen Ostküste eine immer größere Bedeutung gewann, wurde auch die Linie durch den Suezkanal aus Kostengründen wieder aufgenommen.
Auch die Schiffe der D.A.D.G. blieben von der Internierung während des Krieges nicht verschont:
Dampfer: | beschlagnahmt in: |
„Offenbach“ | Surabaja |
„Apolda“ | Kapstadt |
„Rostock“ | Suezkanal |
„Altona“ | Phillip Bay (Australien) |
„Berlin“ | Sydney |
„Oberhausen“ | Port Huon (Tasmanien) |
„Linden“ | Newcastle (NSW Australien) |
„Goslar“ | Suez |
„Hagen“ | Surabaja |
„Neumünster | Fremantle (Australien) |
„Osnabrück“ | Sydney |
„Annaberg“ | Suez |
„Iserlohn“ | Batavia (Niederländisch-Indien) |
„Hamm“ | Kapstadt |
„Wismar“ | Banjoewangi (Niederländisch-Indien) |
„Elmshorn“ | Manila |
„Esslingen“ | Manila |
„Adelaide“ | São Paulo de Loanda |
„Sydney“ | Tjilatjap/Indischer Ozean |
„Brisbane“ | Mormugao/Java |
„Melbourne“ | Sydney |
„Bochum“ | Manila |
„Essen“ | Delagoa Bay (Australien) |
„Hobart“ | Melbourne |
„Australia“ | Colombo |
„Stolberg“ | Fremantle |
„Sumatra“ | Sydney |
„Cannstatt“ | Brisbane |
„Hof“ | |
„Freiburg“ | Surabaja |
„Ulm“ | |
„Lübeck“ | Tjilatjap |
1: S.S. „Cannstatt“
Die in Brisbane beschlagnahmte „Cannstatt“ lief am 10. Oktober 1913 bei der Flensburger Schiffsbau-Gesellschaft vom Stapel. Nach der Indienststellung am 22. November unter Kapitän Madsen wurde sie bereits kurz nach dem Beginn des Ersten Weltkrieges am 4. August 1914 beschlagnahmt. Die technischen Schiffsdaten sind wie folgt: 5.930 BRT, 9.210 tdw, 137,16 m lang, 17,71 m breit, 12,5 Knoten, 54 Mann Besatzung. Nach der Requirierung wurde sie umbenannt und als „Bakara“ der australischen Admiralität zur Verfügung gestellt.
Im Ostasiendienst zog man sich aus dem Postdampfer- und Passagierdienst aus Kostengründen ab 1903 zurück und beschränkte sich auf den Frachtverkehr. Man erweiterte das Fahrtgebiet durch direkte Abfahrten nach Tsingtau, Port Arthur (China), Dairen (China) und Wladiwostok und den Transpazifik-Dienst über China und Japan zur Westküste Nordamerikas (Vancouver, Seattle, Portland und San Francisco).
Folgende Dampfer dieser Reederei wurden im Ersten Weltkrieg von den Kriegsgegnern requiriert:
Dampfer: | beschlagnahmt in: |
„Andalusia“ | Manila |
„Lycemoon“ | Manila |
„Sachsen“ | Manila |
„Sambia“ | Manila |
„Suevia“ | Manila |
„Senegambia“ | Tsingtau |
„C. Ferd. Laeisz“ | Tsingtau |
„Frisia“ | Tsingtau |
„Istria“ | Indischer Ozean |
„Kurmark“ | Kalkutta |
„Ninive“ | Padang |
„Preußen“ | Sabang |
„Sithenia“ | Sabang |
„Silesia“ | Niederländisch-Indien |
„Westmark“ | Niederländisch-Indien |
„Spezia“ | Wladiwostok |
„Markomannia“ | vor Sumatra von der eigenen Crew versenkt |
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts drangen immer mehr Kapitäne mit ihren Schiffen nach Ostasien vor. Da sie seinerzeit in der Regel auch die Eigner der Schiffe waren, mussten sie sich nicht nur um das Kaufmännische, sondern um die zu verschiffende Ladung selbst kümmern. Schon bald wurden von Kaufleuten und Reedereien an den Haupthandelsplätzen in Penang vor der Küste Malaysias, in Hongkong und in dem 1819 von dem englischen Kapitänssohn Raffles gegründeten Singapur Niederlassungen gegründet. Das erste deutsche Handelshaus in Ostasien war die Agentur des seit 1710 in Hamburg ansässigen Handelshauses Ross, Vidal & Co. in dem damaligen Batavia (heute Djakarta).
August Behn traf im Juli 1839 in Singapur ein als Supercargo an Bord des Bremer Seglers „Heloise“, wo er sich selbst um den Verkauf der mitgebrachten Ladung kümmerte. Für die Rückreise besorgte er nicht nur für die „Heloise“ der Bremer Segelschiffsreederei und Handelshaus Lange & Co. Ladung, sondern auch für zwei weitere Schiffe, nämlich die „Wilhelm Ludwig“ und die „George Washington“. Die von Valentin Lorenz Meyer geschickten vielversprechenden Berichte über den Fernen Osten bewogen seinen Freund A. Behn, auch nach Singapur zu kommen. Am 1. November 1840 eröffneten die beiden dort ihre Firma Behn, Meyer & Co. Nachdem August Behn am 7. August 1844 die Schwester von Valentin in Hamburg geheiratet hatte, kehrte er mit seiner Frau zurück nach Singapur. Die Familien wohnten zusammen im selben Haus, und so kam es damals zu dem Kuriosum, dass man Frau Behn in Singapur mit Frau Behn-Meyer ansprach, denn Außenstehende wussten nicht, wer von den beiden Firmeninhabern ihr Ehemann war. Bereits im folgenden Jahr charterten die jungen Kaufleute ihr erstes Schiff, um Tee, Zucker, Kaffee, Reis, Gewürze und andere Güter nach Europa zu verschiffen. Es dauerte nicht allzu lange, bis sie auch eigene Schiffe erwerben konnten. 1848 war das Handelsvolumen ihres Unternehmens derart angestiegen, dass der jüngere Bruder von V.L. Meyer, Arnold Otto Meyer, in die Firma aufgenommen wurde. 1856 kehrte Arnold Meyer jedoch nach Hamburg zurück und gründete dort 1857 das Hamburger Stammhaus für die überseeischen Firmen. Durch gute Verbindungen zu dem Bremer Konsul Albers und dem Direktor des NDL, Johann G. Lohmann, übernahm Behn, Meyer & Co. im Jahre 1887 die Agentur des Norddeutschen Lloyd in Singapur und 1890 folgte durch Vermittlung von Ferdinand Laeisz die Agentur der Hamburger Deutsch-Australische Dampfschiffs-Gesellschaft. Für einen frischen Impuls des Geschäfts sorgten sowohl Franz Heinrich Witthoeft, der sich kontinuierlich vom Lehrling zum Prokuristen und Teilhaber innerhalb der Firma hochgearbeitet hatte, als auch Adolf Laspe. 1896 vereinbarten auf der sogenannten Straits-Frachten-Konferenz die Verlader und die Reedereien der Straits-Häfen (hauptsächlich Penang und Singapur) einheitliche Frachtraten, um sie auf einem angemessenen Niveau zu halten. Behn, Meyer & Co. war nach Absprache mit Dr. Wiegand vom NDL federführend daran beteiligt. Die Hapag beschloss 1897, eine eigene Schifffahrtslinie nach Ostasien einzurichten. Es war Witthoeft, der zusammen mit Dr. Wiegand und Albert Ballin dafür sorgte, dass die Hapag auch Behn, Meyer & Co. als Agentur akzeptierte. Die Agentur beschaffte Ladung für monatlich 15 Schiffe mit Tabak, Kopra, Pfeffer, Kautschuk, Gambir (gerbstoffreicher Extrakt aus den Blättern und Trieben tropischer Pflanzen), Tapioka (Stärke aus Maniokwurzeln), Stuhlrohr (Rattan), Zinn, Kaffee usw. nach Europa. In umgekehrte Richtung wurden hauptsächlich deutsche Waren verschifft wie z.B. Chemikalien und Maschinen. Außerdem hatte Behn, Meyer & Co. noch die Vertretung der Rickmers-, der Hansa-, der Indra- und der Union-Linie sowie der Navigazione Generale Italiana. Und im Jahre 1900 wurde auch die Vertretung der Küstenlinien des Norddeutschen Lloyd übernommen. Der Küstendienst war auf Anregung von Witthoeft eingerichtet worden, als Dr. Wiegand eine Informationsreise nach Ostasien unternahm. Zuvor hatte er elf Dampfer der Bangkok-Hongkong-Linie erworben und sie dem NDL angeboten. Um den gestiegenen Anforderungen zu entsprechen, wurde die Firma Behn, Meyer & Co. im Jahre 1906 in eine englische Aktiengesellschaft umgewandelt, deren gesamtes Kapital jedoch in deutscher Hand blieb. Damit wurde erreicht, dass die Firma zentral von Hamburg aus gesteuert werden konnte. Im gleichen Jahr wurden Niederlassungen in Cebu, Zamboanga und Ilo Ilo auf den Philippinen errichtet. Später kamen noch die Niederlassungen in Bangkok und auf Java (Batavia, Surabaja, Telek Belong und Samarang/Niederländisch-Indien) hinzu. In einem großen Teil Ostasiens bildete die Schifffahrtsabteilung von Behn, Meyer & Co. in Singapur den Mittelpunkt der gesamten deutschen Schifffahrt. Der Zubringerdienst des Norddeutschen Lloyd mit über 40 Schiffen war, vermittelt durch Behn, Meyer & Co., maßgeblich daran beteiligt, dass von Singapur aus der Malaysische Archipel und Hinterindien an die Postdampferlinien angebunden wurden. Zu Beginn des Ersten Weltkriegs gelang es der Firma, alle von ihr vertretenen Schiffe in neutrale Häfen zu dirigieren – mit Ausnahme der „Ranee“, die bei Kriegsausbruch im Dock von Singapur lag.
2: Eduard Meyer & Co., Tientsin
Eine der zahlreichen Handelsunternehmen, die von Deutschen im asiatischen Raum ins Leben gerufen wurden, war die Firma Eduard Meyer & Co., die im Jahre 1866 von H.C. Eduard Meyer zusammen mit seinem Bruder W.D. Johannes Meyer in Hongkong gegründet wurde. 1877 erfolgte die Gründung ihres Geschäfts in Hamburg. Nach seiner Heirat im selben Jahr mit Ida Glitza nahm Eduard Meyer den Namen Meyer-Glitza an. Sieben Jahre später eröffneten die beiden geschäftstüchtigen Kaufleute in Tientsin (heute Tianjin) ein weiteres Geschäft. Aufgrund des großen Erfolgs entstanden zusammen mit weiteren Partnern 1881 weitere Niederlassungen in Tsingdao (Tsingtau), Beijing (Peking), Mukden (heute Shenyang) und Tsinanfu (heute Jinan). Mit der Eröffnung eines neuen Büros mit Lagerhauskomplex am 3. Juni 1884 in Seoul und weiterer Niederlassungen in Korea innerhalb der nächsten zwei Jahre war diese Firma seinerzeit die einzige deutsche Handelsfirma in diesem „Land der Morgenstille“. Hauptgeschäft war der Handel mit Eisenwaren, Farben, Nadeln, Münzprägemaschinen sowie Bernstein. Mit Beginn des Krieges wurden die Söhne von Eduard Meyer, Eduard und Constantin, eingezogen und nach der verlorenen Schlacht gegen Japan in diesem Land interniert.
3: Eduard Meyer (1. Reihe 2. von links) im Kreise seiner Mitarbeiter
Der Überseehandel mittels Segelschiffen im 18. und 19. Jahrhundert kannte noch keine Reedereien, und die Segelschiffe gehörten zumeist auch keiner Einzelperson. Ein Schiff war in der Regel in mehrere Anteile (Parten) aufgeteilt. Die Anteilseigner waren fast immer Kaufleute, Schiffsbauer und der das Schiff führende Kapitän. Letzterem unterstand die gesamte Besatzung, die er sich in den verschiedenen Häfen zusammensuchte. Er war zuständig für den Einkauf des Proviants, die Ausrüstung, die sichere Navigation und das Leben der Mannschaft an Bord. In den Häfen kümmerte er sich um neue Ladung, womit er also auch Kaufmann war. Außerdem musste er dafür sorgen, dass auch unter härtesten Bedingungen das Schiff immer seetüchtig war (z.B. bei Orkan), die Besatzung vollzählig, bei guter Gesundheit (aufgrund von Mangelernährung: Skorbut) und, vor allem, arbeitswillig (Vermeidung von Meutereien). Mit der nautischen Ausbildung wurde erst Ende des 19. Jahrhunderts begonnen – anfangs noch an Privatschulen und bald darauf aber auch an staatlichen Navigationsschulen.
Michael Jebsen (1835–1899), einer der beiden Gründer der Firma Jebsen und Jessen, kam als Kapitän der Bark „Notos“ im Jahre 1864 zum ersten Mal nach Hongkong. Nach mehreren Reisen führte er als Eigner und Kapitän die Bark „Galathea“ dann im Frühjahr 1870 von Hamburg aus über Pernambuco (Recife/Brasilien) um das Kap der Guten Hoffnung bis nach Nikolajewsk in Ostsibirien, auf der seine aus einer Seefahrerfamilie stammende, schwangere Ehefrau ihn begleitete. Damals fuhren die Kapitänsfrauen häufig mit und gegebenenfalls auch ihre Kinder, bis diese dann ins schulpflichtige Alter kamen. Nach 150 Tagen erreichte die „Galathea“ im September 1870 die sibirische Stadt Nikolajewsk, konnte dort jedoch, nachdem die Ladung gelöscht worden war, aufgrund des Deutsch-Französischen Krieges keine neue Ladung erhalten. Kapitän Jebsen entschloss sich daher, in Ballast durch die See von Ochotsk – zwischen den Kurilen und dem (zu dieser Jahreszeit stürmischen, kalten) Nordpazifik gelegen – zur Westküste Nordamerikas zum Pugetsund (nahe Seattle) zu segeln, wo er Ende November mit seinem Schiff ankam. Am 27. Dezember 1870 brachte Frau Jebsen bei einer deutschen Familie in Port Townsend ihr Kind zur Welt. – Erst nach dem Waffenstillstand von Paris setzte Jebsen im Februar 1871 seine Reise gen Süden fort. Nach 82 Tagen erreichte er Valparaíso, wo Sohn Jacob von dem deutschen Pastor der dortigen Gemeinde getauft wurde. An der Küste Chiles wurde Salpeter geladen und anschließend die Heimreise nach Hamburg angetreten um das berüchtigte Kap Hoorn. – Deutschstämmige Kaufleute, die sich beispielsweise in dem vornehmen Kurort Viña del Mar nahe der Hafenstadt Valparaíso niedergelassen hatten, machten seinerzeit ein Vermögen mit dem Verkauf von Salpeter nach Europa; die goldenen Zeiten änderten sich jedoch, als Kunstdünger den Markt eroberte. – Bei der Umsegelung der Südspitze Chiles geriet die „Galathea“ in einen schweren Sturm, der fast alle Segel zerfetzte, so dass eine Strandung zu befürchten war. Für den Säugling hatte man bereits vorgesorgt und aus dem wollenen Unterzeug des Vaters einen warmen Anzug angefertigt, falls eine Rettung mit Booten durch die tosende See erforderlich geworden wäre. Mit dem letzten, noch intakten Marssegel gelang es jedoch, von der drohenden Felsklippe freizukommen. Nach einigen Wochen kam die „Galathea“ mit ihrer „kostbaren Fracht“ trotz der widrigen Umstände wohlbehalten in Hamburg an und wurde kurz darauf nach Schweden verkauft.
In Apenrade in Dänemark bezog Michael Jebsen mit Frau und Kind erst einmal das väterliche Haus, bis ihm 1875 der Stahlkonzern Krupp das Angebot machte, ihm in Holland in einem eigens für ihn zur Verfügung gestellten Büro die Leitung für den Erzimport aus Spanien und den Export von Eisenbahnschienen zu übertragen. Seine vier im Bau befindlichen Schiffe sollten daher in der Erzfahrt eingesetzt werden. So kam es, dass er mit seiner Familie zunächst nach Vliessingen und später nach Rotterdam zog, wo die kruppsche Niederlassung immer größere Bedeutung erlangte. Gleichzeitig baute Michael Jebsen in Apenrade mithilfe seines Schwagers Jes Nicolay Jessen in Hinblick auf die guten Ergebnisse des Fahrtgebietes der Nord- und der Ostsee eine eigene Reederei auf. Als Erstes erwarb er von der Flensburger Werft den kleinen Dampfer „Signal“ und dann folgte der Kauf von vier weiteren Schiffen, die er bei der Howaldtswerft in Kiel in Auftrag gab. Wegen der günstigen Geschäftsentwicklung trennte sich Jebsen 1882 einvernehmlich von Krupp und kehrte als Reeder in seine Heimatstadt zurück.
Der Sohn von Michael Jebsen, Jacob, verbrachte seine Jugend mit vier Jahren Unterbrechung bis zum 15. Lebensjahr in Apenrade. Da es dort keine Schule gab, an der er sein „Einjähriges“ (Berechtigungszeugnis, mit dem man nur ein Jahr Militärdienst leisten musste) erwerben konnte, wurde er 1885 zum Realgymnasium in Sonderburg umgeschult. Anderthalb Jahre später wechselte er auf das Realgymnasium in Flensburg, wo er 1889 als Jüngster der Klasse das Abitur ablegte. Nach dem Abitur wollte Jacob Seemann werden wie seine Vorfahren oder Kaufmann. Sein Vater entschied aber auf Anraten seines alten Freundes Jacob Diederichsen, der der Chemie eine große Zukunft voraussagte, dass sein Sohn erst einmal dieses Fach studieren sollte. 1889 begann Jacob in Karlsruhe mit dem Chemiestudium, wechselte bereits nach einem Semester nach Berlin, wo er seinen Vater, der dort mittlerweile Abgeordneter der Nationalliberalen im deutschen Reichstag war, des Öfteren traf. Nach dem Sommersemester 1890 musste er aus gesundheitlichen Gründen sein Studium unterbrechen. Nach seiner Genesung zu Hause in Dänemark und einer Mittelmeerreise überzeugte er seinen Vater, dass der Kaufmannsberuf besser zu ihm passen würde. Er wechselte darauf in das Büro seines Vater, um das Reedereigeschäft kennenzulernen, besuchte einen Buchführungskurs und ging dann nach Antwerpen zu der befreundeten Schifffahrtsfirma Armaments Deppe, wo er die eigentliche kaufmännische Ausbildung erhielt. Nach zwei Jahren kehrte er zurück und übernahm einen verantwortungsvollen Posten in der väterlichen Firma. Sein Vater erteilte ihm schon bald Prokura und er hätte es gern gesehen, wenn sein Sohn in seiner Firma bliebe. Jacob wollte aber hinaus in die Welt, um sich dort zu bewähren, wofür sein Vater vollstes Verständnis hatte. Mit dem neu in Dienst gestellten Dampfer „Marie Jebsen“ fuhr er am 6. Oktober 1894 los, stieg in Singapur auf die „Rio“ um und kam am 20. November 1894 in Hongkong an. Hier sah er sich einige Wochen bei verschiedenen Firmen um, allerdings ohne eine ihm genehme Stelle zu finden. Daher reifte in ihm schließlich der Plan, eine eigene Firma zu gründen.
Im Dezember fuhr er weiter nach Shanghai, wo er den Neffen seines Onkels Jes Nicolay Jessen, Heinrich Jessen, traf. Dieser war fünf Jahre älter, stammte auch aus einer alten Apenrader Kapitäns- und Reederfamilie. Nach der Schulzeit ging Heinrich nach Hamburg, um in einer angesehenen Firma seine dreijährige Lehrzeit zu absolvieren, und kehrte für ein Jahr nach Apenrade zurück. Hier erhielt er das Angebot, für drei Jahre für die Firma Gipperich & Burchardi in Shanghai zu arbeiten, das er gern annahm. Die vielen unterschiedlichen Tätigkeiten im chinesischen Warengeschäft eignete er sich in kurzer Zeit an.
Der im Deutschen Klub (in ihm waren praktisch alle Deutschen organisiert) übliche Brauch, alle jungen, neu angekommenen Deutschen die dort ansässigen deutschen Familien reihum zu besuchen, führte dazu, dass er z.B. Otto Schütte, Alexander und Gustav Melchers und viele andere einflussreiche Persönlichkeiten kennenlernte. Nach den ersten drei Jahren verlängerte er seinen Kontrakt um weitere drei Jahre, kam aber im Laufe der Zeit immer mehr zu der Erkenntnis, dass es das Beste für ihn sei, eine eigene Firma zu gründen, von der er sich mit seiner Erfahrung im aufstrebenden China eine rosige Zukunft versprach. Nachdem Heinrich Jessen im Herbst einen Brief von seiner Mutter erhalten hatte, die hatte durchblicken lassen, dass Michael Jebsen es begrüßen würde, wenn auch sein Sohn Jacob gemeinsam mit Heinrich Jessen eine Firma in Ostasien gründete, um vor Ort die Interessen seiner Reederei besser zu vertreten, stand der Entschluss der beiden jungen Leute für die gemeinsame Gründung fest. Jacob Jebsen traf im Dezember 1894 in Shanghai ein und schloss schnell Freundschaft mit seinem künftigen Partner. Während der Silvesterparty im Deutschen Klub beschlossen die beiden, die gemeinsame Firma mit Sitz in Hongkong zu gründen, da sich dort der Hauptsitz für die chinesische Küstenfahrt befand. Am 1. März 1895 traten sie gemeinsam an die Öffentlichkeit heran und gaben ihren Firmennamen in der „Hongkong Daily Press“ bekannt:
We have Established Ourselves as Merchants „Jebsen & Co.“
Jacob Jebsen | Heinrich Jessen |
Office Braya Central | Hongkong, 1st March 1895 |
Als Firmennamen wählten sie Jebsen & Co., da Jacobs Vater ihnen für die Gründung 10.000 Mark als Startkapital gegeben und diesen Firmennamen vorgeschlagen hatte. Zur Entwicklung der neuen Firma fand sich in seinen Erinnerungen folgende Bemerkung: „Die bevorzugte Linie über Suez war der Norddeutsche Lloyd mit seinen ersten Schiffen ‚Preußen‘ etc. und deren Ankunft für die deutsche Kolonie immer ein Fest. Es kamen und gingen immer Bekannte mit ihnen, auch die Deutschen in Japan und Nordchina kamen in der Regel durch Hongkong, und mit Bremer Faßbier wurde Wiedersehen gefeiert oder neue Bekanntschaft gemacht. Unser Geschäftsbereich begann natürlich in einem sehr kleinen Rahmen. Es war damals nicht leicht, ein neues Geschäft in China zu gründen, da die eingeführte Handelsmarke ‚der Chop‘ den Markt beherrschte. Neue Waren ließen sich nur in ganz vereinzelten Fällen einführen und gleichwertige Artikel unter einer anderen als der gewohnten Marke waren häufig unverkäuflich. Wir haben später gesehen, daß ein und dieselbe Anilinfarbe in einer besonders gut eingeführten Aufmachung um 25 % höhere Preise erzielte als dieselbe Farbe in derselben Fabrik unter anderer Packung. Da außerdem das Importgeschäft sich in einer eng umgrenzten Reihe von Artikeln bewegte, war es für Heinrich Jessen, der sich des Warengeschäfts annahm, nicht leicht in Gang zu kommen … Glücklicherweise hatten wir an der Vertretung der Reederei meines Vaters gleich von Anfang an eine Einnahmequelle, die mehr als unsere Kosten einbrachte und es uns ermöglichte, auf die Entwicklung des übrigen Geschäfts zu warten.“
1897 übernahm Jebsen & Co. die Vertretung der aufstrebenden Badischen Anilin- & Soda-Fabrik, später unter dem Namen BASF bekannt. Jebsen & Co. handelte mit verschiedensten Farbstoffen, wobei der Hauptbestandteil Indigo ist. Es gelang der Firma, den Jahresumsatz zu verzehnfachen. Als chinesische Exportgüter traten neben Porzellan vor allem Seide und Lackarbeiten, Zucker, Tee und immer mehr auch Soja in den Vordergrund.
1898 übernahm das Deutsche Reich im Nordosten Chinas das Gebiet Kiautschou mit dem Hafenplatz Tsingtao als Pachtgebiet für 99 Jahre. Jacob Jebsen fuhr dorthin, um sich dort nach Entwicklungsmöglichkeiten für seine Firma umzusehen, und kam zu einer positiven Beurteilung. Bald nach seiner Rückkehr schloss sein Vater mit dem Reichspostamt einen Vertrag über die Einrichtung einer regelmäßigen Verbindung zwischen Shanghai,