In Kochen mit Zukunft stellen Köch*innen, Gastgeber*innen, Kantinenbetreiber*innen und Food-Aktivist*innen Rezepte vor, die für eine nachhaltige Esskultur stehen und die sparsam mit Lebensmitteln und Ressourcen umgehen. In kurzen Statements erklären sie, warum die vorgestellten Rezepte nachhaltig und klimafreundlich sind.
Klimafreundlich essen: einfach und lecker.
37 Rezepte für jede Jahreszeit.
Michaela Maria Müller (Hg.)
Kochen mit Zukunft
Rezepte für ein gutes Klima
ein mikrotext
Erstellt mit Booktype
Gestaltung: Janine Sack
Cover: Inga Israel / Michaela Maria Müller
Covertypo: PTL Attention, Viktor Nübel
Typo: Gentium Book Basic, SIL Open Font License
www.mikrotext.de – info@mikrotext.de
978-3-944543-95-6
© mikrotext 2020, Berlin
Diese Publikation wurde von 100 Unterstützerinnen und Unterstützern durch ein Crowdfunding ermöglicht.
VORWORT Von Michaela Maria Müller
TRAUBENSAFT Von Agnes Schütte
Belugalinsen-Salat mit Fetakäse
Geeistes Süppchen mit Perlwein
RETTICH Von Nikola Richter
Brotaufstrich mit Schwarzrettich
LINSEN Von Isabel Geigenberger
Linsen-Apfel-Getreide-Salat
TEIGTASCHEN Von Ann-Kathrin Wohlrab, Mauritz Schröder
Hotpot: Brühe
Hotpot: Dumplings
VEGETARISCHER TURN Von Nourhouda Ali Banfas
Somalischer Pfannkuchen (Laxoox) mit gebratenem Gemüse
Maisfladen mit Gemüse und Salat
KRÄUTER UND GEWÜRZE Von Gloria Liebherr
Gerösteter Blumenkohl mit Hummus
AYURVEDISCH Von Anil Kumar
Khitchari mit Grünkohl und Kokosnuss-Chutney
OBST MIT GEMÜSE Von Alaa und Maria
Arabisches Herbstgemüse
WILDFLEISCH Von Christian Heymann
Blanchierter Wirsing an Rehrücken auf Kürbiskernöl
BLANCHIEREN Von Truong Ngu
Gemüse-Tee
GETREIDE Von Patrick Wodni
Roggen mit Zuckerrübe, gebratenem Wirsing und Rosenkohl
HÜLSENFRÜCHTE UND NUDELN Von Lisa Shoemaker
Koshari: ägyptisches Streetfood
OBSTKUCHEN Von Caro, Imelda, Mirko und Roni
Orangen-Mandel-Tarte
SONNENBLUMENHACK Von Kathi und Käthe
Spaghetti Bolognese mit Sonnenblumenhack
SOJA-BÉCHAMEL Von Manuel Klarmann
Lasagne mit Spinat, Linsen, Nüssen und Birne
AUF DEM MARKT Von Ursula Holsten
Lauwarmer Spinatsalat mit roter Bete und Feta
BOHNEN, ROTE BETE Von Mark Bittman
Einfache Bohnenburger
Borschtsch mit roten Zwiebeln
KARTOFFELSORTEN Von Hendrik Haase
Kartoffeln mit Butter und Salz
FERMENTIEREN Von Dorothea Wunderling
Einfaches veganes Kimchi
EMMER, EINKORN, DINKEL Von Verena Schlegel
Bayerischer Reis
PÜRIEREN, BACKEN, EINFRIEREN Von Sophia Hoffmann
Sommerliche Aprikosen-Melonen-Gazpacho
Einfache grüne Suppe
Porridge-Pancakes mit Beeren-Soße
NOSE-TO-TAIL-GEMÜSE Von Ottmar Pohl-Hoffbauer
Blumenkohl mit Couscous, Erbsensprossen, Purple Curry
TOFU UND SESAM Von Gosha Nagashima
Mayonnaise aus Seidentofu
Sesampaste
WEIDESCHAF Von Ursula Klement
Lammeintopf
ALTES BROT, GEMÜSERESTE Von Raphael Fellmer, Eni Löscher und Hannah Vogel
Vanillig-süßer Brotauflauf mit Früchten
Geretteter Gemüseaufstrich
TOMATENMARK Von Wekas Gaba
Tomatentunke (engl. Ketchup)
Neuköllner Brotzeit
PETERSILIE Von Linn Kaldinski
Tabouleh, ein sommerfrischer Petersiliensalat
AROMEN UND CHILI Von Anna Jones
Erdnuss-Zitronengras-Suppe
UNSER ESSEN DER ZUKUNFT Interview mit dem Gründer der App Eaternity
Biographien
Bildnachweise
Über die Herausgeberin
Über den Verlag
Die Erde erwärmt sich. Das hat Folgen für Mensch und Umwelt. Diese Erkenntnis bestreitet heute niemand mehr ernsthaft. Mit dem Klimaabkommen von Paris haben sich 197 Länder Ende 2015 verpflichtet, die globale Erwärmung auf maximal zwei Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit zu begrenzen. Schon jetzt bezweifeln Experten, dass wir das schaffen. Wollen wir das Ziel erreichen, dürfen wir eigentlich keine Emissionen mehr in die Luft blasen.
Die Lebensmittelproduktion macht derzeit weltweit ein Drittel aller Treibhausgase aus. Der Fleischkonsum hat sich seit 1960er-Jahren weltweit vervierfacht. 83% der Landwirtschaftsfläche wird für den Anbau von Futter und Weideflächen gebraucht, das sind 26% der ganzen Erde. Für ein Kilogramm Steak muss ein Tier 25 Kilogramm Futter und Getreide fressen und 15.000 Liter Wasser trinken. Es könnten 3,5 Milliarden Menschen mehr ernährt werden, wenn wir das für die Tiere erzeugte Futter einfach selbst essen könnten.
Eines machen all diese Zahlen deutlich: Die Ressourcen der Erde sind endlich. Wir müssen heute etwas an unserem Konsum ändern. Machen wir es nicht, sind die Folgen unumkehrbar. Wie reisen wir, wie legen wir unsere täglichen Wege zurück, was kaufen wir und was essen wir?
Um den Klimawandel aufzuhalten, werden wir daher auch unsere Ernährung ändern müssen. Dazu gehört, den Verzehr von Milch- und Fleischprodukten einzuschränken oder sogar ganz darauf zu verzichten. Der Mensch ist aber ein Gewohnheitstier und will sich nichts vom Teller nehmen lassen. Dass klimafreundlich Kochen lecker und einfach ist, wollen wir mit diesem Buch zeigen.
Wir haben für „Kochen mit Zukunft“ von Kantinenbetreiber*innen, Food-Aktivist*innen, Historiker*innen, Bio-Koch*innen oder Familienköch*innen aus der ganzen Welt fast 40 Rezepte und 30 Statements bekommen. Sie stellen Rezepte vor und erklären ihren Ansatz für Klimafreundlichkeit und Nachhaltigkeit. Es hat sich eine Vielstimmigkeit eingestellt, mit der wir nicht gerechnet haben, die aber wichtig ist. Denn am Ende sitzen alle an einem Tisch! Vielen Dank an dieser Stelle den Beiträger*innen dafür, dass ihr euer Wissen geteilt und das Kochbuch möglich gemacht habt.
Wir haben alle Rezepte nachgekocht. Es sind Gerichte dabei, die alle um den Tisch vereinen, weil sie zunächst vegan oder vegetarisch sind – und, wenn nötig, mit Fleisch ergänzt werden können. Gerichte, die Leckeres aus Resten machen und zum Experimentieren einladen. Gerichte, die neugierig machen auf Lebensmittel, die man bisher vielleicht (noch) nicht so einfach in Supermärkten bekommt wie unterschiedliche Gewürze oder alte Getreide- und Gemüsesorten.
Außerdem haben wir, um auf Zahlen zurückzukommen, mit unserem Kooperationspartner Eaternity von jedem Rezept den Klimascore und den Nährwert berechnet.
Und jetzt lasst uns den Kochlöffel für das Klima schwingen!
Ökowinzerin aus Alsheim/Rheinhessen, Gastgeberin, Mutter von drei Kindern
Wir bewegen uns immer weiter weg von der Realität der Lebensmittel, sodass es mir wichtig ist, meinen Kindern zu zeigen, wie Lebensmittel als Urprodukte schmecken. Wenn wir Kinder aus unserer Gegend auf dem Weingut zu Gast haben, lasse ich sie gern Traubensaft im Vergleich probieren: unseren Traubensaft und normalen Traubensaft aus dem Supermarkt. Die meisten Kinder entscheiden sich für den aus dem Supermarkt. Er besteht eben aus Zucker und Saft. Unser sortenreiner Saft überfordert die Kinder mit der Geschmacksvielfalt, die sie meistens noch gar nicht kennengelernt haben.
Wenn die Generation, die jetzt heranwächst, nicht mehr lernt, wie Lebensmittel schmecken müssen, finde ich das bedenklich. Deshalb sind mir diese Besuche wichtig: Wenn sich von zehn Kindern später nur zwei oder drei daran erinnern, dass sie einmal beim Winzer waren und den besten Traubensaft ihres Lebens getrunken haben, dann habe ich mein Ziel erreicht. Kinder müssen wissen, welche regionalen Lebensmittel es gibt und wie sie zu schmecken haben. Wer das weiß, stellt eine Verbindung zu den Produkten her und hat eine Beziehung zu unserer Umwelt.
180 g Belugalinsen
etwa 6 EL Essig oder Verjus-Saft (Verjus ist eine magenschonende Würze, gepresst aus grünen Trauben)
4 bis 5 Frühlingszwiebeln
2 bis 3 mittelgroße Karotten
350 g Fetakäse
etwa 6 EL Traubenkernöl
etwa 6 EL Traubensaft (nach Belieben)
Zucker (nach Belieben)
1 Handvoll Salat (Rucola, Frisée, Radicchio)
1 Handvoll essbare Blüten zum Garnieren (Gänseblümchen, Kapuzinerkresse, Borretsch)
Salz und Pfeffer
→ 506 g CO2-Äquivalent/311 kcal
1. Die Belugalinsen am besten schon am Vorabend einweichen. Die Linsen etwa 40 Minuten bissfest garen, wenn sie eingeweicht waren nur 10 Minuten. Abschrecken und in einem Sieb abtropfen lassen. Mit etwa 2 EL Essig oder Verjus und etwas Salz und Pfeffer vermischen. Etwa 1 Stunde im Kühlschrank ziehen lassen.
2. Die Frühlingszwiebeln und die Karotten putzen. Die Frühlingszwiebeln in kleine Ringe schneiden, die Karotten fein würfeln und kurz sanft in Öl anbraten. Die Salatblätter waschen, trocknen und schleudern.
3. Den restlichen Essig oder Verjus, das Traubenkernöl und nach Belieben Salz und Pfeffer zu einem Dressing verrühren und unter die Belugalinsen mengen. Den Fetakäse über die Linsen verteilen und mit den gewürfelten Karotten und den geschnittenen Frühlingszwiebeln ebenfalls vermengen.
4. Die Salatblätter, die essbaren Blüten und die Tomaten auf einem Teller verteilen und mit dem Belugalinsensalat anrichten.
30 g Agar-Agar
1 l „Prickelnde Elise“ (verperlter Traubensaft oder anderen Saft mit Kohlensäure)
Zucker nach Belieben
etwa 400 g Beeren der Saison
3 frische Bio-Limetten
9 sehr frische Eigelb
210 g Zucker
800 g Sahne
→ 974 g CO2-Äquivalent/822 kcal
1. Für das Süppchen Perlwein oder Prickelnde Elise mit Agar-Agar in einem Topf erhitzen und 2 Minuten aufkochen lassen. Nach Belieben mit Zucker abschmecken. Die Masse auf 6 Portionen auf tiefe Teller verteilen und 30 Minuten kaltstellen.
2. Die Limetten waschen und trocknen, die Limettenschale abreiben und den Saft auspressen. Limettenschale und Saft zusammen mit dem Eigelb und dem Zucker mit einem Handrührgerät oder einer Küchenmaschine schaumig rühren. Anschließend die Sahne steif schlagen und unterheben. Die Eismasse mindestens 6 Stunden gefrieren lassen.
3. Zum Servieren die Beeren waschen und trockentupfen. Auf dem Teller mit dem Süppchen anrichten, das Eis aus dem Gefrierfach nehmen, leicht antauen lassen und ebenfalls auf dem Teller anrichten.
Verlegerin und Autorin
Schon mein Großvater mütterlicherseits verzichtete ab den 1950ern auf Fleisch und erzog seine Kinder vegetarisch. Das führte dazu, dass auch meine Mutter sehr selten Fleisch kochte und dass ich fast vegetarisch aufgewachsen bin. Mit viel Kartoffeln! Mittlerweile beziehe ich eine regionale und saisonale Gemüsekiste und stelle mich gerne der Herausforderung, mir unbekannte Gemüsesorten zu verarbeiten, von denen oft noch die Erde rieselt. Weil das Gemüse keine weiten Reisen vom Acker zu mir hinter sich hat, ist es viel aromatischer als alles aus dem Supermarkt. Ich bilde mir sogar ein, dass ich Kontakt zu den Feldern in Brandenburg aufgenommen habe und fast schon die Erde schmecken kann.
Meine Lieblingsentdeckung war der winterliche Schwarzrettich, eine Vitamin-C-reiche Knolle. Man findet ihn auf Märkten, in Bio-Läden, auch in türkischen Lebensmittelgeschäften. Nur im Winter. Als Suppe und gekocht fand ich seinen Kohlgeruch etwas zu penetrant, aber mit Curry geht es sicherlich. Geraspelt und in Tomatenmark gezogen, entwickelt er ein feines, mild-scharfes Aroma und passt wunderbar zu jedem deftigen Brot. Dieser selbstgemachte Aufstrich geht superschnell und einfach, hält sich mehrere Tage frisch im Kühlschrank oder an einem anderen kühlen Ort und wird durch das weitere Durchziehen eigentlich immer leckerer. Man kann ihn auch mit anderem Rettich zubereiten.
1 Schwarzrettich
1 kleine Zwiebel
3 EL Tomatenmark
2 EL Öl
Salz und Pfeffer nach Belieben
→ 27 g CO2-Äquivalent/30 kcal
1. Den Schwarzrettich grob raspeln und die Zwiebel fein hacken. Es geht übrigens auch ohne Zwiebel.
2. Das Gemüse mit Tomatenmark und Öl gut vermischen. Ich probiere gerne verschiedene Öle aus und fand es mit Leinöl bisher am leckersten.
3. Salzen und eventuell pfeffern.
4. Etwa 8 Stunden kühl stellen.
Foodie, Projektmanagerin und Kochbuchrezensentin
Die Linsen von der Schwäbischen Alb Albleisa sind ein grandioses wiederentdecktes Produkt. Der aufwändige Anbau war Ende der 1950er Jahre völlig zum Erliegen gekommen: Linsen werden zusammen mit Getreide angesät, an deren Halmen sie hochranken können. Als ein Biolandwirt die Tradition wiederaufleben lassen wollte, musste er zunächst mit italienischen und französischen Linsensorten experimentieren. Erst 2006 konnte er im Petersburger Saatgutarchiv die ursprünglichen Sorten entdecken, die nun wieder erfolgreich angebaut werden.