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Über den Autor

James Stuart Bell hat bereits eine Vielzahl von Büchern mit wahren Geschichten herausgebracht, die alle eines gemeinsam haben – sie wollen Zeugen sein für das wunderbare Eingreifen Gottes im Leben der Menschen. Er und seine Frau leben in einem Vorort von Chicago, wo er seine eigene Literaturagentur betreibt.

Für meine Tochter Brigit Bell Ritchie
in Erinnerung an die Geschichten über Jesus,
die wir vor vielen Jahren gelesen haben.



Alle großen Leute waren einmal Kinder,
aber nur wenige erinnern sich daran.
Antoine de Saint-Exupéry, Der kleine Prinz

Einleitung

Wunder bei Nacht

Ein Mann im weißen Kleid

Ein Besuch vom Heiler

Jesus hat mit mir gespielt

Riesen

Kein Abschied für immer

Himmelsboten

Jesus am Fenster

Heiliges Gelächter

Ein Traum mit Wirkung

In seiner Hand

Gottes Wartezimmer

Eine ganze besondere Erscheinung

Ein willkommener Freund

„Ich bin bei dir auf allen deinen Wegen“

Das Leben ist wie ein Garnknäuel

Er gehört an die erste Stelle

Begegnung auf dem Friedhof

Matties Engel

Hinter dem Rauch lebt die Hoffnung

Sein Name genügt

Vor dem Kreuz

Der Engel, der mein Herz behütet

Der Gott, der Träume verändert

Ein ganz besonderer Zahnarzttermin

Licht des Friedens und der Rettung

Engel auf der Leiter

Das Wunder des pinkfarbenen Frisiertischchens

In der Brandung

Eine unerwartete Antwort

Eine kleine, leise Stimme

Wie glühend heiße Energie

Gewissheit im Gebet

In meiner Not hörte er mich

Die Nacht des Schakals

Über die Autoren

In den Evangelien äußert sich Jesus häufig über Kinder, und aus dem, was er dort sagt, geht hervor, dass sie im Himmelreich die Größten sind, dass ihre Engel beständig das Angesicht Gottes sehen, und dass es für einen Erwachsenen besser ist, im Meer zu ertrinken, als dass er einem Kind Schaden zufügt.

Wir Menschen sind zwar von Geburt an Sünder, aber Kinder haben offenbar eine angeborene Unschuld und Unverdorbenheit, die ihre so ganz eigene Schönheit und einen eigenen Charme besitzen und uns indirekt daran erinnern sollen, was uns als Erwachsene im Laufe der Zeit verloren gegangen ist. Jesus sagt, dass wir sein sollen wie die Kinder, indem wir ihren schlichten Glauben, ihr Vertrauen und die Liebe, die sie von Natur aus in sich tragen, nachahmen.

Als Eltern oder Großeltern schreiben wir gerne die niedlichen Dinge auf, die unsere Kinder oder Enkel sagen, und schauen uns entzückt Videos vom Treiben der süßen Kleinen an. Wenn sie dann größer werden und zu Teenagern heranwachsen, staunen wir über ihre Erkenntnisse oder ihre bereits sehr erwachsen klingenden Ansichten. Immer wieder geraten wir in Versuchung, sie vor der bösen unmoralischen Welt zu beschützen, obwohl uns klar ist, dass sie auf jeden Fall mit ihr konfrontiert werden und sich ihr stellen müssen – und zwar so wie sie ist –, um diese Welt durch ihre Beziehung zu Jesus zum Besseren zu verändern.

Was wir aber vielleicht gar nicht mitbekommen inmitten all der Geburtstagspartys, Fußballspiele und Schulaufführungen, ist die leise Stimme von Jesus, die auf tiefgreifende und wundersame Weise auch zu ihnen spricht.

So wie Jesus damals seinen Jüngern gesagt hat, dass sie die Kinder nicht daran hindern sollen, zu ihm zu kommen, so sollten auch wir unseren Kindern unsere ganze Aufmerksamkeit schenken, wenn sie zu Jesus gehen und zu erkennen versuchen, wo genau er sich in ihrem Leben offenbart.

Kinder haben einen ganz unbefangenen Zugang zum Übernatürlichen und gehen mit großer Selbstverständlichkeit davon aus, dass Jesus echt ist, weil ihre fürsorglichen Eltern es ihnen sagen. Und dass Jesus wirklich existiert, merken sie oft auch daran, wie sein Wirken im Leben ihrer Eltern zu erkennen ist. Manchmal merken wir gar nicht, wie intensiv die Jesusbegegnungen unserer Kinder sind, nachdem sie Jesus in ihrem kindlichen Glauben als ihren Herrn angenommen haben.

Und genau darum soll es in dem vorliegenden Buch gehen – um Erfahrungen mit der übernatürlichen Welt Gottes mit den Augen, Ohren und Herzen von Kindern und Teenagern. Freuen Sie sich an diesen Geschichten „aus dem Mund von Kindern“ und seien Sie offen dafür, auf frische und unbefangene Art etwas über Gott zu erfahren, und Jesus auf diese Weise umso mehr mit einem kindlichen Glauben zu erleben.

James Stuart Bell

Ihr Kind kam mit einem Klumpfuß und einem etwas zu flachen Gaumen zur Welt und außerdem etwas zu früh – an einem Tag, an dem die Eltern noch nicht damit gerechnet hatten. Aber das spielte keine Rolle, denn den Eltern war jeder Zeitpunkt recht, den ihr Kind sich aussuchte, um auf die Welt zu kommen.

Das Baby war schon vor der Schwangerschaft von Herzen erwünscht gewesen. Sie wussten nicht, ob es ein Junge oder ein Mädchen werden würde, und es war ihnen auch völlig egal. Sie hatten einen Jungen- und einen Mädchennamen ausgesucht, und jetzt konnten sie es kaum erwarten, es zum ersten Mal zu sehen.

Über zehn Jahre hatten sie auf dieses Kind gewartet, und als sie dann endlich schwanger wurde, war die Freude riesig! Gott war so gut!

So wie Hanna aus dem Alten Testament, die um einen Sohn gebetet hatte, oder Elisabeth aus dem Neuen Testament, die noch zu einem Zeitpunkt die Geburt eines Sohnes feierte, als sie eigentlich schon längst keine Kinder mehr hätte bekommen können, hatte auch diese werdende Mutter Gott dafür gedankt, dass er ihre Gebete endlich erhört hatte.

Nicht einmal die Warnung, dass es möglicherweise Probleme geben könnte, konnte die Vorfreude des Ehepaares trüben. Zum Beispiel Komplikationen, weil der Vater die Blutgruppe 0-positiv hatte und die Mutter A-negativ.

Das Baby war zwar ein Frühchen, aber das war nicht ganz so schlimm, denn ihr Töchterchen hatte ein wenig rotes Haar, blaue Augen und die richtige Anzahl an Fingern und Zehen, als es zur Welt kam. Es hatte wohl außerdem einen leichten Herzfehler, aber die Ärzte hofften, dass der sich mit der Zeit auswachsen würde.

„Natürlich wird er das“, sagten die Eltern immer wieder mit Überzeugung. „Wissen Sie denn nicht, dass Gott Gebete erhört?“

Die Worte „angeborener Herzfehler“ überging die frischgebackene Mutter einfach, denn sie verstand gar nicht richtig, was das bedeutete. Aber was auch immer es bedeuten mochte, die jungen Eltern würden einfach beten. Schließlich hielten sie den Beweis dafür, dass Gott Gebete erhörte, in ihren Armen.

Das Baby musste noch eine Weile im Krankenhaus bleiben, bevor es endlich nach Hause entlassen wurde. Jeder konnte die große Freude, die dort herrschte, gut nachvollziehen. Die Eltern des Babys konnten von ihrem Einkommen so gerade eben leben, doch sie überschütteten ihre kleine Tochter mit Liebe.

Dann kam es zu kleinen gesundheitlichen Zwischenfällen – Schwäche, Erbrechen, unerklärliches Fieber und wieder Erbrechen – ihre kleine Tochter wurde anscheinend einfach nicht gesund.

Natürlich war damals die Medizin noch nicht so weit fortgeschritten wie heute, und deshalb wussten die Ärzte bei manchen der Probleme nicht, was sie noch tun sollten. Der Klumpfuß wurde nicht gerade, so oft und fest man ihn auch bandagierte, aber schließlich half eine Operation ebenso wie die orthopädischen Schuhe, die die Kleine zwei Jahre lang tragen musste.

Was den flachen Gaumen anging, taten die Ärzte gar nichts dagegen, denn schließlich lachte und sang das Mädchen doch auch so sehr gerne. Zwar lispelte es beim Sprechen und würde vielleicht nicht den Unterschied zwischen rechts und links lernen können, aber es lernte zu beten. War Gott nicht der gute Hirte im langen Gewand, der ein Lamm auf dem Arm hielt – so wie auf dem Bild an der Wand in ihrem Zimmer?

Er habe auch die Häschen mit ihren großen Augen, Ponys und alle Kinder auf der ganzen Welt lieb, aber kleine Mädchen habe er wahrscheinlich am allerliebsten, sagte seine Mutter.

Das perfekte, unperfekte kleine Mädchen bezauberte alle, von denen es versorgt und behandelt wurde. Einen jungen Arzt rührte die Kleine so sehr, dass er seine private Telefonnummer auf eine Karte schrieb, sie der besorgten Mutter gab und sagte: „Rufen Sie mich an, wann immer Sie mich brauchen. Ich komme dann sofort.“

Und das tat er dann tatsächlich. Zum Beispiel als sie einmal nachts plötzlich hohes Fieber bekam, das nicht heruntergehen wollte. Oder als den Eltern eine Nachricht mitgeteilt werden musste, die eigentlich niemand hören wollte.

Das kleine Mädchen hatte doch so viel Energie. War es wirklich so krank? Musste es sich tatsächlich wegen seines Herzfehlers so ruhig verhalten? Für die Mutter war es unsagbar schwer zu wissen, dass ihr Kind wieder hohes Fieber bekommen und das schwache Herz ins Stolpern geraten würde, sobald es rannte und spielte wie andere Kinder.

Irgendwann war es so schlimm, dass sich in einer Kirche eine Gruppe von hingegebenen Betern versammelte, um eine ganze Nacht lang für das kleine Mädchen zu beten. Es waren Menschen, die daran glaubten, dass Gott Wunder tut.

Sie erinnerten sich daran, dass er wusste, wie es sich anfühlt, auf dem Meer von hohen Wellen hin und her geworfen zu werden. Und vielleicht war er ja wirklich der Einzige auf diesem kleinen Boot gewesen, der keine Angst gehabt hatte, aber trotzdem Verständnis für die Furcht seiner Gefährten. Er wusste, wie zerbrechlich Menschen sein können, und dass Stürme der Angst und der Sorgen auch den stärksten Glauben zum Sinken bringen können.

Doch selbst mitten im Sturm, in all dem Aufruhr, sagte er nur diese wenigen Worte. Er schaute auf das tosende Meer und flüsterte einfach: „Frieden. Seid still.“

Wollen wir nicht alle genau das hören, wenn uns Ängste und Zweifel mitten in der Nacht wecken, unser Inneres bestürmen und uns das letzte bisschen Glauben abringen wollen, an das wir uns noch irgendwie zu klammern versuchen?

Diese Eltern, diese Gemeinde und die Ärzte, die dem Mädchen beistanden, wollten einfach glauben, dass er dieses Wort immer noch flüsterte: „Frieden.“

Aber der Sturm ging weiter: Rheumatisches Fieber, Herzgeräusche und ein Herz, das immer weniger Belastung aushalten konnte. Doch das Schlimmste von allem war für diese Mutter, dass noch etwas anderes geflüstert wurde und das das Kind auf keinen Fall hören sollte: „Sie hat eine Lebenserwartung von höchstens 16 Jahren.“ Das allerdings auch nur dann, wenn es es überhaupt schaffte, sechs Jahre alt zu werden.

Frieden?

Woher sollte der denn wohl kommen?

Ganz sicher nicht aus den Jahren mit unzähligen Krankenhausaufenthalten, die nun folgten. Es gab so viele verschiedene Krankenhäuser mit langen Fluren, unzählige Spritzen, immer noch eine Untersuchung mehr und noch ein Krankenzimmer, in dem die Kleine alleine liegen musste.

Aber in Wirklichkeit war sie nicht allein. Die Engel und die Sterne und der Himmel sangen für sie und machten Musik.

Sie erzählte niemandem von den Engeln, die nachts in ihr Zimmer kamen – wie sie sangen und lachten. Aber wenn die Sterne am Himmel ihre Kreise drehten, wenn sie allein war und das Licht aus war, dann leuchtete das ganze Zimmer und sie lauschte.

Da waren Musik – wunderschöne Musik –, bunte Träume und Lieder des Heiligen Geistes, die nur Kinderohren hören können. Ein wunderbarer Chor sang Loblieder, Bilder von einer leuchtenden Welt, die sie nie gesehen hatte, erfüllten ihre Gedanken mit Schönheit und gaben ihr das Gefühl, dass sie, die doch immer so vorsichtig hatte sein müssen, endlich frei war zu rennen und zu spielen. Und die ganze Zeit war da diese wundervolle Musik.

Flüsse in allen Regenbogenfarben, Märchenwälder, in denen die Bäume so hoch waren, dass sie den Himmel berührten, Lachen und Schmetterlinge und Vögel mit ausgebreiteten glänzenden Flügeln. Wenn Sie sich getraut hätte, hätte sie gesagt, dass es genauso war wie in den Geschichten, die ihre Mutter ihr immer erzählte, wie in den Märchen von einer Prinzessin in einem Schloss. Die Schönheit um sie her und der Spaß, den sie hatte – ob als Prinzessin oder als ein Kind, das wieder wegen einer Lungenentzündung hohes Fieber hatte – in ihren Träumen dort in der Dunkelheit ihres Krankenhauszimmers fühlte sie sich nie allein. Und sie lauschte der Musik.

Ihr Zimmer war mit so viel Licht und Liebe erfüllt, dass sie lächelte und geduldig wartete. Sie wusste, dass er kommen würde. In all dem Licht und den Klängen, war es immer sein Gesicht, nach dem sie Ausschau hielt.

Manchmal war er einer der Sänger, manchmal leitete er den Chor, und manchmal hörte er auch einfach nur zu. Aber dann lächelte er sie an, als teilten sie ein Geheimnis und als hätte er ihr noch so viel mehr zu sagen.

Sie erkannte ihn immer an seinem Blick. Es war derselbe Blick wie der des Mannes auf dem Bild, das bei ihr zu Hause an ihrer Wand hing. Er sah aus, als wäre das Lamm auf seinem Arm ihm lieb und teuer.

Wenn sie ihm in die Augen schaute, hatte sie keine Angst. Er lachte und sang gerne in dem wunderbaren Licht, das ihn umgab – mit ihr, mit den anderen und mit den Sternen. Und wenn sie müde wurde vom Spielen, dann setzte er sich ans Fußende ihres Bettes und sagte, sie könne ruhig ein bisschen schlafen. Sie nahm an, dass er damit meinte, sie würde am nächsten Morgen wieder aufwachen; und so war es auch. Jede Nacht lauschte und träumte sie.

Und wurde heil.

Das rheumatische Fieber hielt fast drei Jahre lang an, aber das Herz, das angeblich zu schwach war, blieb nicht stehen, und es wurde auch während dieser unglaublich langen Zeit nicht schwächer, sondern überstand die Krankheit.

Als sie endlich wieder nach Hause durfte, schlug es immer noch kräftig und gleichmäßig. Es machte mit, wenn sie ging und schlug kräftig, wenn sie rannte. Das einst schwächliche Herz wurde stark.

Ihre Ärzte waren erstaunt.

„Warum?“, wollten sie wissen.

Weil Gott Gebete erhört.

Weil er „Frieden“ zugesprochen hat.

Und vielleicht hatte ihr Herz, das so zu kämpfen gehabt hatte, dieses Wort ja gehört, seine Kraft gespürt, und so, wie die vom Sturm aufgetürmten Wellen sich schon einmal beruhigt hatten, war auch ihr Herz auf seinen Befehl hin zur Ruhe gekommen.

Aber das weiß nur er allein mit Sicherheit. Für die beiden Eltern jedoch war es ein Wunder.

Und was ist mit dem Kind?

Es lebt.

Es lebt immer noch. Die Erinnerung an die Musik ist nicht verblasst. Manchmal meint es, dass es sie immer noch hört, wenn sie ganz intensiv lauscht, so wie damals mit den Ohren eines Kindes: Die Lieder, die die Engel um Mitternacht singen, wenn die Sterne Kreise drehen und die Dunkelheit von Licht erfüllt ist.

Für den zweijährigen Jason war es eine traurige Mittagsstunde. Beim Mittagessen hatte sein Papa, der ein eher stiller und in sich gekehrter Mensch und an diesem Tag in besonders düsterer Stimmung war, die Fragen seines Sohnes einfach ignoriert und war weggegangen.

Jason hatte ihn gefragt, warum er Jesus nicht sehen könne, warum er mit Gott redete, der ihm aber nicht antwortete, und wo eigentlich der Himmel sei.

Weil die Fragen des kleinen Jungen schwierig waren und sein Vater keine Antworten darauf hatte, war er einfach aufgestanden und wortlos weggegangen, statt wenigstens zu versuchen, etwas zu sagen.

Mit dicken Tränen in den Augen kam unser Sohn zu mir. „Warum sagt Papa nichts? Warum weiß Papa nichts von Jesus?“

Ich konnte ihm nur versichern, dass sein Papa ihn liebhatte, auch wenn er seine Fragen nicht beantwortete, und dass er Jesus kannte. Ich hoffte, das würde ihn beruhigen.

Ich brachte es einfach nicht übers Herz, den Kleinen zu enttäuschen, der seinen Vater im Grunde maßlos bewunderte. Also drückte ich ihn einfach an mich und flüsterte: „Alles ist gut, mein Kleiner. Papa ist nur müde.“

Vorübergehend ließ sich Jason durch diese Umarmung beruhigen, aber er kam nicht darüber hinweg, dass sein Vater einfach weggegangen war. Als er schließlich seinen Schnuller für den Mittagsschlaf im Mund hatte, hörte das leise Schluchzen auf, und er schlief tief und fest ein.

Zwei Stunden später – nachdem er etwas länger als sonst geschlafen hatte – hörte ich seine helle Kinderstimme. Es klang, als führte er Selbstgespräche oder brabbelte und sang einfach so vor sich hin, wie es kreative Kinder eben tun. Ich wartete darauf, dass er mich rief, aber dann kam er von ganz allein und mit erstaunter Miene aus seinem Zimmer.

„Er hat mir etwas erzählt, Mama.“

Weil ich wusste, dass mein Mann während der Zeit, in der der Kleine seinen Mittagsschlaf gehalten hatte, gar nicht im Haus gewesen war, musste er geträumt haben. Auch das war bei ihm nichts Ungewöhnliches.

„Wer hat dir etwas erzählt, mein Schatz?“, erkundigte ich mich also.

Er sah mich vorwurfsvoll an, so als müsste ich es doch wissen, runzelte die Stirn und sagte dann mit aller Geduld, zu der ein Zweijähriger fähig ist und in sehr bestimmtem Tonfall: „Der da am Fenster gestanden hat. Ich bin aufgewacht, und er hat gesagt: ‚Jason Earl, Jesus liebt dich.’“

Mir kamen die Tränen, als mein kleiner Sohn hartnäckig behauptete, dass „ein Mann in einem weißen Kleid“ am Fenster gesessen habe, als er aufgewacht sei, und ihn dann mit seinem Namen angesprochen habe. Jason war kein schüchternes Kind und hatte den Mann, der ihm gesagt hatte, dass Jesus ihn am „allerliebstesten“ hätte, einfach nur angeschaut.

Das war weit mehr Trost als ein schweigender Papa oder eine frustrierte Mama ihm hätten geben können. In den folgenden Wochen empfand ich eine tiefe, dankbare Demut dafür, dass Gott einen Engel geschickt hatte, um meinem zweijährigen Sohn Frieden zu schenken.

Immer wieder erzählte Jason von seinem Erlebnis – einem schweigenden Papa, der nur nickte und einfach akzeptierte, dass es passiert war, und überraschten Großeltern, die nicht wussten, wie sie darauf reagieren sollten, weil sie mit Glauben und Kirche nichts am Hut hatten. Doch sie spürten genau, dass ihr Enkel die Geschichte nicht erfunden hatte, sondern es eine echte Erinnerung gewesen war.

Kurz darauf erschien der Engel wieder, und zwar eines Abends, als Jason in die Küche ging, um seinen Ball wiederzuholen, der dorthin gerollt war. In der Küche war es dunkel, aber als Jason sich umdrehte, um wieder zurück ins Wohnzimmer zu gehen, blieb er plötzlich wie angewurzelt stehen und starrte zur Tür. Er schien ängstlich zu zögern, die dunkle Küche wieder zu verlassen.

„Komm, hol mich, Mama! Der Mann, der in der Tür steht, ist so groß“, sagte er leise jammernd.

Ich war gerade dabei, ein Keramikobjekt zu bemalen und blickte deshalb nur kurz auf. Ich sah zwar nichts, legte aber trotzdem meinen Pinsel hin. Doch bevor ich von meinem Stuhl aufstehen konnte, kam mein Sohn plötzlich aus der Küche gerannt, drehte sich aber noch einmal um und schaute zur Tür. Plötzlich strahlte er und nickte dem für mich unsichtbaren Besucher zu.

„Er sagt, es ist alles in Ordnung. Jetzt ist er weg. Ich hab’ keine Angst“, sagte Jason.

Ich wunderte mich noch lange über diesen Zwischenfall und kam schließlich zu dem Schluss, dass ein Engel meinem Kind erschienen war, damit es mit seinem kindlichen Denken begreifen konnte, wie groß und stark sein Schutz war.

Als ich ein ganzes Jahr später einmal mit Jason und seinem acht Monate alten Bruder auf dem Schoß dasaß, zeigte Jason plötzlich nach draußen und sagte: „Guck mal, Mama! Jetzt steht der Mann draußen vor dem Fenster.“

Ich war überrascht, denn ich hatte gedacht, dass er den Engel längst wieder vergessen hätte. Ich hätte so gerne gesehen, was mein Sohn sah, also schaute ich ganz genau hin, um vielleicht einen kurzen Blick auf den Engel zu erhaschen oder wenigstens eine Bewegung von ihm.

„Da, beim Gebüsch!“, behauptete Jason.

Ich bat ihn, mir zu beschreiben, was er sah, und er klang etwas frustriert über meine Unfähigkeit, als er mit Nachdruck sagte: „Er sitzt auf einem weißen Pferd, Mama. Er hat ein weißes Kleid an und trägt ein großes Schwert. Er kennt mich noch; er hat nämlich wieder gelacht.“

Dort draußen vor dem Fenster beim Gebüsch konnte ich jedoch absolut nichts Besonderes sehen, trotzdem sagte ich meinem Sohn, dass er da gerade einen Engel sehen würde, der ihn immer beschützt.

Das zog natürlich weitere Fragen nach sich. Ich versuchte, ihm zu erklären, dass wir manchmal Engel sehen können und manchmal nicht, dass Gott uns aber immer sehr liebhat und uns zusammen mit seinen Engeln unser ganzes Leben lang behütet.

Ich staunte darüber, wie mein Sohn auf seine ganz eigene Weise Einblick in die geistliche Welt erhielt. Es half ihm, mit seinem schweigsamen irdischen Vater zurechtzukommen, der ihn wirklich liebte, aber einfach nicht wusste, wie er mit den Fragen des Kindes umgehen sollte.

Jason erwähnte die Begegnung mit seinem Schutzengel nie wieder, aber sein Wissen um die Liebe Gottes nahm stetig zu.

Er entwickelte sich zu einem klugen, geduldigen, kreativen und liebevollen Ehemann und ist inzwischen Vater einer Tochter und eines Sohnes. Er hatte nie Zweifel daran, dass Gott ihn sehr liebt und immer bei ihm ist. In dieser Gewissheit wurde er vor kurzem noch einmal bestätigt, als während eines Familienurlaubs Marcus, sein eigener kleiner Sohn, von einem Bootssteg fiel und in dem tiefen See versank.

Papa Jason rannte los, sprang ins Wasser und bekam den kleinen Rotschopf gerade noch zu fassen. Er empfand daraufhin eine Riesendankbarkeit für den Schutz und die Liebe unseres himmlischen Vaters, der immer wieder beweist, wie ehrfurchtgebietend er ist.

Als Jason diese Geschichte später erzählte, sagte er: „Ich kann meinen Erlöser nur immer wieder dafür loben, wie er mich in meinem Leben stets beschützt und bewahrt und mit allem versorgt hat.“

An die Besuche seines Schutzengels kann sich der erwachsene Jason nicht mehr erinnern. Er hat im Laufe seiner Kindheit und Jugend immer wieder gerne zugehört, wenn wir davon erzählten, aber eine eigene Erinnerung hat er an diese ganz besonderen Momente nicht. Doch die feste Überzeugung, dass Gott ihn liebt und beschützt, ist immer da und trägt ihn.

Eines Tages wird diese Geschichte weitergetragen werden, indem wir dem kleinen Marcus erzählen, dass nicht nur sein irdischer Papa Jason für ihn sorgt, sondern auch sein Vater im Himmel, der ihn beschützen kann wie sonst kein anderer und der ihn am „allerliebstesten“ hat.

Als ich ans Telefon ging, hatte ich Angst, was ich hören würde. Meine kleine Tochter trug ich auf der Hüfte, während ihr Bruder und ein paar Tageskinder im Nebenraum spielten. Aus dem Hörer kamen zornige Worte meines Mannes, die das Spielen der Kinder fast brüllend übertönten. Er hatte seinen Job verloren.

An die Küchenwand gelehnt, brachte ich kein Wort heraus, sondern mir gingen nur tausend Fragen durch den Kopf: Schaffen wir das? Findet er einen neuen Job? Wie sollen wir jetzt die Rechnungen bezahlen? Müssen wir das Haus verkaufen? Was ist mit der Krankenversicherung? All die Fragen, die man sich eben stellt, wenn plötzlich etwas eintritt, von dem man hofft, es nie erleben zu müssen.

Als ich wieder auflegte, setzte ich der Kinder wegen eine entschlossene Miene auf und unterdrückte die Tränen.

In den darauffolgenden Wochen wuchs unsere Hoffnung mit jedem Gelegenheitsjob und jedem neuen Tageskind, aber genauso wuchs auch der Stapel unbezahlter Rechnungen. Wir beteten verstärkt und strichen jeden Luxus, wie beispielsweise gemeinsam auszugehen, Kabelfernsehen, die Tageszeitung und die Krankenversicherung.

Wir glaubten zwar an Wunder, konnten aber in unserer Situation keines erkennen. Gott schien uns sogar ferner, je mehr wir beteten und je mehr wir opferten – bis unser Glaube in Unglauben umschlug.

Als ich eines Nachts unsere kleine Tochter wiegte, weil sie schrie und sich nicht beruhigen ließ, erkannte ich an ihrem Verhalten, dass sie heftige Schmerzen im linken Ohr hatte. Jetzt kam also zu dem Stress der andauernden Arbeitslosigkeit, einer happigen monatlichen Kreditrate für das Haus und unbezahlten Rechnungen auch noch Krankheit hinzu, und das brachte bei mir das Fass endgültig zum Überlaufen.

Ich konnte einfach nicht mehr. Wenn ich selbst Schmerzen hatte, war ich hart im Nehmen, aber ich konnte es nicht gut aushalten, wie sich unsere Kleine vor Schmerzen wand.

Ich legte mein schreiendes Kind wieder in sein Bettchen, und auf dem Weg zum Medizinschrank, in dem sich Schmerzmittel befanden, betete ich fast panisch. „Wenn du wirklich da bist, Jesus, wenn du mich jetzt wirklich hörst, dann hilf uns bitte!“

Als ich dann mit Ohrentropfen und einem Schmerzmittel zu meinem Kind zurückging, blieb ich vor dem Kinderzimmer stehen und hörte erstaunt statt des lauten Schreiens leises Geplapper und Lachen.

Was war da drinnen los? Mit wem redete sie? Vielleicht hatte sich ja jemand in ihr Zimmer geschlichen, als ich hinausgegangen war.

Ich spähte hinein, konnte aber niemanden entdecken außer meiner Kleinen, die lachte und in ihrem Bett herumhopste.

„Er hat es heile gemacht, Mama!“, sagte sie strahlend und hüpfte in ihrem Bettchen auf und ab.

„Wer hat was heile gemacht?“, fragte ich.

„Mein Ohr. Er hat mein Ohr heile gemacht!“, wiederholte sie in ihrer Kleinkindsprache und zeigte dabei auf ihr Bücherregal, auf dem Plüschtiere und Puppen aufgereiht waren.

„Wer hat dein Ohr heil gemacht, Schätzchen?“

„Er!“

Ich zeigte auf ihre Kuscheltiersammlung und fragte: „Hat dein Teddy dein Ohr heil gemacht?“

„Nein“, antwortete sie.

„Hat das Häschen oder Ernie oder Bert dein Ohr heil gemacht?“

„Nein, nein, nein!“, kicherte sie.

Er hat mein Ohr heil gemacht!“, rief sie und zeigte jetzt schon etwas ungeduldig wieder zum Regal.

Ich wiegelte die Vorstellung an ein Wunder immer noch ab, spielte aber mit. „Hat der Mann große Flügel? Ist er ein Engel? Hat ein Engel dein Ohr wieder heil gemacht?“

„Nein, Mama. Er hat mein Ohr heil gemacht.“

Woher soll sie den Unterschied zwischen einem Engel und einem Mann auch kennen?, schalt ich mich.

Aber dann fiel mir eines ihrer Bücher auf dem Regal ins Auge. Jesus und die Kinder. Es war ihre Lieblings-Gutenachtgeschichte, und wir hatten sie schon Hunderte Male gelesen – auch an diesem Abend.

Ich hielt es hoch, schlug das Bild auf, auf dem Jesus mit den Kindern spielt und fragte: „Hat er dein Ohr heil gemacht? Hat Jesus dein Ohr berührt?“

„Ja.“

„Jesus hat dein Ohr heil gemacht? Wirklich?“

„Ja.“

Ich musste schlucken und meine Tränen zurückhalten, dann flüsterte ich noch eine Frage: „Ist Jesus immer noch hier?“

„Ja“, antwortete sie ganz ruhig und zeigte mit dem Finger über meine Schulter.

Mir lief ein Schauer über den Rücken, aber nicht aus Angst, sondern dieser Schauer wurde durch etwas ganz anderes ausgelöst – etwas Wundersames – das, was geschieht, wenn sich für Sekundenbruchteile Himmel und Erde berühren.

Jesus war hier! Er war körperlich anwesend in meinem Haus – hörte zu, kümmerte sich und vollbrachte Wunder –, auch wenn ich ihn nicht sehen konnte. Meine Tochter sah, was ich nicht sehen konnte, vielleicht, weil sie keine geistlichen Scheuklappen trug wie ich.

Sie kuschelte sich jetzt unter ihre Decke und schlief rasch wieder ein, während ich nachdenklich ihr Zimmer verließ und dachte, dass das alles vielleicht nur ein grausamer Scherz war.

Ich rechnete zunächst damit, dass ihre Schmerzen am nächsten Tag wieder da sein würden, aber ich wachte am Morgen mit der Gewissheit auf, dass Jesus ja nicht nur der Gott ist, der heilt (Jehova Rapha), sondern auch der Gott, der versorgt (Jehova Jireh).

Im Laufe der nächsten paar Monate legte ich meine geistlichen Scheuklappen nach und nach immer ein bisschen mehr ab. Ich konnte Jesus zwar nicht körperlich sehen, aber ich wusste von da an, dass er immer da war und alles gut werden würde. Seitdem sind über 20 Jahre vergangen und meine Tochter hat danach nie wieder Ohrenschmerzen gehabt. Es gibt keine menschliche Erklärung dafür, dass sie damals im einen Moment vor Schmerzen schrie und im nächsten, ohne dass sie Medikamente bekommen hatte, wieder putzmunter war und lachend umherhopste.

Die einzige Erklärung dafür ist Jesus.

Mein Mann fand ein paar Monate später wieder Arbeit durch die Hilfe von Menschen, die nur Jesus in unser Leben hatte bringen können, und durch Gottes Gnade und Versorgung konnten wir sogar unser Haus behalten. Das Leben ging weiter, und wenn einmal wieder schwere Zeiten kamen – egal, ob wir körperlich, seelisch oder finanziell Hilfe brauchten –, erinnerte uns Gott an seine Treue in jener Nacht vor langer, langer Zeit.

Ob wirklich Wunder geschehen? Ja, jeden Tag geschehen Wunder. Rechnen Sie damit.

„Gestern Abend haben uns bewaffnete Räuber hinter unserem Haus aufgelauert“, sagte unser Sohn Paul, als er eines Morgens bei uns anrief. Seine Stimme klang angespannt. „Als wir bei Dunkelheit nach Hause gekommen sind, haben sie uns überfallen. Sie haben mich gezwungen, die Tür aufzuschließen, und dann sind sie mit Gewalt ins Haus gestürmt. Wir mussten uns hinsetzen, während sie uns bewacht und das Haus geplündert haben.“

„Oh nein, Paul! Nein! Das tut mir so leid. Ist jemand verletzt worden?“

„Nein, Mama, aber sie haben unser Geld gestohlen, die Computer, die Kamera und noch andere Sachen. Ich konnte dich nicht eher anrufen, weil sie auch unsere Handys mitgenommen haben. Ich habe gewartet, bis es hell wurde und bin dann zu den Nachbarn gegangen, um mir ein Handy auszuborgen und dich anzurufen. Gerda und ich haben die letzte Nacht kaum geschlafen.“

Mir kamen die Tränen. Mein Mann und ich hatten selbst schon die traumatische Erfahrung gemacht, überfallen und ausgeraubt zu werden, und wir hatten immer gehofft, dass es unseren Kindern erspart bleiben würde. Doch jetzt waren auch Paul und seine Familie Opfer eines solchen Überfalls geworden. Für uns war das schlimmer, als hätte es uns selbst getroffen.

Paul und seine Frau Gerda leben mit dem fünf Jahre alten Jacinto und der zweijährigen Kenia auf einer kleinen Farm in El Salvador. Paul leitete den Kirchenchor ihrer Gemeinde, und der Überfall hatte stattgefunden, als die Familie am Abend nach der Chorprobe nach Hause gekommen war.

Ich wischte mir die Tränen ab, die einfach nicht aufhören wollten zu laufen.

„Glaubst du, das waren dieselben Räuber, die auch bei uns waren und uns ausgeraubt haben?“, fragte ich ihn und versuchte das Beben in meiner Stimme zu unterdrücken.

„Ja, es scheint dieselbe Bande zu sein. Das Aussehen der Leute passt genau zu der Beschreibung der Räuber, die euch überfallen haben. Die Art, wie sie uns mit Gewalt ins Haus gedrängt haben, wie wir uns hinsetzen mussten und sie uns bewacht haben, um dann das Haus zu plündern, klingt genau wie das, was ihr geschildert habt.“

Mich packte jetzt die Sorge um unsere kleinen Enkel. „Geht es den Kindern gut?“

„Ja, mit ihnen ist alles in Ordnung. Kenia ist wie immer. Ich glaube, sie hat gar nicht begriffen, was passiert ist.“

„Und was ist mit Jacinto?“