BARISTA AUS LEIDENSCHAFT
QUALITÄTSKAFFEE AUS EIGENER KÜCHE
Sander Schat
Ronald Buitenhuis
Gerben Hettinga
Fotos | Gerben Hettinga | |
Gestaltung | Alfib Nijsse | |
Redaktion | Sibylle Cosyn |
FONTAINE UITGEVERS
Dieses Buch ist aus Neugier auf und Leidenschaft für Kaffee entstanden. Die erste Idee für Barista aus Leidenschaft kam mir bereits 2007. Direkt nach der Anschaffung einer beeindruckend schönen Espressomaschine machte ich mich auf die Suche nach einem „Kochbuch“ für Kaffee. Leider fand ich nicht, was ich suchte. Daraufhin begann ich, hier und da Wissen und Fertigkeiten zusammenzuklauben, und war ein halbes Jahr später relativ zufrieden mit meinen Hobbybarista-Qualitäten. Diese Suche in einem Buch festzuhalten, war die erste Idee.
Anfang 2008 schlug die Redakteurin Sibylle Cosyn vor, gemeinsam ein noch näher zu definierendes Buch zu gestalten, für das ich Fotos liefern sollte. Die Kaffeebuchidee kam zum zweiten Mal auf, und dieses Mal blieb sie. Das Team wurde um Autor Ronald Buitenhuis, Barista Sander Schat und Gestalter Alfib Nijsse erweitert, und Anfang 2009 machten wir uns tatsächlich an die Arbeit.
Das Ziel des Buches wurde immer klarer: den Verbraucher zu informieren und sein Interesse und seine Begeisterung für Qualitätskaffee zu wecken, um auf diese Weise einen Beitrag zur Entwicklung einer neuen Kaffeekultur zu leisten, die auf Geschmack und Nachhaltigkeit beruht. Außerdem hoffen wir, dass es mit der wachsenden Nachfrage nach Qualitätskaffee einfacher werden wird, guten Kaffee in Geschäften und Cafés zu finden.
Durch zahlreiche Reisen in europäische Großstädte hatte ich Gelegenheit, meinen Kaffeehorizont auch außerhalb der Niederlande zu erweitern. Nach Gesprächen u. a. mit Tim Wendelboe und James Hoffmann wurde meine Leidenschaft für Kaffee erst recht entfacht. Außerdem habe ich viele neue Kaffeearten probiert. Zum Beispiel den besonders milden Filterkaffee in Oslo, den vollen eleganten Espresso in London und den süßen Mokka in der eigenen Küche (mit Bohnen von Tim). Und noch immer spüre ich in jeder Stadt den leckersten Kaffee zum Trinken oder zum Mitnehmen auf. Die Ausbeute dieser Entdeckungsreise findet sich in diesem Buch wieder. Eine wunderbare und scheinbar grenzenlose Erfahrung.
Dank dieses Buches genieße ich die herrlichen Kaffees, die meinen Weg kreuzen, jetzt noch mehr. Dank der Fachkenntnisse von Sander und anderen Experten weiß ich, worauf ich achten muss und wie ich mit meinen Fähigkeiten als Heimbarista das Beste aus den Kaffeebohnen herausholen kann. Und nicht zuletzt bin ich wählerischer geworden. Aber das ist ein schöner Nebeneffekt.
Gerben Hettinga
Fotograf und Kaffeefreak
Als ich 2009 von Gerben und Sibylle gebeten wurde, an diesem Buch mitzuarbeiten, wusste ich nicht genau, was mich erwartete. Und mit welchem Einsatz ich mich persönlich an diesem Buch beteiligen wollte.
Jetzt, wo das Buch fertig ist, weiß ich es sehr genau. Es spiegelt die Kaffeereise wider, die ich selbst unternommen habe. Die Grundfähigkeiten eines Baristas wurden mir von der Barista Company hervorragend vermittelt, und darauf aufbauend habe ich mich weiterentwickelt. Auf meiner Reise bin ich immer neuen, besonderen Menschen begegnet. Und dank ihnen wuchs in mir die Leidenschaft für Kaffee.
In diesem Buch kommen viele dieser Menschen zu Wort, und jeder von ihnen hat eine eigene, einzigartige Sicht auf Kaffee. Sie alle eint eine Leidenschaft für dasselbe Produkt: Kaffee. Das ist das Schöne an diesem Produkt: Es ist so vielseitig, dass eine einzige Wahrheit nicht existiert.
Dieses Buch hat mich gelehrt, dass es gerade die Leidenschaft ist, die wir teilen sollten. Es ist eine helfende Hand für den Heimbarista, dem es wichtige Grundlagen und Einsichten vermittelt. Ich hoffe, dass Menschen sich auf diese Weise inspiriert fühlen, mehr über Kaffee zu erfahren, um so ihre eigene Wahrheit zu entdecken.
Außerdem soll dieses Buch ganz allgemein ein bisschen zur Qualitätssteigerung von Kaffee beitragen. Wenn der Verbraucher, der Heimbarista, zu verstehen beginnt, was mit Kaffee alles möglich ist, wird er auch höhere Anforderungen an die Gastronomie stellen. Diese wird nicht hinter den Erwartungen zurückbleiben können und ihre eigene Qualität ebenfalls verbessern müssen. Oft schaut man in der Gastronomie eher auf Umsatz statt auf Qualität. Das sollte doch wirklich andersherum sein. Zuerst kommt die Qualität des Kaffees – dann folgt der Umsatz ganz von allein.
Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen und Schauen und natürlich viel Erfolg bei Ihrer eigenen Reise in die Welt des Kaffees.
Sander Schat
Barista und technischer Redakteur
EINLEITUNG | ||
DER BARISTA | ||
DIE BASIS | ||
ESPRESSO | ||
RISTRETTO | ||
MILCH | ||
ESPRESSO MACCHIATO & CORTADO | ||
CAPPUCCINO | ||
LATTE MACCHIATO | ||
AMERICANO & LUNGO | ||
FILTERKAFFEE | ||
STEMPELKANNE | ||
KAFFEE EISGEKÜHLT | ||
FAKTEN & FABELN | ||
DIE EXPERTEN | ||
GLOSSAR |
ALS HEIMBARISTA AN DIE ARBEIT
In Mitteleuropa entsteht gerade nach dem Vorbild Australiens, Neuseelands, Englands, Skandinaviens und den USA eine neue Kaffeekultur. Erst verdrängten vollautomatische Maschinen mit Kaffeepads oder Kaffeekapseln die klassische Kaffeemaschine aus der Küche. Jetzt ist das Barista-Zeitalter angebrochen. Ein Barista ist ein Fachmann oder eine Fachfrau, der bzw. die sich professionell der Zubereitung von Espresso und den verwandten Kaffeearten wie Cappuccino, Ristretto, Latte macchiato, Americano und Lungo, aber auch Mokka und Filterkaffee widmet. Ein Barista ist wie der Koch in der Küche. Er weiß alles über die Technik der Kaffeemaschine und die Prozesse bei der Zubereitung von echtem Kaffee. Nicht länger bestimmt eine Maschine die Qualität, sondern ihr Bediener, der Barista. Geschmack ist dabei der neue Maßstab. Der Barista holt alles aus dem Charakter der sorgfältig geernteten und verarbeiteten Bohnen heraus und kreiert mit der adäquaten Zubereitungsmethode ein Geschmackserlebnis. Der Barista ist mehr als nur Zubereiter des Getränks. Er darf sich Kaffeekenner nennen und kann genau sagen, warum er wie welchen Kaffee zubereitet.
Vor langer Zeit waren die Niederlande ein führendes Land, was Kaffee betrifft. Durch den Kaffeehandel, der in der Zeit der Vereinigten Ostindischen Kompanie entstand, kam das schwarze Gold in die Niederlande. Umgerechnet würde ein Kilo roher Kaffee aus jener Zeit heute ungefähr 500 Euro kosten. Noch vor 50 Jahren war es nicht unüblich, den Kaffee zu Hause auf dem Herd in einer gusseisernen Pfanne zu rösten. Anschließend wurde der Kaffee gemahlen und für eine leckere Tasse altmodischen, frisch gebrühten Kaffees verwendet. Leider verschwand die Kaffeekultur aus der heimischen Küche und vakuumverpackter, vorgemahlener Kaffee hielt Einzug. Eine landläufige Meinung vor allem von Menschen der älteren Generation ist, dass die erste Tasse aus einem frisch geöffnete Paket Kaffee die beste sei. Dieses Buch macht deutlich, warum nur diese Tasse Kaffee so lecker schmeckt. Gleichzeitig erklärt es den Aufstieg des Barista. Wir sind wieder auf der Suche nach den alten Geschmackserlebnissen.
Der Barista wird mehr und mehr zum sichtbaren Bestandteil unserer Kaffeelandschaft. In schicken Einkaufsstraßen und an Orten mit viel Publikumsverkehr schießen Kaffeefachgeschäfte wie Pilze aus dem Boden. In den Niederlanden gab es z.B. 2009 etwa 900 spezialisierte Espressobars, Kaffeebars und Kaffeehäuser. Heute findet man sie zwar immer noch vorwiegend in größeren Städten, doch die Kaffeefachgeschäfte breiten sich über das ganze Land aus. Und ihre Zahl wächst rasant. Das niederländische Food Service Institut hat errechnet, dass der Umsatz von Kaffeebars in den Niederlanden von 76 Millionen Euro im Jahr 2006 auf 87 Millionen Euro im Jahr 2008 angestiegen ist. Der Vormarsch von qualitativ hochwertigem Kaffee scheint unaufhaltsam. Auch laut der Königlichen Vereinigung der Niederländischen Kaffeeröster und Teepacker (KVNKT) wechselt der niederländische Kaffeetrinker von der „traditionellen Tasse Kaffee“ zu hochwertigerem Kaffee auf Espressobasis.
In der traditionellen Gastronomie gewinnt Qualitätskaffee an Bedeutung, was unschwer an den immer schöneren Maschinen hinter der Theke zu erkennen ist. Immer häufiger kommt es auch zu Symbiosen von beispielsweise Buchläden mit eigenen Kaffeebars. Und nicht zuletzt werden sogar Barista-Meisterschaften ausgetragen, bei denen die Kaffeezubereitung in den Stand einer eigenen Kunst erhoben wird.
Jetzt ist es Zeit für den nächsten Schritt: Der Barista hält Einzug in die heimische Küche. Immer mehr Menschen begeben sich zu Hause auf die Suche nach dem perfekten Kaffee. Dort, wo einst handgefilterter Kaffee eingeschenkt wurde und später Kaffeemaschinen ihr typisches Brodeln verbreiteten, sind heute die Geräusche von Kaffeemühlen und Wasserdampf zu hören. Obwohl wir auch am Arbeitsplatz eine gute Tasse Kaffee zu schätzen wissen, trinken wir Kaffee am liebsten zu Hause. Durchschnittlich drei von vier Tassen trinken wir in den eigenen vier Wänden. In Anbetracht der Kaffeebars in den Straßen verwundert es nicht, dass wir auch zu Hause immer häufiger versuchen, qualitativ hochwertigen Kaffee zu bereiten. Aber wie macht man eigentlich qualitativ hochwertigen Kaffee in der eigenen Küche? Wie wird man ein echter Heimbarista? Wie sorgt man dafür, dass ein Espresso, Cappuccino, Eiskaffee oder Filterkaffee nicht (grundsätzlich) zum Milchkaffee wird? Gutes Handwerkszeug ist das eine, ein echter Barista zu werden das andere. Die Zubereitung von gutem Kaffee ist eine Kunst für sich. In Barista aus Leidenschaft – einzigartigen Kaffee aus der eigenen Küche nimmt der zweifache niederländische Barista-Champion Sander Schat Sie mit auf eine Entdeckungsreise durch die Kaffeelandschaft. Schritt für Schritt erklärt er, wie Sie verschiedene Arten von Qualitätskaffee zubereiten. Die Kaffeeröster Tim Wendelboe (Norwegen), James Hoffmann (England), Tewis Simons und Ralf Rüller (Deutschland) helfen Ihnen bei der Auswahl der Bohnen und teilen ihre persönlichen Ansichten und Ideen zum Kaffee. Darüber hinaus erzählen echte Kaffeeliebhaber die Geschichte ihres persönlichen Lieblingskaffees. In diesem Buch geht es also nicht um die Geschichte des Kaffees, den Anbau und die Ernte von Kaffeebohnen. Vielmehr ist Barista aus Leidenschaft ein Handbuch, das erläutert, wie Sie durch verschiedene Zubereitungsmethoden das Beste aus den Kaffeebohnen herausholen und so ein qualitativ hochwertiges und vor allem geschmackvolles Ergebnis erzielen. Wir konzentrieren uns dabei auf drei Zubereitungstechniken: Espresso, French Press und Filter.
Barista aus Leidenschaft dient als Anleitung für eine Reihe verschiedener Zubereitungsmethoden. Sobald Sie diese beherrschen und sich selbst schon ein bisschen als Barista bezeichnen, können Sie etwas variieren – Die Dosierung verändern, die Extraktionszeit oder Durchlaufzeit anpassen … Nur durch Probieren erfahren Sie, ob ein Kaffee gut ist oder nicht. Wenn Sie akribisch alle Regeln in diesem Buch befolgen, wird Ihnen an der ein oder anderen Stelle unter Umständen ein herrliches Kaffee-Erlebnis entgehen. Als Naturprodukt ist Kaffee launenhaft. Viele Variablen bei der Verarbeitung (z. B. der Zeitpunkt der Ernte, gewaschener oder ungewaschener Kaffee, die Dauer der Fermentation, die Lagerung, der Transport und nicht zu vergessen das Rösten und Mischen) verleihen dem Kaffee letztlich seinen einzigartigen Geschmack. Jede an der Kaffeeherstellung beteiligte Person trifft Entscheidungen, die sich auf den Kaffee auswirken. Dieses Buch bietet vornehmlich Grundfertigkeiten, die das Gelingen einer guten Tasse Kaffee erleichtern. Letzten Endes muss aber jeder selbst auf die Suche nach seinem idealen Kaffee gehen. Eine spannende Reise, bei der dieses Buch als Reiseführer dienen kann. Als Heimbarista überraschen Sie nicht nur sich selbst, auch Ihr Besuch wird sich den Qualitätskaffee aus der eigenen Küche gut schmecken lassen. Also, an die Arbeit, Heimbarista! Mit diesem Buch in Ihren Händen sind Sie nur wenige Schritte von einem echten „Qualitätskaffee aus eigener Küche“ entfernt. Entdecken Sie die Kunst der Kaffeezubereitung, und kreieren Sie Ihre ganz persönliche Kaffeesensation.
Sander Schat ist zweifacher niederländischer Barista-Champion. Nichtsdestotrotz fragt er sich, ob er die Kaffeezubereitung jemals wirklich ergründen wird. „Es gibt keine Wahrheit darüber, was perfekter Kaffee ist. Es geht vor allem um das Verständnis, was die Kaffeezubereitung ausmacht. Manchmal komme ich mir wie ein Chemiker vor, der mit Substanzen experimentiert.
Es ist eine sonderbare Geschichte. 2008 arbeitete Sander Schat gerade mal ein halbes Jahr bei der Barista Company und wurde direkt niederländischer Champion. Ein Erfolg, der ihm ein Jahr später erneut gelang. Mehr oder weniger zufrieden erklärt er mit einem Lächeln, dass er 2009 in Atlanta „glücklicherweise“ nicht Weltmeister geworden ist. „Das sähe ja fast so aus, als ob die Zubereitung von Kaffee überhaupt nichts Anspruchsvolles wäre.“ Dass dem nicht so ist, weiß er aus eigener Erfahrung. Täglich bereitet der Barista-Autodidakt Kaffee zu, aber die eine Tasse bekommt von ihm sechs Punkte, die andere neun. Und woran liegt das? Sander Schat nennt es eine niemals endende Entdeckungsreise. „Es gibt so viele Faktoren, die einen Einfluss haben. Kuhmilch zum Beispiel schmeckt im Herbst ganz anders als im Sommer. Das macht sich bei den Latte-Kaffees bemerkbar. Die Temperatur des Wassers, die Frische der Bohnen, der Mahlgrad … Es gibt eigentlich kein Universalrezept für guten Kaffee, geschweige denn eine genaue Anleitung, wie man ihn zubereiten muss.“ Das lässt den Heimbarista hoffen. Denn wenn selbst ein niederländischer Champion noch immer nach der richtigen Geschmackskomposition sucht, gibt es keinen Grund mehr, sich nicht selbst zu Hause auf die Suche zu begeben.
Stephen Morrissey, der Barista-Weltmeister von 2008, sagte einmal, dass im Leben eines jeden Menschen nur zwölf Tassen Kaffee wirklich lecker seien. Eine Aussage, die Sander Schat sehr gut nachvollziehen kann. „Es gibt so viele Variablen, dass es Zeit braucht, um das Geheimnis der Materie wirklich zu lüften. Ich selber hatte zweimal ein Wow-Erlebnis. Das erste Mal als ich Kaffee trank, der aus Kaffeebohnen aus dem Jemen gemacht war. Ich schmeckte die Wüste. Das zweite Mal war in einer ‚Speciality Coffee Bar' ‘ in den USA. Ich saß mit drei anderen Baristas zusammen, und wir hatten alle so ein Wow-Gefühl. Plötzlich ist es da. Kaffeekochen ist keine Wissenschaft. Es gibt keine wissenschaftliche Formel für das Aha-Erlebnis. Es ist einfach eine Gleichung mit vielen Variablen. Nehmen Sie zum Beispiel das Ambiente. Ich war mal in Äthiopien. Mitten in der Wüste kochte eine Frau auf traditionelle Weise Kaffee. Ihre Art unterschied sich vollkommen von den modernen Zubereitungsmethoden. Zuerst wurden grüne Bohnen in einer Art Wokpfanne geröstet. Die Frau ließ das Wasser ganze vier Mal kochen, etwas, das nach unserem Verständnis so gar nicht in Frage kommt. Und doch schmeckte der Kaffee großartig. Dickflüssig wie Schlamm. Würde ich diesen Kaffee morgen hier probieren, würde ich ihn sofort wegschütten. Und dabei sprechen wir von nur einer Variablen einer schwierigen Gleichung. Es ist wie mit Wein, den man vom Urlaubsort mitbringt und der zu Hause einfach nicht mehr schmeckt. Geschmack ist etwas schwer zu Fassendes. Deshalb versuche ich auch nicht, den Heiligen Gral der Kaffeezubereitung zu bieten. Aber ein Buch wie dieses kann helfen, Techniken zu lernen, mit denen eine gute Tasse Kaffee in Reichweite rückt. Welche Komponenten bewirken, dass eine Tasse Kaffee so schmeckt, wie sie schmeckt? Und wie kommt der Kaffee am besten zur Geltung? Letztendlich geht es darum, dass man die Kaffeezubereitung wie ein Koch der Molekularküche durchschaut. Und dass man in der Lage ist, zwei völlig gegensätzliche Geschmackskomponenten in einer großartigen Mischung zusammenzubringen. So wie der Chefkoch eines Sterne-Restaurants: Er kombiniert Zutaten auf eine Art und Weise, auf die man zu Hause niemals kommen würde. Diese Art von Genie beherrscht die Materie. Es ist wie mit dem Pianisten, der Beethoven endlich so spielen kann, wie Beethoven es sich vorgestellt hat. Bei einer der Barista-Weltmeisterschaften habe ich Estragon mit Lakritze kombiniert. Die Jury war hellauf begeistert. Das sind die Momente, in denen ich das Gefühl habe, dass ich die Zubereitung von Kaffee verstehe.“
Innerhalb der Welt des Kaffees gibt es so viele Möglichkeiten – verschiedene Bohnen, Kontinente, Zubereitungsarten und -methoden –, dass der zweifache niederländische Champion nie jemandem vorwerfen würde, ihm keinen guten Kaffee serviert zu haben. „Für jeden gilt das Trial-and-Error-Prinzip.“ Kaffee mit 93 Grad heißem Wasser kann genauso lecker sein wie ein anderer Kaffee, der mit 88 Grad zubereitet wurde. Aber man muss sich die Zeit nehmen, genau das herauszufinden, und bereit sein, Zeit und Energie in eine abenteuerliche Reise zu stecken.“
Sander Schat ist froh, dass in Mitteleuropa gerade ein Umdenken in puncto Kaffeetrinken stattfindet. Immer mehr Haushalte verfügen über echte Espressomaschinen. Es dauert nicht mehr lange, dann wird laut Sander auch der klassische Keks zum Kaffee verschwunden sein. „Zur neuen Art des Kaffeetrinkens passt höchstens eine kleine Schokolade.“ Immer häufiger tauchen spezialisierte Kaffeebars im Straßenbild auf. „Vielleicht liegt es an Laptop und Mobiltelefon, dass wir überall arbeiten und kommunizieren können. Wir verbringen immer mehr Zeit unterwegs. In New York werden zunehmend Wohnungen ohne Küche entworfen. Auch wir werden diese Kultur früher oder später übernehmen. Sowohl unterwegs als auch innerhalb der eigenen vier Wände. Ich erkenne das am Interesse an den Workshops, die ich über mein eigenes Unternehmen Coffee Vibes anbiete. Außerdem sehe ich immer mehr Besucher bei Barista-Meisterschaften.“ Dort muss er dann beispielsweise vier Cappuccino, vier Espresso und eine „Kaffee-Spezialität“ zubereiten. 60 Prozent der Wertung der Jury werden durch den Geschmack des Kaffees bestimmt. Der Barista darf selbst bestimmen, welche Bohnen er für die Zubereitung verwendet. 20 Prozent der Bewertung beziehen sich auf die Technik. Dabei achtet die Jury beispielsweise auf Aspekte wie die richtige Temperatur, die verwendete Menge Milch und die Qualität des Milchschaums. Hier zahlt sich laut Sander Schat konsequentes Arbeiten aus. „Man muss zeigen, dass man die Zubereitung der Espresso unter Kontrolle hat. Das größte Kompliment, das man als Barista bekommen kann? Ich fand die Bemerkung eines Jurymitglieds bei der WM in Atlanta gegenüber einem Südkoreaner sehr schön. ‚Gut gemacht‘, sagte er. Damit meinte er, dass alles passte; dass der Zubereiter Herr der Lage war.
„DER PERFEKTE KAFFEE? ICH HATTE NUR ZWEIMAL IN MEINEM LEBEN SO EIN WOW-ERLEBNIS“
Es ist wie bei einem Schachspiel zwischen zwei Großmeistern, bei dem der Verlierer dem Gewinner zu einem großartigen Zug gratuliert, um zu bestätigen, dass er die Situation gemeistert hat.“ Die Präsentation machen 20 Prozent der Endbewertung bei den Barista-Meisterschaften aus. Hier kann sich der Barista auf der Bühne austoben. Es kommt auf Geschirr, Kleidung, Musik und kreative Serviermethoden an.
Sander Schat beherrscht viele Kniffe und Tricks der Kaffeezubereitung. Der zweifache niederländische Champion glaubt, dass niemand auf Qualitätskaffee aus der eigenen Küche verzichten muss. „Dieses Buch ist ein guter Ausgangspunkt für eine spannende Reise, die ich bereits teilweise zurückgelegt habe. Der größte Fehler, den man beim Zubereiten von Kaffee machen kann, ist zu glauben, dass es einfach sei. Mit Kaffee kommt man zwar nie ans Ziel, aber man kommt in den Genuss einer abwechslungsreichen Reise.“