Heil —
pflanzen
für Hunde
WIRKUNGSWEISEN, REZEPTUREN
UND ANWENDUNG
KOSMOS
Kulturanthropologen sind sich sicher, dass sich die Vor- oder Frühmenschen, noch ehe sie Werkzeuge erfunden oder das Feuer gezähmt hatten, mit Kräutern, Rinden und Wurzeln geheilt haben.
Pollenanalysen von Ausgrabungen von Bestattungen deuten an, dass auch die Neandertaler vor rund 60 000 Jahren profundes Heilpflanzenwissen besaßen. Dass man Haustiere mit Pflanzen heilen kann, sollte selbstverständlich sein. Tiere, insbesondere die Säugetiere, sind uns physiologisch so ähnlich, dass pflanzliche Stoffe und Energien auf sie nicht viel anders wirken als auf uns Menschen. Aber nicht nur das, Pflanzen und Tiere haben eine gemeinsame Ko-Evolution von hunderten Millionen Jahren durchlaufen. Eine ständige, wechselseitige Interaktion fand (und findet) dabei statt. Sie sind füreinander gemacht.
Pflanzen geben den Tieren nicht nur den Sauerstoff zum Atmen, sondern sie ernähren die Tiere (letztlich auch die fleischfressenden). Dabei kann keine strenge Unterscheidung zwischen Nahrungs- und Heilpflanzen getroffen werden. Die Grenzen sind fließend. So etwas konnten wir als biodynamische Landwirte bei unseren Kühen beobachten; sorgfältig suchen sie dieses oder jenes Kraut, weil sie instinktiv wissen, was ihr Organismus zur jeweiligen Zeit braucht. Auch haben Hirten in Südamerika bei ihren Schafen entdeckt, dass diese am aromatisch bitteren Boldo-Strauch fressen, wenn sie an Darmstörungen oder Leberparasiten leiden. Bären wurden beobachtet, wie sie Verdauungsprobleme mit der Madaun-Wurzel (Ligusticum) heilen; bei Hautpilz zerkauen sie die Wurzel und spucken den feinen Brei auf die befallenen Stellen. Es gibt viele solcher Beispiele. Lange hat man das als Aberglaube abgetan, aber inzwischen ist es durch Ethologen, die das Verhalten von Tieren ins Visier nehmen, wissenschaftlich bestätigt.
Auch unseren Haustieren sollte man diese ursprünglichen, natürlichen Heilmittel nicht verwehren. Ich bin sehr froh, dass sich die Tierärztin Dr. Alexandra Nadig die Mühe gemacht hat, den Tierfreunden wertvolles Wissen zur Anwendung der Phytotherapie zu vermitteln.
Insbesondere bin ich froh, dass sie sich den Hunden zuwendet. Wie kein anderes Tier haben Hunde ihr Schicksal mit den Menschen verbunden. Sie sind unsere besten Freunde. Ich kann mir ein Leben ohne Hunde gar nicht vorstellen. In Indien erfuhr ich, dass man Hunde nicht wecken soll, auch wenn sie mitten auf der Straße schlafen und den Verkehr behindern, denn sie träumen von den Göttern. Durch ihre intensiven Träume bringen sie uns die Götter und deren Segen näher. Die Cheyenne-Indianer, mit denen ich viel Zeit verbrachte, glauben Ähnliches. Sie sagen, die Hunde träumen von Fleisch. Und da sie starke Träumer sind, werden ihre Träume wahr, und „dann haben auch wir Indianer genügend Fleisch zu essen“.
Hunde beobachten und studieren ihre Menschen genauestens. Das ist – sagen die Hindus –, weil Hunde im nächsten Leben als Menschen wiedergeboren werden, und sie wollen genau wissen, wie man sich als Mensch zu verhalten hat.
Und zu guter Letzt aus meiner eigenen Erfahrung: Oft nehmen Hunde die Krankheiten oder das Leid des Menschen auf, den sie lieben. Sie ziehen Flüche oder Leid ab, auch wenn sie selber daran sterben müssen.
Ihr Wolf-Dieter Storl
Kulturanthropologe und Ethnobotaniker
Als der große Held Bhima starb und mit seinem Hund vorm Himmelstor stand, sagte der Torwächter: „Willkommen großer Held, tritt ein. Aber dein Hund muss draußen bleiben, der ist unrein.“
Da kehrte Bhima um und sagte: „Das kann nicht der Himmel sein, wo Hunde nicht erlaubt sind!“ Da rief ihm der Torwächter nach: „Das war deine letzte Prüfung! Selbstverständlich kommen Hunde mit in den Himmel.“
„Hunde stammen vom Wolf ab, und dieser ernährt sich von Fleisch.“
Eine Aussage, die so nicht ganz richtig ist. Fast alle wilden Tiere nutzen ab und zu Pflanzen, um sich gesund zu erhalten oder um Befindlichkeitsstörungen zu lindern. Pflanzen scheinen in ihrem Ernährungs- und Überlebensplan eine nicht unwichtige Rolle zu spielen.
Auch für den Wolf gilt das. Wölfe und erst recht unsere Haushunde sind keine reinen Karnivoren (Fleischfresser), pflanzliche Bestandteile sind immer schon Teil ihrer Ernährung. Wölfe und Wildhunde fressen den mit Pflanzen gefüllten Magen ihrer Beutetiere, und unsere seit hunderttausend Jahren domestizierten Haushunde haben sich organisch sehr an eine pflanzenreiche Kost angepasst.
Wer hat nicht einmal seinen Hund genüsslich Gras fressen sehen?
Wildhunde und verwilderte Hunde fressen hauptsächlich Aas, menschliche Abfälle und jagen, wenn nötig, kleinere Beutetiere. Die Tiere, die sie dabei zu sich nehmen, sind Pflanzenfresser, und deren Mageninhalt wird gern gefressen. Vorverdautes Grünzeug gehört also zur gesunden Ernährung unserer Haushunde. Somit passte sich der Verdauungsapparat auch an pflanzliche Kost an.
Es gibt Hunde, die scheinbar ganz bewusst an bestimmten Heilpflanzen knabbern. Warum tun sie das?
Wir leben heute teilweise sehr eng mit unseren Hunden zusammen, sie sind Familienmitglieder und Freunde und somit automatisch unserem Lebensstil stark angepasst. Dadurch sind auch sie von den vielen Krankheiten der Industriegesellschaft betroffen, und wir möchten für sie, ebenso wie für uns, nur die allerbeste medizinische Versorgung. Wirken soll sie und dabei nicht schaden. Gut verträglich soll sie sein und gern natürlichen Ursprungs. Hunde sprechen sehr gut auf eine Therapie mit Heilpflanzen an und die Erfolge einer phytotherapeutischen Behandlung sind beim Hund oft ganz außergewöhnlich.
Sie können Ihren Hund vorbeugend und bei leichten Erkrankungen wunderbar selbst mit Heilpflanzen therapieren. Das hilft Ihrem Hund und gibt Ihnen ein sicheres Gefühl, zu wissen, wie Sie ihm helfen können.
Viele alte Hausmittel, die Sie aus Ihrer Kindheit kennen und vielleicht bei Ihren eigenen Kindern anwenden, bewähren sich auch für unsere Hunde, und sie sind häufig nicht weniger wert als die Spritze vom Tierarzt. Den guten, altbewährten Kamillentee, Dampfinhalationen, Wickel und Heilsalben können Sie auch bei Ihrem Hund anwenden. Dieses Buch soll Ihnen dabei helfen und Ihnen Tipps, Anregungen und auch Rezepte an die Hand geben. Vielleicht haben Sie selbst Interesse an Heilpflanzen, gehen gern in die Natur und wollen sammeln, oder Sie haben einen Kräutergarten. Auch wenn Sie einen chronisch kranken Hund haben und einige Anregungen suchen, dann ist dieses Buch genau das Richtige für Sie. Lassen Sie sich anstecken von der wunderbaren Welt der Heilpflanzen, von deren unermesslichen Möglichkeiten, traditionellen Anwendungen ebenso wie der neuen, rational-wissenschaftlichen Phytotherapie, nutzen Sie dieses Wissen auch für Ihren Hund.
Ich wünsche meinen Lesern viel Spaß und hoffe, Ihr Interesse für die Phytotherapie zu wecken. Sprechen Sie Ihren Tierarzt darauf an – vielleicht motiviert es ihn, sich mit dieser wichtigen, altbewährten und wundervollen Therapieform zu beschäftigen.
Ihre Alexandra Nadig
Tiere nutzen Heilpflanzen instinktiv. So haben Wissenschaftler herausgefunden, dass einige Vogelarten ihre Nester mit speziellen Pflanzen auslegen. Diese enthalten antibiotisch wirksame Stoffe.
Eine von den Vögeln häufig verwendete Pflanze ist z. B. die Schafgarbe. Diese wird immer wieder frisch ins Nest gelegt, um die Jungtiere vor schädlichen Erregern zu schützen.
Auch der gezielte Gebrauch von Heilpflanzen bei Menschenaffen wie den Gorillas, Schimpansen oder Bonobos ist wissenschaftlich belegt. Bekannt ist z. B., dass Schimpansenweibchen ihre Jungen dazu zwingen, schlecht schmeckende und sonst gemiedene Blätter zu schlucken. Es stellte sich bei Untersuchungen heraus, dass diese Blätter zum Teil Inhaltsstoffe enthalten, die gegen Darmparasiten wirken. Einige Blätter werden unverdaut, voll anhaftender Würmer, wieder ausgeschieden und es scheint, als ob sie mechanisch den Darm reinigen und somit regelrecht die Darmwände ausputzen. Das wurde auch bei anderen Tierarten beobachtet. Es erscheint wie eine gezielte „Blätterkur“ gegen Darmparasiten.
In der Bossou-Region im westafrikanischen Guinea gehört Polycephalium capitum zur traditionellen Durchfall-Medizin. Die Schimpansen kennen die Wirkung, es finden sich immer wieder unzerkaute Polycephalium-Blätter in ihrem Kot. Das Beobachten der Natur und ihrer Bewohner hat den Menschen schon viele Erkenntnisse gebracht.
Interessant ist, dass in den Regionen, in denen Affen sich scheinbar selbst behandeln, auch die dort lebenden Menschen die gleichen Pflanzen gegen dieselben Erkrankungen nutzen. Beim Volk der Watongue in den Mahale-Bergen Tansanias wird eine bestimmte Vernonienart ebenfalls als Mittel gegen Parasitenbefall und Darmerkrankungen angewendet. Auch im Bwindi-Nationalpark nutzen Menschen und Gorillas die gleichen Medizinalpflanzen.
Eine ausgeprägte Vorliebe entwickeln Gorillas für Pflanzen, die Koffein oder Theobromin (Wirkstoffe von Kaffee und Schokolade) enthalten, wie z. B. die Colanuss. Möglicherweise dient das natürliche Aufputschmittel den Primaten, sich besser an die Bergregion mit ihrer sauerstoffarmen Atmosphäre anzupassen.
Jane Goodall hatte eine regelrechte „Heilkräutersammelkultur“ bei Schimpansen entdeckt und dies auch dokumentiert. Auch andere Tiere nutzen die Wirksamkeit der Pflanzen, um sich zu heilen oder vor Krankheiten zu schützen. Der arktische Zodiakbär z. B. zerkaut Blätter der Pflanze Ligusticum, spuckt den Brei in seine Pfoten, reibt ihn in sein Fell und bekämpft so seine Hautparasiten. Auch von Gibbons ist bekannt, dass sie einen zerkauten Pflanzenbrei auf ihre Wunden schmieren.
Hirsche und Bären in Nordamerika reiben ihre Wunden an bestimmten Baumarten, deren Harz eine desinfizierende Wirkung hat. Europäische Stare bespicken ihr Nest mit pharmakologisch aktiven Pflanzen, deren Wirkspektrum sich gegen Bakterien, Insekten und Milben richtet.
Schäfer und Hirten haben schon immer beobachtet, wie sich Schafe oder Hirsche in bestimmten Pflanzen wälzen, um ihre Wunden zu heilen. So wälzen sich z. B. Gämsen im Alpenwegerich, wenn sie verwundet sind.
Auch Hunde- und Katzenhalter kennen ein instinktives Nutzen von Heilpflanzen. Nicht nur Katzen nutzen Gras, um ihren Verdauungstrakt von zu vielen Haaren zu befreien, auch Hunde grasen teilweise intensiv, um Magenprobleme zu beheben oder damit den Darm zu reinigen. Es gibt sogar Hunde, die ganz gezielt Gewürz- und Heilpflanzen fressen oder nach Wurzeln graben.
Egal ob Wild- und Haustiere dieses Verhalten bewusst an den Tag legen, oder ob es ein rein instinktives Verhalten ist. Fakt ist, dass Tiere ihre Befindlichkeitsstörungen durch gezielten Einsatz von Heilpflanzen „behandeln“. Sie „wissen“, welche Pflanze sie zu sich nehmen müssen, um ihr Wohlbefinden zurückzuerlangen. Interessant ist, dass sie auch Pflanzen zu sich nehmen, die eine gewisse Prophylaxe vor Erkrankungen bewirken. So ist die geringe Aufnahme von Giftstoffen, wie es einige Tierarten praktizieren, nicht logisch zu erklären. Man weiß aber, dass diese dazu führt, das Immunsystem zu stärken. Ob die wilden Tiere dies auch wissen oder spüren, bleibt eine offene Frage. Heute beschäftigt sich die Zoopharmakologie intensiv mit diesem Thema, und sie bietet uns Menschen nicht nur einen besonderen Zugang zur Behandlung und Therapie unserer Haustiere. Das Beobachten der Selbstmedikation unserer Tiere kann auch für uns Menschen von großer Bedeutung sein.
Cindy Engel hat ein wunderbares Buch zu diesem Thema geschrieben: Wild Health – Gesundheit aus der Wildnis.
Die Heilpflanzenkunde ist der Beginn jedes medizinischen Systems auf der ganzen Welt, und sie ist die älteste Therapieform der Menschen überhaupt.
Das Heilen mit Pflanzen beginnt mit der Menschheit und lässt sich bis in die Steinzeit zurückverfolgen. Der älteste Fund ist ca. 60 000 Jahre alt und auch „Ötzi“ trug eine gut sortierte Heilpflanzenapotheke bei sich. Seit der Mensch Schriften hat, gibt es Aufzeichnungen über das Nutzen von Heilpflanzen. Eine sehr frühe Aufzeichnung ist das Papyrus Ebers. Es ist eine Schriftrolle aus dem Jahr 1 600 v. Chr., die zahlreiche Rezepte mit Heilpflanzen beschreibt.
In allen Regionen der Welt bildeten sich eigene Heilsysteme, dessen Grundlage immer die Heilpflanzen waren. Dabei spielten vor allem die regionalen Pflanzen eine wichtige Rolle.
Auch die Tiermedizin war in ihrem Ursprung eine Heilpflanzenmedizin. Zu Beginn waren es Hirten und Schäfer, später Schmiede und Stallmeister, die tiermedizinisch tätig wurden.
In China begann schon früh (16. bis 11. Jh. v. Chr./Shang-Dynastie) ein Boom der Tiermedizin. Besonders Pferde waren wichtige Tiere für das chinesische Reich, denn sie wurden für Kriege und zur Arbeit benötigt. Somit begann sich in der traditionellen chinesischen Medizin ein tiermedizinischer Zweig zu entwickeln, und bereits ab 475 v. Chr. gab es in China spezialisierte Tierärzte. Aus der Han-Dynastie (206 bis 220 v. Chr.) existieren erste tiermedizinische Rezepturen, die auf Bambus geschrieben wurden.
Aber auch in der westlichen Welt begannen die Menschen früh, ihre wichtigen Haustiere medizinisch zu versorgen. So existiert ein altägyptisches Schriftzeugnis der Tierheilkunde, der sogenannte Veterinärpapyrus von El-Lahun (um 1 850 v. Chr.). Dieser beschreibt vor allem die Anwendung von Heilpflanzen bei Rindern.
Im 4. und 5. Jh. n. Chr. verfassen Gelehrte wie Apsyrtos, Theomnestos, Hierokles und Pelagonius eine Literatur über Pferdeheilkunde. Auch hier werden pflanzliche Therapien in Form von Pflastern, Umschlägen, Tränken, Eingüssen und Einläufen beschrieben.
1250 bis 1750 n. Chr. ist die Zeit der Stallmeister und deren Verbreitung und literarischer Überlieferungen von Heilpflanzenanwendungen beim Pferd. 1250 n. Ch. verfasst ein Schmied das erste Rossarzneibüchlein in deutscher Sprache. Pflanzliche Heilmittel wurden zu dieser Zeit in jeder Stallapotheke vorrätig gehalten.
Erst Ende des 14. Jh. n. Chr. wird in verschiedenen Jagdbüchern die Behandlung von Hunden beschrieben. Vor allem Verletzungen, die pflanzlich behandelt wurden, innerlich wie äußerlich, waren Thema dieser Bücher.
1850 wurde von einem Pharmakologen ein „Lehrbuch der Arzneimittellehre für Tierärzte“ verfasst, das nach und nach ein Umstellen auf chemisch-synthetische Arzneistoffe auslöste. Lange Zeit war die Pflanzenheilkunde aus der Tiermedizin verschwunden, galt als veraltet und nicht mehr zeitgemäß. Bis heute ist die Tiermedizin geprägt vom industriellen Fortschritt. Massentierhaltung verlangt schnell wirksame und preisgünstige Methoden und Arzneien. Das Tier als Produkt, als Lebensmittellieferant, aber auch als Sportgerät muss in erster Linie funktionieren und Leistung bringen. Da darf Heilung keine Zeit kosten und es darf keine krankheitsbedingten Ausfälle geben. Hinzu kommt ein beinahe panischer Umgang mit dem sogenannten Verbraucherschutz, der weit entfernt von jeglicher Realität und Vernunft dazu führt, dass Tiere unnötig gequält werden und sie zu einem äußerst unnatürlichen Leben zwingt.
Wir leben in einer Zeit, die technisch und synthetisch orientiert ist. Alles scheint machbar, Krankheit ist unerwünscht. Gegen alles gibt es eine Tablette. Die Werbung im Vorabendprogramm zeigt es deutlich. Befindlichkeitsstörungen wie Schmerz oder Verdauungsprobleme können schnell und einfach mit einem Medikament behoben werden und der Mensch kann sofort wieder aktiv funktionieren. Dabei wird sehr viel mit der Angst gespielt und manipuliert. Schaut man jedoch genauer hin, ist zu sehen, dass dabei Realitäten verschoben werden.
Auf meinen Kräuterwanderungen ist dieses Thema ständig präsent. Ein Teilnehmer fragt immer ängstlich, wie es denn um die Gefahr des Fuchsbandwurmes stehe und ob er tatsächlich dieses Pflänzchen unbeschadet probieren könne. Daraufhin stelle ich jedes Mal die Gegenfrage, wie die Teilnehmer denn zu mir gekommen sind? Etwa mit dem Auto? Dann nenne ich die Zahlen der Unfalltoten durch Autounfälle pro Jahr in Deutschland und weise darauf hin, dass es seit Jahrzehnten keinen Todesfall mehr durch Fuchsbandwurm gegeben hat. Woher kommt also diese Angst? Und vor allem woher diese Angst-Verschiebung?
Angst ist für die, die sich dadurch bereichern können. Angst vor der Walderdbeere sichert den Verkauf von Erdbeeren im Supermarkt. Angst vor Würmern sichert den regelmäßigen Verkauf von Wurmtabletten. Von der gar hysterischen Angst vor Zecken können so einige Pharmaunternehmen wunderbare Umsätze erwirtschaften.
Erst viel später als in der Humanmedizin, seit ca. 1980, beginnt ganz langsam ein Umdenken. Angeregt durch die gesellschaftliche Entwicklung (zurück zur Natur, Bio-Welle) und das Interesse der Menschen an natürlichen Heilmethoden, entsteht auch in der Tierärzteschaft ein Wiederentdecken der alten und lang bewährten Methoden. Homöopathie, Chinesische Medizin und einige neue Alternativverfahren, wie z. B. die Homotoxikologie und Organotherapie, finden in der heutigen Tierärzteschaft immer mehr Anhänger.
Die Pflanzenheilkunde, oder Phytotherapie, wird zunächst in die Ecke der Alternativmedizin gesteckt und lässt sich bis heute nur schwer wieder in die klassische Lehrmedizin eingliedern. Dabei wird vor allem an den Universitäten ignoriert, dass gerade die Phytotherapie die Basis aller medizinischen Lehren und eigentlich rein pharmakologisch orientierte Schulmedizin ist.
Obwohl Tierbesitzer heute ihren Schützlingen dieselben medizinischen Möglichkeiten bieten möchten, die sie auch selbst nutzen, und besonderen Wert auf natürliche oder ganzheitliche Heilverfahren legen, müssen sie oft lange nach einem Tiermediziner suchen, der ihren Wünschen nachkommt. Daher wenden sich viele Tierbesitzer an Tierheilpraktiker. Angeregt durch diese moderne Welle, sprießen überall selbsternannte „Heilpflanzenkundige“ aus dem Boden, und nicht alle sind tatsächlich in der Lage, eine sinngemäße und vernünftige phytotherapeutische Behandlung durchzuführen. Aber auch klassische Tierärzte erfahren in ihrer Ausbildung keine Spezialisierung in diese Richtung. Daher ist es für Sie als Hundehalter wichtig, sorgsam bei der Auswahl Ihres Therapeuten zu sein.
Im Wirrwarr der heute angebotenen alternativen Heilmethoden ist es für den Laien oft schwierig, zu verstehen, um welche Methode es eigentlich geht, was sie bedeutet, woher sie kommt und womit sie arbeitet. Das Wort „Alternativ“ ist heute leider in der Medizin negativ belegt, wird es doch oft gleichgesetzt mit Esoterik und Pseudomedizin. Viel besser wäre der Ausdruck Regulationsmedizin, denn in diesem Kontext stehen diese Heilmethoden. Sie alle zielen darauf ab, körpereigene Heilmechanismen zu unterstützen. Ungleichgewicht soll reguliert werden und die Gesundheit sich mit sanften Hilfen wieder einstellen. Unter die Regulationsmedizin fallen alle Methoden, die nicht klassisch-synthetisch zur Schulmedizin gehören wie Homöopathie, Organotherapie, Bioresonanz, Kinesiologie und viele andere mehr. Ein Bereich der Regulationsmedizin lässt sich allerdings abspalten und bildet genau genommen einen eigenen Medizinzweig. Es ist die Naturheilkunde. Diese ist klassisch schulmedizinisch anerkannt und beschäftigt sich mit der Heilung und Behandlung mittels in der Natur gegebenen Stoffen und Prozessen. Hierzu gehören das Behandeln mit Pflanzen, die Bewegungstherapie, die Hydrotherapie, die Ernährungstherapie und auch die Chinesische und Ayurvedische Medizin.
Möchten Sie ein Medizinsystem beurteilen, kann es Sinn machen, sich folgende Fragen zu stellen und Aspekte anzusehen:
1. Wer hat das System entwickelt?
Es macht einen Unterschied, ob ein Medizinsystem von einer Person oder in einer gesamten Kultur entwickelt wurde. Ebenso sollte man sich Heilsysteme, die von Firmen oder Unternehmen entwickelt wurden, genau ansehen und über deren Intention nachdenken.
2. Für wen wurde es entwickelt?
Wurde es für eine Elite oder das ganze Volk entwickelt? Können sich auch ärmere Menschen diese Medizin leisten?
3. Zu welchem Zeitpunkt ist das Heilsystem entstanden?
Wie lange besteht es schon. Es macht einen Unterschied, ob ein Medizinsystem 2 000 Jahre alt ist und sich bewährt hat, oder ob es noch recht jung ist. So ist unsere heutige synthetisch-pharmakologisch orientierte Medizin gerade einmal 200 Jahre, die Heilpflanzenmedizin dagegen drei Millionen Jahre alt.
4. Welche Grundlagen und Philosophie stecken dahinter?
Es kann interessant sein, sich mit dieser Frage zu beschäftigen und die Unterschiede zwischen den einzelnen Systemen zu erkennen. Jedes hat für sich seine Zeit und seine Anwenderberechtigung, aber können wir ohne weiteres die Philosophie einer anderen Kultur auf die unsere übertragen?
5. In welcher Kultur ist es entstanden?
Ist das Heilsystem kulturübertragend, oder passt es sich ganz besonders einer speziellen Kulturform an.
6. Warum wurde es entwickelt?
Eine wichtige und ebenso provozierende Frage. Wurde das System entwickelt, um Kranken zur Gesundung zu verhelfen oder um eine Person oder eine Firma reich zu machen?
Sie sollten die Heilsysteme kritisch hinterfragen und einem Therapeuten nicht blind vertrauen, sondern auch selbst Verantwortung übernehmen – für sich und Ihren Hund. Dabei dürfen Sie die Spritze des Tierarztes genauso hinterfragen wie ein dubioses, alternatives Heilversprechen.
Heute herrscht noch immer die Ansicht, dass Heilpflanzen in ihrer Wirkung nicht einschätzbar oder gar schädlich sind. In regelmäßigen Abständen ist das Thema „Gefahr durch Pflanzen“ in den Schlagzeilen. Einmal ist es der Zimt, dann die Kamille, die durch entsprechend reißerische Medien in schlechtes Licht gerückt werden. Man kann sich denken, woher solch eine Angstpropaganda kommt. Auch wird die Wirksamkeit der Heilpflanzen (vor allem in der Tiermedizin) noch stark angezweifelt, trotzdem warnen zweifelnde Kritiker vor Nebenwirkungen!
In einer Zeit, in der die evidenzbasierte (nachweisorientierte) Medizin mehr Aussagekraft hat als über Jahrtausende – ja sogar Jahrmillionen – entstandene Erfahrungswerte, ist es besonders schwierig, den Stellenwert der Phytotherapie ins rechte Licht zu rücken.
In der Humanmedizin stellt sich heute weniger die Frage nach der Wirksamkeit. Man braucht sich nur einmal die riesige Auswahl an frei verkäuflichen Phytopräparaten in der Apotheke anzusehen. Vielen Menschen ist dabei gar nicht bewusst, dass sie ein rein pflanzliches Präparat zu sich nehmen. Viele dieser Präparate sind heute allgemein bekannt, erfreuen sich größter Beliebtheit und ihre Wirksamkeit wird nicht in Frage gestellt. Einige Beispiele sind z. B. Korodin®-Tropfen, Iberogast®-Tropfen, Sinupret®, Mucosolvan®-Hustensaft, Kytta®-Salbe.
Es gibt Heilpflanzen, die stark bis giftig wirken, wie Tollkirsche, Stechapfel, Herbstzeitlose, Nieswurz und Fingerhut. Diese gehören immer in die Hände erfahrener Therapeuten und werden meist in Form standardisierter Therapeutika angewendet. Vielen ist heute gar nicht mehr bewusst, dass einige sehr wichtige Wirkstoffe der Schulmedizin aus Pflanzen gewonnen wurden und zum Teil noch werden. Gerade die Giftpflanzen sind aus der Medizin nicht wegzudenken, sie werden in der Anästhesie ebenso eingesetzt wie in der Tumorbekämpfung oder Herztherapie. Daneben gibt es annähernd nebenwirkungsfreie Pflanzen wie Ringelblume, Weißdorn, Kamille und Melisse, die vom Tierbesitzer angewendet werden können.
Moderne Phytotherapeutika werden heute aus definierten, standardisierten oder normierten Pflanzen und nach offiziellen Herstellungsleitlinien produziert. Für viele liegen klinische Studien und Anwendungsbeobachtungen vor. Sie zeichnen sich außerdem durch ihre hervorragende Verträglichkeit aus.
Die Pflanzenheilkunde umfasst heute
PFLANZLICHE ROHSTOFFE |
SYNTHETISCHE ROHSTOFFE |
---|---|
Vielstoffgemische mit variabler Zusammensetzung |
einheitliche, exakt definierbare Reinstoffe |
variable Wirkstoffkonzentration pro gleiche Menge |
exakt dosierbar |
unterschiedliche Wirkung |
gleichmäßige Wirkung |
variable Qualität |
gleich bleibende Qualität |
geringe Nebenwirkungen |
z. T. hohes Nebenwirkungspotenzial |
Der tiermedizinische Markt bietet leider noch immer sehr wenige Phytotherapeutika an. Heute geht die Tendenz aufgrund erschwerter Zulassungsverfahren (politisch und bürokratisch) zur Verbreitung von Pflegeprodukten und Nahrungsergänzungsmitteln als einzige Möglichkeit zur Anwendung von Heilpflanzen am Tier. Leider ist bei diesen Präparaten keine Sicherheit auf Qualität und Quantität der genutzten Pflanzen und Wirkstoffe gegeben. Viele Firmen und Unternehmen nutzen den Trend und produzieren „wilde“ Heilpflanzenmischungen ohne Sinn und Sachverstand. Oft enthalten diese Präparate nicht die gewünschten Wirkstoffe, oder sie sind völlig unterdosiert und so gut wie nie auf ihre Unbedenklichkeit getestet.
Auch hier sind Sie als Hundehalter gefragt. Seien Sie kritisch und aufmerksam und befragen Sie im Zweifel Ihren Phytotherapeuten, bevor Sie einem solchen, eventuell unwirksamen Präparat vertrauen. Immer wieder erlebe ich in der Praxis, dass Tierbesitzer aufgrund schlechter Erfahrungen mit diesen Mitteln der gesamten Heilpflanzentherapie misstrauen. Das ist schade und wird einer sinnvollen und sachgemäßen Phytotherapie nicht gerecht.
Ein weiterer Trend muss kritisch betrachtet werden. Immer mehr Futterhersteller werben mit der Zugabe von Pflanzen und Heilpflanzen im Futter. Was auf den Hundebesitzer einen guten Eindruck machen und gesund erscheinen soll, ist allerdings nicht gut für die Gesundheit des Hundes.
Da werden Kräutermischungen dem Futter beigegeben, die nicht unbedingt, wenn sie dauerhaft gegeben werden, der Gesundheit dienen. Wenn der Hund ständig kleine Mengen immunmodulierender Pflanzen erhält, kann dies zu einer Schädigung der Immungesundheit führen. Ständige Gabe von Echinacea (Sonnenhut) oder anderen Korbblütlern kann zu Allergien und Unverträglichkeiten führen. Heilpflanzen werden gezielt zur Gesunderhaltung oder Behandlung eingesetzt und sollten nicht dauerhaft in kleinen Mengen dem Futter zugeführt werden.
Achten Sie beim Futterkauf also darauf, dass die Zutatenliste des Futters nicht sehr groß ist. Je mehr in der Auflistung der Zusätze steht, umso weniger gut ist das Futter. Auch wenn Kräuter einen gesunden Eindruck erwecken.
Viele Pflanzeninhaltsstoffe sind heute bekannt und es werden auch weiterhin immer wieder neue entdeckt und erforscht.
Über die Wirksamkeit der Inhaltsstoffe weiß man gut Bescheid, und häufig war oder ist die Natur Vorreiter und Beispiel für neu entwickelte, synthetische Medikamente. Vor allem der Regenwald ist im Fokus der Forscher und Pharmaunternehmen. Man erhofft sich, in noch unentdeckten Waldgebieten dieser Erde Wirkstoffe gegen die großen Zivilisationskrankheiten dieser Zeit zu finden. Dies führt zu Raubbau und zur Unterdrückung der Menschen vor Ort. Es werden hohe Investitionen auf der Suche nach neuen pflanzlichen Wirkstoffen getätigt, man weiß um das Potenzial der Heilpflanzen. Dennoch möchte man uns heute den Umgang mit ihnen verbieten, man verbreitet Angst und versucht, den Patienten und Tierbesitzer zu entmündigen. Eigenverantwortung, Mitdenken und die Möglichkeit, sich selbst mit pflanzlicher Medizin zu versorgen, ist nicht erwünscht. Hierbei ist es egal, ob es sich um menschliche oder tierische Patienten handelt, am Ende geht es doch nur um den Profit.
Bis der Mensch vor ungefähr 200 Jahren begann, seine Medizin synthetisch herzustellen, waren es Pflanzeninhaltsstoffe, die er extrahierte und nutzte. Noch heute ist vielen Menschen bekannt, dass z. B. Aspirin® pflanzlichen Ursprungs ist. Der Wirkstoff Acetylsalicylsäure wurde lange Zeit aus der Weidenrinde und dem Mädesüß extrahiert, bis man einen Weg fand, diesen Stoff synthetisch herzustellen. Auch Digitalis-Medikamente entstammen ursprünglich einer Pflanze, man extrahierte das Digitoxin aus dem Fingerhut. Einige hochwirksame Stoffe, wie z. B. Atropin (aus der Tollkirsche) und Colchizin (aus der Herbstzeitlosen), sind auch heute nicht aus der Medizin wegzudenken und ein Beweis dafür, dass Pflanzen hochwirksame Stoffe enthalten.
WIRKSTOFF |
PFLANZE |
ANWENDUNG |
---|---|---|
Atropin |
Tollkirsche |
In der Narkose und Augenmedizin |
Morphin |
Mohnpflanze |
Schmerztherapie |
Coffein |
Kaffee |
Genussmittel, Kreislauf |
Theophyllin |
Teepflanze |
Kreislauf, Blutdruck |
Colchicin |
Herbstzeitlose |
Tumortherapie |
Ephedrin |
Meerträubel |
Atemwege, Bronchien |
Digitoxin |
Fingerhut |
Herzmedikamente |
Menthol |
Minze |
Haut und Atemwege |
Pyrethrine |
Crysantheme |
Antiparasitika |
Salicylsäure |
Weide, Mädesüß |
Schmerzmittel |
Pflanzen bestehen allerdings nicht nur aus einem einzelnen Stoff, sie sind immer ein Gemisch aus vielen. Das ist es, was Kritiker der Phytotherapie gern als Gegenargument nutzen, da diese Vielstoffgemische sehr schlecht in ihrer Wirkung nachvollziehbar sind. Seitdem der Mensch lieber Monosubstanzen nutzt, d. h. lieber eine Reinsubstanz extrahiert und mit dieser therapiert, traut er den Vielstoffgemischen der Heilpflanzen nicht mehr. Sie erscheinen ihm unkontrollierbarer und somit gefährlicher und zudem wirkungsärmer als Monosubstanzen.
Allerdings kommt man ganz allmählich dahinter, dass es gerade die Vielstoffgemische der Pflanzen sind, die allumfassend, behutsam und wirksam auf den Organismus einwirken. In aktueller Zeit hat man dies bei der Untersuchung und Anwendung von Cannabinoiden, also Cannabis, beobachtet und untersucht. Erhalten kranke Menschen das synthetische Dronabinol, so bekommen sie Nebenwirkungen, und die erwünschte Wirkung ist nicht annähernd vergleichbar mit der des gesamten Pflanzenextraktes. Ganz zu schweigen von den enormen Kosten, die ein synthetisch hergestelltes Dronabinol verursacht. Selbstverständlich haben Pharmaunternehmen größeres Interesse daran, einen patentierten, synthetischen Wirkstoff auf den Markt zu bringen, als sich mit den nicht lukrativen Pflanzen zu beschäftigen.
Die bessere Wirksamkeit der Gesamtpflanze, des Gesamtextraktes, haben Wissenschaftler anhand einiger Pflanzen belegen können. Es scheint immer der Gesamtcocktail der Pflanze zu sein, der seine Wirksamkeit hat. So weiß jeder, dass Aspirin® bei Daueranwendung schlecht für die Magenschleimhaut ist. Die Ursprungspflanze allerdings trägt verschiedenste Stoffe in sich, so z. B. auch Schleimstoffe und Flavonoide (siehe Kap. „Heilpflanzen und ihre Wirkstoffe“), die die Magenschleimhaut schützen. Das ist nur ein Beispiel dafür, dass Gesamtextrakte ganzheitlich auf den Körper wirken. Dies erscheint auch sinnvoll, wenn man bedenkt, dass Mensch, Tier und Pflanze über Jahrmillionen eine Ko-Evolution auf diesem Planeten durchmachen, d. h. in der Natur fein aufeinander abgestimmt sind – synthetische Monosubstanzen aber erst seit ca. 200 Jahren angewendet werden und auf unseren Körper nicht optimal abgestimmt sind. Eine synthetische Monosubstanz greift in der Regel an einer Stelle im Organismus ein und ändert eine körpereigene Funktion. Zumeist wird so ein für den Patienten unangenehmes Symptom unterdrückt. Eine Wirkung, die lebensrettend sein kann, die meist aber auch nur zu einer Verschleppung und Überdeckung des eigentlichen Problems führt.
Der tierische Organismus ist kein Zusammenschluss von voneinander unabhängigen Maschinen, die einzeln repariert werden können, ohne Einfluss aufeinander zu haben. Dies ist allerdings der Ansatz der klassischen Schulmedizin. Es werden einzelne Organe und einzelne Symptome mittels synthetischer Präparate „repariert“. Dabei kann es sein, dass diese Reparatur nur darauf abzielt, ein Symptom zu überdecken. Der Organismus allerdings ist ein ganzheitliches Wesen, jedes Organ ist miteinander verbunden und daher nie im Einzelnen zu betrachten. Hier setzt die Naturheilkunde an. Vor allem die Phytotherapie, denn sie greift in die Mechanismen chemisch ein, ohne sie allerdings zu manipulieren. Sie regt Selbstheilungskräfte an und der Gesamtcocktail der Pflanze reguliert den Organismus ganzheitlich. Samuel Hahnemann, Begründer der klassischen Homöopathie, hat dies schon sehr früh erkannt und sich zu der rein symptomatischen Therapie, also der Unterdrückung von Symptomen, kritisch geäußert:
„Von jeher suchte die alte Schule, da man sich oft nicht anders zu helfen wusste, in Krankheiten ein einzelnes der mehreren Symptome zu bekämpfen und womöglich zu unterdrücken, eine Einseitigkeit, welche, unter dem Namen: Symptomatische Curart, mit Recht allgemeine Verachtung erregt hat, weil durch sie nicht nur nichts gewonnen, sondern auch viel verdorben wird. Ein einzelnes der gegenwärtigen Symptome ist so wenig die Krankheit selbst, als ein einzelner Fuß der Mensch selbst ist. Dieses Verfahren war desto verwerflicher, da man ein solches einzelnes Symptom nur durch ein entgegengesetztes Mittel (also bloß enantiopathisch und palliativ) behandelte, wodurch es nach kurz andauernder Linderung sich nachgängig nur umso mehr verschlimmert.“
Um dem interessierten Hundebesitzer einen kleinen Einblick in die Welt der Wirkstoffe zu geben, werden diese auf den folgenden Seiten kurz vorgestellt. Möchten Sie sich eingehender mit der Heilpflanzenkunde beschäftigen, werden Sie merken, dass Pflanzengruppen gern ähnliche Wirkstoffe enthalten. Wenn man also die Pflanzen und ihre Wirkstoffe ein wenig einzuteilen vermag, ist es leichter, mit ihnen zu therapieren. Die wichtigen und großen Gruppen der Wirkstoffe zu kennen, ist auch für Sie als Hundehalter wichtig, wenn Sie Ihren Hund therapieren wollen. Die einzelnen Stoffgruppen haben andere Wirkungen und sie sollten immer ganz gezielt angewendet werden.
Blutstillend, stopfend, wundheilfördernd
Gerben bedeutet, die Eiweißstruktur der Häute zu verändern. Früher wurden Tierhäute mit pflanzlichen Gerbstoffen gegerbt.
Jeder, der einmal einen starken Schwarztee für einige Minuten im Mund hatte, weiß, wie sich Gerben anfühlt. Gerbstoffe wirken zusammenziehend, austrocknend und dadurch entzündungs- und keimhemmend.
Sie wirken blutstillend und fördern somit die Wundheilung. Das „Gerben“ der Häute und Schleimhäute führt dazu, dass sich die oberste Schicht verdichtet und somit Schadstoffe nicht mehr eindringen können, oder aber keine Flüssigkeit mehr verlorengehen kann. Durch diesen Mechanismus, den man auch adstringieren nennt, kann man Wunden trocknen, Schleimhäute undurchlässig machen und Erreger abtöten, indem sich ihre Wachstumsbedingungen verschlechtern, sie quasi austrocknen.