Es ist höchste Zeit für einen frischen Blick auf das sensibel schöne Organ Blase, das so viel mehr leistet als die Harnproduktion! Warum sind so viele Fragen rund um die Blase ein Tabuthema? Zehn Millionen Menschen leiden alleine in Deutschland an Inkontinenz, kaum jemand spricht darüber. Die Blasenentzündung ist die häufigste Infektion bei Frauen, jede vierte Frau laboriert sogar an einer ständig wiederkehrenden Zystitis. Und doch werden Patientinnen oft nicht ernst genommen.
Birgit Bulla schreibt unverkrampft, was wir schon immer über unsere Blase wissen wollten – uns aber nie zu fragen trauten.
Birgit Bulla
Noch ganz dicht?
Alles Wissenswerte über die Blase
Mit Zeichnungen von Annette Bulla
hanserblau
Inhaltsverzeichnis
An alle Problemblasen-Besitzer*innen
1. Die Blase und ihre Arbeitskolleg*innen
Die Niere: Klärwerk des Körpers
Die Harnleiter: die Strohhalme der Blase
Die Blase: muskulöse Tupperdose für unseren Urin
Die Harnröhre: Urinrutschbahn in die Außenwelt
Die Schließmuskeln: Türsteher des Körpers: »Du kommst hier nicht rein … äh, raus!«
Der Beckenboden: das Mutterschiff, das alles zusammenhält
2. Pinkeln, strullern, urinieren: Wissenwertes übers Wasserlassen
Wasser marsch: So funktioniert das Wasserlassen
Setzen Sechs: Wie der richtige Klogang aussehen sollte
Warum haben wir überhaupt Durst und müssen trinken?
Wie oft auf die Toilette gehen ist eigentlich normal?
Zu viel pinkeln? Das könnten die Gründe sein, warum ihr öfter auf die Toilette müsst
Nahrungsmittel, die die Blase und den Harndrang anregen
Diese Getränke füllen die Blase langsamer
Darum müssen Frauen häufiger aufs Klo als Männer
So lernen Kleinkinder den Pinkeldrang zu kontrollieren
OMG: Kann die Blase wirklich platzen?
Das ist ein Blasenriss
Paruresis aka Pinkelscham: Die Angst, vor anderen aufs Klo zu gehen
Was passiert, wenn wir den Urin zu lange einhalten?
Ist es schädlich, zu oft auf die Toilette zu gehen?
Daraus besteht Urin
Pipi-Beauty
Der Spargel-Urin oder: Du pinkelst, was du isst – oder doch nicht?
Das kann der Geruch deines Urins aussagen
Warum funktioniert ein Schwangerschaftstest, und was wir am Urin noch ablesen können
Gelb, goldig, durchsichtig: die verschiedenen Farben des Urins
Blasensteine und Co.: Warum Blase und Co. nicht gerne steinreich sind
3. Nervig und schmerzvoll: die Blasenentzündung
So bekommen wir eine Blasenentzündung
Honeymoon Zystitis: Warum sich nach dem Sex häufig eine Blasenentzündung ankündigt
Blasenentzündung durch Sex: Wenn sich eure Bakterien nicht verstehen
Baby it’s cold outside: Blasenentzündung durch Verkühlung?
Darum bekommst du öfter eine Blasenentzündung als deine Freundinnen
Bye-bye Blasenentzündung
Yay or Nay: Antibiotika
So beugen wir einer Blasenentzündung vor
Ist Cranberry wirklich das Zaubermittel im Kampf gegen die Blasenentzündung?
Die komplizierte und die unkomplizierte Blasenentzündung
Hello again! Wenn die Blasenentzündung immer wieder kommt
Ständige Schmerzen in der Blase: die gefürchtete Interstitielle Zystitis
Darum bekommen Männer seltener eine Blasenentzündung als Frauen
4. Blasenfunktionsstörungen: Wenn die Blase spinnt und das Pinkeln nicht mehr richtig funktioniert
Die Reizblase: Wenn Pinkeln zur Vollzeitbeschäftigung wird
Sixpack-Blasenmuskel und andere Ursachen für die Reizblase
10 Dinge, die jede Person kennt, die häufig aufs Klo muss
So wird eine Reizblase behandelt
Botox, Muskelentspannung, Wechselstrom – Alternative Behandlungsmethoden
Nykturie: der Alptraum, nachts ständig aufs Klo zu müssen
Unterwegs und die Blase quält: So können wir den Pinkeldrang unterdrücken
Schrumpfblase: Kann sich unsere Blase wirklich verkleinern?
Alle Schotten dicht: Gründe, warum wir unsere Blase nicht richtig leeren können
Weitere Gründe, warum eure Blase verrücktspielen kann
Das erste Mal: Darauf müsst ihr euch beim Besuch eurer Urologin einstellen
Alternative Behandlungsmöglichkeiten
5. Noch ganz dicht? Blasenschwäche und Inkontinenz
Die Belastungsinkontinenz aka der Uups-Moment
»It’s urgent!«: die Dranginkontinenz
Doppelt gemoppelt hält nicht besser: die Mischinkontinenz
Der stete Tropfen …: die Überlaufinkontinenz
Wenn die Blase unschuldig ist: die Reflexinkontinenz
Nicht lustig: die Kicher-Inkontinenz
Koitale Inkontinenz: Wenn neben dem Orgasmus noch etwas anderes kommt
Inkontinenz: Das erwartet euch bei der Urologin
Die vier Schweregrade der Inkontinenz
Wenn man aufwacht und das Bett nass ist: Enuresis
Haustürphänomen, Schlüssel-Inkontinenz, Last-Minute- oder Coming-Home-Inkontinenz
6. Ihr seid schwanger? Das sagt eure Blase dazu
Inkontinenz während der Schwangerschaft
Das könnt ihr tun, um den Harndrang in der Schwangerschaft einzudämmen
Eine Blasenentzündung in der Schwangerschaft
Das Baby ist da und nun? Die Blase nach der Schwangerschaft
Warum hilft Beckenbodentraining überhaupt?
7. Pflege für die Blase: So halten wir unsere Blase gesund
Ausreichend trinken
Ganz entspannt auf der Schüssel sitzen
Ernährt euch gesund und ausgewogen
Die richtige Kleidung
Haltet eure Füße warm
Auf eine gesunde und geschmeidige Wirbelsäule achten
Intimpflege ja, aber bitte nicht übertrieben
Beckenbodentraining
Nicht gegen die Blase »arbeiten«
Achtet auf eure Fitness
Die Blase als Spiegel der Seele
8. Witzige Fakten über die Blase
Ein geschichtlicher Exkurs
Kann fremder Urin tödlich sein?
Das seltsame Pinkelverhalten der Tiere
Das etwas andere Überraschungsei
Die Verpiss-dich-Pflanze
Pee Power: »Pinkel mal, ich brauch’ Licht«
Wahnsinn: der größte Harnstein der Welt
(Un)nützes Pinkelwissen
Danksagung
Literatur
Leitlinien und Berichte
Hilfreiche Adressen für Betroffene
An alle Problem-Blasen-Besitzer*innen: Ihr seid nicht allein!
Seit ich siebenundzwanzig Jahre alt bin, muss ich immer. Ich bin die, die immer den Randplatz im Kino oder im Flugzeug will. Die nochmal schnell auf die Toilette hüpft, bevor sie das Haus verlässt. Die mit der Reizblase. Was das heißt? Meine Blase bestimmt mein Leben und zwingt mich etwa jede halbe Stunde aufs Klo – und das superdringend. Sie schaltet von null auf hundert in Sekunden wie ein Ferrari. Nur dass ich mit diesem Ferrari leider nicht so angeben kann.
Eine verrücktgewordene Blase ist leider gar nicht so selten. Die Blasenentzündung ist zum Beispiel die zweithäufigste Erkrankung, die Frauen zur Ärztin führt. Die Inkontinenz wird von Fachleuten mittlerweile als Volkskrankheit bezeichnet. Trotzdem werden Probleme rund um die Blase immer noch stiefmütterlich behandelt. Gerade Frauen und Mädchen fällt es schwer, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Und warum? Weil die Aufklärung fehlt.
Dabei tut sich gerade in letzter Zeit einiges untenrum: Bücher, Beiträge und Blogs klären uns über unsere Vagina und deren Besonder- und Eigenheiten auf. Unsere Periode ist ein akzeptiertes Zeichen von Weiblichkeit geworden, das wir mit superstylishen und schönen Produkten zelebrieren. Die knallpinke Box der Periodentasse im Badezimmer verstecken, bevor Besuch kommt? Sowas von 2012. Den weiblichen Körper so anzunehmen und abzufeiern, wie er ist – mit allen Haaren, Dellen und Flüssigkeiten –, war noch nie so angesagt wie jetzt. Das ist natürlich super für uns und unsere Vagina. Aber unsere Blase? Die fristet ein eher unbeachtetes und schüchternes Dasein und schielt neidisch auf den Erfolg ihrer Kollegin.
In der Fachliteratur wird der Blasenapparat in der Regel aus der männlichen Perspektive besprochen. Häufig werden erst typische Männerprobleme mit der Prostata, den Hoden oder dem Samenleiter durchgekaut (bitte nicht wortwörtlich nehmen). Blättert man sich durch Urologie-Fachbücher, erfährt man in aller Ausführlichkeit, warum Männer Schwierigkeiten auf der Toilette haben. Spoiler: Meistens hat es etwas mit der Prostata oder Harnsteinen zu tun. Und das ist ja auch superwichtig. Aber eben nur für Männer, also knapp 50 Prozent der Weltbevölkerung.
Warum das so ist? Nun wahrscheinlich, weil die komplette medizinische Forschung von Anfang an auf den männlichen Körper ausgelegt war. Wusstet ihr, dass Wissenschaftler früher dachten, wir Frauen seien nur eine kleinere, zartere Ausgabe der Männer? Tatsächlich aber zeigen Frauen ganz andere Krankheitssymptome als Männer und sollten deswegen natürlich auch anders behandelt werden. Das gilt natürlich besonders für die Blase. Doch selbst in lifestyligen Medizinbüchern, also denen, die auch normalsterbliche Leser*innen verstehen, ist es um die weibliche Blase eher schlecht bestellt. Begibt man sich in einschlägigen Buchläden oder Onlineshops auf die Suche, stößt man entweder wieder auf die Prostata und den männlichen Blasenapparat oder aber auf Bücher über Sex und Blowjobs …
Ist man – also Frau – dann gezwungen, eine urologische Praxis aufzusuchen, weil sich eine Entzündung ankündigt oder es einfach buchstäblich nicht mehr so gut läuft, macht sich das Gefühl breit: It’s a man’s world. Von den Patient*innen im Wartezimmer sind 99 Prozent männlich.
Höchste Zeit also, der weiblichen Blase endlich die Aufmerksamkeit zu schenken, die sie verdient. Es kann zum Beispiel gefährlich sein, zu selten auf die Toilette zu gehen. Oder einiges über eure Psyche aussagen. Es ist wirklich erstaunlich, was unsere Blase den ganzen Tag lang leistet. Ich habe mich noch nie so intensiv mit dem menschlichen Körper befasst wie bei der Recherche für dieses Buch. Ich habe mir die Nächte in verschiedensten Foren im Internet um die Ohren geschlagen. Mit den unterschiedlichsten Fachleuten gesprochen. Bücher gewälzt, die sonst nur Student*innen für ihre Prüfungen brauchen. Mittlerweile finde ich es fast schade, dass ich früher zu faul für ein Medizinstudium war (o.k., erwischt, meine Abi-Noten waren auch zu schlecht). Vielleicht wäre ich eine tolle Urologin geworden. Aber o.k., als Redakteurin – das ist mein eigentlicher Beruf, wenn ich nicht gerade alles über die Blase lese – lebt es sich auch ganz gut. Hier aber teile ich meinen eigenen Leidensweg, wie die Freundin, die man als Betroffen*e am liebsten mit ins Wartezimmer nehmen würde – und der du alle Fragen stellen kannst. Wie lebt es sich als Vielpinkler*in? Zu welchen Ärzt*innen sollte man zuerst gehen, und was passiert dort? Wie laufen Untersuchungen ab, welche Therapiemöglichkeiten gibt es und wie fühlen sich diese an? Daneben möchte ich auch Lösungsvorschläge aufzeigen, die Ärzt*innen nicht immer parat haben. Ihr könnt nämlich auch selbst etwas zu eurer Gesundheit beitragen, indem ihr ab und zu über den Tellerrand (oder eben Blasenrand) schaut und hartnäckig bleibt.
Aber Achtung, dies ist kein medizinisches Sachbuch. Ich bin keine Ärztin, sondern Patientin. Apropos Patientin. Da sich dieses Buch überwiegend an Frauen wendet, sind alle Berufsbezeichnungen in der weiblichen Form gehalten. Wundert euch also nicht, wenn ihr ständig Ärztin und Urologin lest. Ich für meinen Teil fand es übrigens auch angenehmer, meine Krankheitsgeschichte und die daraus resultierenden Probleme mit einer Frau zu besprechen. Selbstverständlich möchte ich aber natürlich keine Person hier ausschließen.
So, und während ich diesen Text geschrieben habe, musste ich schon dreimal auf die Toilette …
1.
Die Blase und ihre Arbeitskolleg*innen
Der Harnapparat gehört zu den sexiesten Organen, die wir Menschen besitzen. Vom anatomischen Aufbau her ähnelt er fast einer Statue oder einem Pokal, den man sich stolz ins Regal stellen würde. Oben sitzen perfekt zu einander gespiegelt zwei ovale Nieren, die jeweils über einen filigranen Harnleiter mit der weiter unten liegenden Blase verbunden sind. Diese wiederum wird von der trichterförmigen Harnröhre abgeschlossen, die sich wie ein Schwanenhals nach unten wölbt und von den Schließmuskeln durchbrochen nach außen zum Blasenausgang führt.
Seine super Ausstrahlung und Optik ist dem Harnapparat dabei aber nicht zu Kopf gestiegen, er ist sich für nichts zu schade. Seine Hauptaufgabengebiete: Klärwerk, Zwischenspeicher, Absicherung und Ausgang. So richtig viel Aufmerksamkeit erhält er dafür allerdings nicht – solange er seine Arbeit gewissenhaft und pflichtbewusst absolviert. Erst wenn es nicht mehr so richtig funktioniert, fangen wir an, uns mit Blase, Niere und so weiter zu beschäftigen.
Die Niere: Klärwerk des Körpers
Die Hauptaufgabe der Nieren ist es, Abfallstoffe aus dem Blut zu filtern und daraus Urin zu produzieren. Verantwortlich dafür sind Nierenkörperchen, die außen auf der Nierenrinde liegen und den lieben langen Tag unser Blut nach Schadstoffen abscannen und es filtern. Eine echte Mammutaufgabe: Pro Tag fließt unser gesamtes Blut – also fünf bis sechs Liter – etwa 300 Mal durch die Nieren. Insgesamt filtern die kleinen Nierenkörperchen täglich also etwa 1700 Liter Blut (und ihr dachtet, ihr hättet einen stressigen Job).
Aus den hier gefilterten Schadstoffen entsteht dann der erste Primärharn, eine Vorstufe des Sekundärharns, also des fertigen Urins, den wir später auspinkeln. Dieser Primärharn wird durch die sogenannten Nierenkanälchen gespült, hier findet der eigentliche Brauvorgang des Urins statt, bei dem 150 bis 180 Liter Primärharn am Tag entstehen. Aus dem Primärharn wird jetzt alles wieder herausgefischt, was der Körper vielleicht doch noch gebrauchen könnte. Etwa 99 Prozent dieses Filtrats werden dem Körper wieder zurückgeführt, das sind überwiegend Wasser, aber auch Moleküle, wie Zucker, kleine Eiweiße und Mineralstoffe wie Natrium oder Magnesium. Würden wir das Wasser nicht zurückbekommen, würden wir schnell daran sterben.
Ist dieser Prozess erfolgreich beendet, wird der Sekundärharn – 0,5 bis 2 Liter am Tag – durch die Sammelrohre geleitet. Auf dem Weg wird ihm weiter Wasser entzogen, bis er noch stärker konzentriert im Nierenbecken gesammelt wird. Hier wird er nun über die Harnleiter, die an einer kleinen Einbuchtung an den Nieren befestigt sind, weiter in unsere Blase gepumpt.
Als ob Filtern, Recyceln und Urinbrauen nicht schon genug wäre, haben die Nieren als echte Workaholics noch weitere wichtige Aufgaben: Sie regulieren unseren Blutdruck, indem sie mehr oder weniger Wasser aus dem Blut filtern. Es gilt: Behalten die Blutgefäße mehr Wasser, nimmt die Blutmenge zu und unser Blutdruck steigt. Zapfen die Nieren ihnen hingegen mehr Wasser ab, nimmt die Blutmenge ab, der Blutdruck sinkt. Daneben stellt die Niere das Hormon Erythropoetin her, das die Bildung der roten Blutkörperchen im Knochenmark anregt, und produziert Calcitriol, eine aktive Form des Vitamins D. Es reguliert die Kalziummenge in unserem Körper und ist deshalb superwichtig für unseren Knochenaufbau. Außerdem halten die Nieren den Säure-Basen-Haushalt im Gleichgewicht, indem sie während des Filterprozesses dafür sorgen, dass unser Blut weder zu sauer noch zu basisch wird. Ganz schön tolle Teile, diese Nieren.
Die Harnleiter sind die Verbindungsglieder zwischen Niere und Blase und pumpen den fertigen Urin aus den Nierenbecken. Um wichtiger zu klingen, nennt sich der Harnleiter auch gerne Ureter – schönstes Angeberwissen. Diese zwei Ureter also sind zwischen 25 und 30 Zentimeter lang und haben einen Durchmesser von etwa zwei bis vier Millimetern. Mich erinnern sie immer etwas an den Stiel einer Blume. Also, wenn die Blase die Wurzel und die Nieren die Blüte wären … Egal, zurück zu den Harnleitern.
Damit der Urin auch immer schön Richtung Blase läuft und nicht umgekehrt wieder zurück, verfügen die Harnleiter über eine glatte Muskulatur, die sich wellenförmig zusammenzieht und den Urin so sicher und ohne Umwege in die Blase transportiert. Diese sogenannte peristaltische Welle durchläuft den Ureter mehrmals in der Minute, so dass die Schläuche eigentlich ständig in Bewegung sind. Am Blaseneingang sind die Harnleiter so mit der Blasenmuskulatur verwebt, dass sie wie eine Art Ventil wirken, das verhindert, dass bereits eingefüllter Urin zurück in die Harnleiter laufen kann. Falls ihr euch schon immer gefragt habt, warum wir selbst im Kopfstand noch eine volle Blase haben und pinkeln könnten – das ist der Grund.
Die Blase: muskulöse Tupperdose für unseren Urin
Unsere Blase ist ein Hohlorgan, das sich mittig im Unterbauch, hinter dem Schambein, befindet und auf dem Beckenboden aufliegt. Hauptaufgabe der Blase ist, den Urin zu speichern, so lange zu warten, bis genug angesammelt ist, und ihn dann im passenden Moment zu entladen. Diese Entladung der Blase wird im Fachjargon Miktion genannt.
Damit das Pinkeln reibungslos funktioniert, verfügt die Blase über allerlei tolle Gimmicks. Äußerlich ist sie von einer weichen Bindegewebsschicht umhüllt, diese schöne Verpackung grenzt sie von anderen Organen ab wie eine Art Gartenzaun. Darunter liegt eine Muskelschicht, der sogenannte Destrusor (ja, hört sich an wie ein böser Pokémon). Dieser Muskel ist faltig und dehnt sich je nach Füllungsgrad aus, so dass sich die Blase vergrößern kann, ohne zu reißen.
Apropos Füllungsgrad: Im ungefüllten Zustand ist unsere Blase eher oval und liegt fast wie eine kleine Schale im Becken. Je voller sie wird, desto runder wird sie auch. Ist sie dann irgendwann proppevoll, erinnert ihre Form eher an die einer Birne oder eines mit Wasser gefüllten Luftballons, den man oben festhält. Das Fassungsvermögen der Blase ist von Mensch zu Mensch verschieden. In der Regel können wir Ladies aber 350 bis 550 Milliliter speichern, während die Jungs ganze 550 bis 750 Milliliter fassen können (unfair, nicht wahr?).
Von innen ist die Harnblase mit einer schützenden Schleimhaut ausgekleidet, der sogenannten Urothel. Hier sitzen kleine Sensoren, die den Füllungsgrad der Blase messen und weiter an unser Gehirn leiten. Ich finde die kleinen Dinger sehr sympathisch und stelle mir sie vor wie kleine Smileys, die in meiner Blase Spaß haben.
Daneben dichtet die innere Schleimhaut die Blase ab und verhindert, dass der Urin in den umliegenden Bauchraum sickert – ähnlich wie bei einem Schwimmbecken. Gleichzeitig schützt sie die Blasenwand vor Eindringlingen wie Bakterien und Viren und sorgt dafür, dass der Urin nicht in direkten Kontakt mit der Blasenwand kommt. Das wäre nämlich sehr schmerzhaft und kann auch zu Entzündungen und Infekten führen (mehr dazu auf Seite 87).
Die Harnröhre: Urinrutschbahn in die Außenwelt
Diese Entleerung findet über die Harnröhre statt. Wie ein kleiner Rüssel ist die am unteren Ende der Blase angebracht, läuft weiter durch den Beckenboden und tritt bei uns Frauen schließlich in der Vulva, direkt über der Klitoris, ins Freie. Die weibliche Harnröhre misst etwa drei bis fünf Zentimeter, die Boys sind mit satten 20 Zentimetern ausgestattet (yep, die 20 Zentimeter stimmen hier in der Regel wirklich).
Äußerlich ist die Harnröhre, die auch Urethra genannt wird, mit einer Muskelschicht ummantelt, die wiederum mit der Blasen- und Beckenbodenmuskulatur verbunden ist. Innerlich ist sie wie alle harnableitenden Organe mit einer schleimigen Schutzschicht ausgekleidet, die Bakterien fernhalten soll. Gelingt das nicht, steht schon bald unsere allseits verhasste Bekannte, die Blasenentzündung, auf der Matte (mehr dazu in Kapitel 3 auf Seite 69).
Während die weibliche Harnröhre nur als Pipirutschbahn fungiert, entweicht durch die männliche Harnröhre noch eine weitere Körperflüssigkeit: das Sperma. Dadurch, dass die samenleitenden Wege bei Männern in die Harnröhre einmünden, wird eben auch hier das Sperma aus dem Körper ausgeschieden – oder eben abgespritzt. Deswegen nennt man die männliche Harnröhre auch Samenröhre. Und alle, die es schon immer wissen wollten, sich aber nie getraut haben, zu fragen: Pinkeln und gleichzeitig abspritzen ist anatomisch unmöglich.
Die Schließmuskeln: Türsteher des Körpers: »Du kommst hier nicht rein … äh … raus!«
Damit auch alles schön dicht ist und nichts unfreiwillig tröpfelt, hat die Blase extra zwei Schließmuskeln am unteren Ende montiert, die wie Türsteher fungieren. Nur dass sie hier eben nichts nicht rein-, sondern rauslassen sollen. Man unterteilt sie in den inneren und äußeren Schließmuskel. Der innere Schließmuskel besteht aus einem schwellkörperartigen Venengeflecht und liegt direkt zwischen Blase und Harnröhre. Ist er aktiviert, zieht sich die Harnröhrenschleimhaut zusammen und hält dicht, damit sich die Blase füllen kann, ohne dass es tröpfelt. Quasi wie eine Schraubklemme, die eure Blase so lange abdichtet, bis sie voll und bereit zur Entleerung ist. Der äußere Schließmuskel liegt direkt am unteren Teil der Harnröhre an der Grenze zum Beckenboden und ist sozusagen die letzte Festung, bevor es nach draußen geht. Anders als der innere Schließmuskel kann der äußere von uns absichtlich angespannt und lockergelassen werden. Ist die Blase voll, öffnet sich der innere Schließmuskel, so dass schon mal etwas Urin nach unten in die Harnröhre fließen kann. Das reduziert minimal den Pinkeldruck und verschafft uns so mehr Zeit. Sind wir bereit zu Pinkeln, öffnen wir aktiv den äußeren Schließmuskel und es heißt: bye bye Urin, gute Reise.
Der Beckenboden: das Mutterschiff, das alles zusammenhält
Der Beckenboden ist ein vielschichtiger Muskel, dessen drei Muskelschichten gitterförmig verwebt sind und sich leicht gewölbt vom vorderen Schambereich nach hinten zum unteren Teil der Wirbelsäule erstrecken. Wäre er ein Mensch, dann die Sorte, die zu allem Ja und Amen sagt und jede ihm gestellte Aufgabe gerne übernimmt. Ein Dankeschön? Ach was, der Beckenboden macht’s doch gerne. Aber was denn eigentlich? Nun, zuerst einmal liegt er wie eine schützende Schale unterhalb des Beckens und hält so unsere inneren Organe zusammen. Als ob das nicht schon gut genug wäre, ermöglicht er uns eine aufrechte und selbstbewusste Haltung, was uns ganz natürlich noch attraktiver wirken lässt (hey Sexy!).
Apropos attraktiv: Auch für unser erfülltes Sex-Life ist der Beckenboden wichtig. Ist die Beckenbodenmuskulatur nämlich ausreichend trainiert, verschafft sie uns durch die richtige (Ent-)Spannung mehr Spaß im Bett und intensivere Orgasmen.
Der Beckenboden sorgt außerdem dafür, dass unsere Schließmuskeln ordnungsgemäß funktionieren. Damit unsere Blase genug Urin sammeln kann, verschließt die Beckenbodenmuskulatur die Harnröhre. Erst wenn die Rezeptoren das Go für die Entleerung geben, lässt der Beckenboden locker und entspannt die Schließmuskeln, der Urin kann abfließen. Ist das passiert, die Entleerung hat geklappt, wir sind zufrieden und erleichtert (im wahrsten Sinne des Wortes), nimmt der Beckenboden wieder Spannung auf, so dass das ganze Spielchen wieder von vorne beginnen kann.
Daneben schützt ein gut trainierter Beckenboden aber auch vor Inkontinenz. Klar, je besser wir den äußeren Schließmuskel unter Kontrolle haben, desto länger und sicherer können wir unseren Urin halten. Ist der Beckenboden allerdings schwach und untrainiert, sind wir dazu oft nicht mehr in der Lage, so dass bereits ein kleines »Hatschi« oder »Hust-Hust« dazu führen kann, dass uns ein kleiner Strahl Urin entfleucht.
2.
Pinkeln, strullern, urinieren: Wissenswertes übers Wasserlassen