Es war zu Anfang des Jahres 1780. Auf der Straße von Kiel nach Eckernförde bewegte sich ein Schlitten, in welchem zwei Herren und zwei Damen saßen. Diese waren der bekannte Prinz Paranow mit seiner Gemahlin und der Baron von Langenau mit seiner Frau, dem früheren Hoffräulein Amély d'Hausset.
Die beiden Herren hatten sich in Wien kennen gelernt und waren innige Freunde geworden. Kürzlich hatte der Prinz den Baron in Berlin besucht, und da von Langenau in einer wichtigen Mission nach Eckernförde gehen sollte, so beschloss Paranow, ihn zu begleiten, um diese Gelegenheit, eine interessante Bekanntschaft zu machen, nicht vorübergehen zu lassen.
In Eckernförde nämlich residierte der Landgraf Karl von Hessen-Kassel, dänischer Feldmarschall und Statthalter der Provinzen Schleswig und Holstein. Er schrieb das Buch: "Mémoires sur la campagne de 1788 en Suéde." Als eifriger Freimaurer tat er sich besonders durch sein Streben hervor, die "strikte Observanz" wieder herzustellen, und als ein Freund der "geheimen Künste und Wissenschaften" verwandte er große Summen auf Dinge, welche man heute als vollständig wertlos erkannt hat. Er war ein Spielball von Magiern, Zauberern, Adepten und Wunderkünstlern, denen er das größte Vertrauen schenkte, und die dasselbe zu ihren Zwecken ausbeuteten. Die Abergläubigsten sind ja stets die in religiösen Dingen Glaubenslosen.
Auch Prinz Paranow hatte sich früher, wie es so in den Bestrebungen der Zeit lag, viel mit der Magie und Scheidekunst beschäftigt, war aber, nachdem er ihnen eine ganze Reihe von vergeblichen Opfern gebracht hatte, klug geworden und von ihnen zurückgetreten. Dennoch hegte er noch jetzt ein lebhaftes Interesse für alles, was sich auf diese Disziplinen bezog, und fühlte eine unwiderstehliche Teilnahme für jeden, der sich in den Banden befand, welche abzustreifen ihm nur nach großen Kämpfen und vieler Selbstüberwindung gelungen war. Daher wollte er auch den Marschall Karl von Hessen-Kassel kennen lernen und hatte sich dem Baron von Langenau nur deshalb angeschlossen, um jetzt persönlich diese Bekanntschaft zu machen.
Die Unterhaltung drehte sich natürlich um den Feldmarschall, auf den sowohl die Herren als auch die Damen außerordentlich neugierig waren.
"Fahren wir direkt zu ihm?", fragte Amély, welcher man es sehr leicht ansah, dass sie sich als Gemahlin Langenaus recht glücklich fühlte.
"Nein", antwortete der Baron. "Meine Mission weist mich an, erst das Terrain gehörig zu sondieren. Der Marschall ist in manchen Dingen höchst unberechenbar; er kennt mich jedenfalls und weiß, dass ich als nüchterner Verstandesmensch mit manchen abenteuerlichen Anschauungen, welche er hegt, nicht harmoniere; daher steht zu erwarten, dass er mir nicht sehr viel Sympathie entgegenbringen wird. Ich machte das in Berlin bemerklich und gab zu verstehen, dass es vielleicht besser sei, einen Geeigneteren mit meiner Mission zu betrauen, doch zog man es vor, meine Vorstellungen nicht zu beachten."
"An wen werden Sie sich wenden?", fragte der Prinz.
"An den Grafen von Lamberg, welcher bereits angewiesen wurde, die vorbereitenden Schritte zu tun. Er ist ein sehr gewandter Diplomat und hat es wirklich fertig gebracht, den dänischen Legationsrat Morin, welcher jetzt in Eckernförde anwesend und ein Vertrauter des Marschalls ist, für unsere Intentionen zu gewinnen. Gelingt es mir, die Teilnahme des Marschalls für meine Person zu erregen, so zweifle ich keinen Augenblick an dem glücklichen Verlaufe meiner Sendung."
"Die sich natürlich auf die Verhältnisse Preußens mit Schweden bezieht?", fragte der Prinz.
"Es gibt Beziehungen", antwortete Langenau lächelnd, "für welche die Freundschaft keine Worte haben darf."
"Schön! Und ebenso gibt es Freundschaften, für welche die Politik kein Verständnis hat."
"Ich möchte nicht beistimmen. Doch verirren wir uns damit auf ein Gebiet, welches unserem vorigen Thema so fern liegt, dass wir schleunigst zurückkehren wollen. Wissen Sie, wer sich gegenwärtig bei dem Marschall befindet?"
"Nun?"
"Ein alter Bekannter von mir und auch von Ihnen. Der berühmte Graf von Saint Germain."
"Ich weiß es und will Ihnen offen gestehen, dass seine Anwesenheit ein Grund mehr für mich war, mich Ihnen anzuschließen. Ich bin sehr begierig, eine kleine Abrechnung mit ihm zu halten."
"Ah!"
"Er hatte die Güte, mir in Wien einen Diamanten, welchen er selbst auf zehntausend Dukaten schätzte, für die Hälfte dieser Summe zu verkaufen. Der Stein stammte, wie ich später erfuhr, aus seiner mit dem Grafen Zobor gegründeten Manufaktur und erwies sich als unecht. Ich habe ihn bei mir und werde den Fälscher ersuchen, ihn gegen die fünftausend Dukaten unverzüglich zurückzunehmen."
"Er wird es nicht tun."
"Er wird es!"
"Dann müsste er im Besitze der betreffenden Summe sein, was ich aber nicht vermute."
"Es würde ihm nicht schwer fallen, eine Anweisung auf die Kasse des Marschalls zu erhalten."
"Auch diese Kasse ist leer; er hat dafür gesorgt."
"Dann mag er sehen, wie er die Summe sonst auftreibt, wenn er es vermeiden will, dass ich per Waffe mit ihm spreche!"
"Das wirst Du nicht tun!", bat die Prinzessin ängstlich.
"Keine Sorge, mein Herz! Meinen guten Degen besudele ich nicht mit seinem Blute, und Du weißt ja, dass ich kein schlechter Schütze bin. Ein Mann von seinem Genre besitzt wohl die nötige Hinterlist, welche zum feigen Betrug erforderlich ist, aber nicht den Mut, sich einem furchtlosen Gegner Auge in Auge gegenüberzustellen. Er wird das Geld aufbringen, um jeden Kampf zu vermeiden, denn er selbst weiß natürlich am allerbesten, welche Wirkung sein Aqua benedetta eigentlich hat."
"Das wissen andere außer ihm ja ebenso gut", meinte Amély lächelnd. "Die Marquise Pompadour hat das Elixier getrunken, bis sie starb, und dass auch Louis quinze trotz des Aqua tot ist, hat alle Welt erfahren. Man muss sich wundern, dass es noch Menschen gibt, welche imstande sind, einem solchen Betrüger Glauben zu schenken!"
Man hatte jetzt die Stadt erreicht. Paranow stieg mit der Prinzessin im Gasthofe ab, während der Baron von Langenau mit seiner Gemahlin zu dem Grafen von Lamberg fuhr, wo ein Logis für beide bereitet worden war. Der Baron hatte sich als Diplomat ausgezeichnet und wurde von dem Grafen sehr freundlich empfangen.
Beide hatten vor allen Dingen eine Unterredung, welche sich auf die Mission Langenaus bezog, und begaben sich dann zu dem Legationsrat Morin, um ihn zu bitten, den Baron bei dem Feldmarschall einzuführen.
Der Letztere saß um die gleiche Stunde auf seinem Polsterstuhle, auf den ihn das leidige Podagra bannte, und blätterte in alten, vergilbten Manuskripten herum. Er blickte von Zeit zu Zeit unruhig nach der Uhr; er schien jemand ungeduldig zu erwarten. Da endlich trat der Kammerdiener ein und meldete:
"Der Herr Graf von Saint Germain!"
"Eintreten."
Der Graf, welcher jetzt unter der Tür erschien, hatte ganz noch das Aussehen, wie damals, als er Zutritt bei Ludwig von Frankreich gefunden hatte. Er schien wirklich nicht zu altern, doch bei einer genaueren Untersuchung hätte es sich wohl herausgestellt, dass er es ausgezeichnet verstand, sein Äußeres mittelst kosmetischer Mittel zu konservieren. Er verbeugte sich leicht vor dem Marschall und nahm auf dessen Wink auf einem Stuhle in der Nähe seines Gönners Platz.
Allerdings zeigte das Gesicht des Marschalls in diesem Augenblick nicht die freundliche Miene eines Gönners, sondern einen Unmut, welcher durch die Schmerzen, die ihm das Podagra verursachte, noch erhöht wurde.
"Ich ließ Sie bereits vor einer Stunde zu mir bitten, Graf!"
"Exzellenz entschuldigen, dass ich Ihrer Aufforderung nicht sofort Folge leisten konnte! Eine wichtige Schmelzung, welche ich im Laboratorium begonnen hatte, hielt mich fest."
"Eine wichtige Schmelzung? Wissen Sie, mein Herr, welche Schmelzung mich in neuester Zeit wieder ganz außerordentlich beschäftigt?"
"Ich höre, Exzellenz!"
"Das Schmelzen des Inhaltes meiner Kasse. Über fünf Jahre lang wohnen Sie bereits bei mir; über fünf Jahre lang stelle ich Ihnen selbst für meine Mittel ganz ungeheure Summen zur Verfügung, um Sie in den Stand zu setzen, die Versprechungen zu halten, die Sie mir gegeben haben; über fünf Jahre lang warte ich darauf, dass Sie Wort halten, und sehe keinen anderen Erfolg, als dass mein Vermögen zur Neige geht und ich mich mit meinen Gläubigern herumschlagen muss; über fünf Jahre lang bin ich ein Muster von Geduld gewesen, aber mit den Mitteln geht auch meine Nachsicht zu Ende!"
"Exzellenz erschrecken mich! Meine Operationen führen sicher zum Ziele; sie befinden sich in einem solchen Gange, dass ..."
"Dass ich endlich selbst auch gehen muss!", fiel ihm der Marschall in die Rede. "Und doch fällt mir das Gehen schwer. Sie beabsichtigen, einen Lebenstrank herzustellen, der den Menschen ewig jung macht, und vermögen mir nicht einmal ein Mittel zu geben, welches mir das Podagra vertreibt!"
"Gestatten Exzellenz die Bemerkung, dass die Krankheit längst gehoben wäre, wenn nicht das rasche, heiße Temperament ..."
"Bah, die alte Einrede! Was hat mein Temperament mit dem Podagra zu schaffen? Beweise ich Ihnen etwa durch eine mehr als fünfjährige Nachsicht, dass mein Temperament so übermäßig schnell und hitzig ist? Ich habe heute wieder zweitausend Dukaten zu bezahlen und weiß wahrhaftig nicht, woher ich sie nehmen soll. Ich habe mich schon öfters auf Morin verlassen müssen, doch machte er mir erst kürzlich eine nichts weniger als zweideutige Äußerung, dass er mir nicht mehr zur Verfügung stehen könne. Was nun?"
Man sah es dem Grafen an, dass er sich in einer ungewöhnlichen Verlegenheit befand. Er schien mit einem Entschluss zu ringen.
"Sollten Ew. Exzellenz Verhältnisse wirklich in der Weise derangiert sein, wie ich vernehmen muss?"
"Derangiert, das ist noch viel zu wenig! Alle geworden sind sie, vollständig alle; ich habe gar keine Verhältnisse mehr. Es gibt niemand, an den ich mich wenden könnte, als Sie, Graf. Können Sie mir fünfzigtausend Friedrich d'or borgen?"
Der Graf neigte den Kopf und blieb eine volle Minute still. Wer vermochte zu sagen, was in ihm vorging? Dann blickte er wieder auf und sah dem Marschall mit einem triumphierenden Lächeln in das Gesicht.
"Borgen? Nein, schenken werde ich Ihnen diese fünfzigtausend Friedrich d'or, auch hunderttausend oder eine Million, wenn Sie wollen!"
"Ah! Ist's möglich?", rief der Marschall.
Er dachte nicht an sein Podagra; es war augenblicklich verschwunden, und als hätte er diese schmerzvolle Krankheit niemals kennen gelernt, sprang er empor und trat heftig auf den Grafen zu.
Dieser blickte ihm siegessicher entgegen.
"Sehen nun Exzellenz, dass ich wirklich ein Mittel gegen Ihre Krankheit habe? Nur eines Wortes hat es bedurft, und sie ist verschwunden!"
"Und die Krankheit meiner Kasse?"
"Sie auch!"
"Erklären Sie sich deutlicher!"
"Sie wissen, dass ich fünf Jahre lang vergeblich auf eine günstige Konstellation der Gestirne gewartet habe."
"Leider!"
"Heut genau um Mitternacht wird sie eintreten."
"Wirklich?", fragte der Marschall mit einem tiefen Atemzug der Erleichterung.
"Ganz zuverlässig. Meine Berechnungen werden mich nicht täuschen."
"Gut! So haben wir endlich eine günstige Stellung der Gestirne, aber das andere ...?"
"Es ist alles fertig, und ich bin vorbereitet."
"Was können Sie mir versprechen?"
"Ewiges Leben und unendliche Reichtümer heute gerad um Mitternacht, Exzellenz."
"Graf, ist das wirklich wahr?"
Der Marschall befand sich vollständig in Ekstase. Alle Opfer, aller Zorn waren vergessen; er umarmte den Grafen und drückte ihn dann wieder auf den Stuhl nieder, von welchem sich der Adept vorhin in seiner Verlegenheit erhoben hatte.
"So gewiss, als ich hier stehe", klang die feste Antwort. "Nur unter günstigen Sternen ist der Trank zu bereiten, und es können Jahrhunderte vergehen, ehe sich die heutige glückliche Konstellation wiederholt. Ich fertigte das Elixier zum ersten Male an dem Tage, nach welchem Moses die Finsternis über Ägypten verhängte; zum zweiten Male am Begräbnistage Samuels, des Hohepriesters, und zum dritten Male in der Nacht, als Christus seine Bergpredigt beendigt hatte."
"Sie haben Christus gekannt?"
Das Gesicht des Grafen zeigte ein eigentümliches Lächeln.
"Ich habe alles und alle gekannt, Exzellenz. Könnten Sie Petrus, den Apostel, fragen, so würde er Ihnen gestehen, dass ich ihm sehr oft den guten Rat gegeben habe, seine Heftigkeit zu mäßigen. Und wie ich bereits dreitausend Jahren lebte, so werden Sie mich auch nach dreitausend Jahren wiedersehen, denn Sie werden heute um Mitternacht mit mir den Tropfen des ewigen Lebens trinken und den Tod nie kennen lernen."
Der Marschall erstarrte beinahe vor Hoffnung und Verwunderung. Der Graf hatte allerdings hier und da eine leise Andeutung fallen lassen, aber so offen wie jetzt hatte er noch nie von seiner dreitausendjährigen Vergangenheit gesprochen.
"Graf, ich zweifle nicht, dass Sie die Wahrheit sagen; aber wenn Sie Ihr Versprechen wirklich erfüllen, so werde ich Sie belohnen, wie noch nie ein Mensch be ..."