Vatsyayana
Mit Rücksicht auf die Größe ihres Lingam (Gliedes) teilt man die Männer in drei Klassen: Hase, Stier, Hengst, die Frauen dagegen nach der Tiefe ihres Yoni in Gazelle, Stute, Elefantenkuh.
Hieraus folgt, dass es bei Vereinigung entsprechender Personen drei gleiche Liebesvereinigungen gibt, durch Vertauschung der drei Kategorien ferner sechs ungleiche, insgesamt also neun, wie die Tabelle zeigt:
Gleich |
Ungleich |
||
Mann |
Weib |
Mann |
Weib |
Hase |
Gazelle |
Hase |
Stute |
Stier |
Stute |
Hase |
Elefantenku h |
Hengst |
Elefantenku h |
Stier |
Gazelle |
Stier |
Elefantenku h |
||
Hengst |
Stute |
||
Hengst |
Gazelle |
Ist bei diesen Vereinigungen der Mann der stärkere Teil, so gibt es bei der engen Vereinigung, das heißt mit der Frau, welche ihm nach der obigen Anordnung unmittelbar nachsteht, zwei „Hohe Liebesgenüsse“; vereinigt er sich aber mit der Frau, welche das entgegengesetzte Ende der Größentabelle einnimmt, so nennt man dies „Höheren Liebesgenuss“. Dieser ist von einerlei Art.
Im umgekehrten Falle, bei der weiten Vereinigung, wenn nämlich der Mann der Frau an Größe im Sinne der Tabelle nachsteht, spricht man analog einerseits von zwei Arten „Niedrigen“ und einer einzigen Art „Niedrigeren Liebesgenuss“.
Mit anderen Worten: Vereinigung des Hengstes mit der Stute, dann des Stieres mit der Gazelle ergibt „Hohen Liebesgenuss“, von Hengst und Gazelle aber „Höheren“. Auf Seite der Weiber erzielen Elefantenkuh und Stier, Stute und Hase „Niedrigen Liebesgenuss“.
Es gibt also neun Arten der Vereinigung nach der Größe der Zeugungsglieder. Die gleichen darunter sind die besten, die zwei durch den Komparativ bezeichneten die schlechtesten; die übrigen sind mittelgut. Unter diesen letzteren sind wieder die „hohen“ Vereinigungen besser als die „niedrigen“.
Ebenso gibt es neun Arten der Vereinigung nach der Stärke und dem Feuer des Temperaments:
Mann |
Weib |
Mann |
Weib |
Kühl |
Kühl |
Kühl |
Mittel |
Mittel |
Mittel |
Kühl |
Feurig |
Feurig |
Feurig |
Mittel |
Kühl |
Mittel |
Feurig |
||
Feurig |
Kühl |
||
Feurig |
Mittel |
Kühl nennt man einen Mann, dessen Begehren bei der geschlechtlichen Vereinigung wenig lebhaft und dessen
Samenerguss gering ist, der ferner die heißen Umarmungen des Weibes nicht verträgt.
Im Gegensatz dazu stehen die Mittleren und die Feurigen, ebenso ist es bei der Frau, wie oben ausgeführt.
Endlich ergeben sich mit Rücksicht auf die Zeitdauer des Liebesgenusses drei Klassen von Männern und Frauen, nämlich schnelle, mittlere und langsame. Hieraus entstehen analog wiederum neun Arten der Vereinigung.
In diesem letzten Belange gehen übrigens die Meinungen über die Wollust der Frau auseinander.
Auddalaki sagt: „Die Frau genießt nicht so wie der Mann. Sie hat keinen Samenerguss. Der Mann befriedigt einfach seine Geilheit, das Weib dagegen empfindet in der Wonne des Selbstbewusstseins einen ganz besonderen Genuss, doch vermag sie ihn nicht näher zu beschreiben. Tatsache ist jedenfalls, dass der Mann von selbst aufhört, wenn er genossen hat. Beim Weibe trifft dies nicht zu.“
Dieser Ansicht steht ein Einwand entgegen: Dehnt der Mann den Beischlaf lange aus, dann liebt ihn die Frau umso mehr, beendigt er ihn allzu schnell, dann ist sie mit ihm unzufrieden. Dieser Umstand, meinen einige, beweist klar, dass auch die Frau die Wollust erlangt.
Das dürfte aber nicht richtig sein. Ist nämlich eine lange Zeit erforderlich, um die Geilheit der Frau zu stillen, und empfindet sie dabei große Wonne, dann ist ihr Wunsch nur ganz natürlich, dass dieser Zustand fortdauere. Hierüber gibt es einen Vers: „Die geschlechtliche Vereinigung mit dem Manne befriedigt die Geilheit der Frau, die daraus entstehende selbstbewusste Wonne ist ihr Genuss.“ Babhravya und seine Schüler dagegen lehren, dass sich der Same der Frau vom Anfang bis zum Ende der geschlechtlichen Vereinigung beständig ergießt. Hätte die Frau keinen Samen, dann könne auch keine Empfängnis stattfinden.
Gegen diese Meinung lässt sich einwänden, dass zu Beginn des Beischlafs die Liebeslust der Frau gering ist, so dass sie Mühe hat, die kräftigen Stöße ihres Geliebten zu ertragen. Im weiteren Verlauf jedoch steigert sich ihre
Leidenschaft bis zur Missachtung des eigenen Leibes. Dann endlich empfindet sie den Wunsch aufzuhören.
Auch dieser Einwurf ist haltlos. Jede heftige Bewegung, die Drehung der Töpferscheibe, des Kreisels, hebt langsam an und erreicht erst schrittweise den Höhepunkt der Geschwindigkeit. Desgleichen wächst die Leidenschaft der Frau schrittweise, um wieder zu ermatten, wenn sich der Same gänzlich ergossen hat. Dann ist der Wunsch da aufzuhören.
Ein Vers:
„Der Mann ergießt seinen Samen am Ende des Beischlafs, während die Frauen ununterbrochen Wollust empfinden. Das Verlangen aufzuhören entsteht aus Mangel an Stoff.“ Die Frau genießt also die Wollust wie der Mann. So lehrt Vatsyayana.
Hier könnte jemand fragen: Wenn Mann und Frau demnach Geschöpfe gleicher Art sind und zu dem gleichen Ergebnis beitragen, warum haben sie dann verschiedene Zwecke zu erfüllen?
Darauf sagt Vatsyayana: Dem ist so, weil die Mittel zur Erreichung desselben Zwecks, wie das Bewusstsein bei Mann und Frau verschieden sind; Verschiedenheit der Mittel von Natur aus, indem der Mann der aktive, die Frau der leidende Teil ist. Sonst könnte nämlich der umgekehrte Fall eintreten. Aus dieser zwangsläufigen körperlichen entspringt die Bewusstseinsverschiedenheit. Der Mann denkt bei der Befriedigung: „Dieses Weib gehört mir an.“ Die Frau dagegen denkt: „Ihm gehöre ich ganz an.“
Man könnte bemerken: Warum sollte es nicht eine Verschiedenheit des Resultates geben, wenn es schon eine Verschiedenheit der Mittel gibt?
Auch das stimmt nicht. Die Verschiedenheit der Mittel findet ihren Grund in der Verschiedenheit der handelnden Personen. Es wäre jedoch unbegründet, eine Verschiedenheit in der genossenen Wonne bei beiden anzunehmen, denn das Vergnügen ergibt sich für beide daraus, dass sie vereint die gleiche Handlung setzen.
Auch dawider könnte man anführen, dass verschiedene Leute, die an einem und demselben Werke arbeiten, nach demselben Ziele streben. In der Vereinigung von Mann und Frau dagegen verfolgt ein jedes sein Ziel für sich, was unlogisch ist. Dieser Einwand ist nicht stichhaltig. Wir sehen, dass auch zwei Dinge zu gleicher Zeit vollbracht werden, z.B. bei den Widerkämpfen, wo beide Böcke gleichzeitig aufeinander stoßen, oder wenn man beim Spiel zwei Kugeln gegeneinander schleudert, oder beim Wettkampfe zweier Ringer. Hält man nun daran fest, dass in vorstehendem Falle die beiden handelnden Personen von gleicher Art sind, so ergibt sich daraus, dass auch Mann und Frau wesensgleich sind, folglich kein Unterschied des realen Inhalts ihrer Tätigkeit vorhanden ist. Die Verschiedenheit der von ihnen angewandten Mittel rührt von ihrer Leibesbeschaffenheit her, darum also erlangen beide ähnliche Wonne.
Ein Vers darüber:
„Da kein Unterschied der Gattung besteht, genießen Mann und Frau ähnliche Wonnen; daher eheliche der Mann stets eine Frau, die ihn immer zu lieben im Stande ist.“ Nachdem nunmehr bewiesen ist, dass die Wollust von Mann und Weib gleicher Art ist, ergeben sich in bezug auf die Zeitdauern neun Arten des Beischlafs, wie es neun mit Rücksicht auf die Leidenschaft gibt.
Zusammenfassend finden wir also neun unterschiedliche Arten des Beischlafs nach Maß, Begehren und Zeitdauer. Die Kombination dieser dreimal neun Komponenten ergibt unzählige Abarten. Daher hat der Mann bei jeder Art der geschlechtlichen Vereinigung die jeweils angemessenen Mittel in Anwendung zu bringen. Die Frau ist so zu bedienen, dass sie die Wollust zuerst erlangt. Beim ersten Beischlaf zeigt der Mann feuriges Ungestüm und kommt bald zu Ende. Das Umgekehrte ist bei den weiteren Vereinigungen der Fall. Bei der Frau hingegen findet das Entgegengesetzte statt. Beim ersten Koitus ist ihre Liebeslust mäßig und sie braucht lange bis zur Befriedigung, beim weiteren Beischlaf dagegen loht ihre
Lust hoch auf und sie erlangt bald Befriedigung. Die verschiedenen Arten der Liebe Kenner der Sache sind der Ansicht, dass es vier Arten von Liebe gibt:
1. aus Gewohnheit entspringende;
2. in der Einbildung wurzelnde;
3. auf Vertrauen aufgebaute und
4. von den Gegenständen der Sinnenwelt abhängige Liebe.
1. Liebe, die aus dem immerwährenden Vollzug einer bestimmten Tätigkeit entspringt, nennt man Liebe zur Beschäftigung oder Gewohnheit, z.B. Liebe zur Geschlechtsvereinigung, zur Jagd, zum Trunk, zum Spiel usw.
2. Liebe zu Dingen, die man vorher gar nicht kannte, lediglich in der Gedankenwelt wurzelt, nennt man Liebe aus Einbildungskraft, wie z.B. die Vorliebe, welche gewisse Männer, Frauen und Eunuchen für das Auparishtakam oder den Mundkoitus hegen, ferner die Neigung aller Menschen zu Kuss und Umarmung usw.
3. Liebe, die auf wechselseitigem Vertrauen aufgebaut ist, an deren Aufrichtigkeit man nicht zweifeln kann, bei welcher jedes in dem anderen einen Teil seiner selbst sieht, nennt man Liebe aus Vertrauen.
4. Die sichtbare, wohlbekannte Liebe ist die sinnliche. Sie gewährt höhere Wonnen als die anderen Abarten, die nur durch sie bestehen.
Für den gebildeten Mann genügt das, was in dem vorliegenden Kapitel über die geschlechtliche Vereinigung gesagt wurde, vollkommen. Für den Unwissenden jedoch soll dieser Gegenstand im folgenden ausführlich besprochen werden.
Dieser Teil des Kamashastram, welcher von der geschlechtlichen Vereinigung handelt, heißt auch „Die vierundsechzig Dinge“ (Catuhshashti), vielleicht deshalb, weil er in vierundsechzig Kapitel geteilt ist. Da die Zahl der Künste vierundsechzig beträgt und sie einen Teil der geschlechtlichen Vereinigung bilden, heißt die Summe der Künste „die Vierundsechzig“, indem die in zehn Abschnitte zerfallenden Gesänge des Rigveda danach benannt sind und hier auch ein Zusammenhang mit diesem Worte gegeben ist. Wegen des Zusammenhangs mit Pancala, dem Verfasser dieses Teiles, ist jene Bezeichnung ehrenhalber von Kennern des Rigveda angewendet worden. Andererseits sagen die Schüler des Babhravya, dass der erwähnte Teil acht Abschnitte enthält: Umarmung, Kuss, Nägelmale, Bisswunden, Beischlaf, Liebeslaute, umgekehrter Koitus und Auparishtakam oder Mundkoitus. Jeder dieser Abschnitte zerfällt in acht Unterabteilungen, acht mal acht ergibt vierundsechzig Kombinationsmöglichkeiten, daher der Name. Zu diesen acht Gruppen kommen noch andere, wie Schläge, Ausrufungen, Benehmen des Mannes während der Begattung, Abarten des Beischlafs u.a.m. Es ist daher nur eine sprichwörtliche Redensart, wenn man von den „Vierundsechzig“ spricht, wie man einen Baum „Siebenblatt“ (shaptaparna) oder eine Reisspende „fünfnarib“ (pancavarna) nennt.
Wie dem auch sei, hier wird es von den „Vierundsechzig“ handeln und zwar von dem ersten Punkt: Umarmung. Sie gibt die wechselseitige Liebe von Mann und Frau kund. Man unterscheidet vier Arten derselben:
Berührende, durchbohrende, reibende und pressende Umarmung.
Die Art der Ausführung ist schon durch die Bezeichnung gegeben. Tritt der Mann unter irgend einem Vorwand an eine Frau heran, so dass sein Leib den ihren berührt, so ist dies eine berührende Umarmung.
Wenn sich die Frau an einem einsamen Ort bückt, als ob sie etwas von der Erde aufheben möchte und dabei den sitzenden oder stehenden Mann gleichsam mit ihren Brüsten durchbohrt, deren sich der Mann sofort bemächtigt, so nennt man dies eine durchborhende Umarmung.
Beides findet statt, wenn die Liebenden noch keine rechte Gelegenheit zu einer Aussprache hatten.
Gehen zwei Liebende in der Dunkelheit langsam dahin, sei es in der Einsamkeit oder in einem Menschengedränge, so dass ihre Leiber sich aneinander reiben, so ist dies eine reibende Umarmung.
Sie wird zur pressenden Umarmung, wenn dabei eines das andere stark gegen eine Mauer oder Säule drückt.
Diese zwei letzteren werden von leuten geübt, die ihre beiderseitigen gedanken und Absichten bereits kennen. ImAugenblick der fleischlichen vereinigung sind vier Arten der Umarmung im Schwang:
Das Lianenumschlingen (Jatavestitaka), das Baumbesteigen (Vrikshadhirudhaka), Sesam und Reis (Tilatandulaka) und Milch und Wasser (Kshiraniraka). Wenn eine Frau den Mann umschlingt, wie die Liane einen Baum, und sein Haupt zu sich herabzieht, um ihn zu küssen, oder sich leise stöhnend zu ihm aufrichtet und ihn liebevoll küsst, so nennt man dies „Lianenumschlingen“. Setzt die Frau einen Fuß auf den Fuß des Geliebten, den zweiten auf seinen Schenkel, umschlingt sie ihn dabei mit einem Arm, während der zweite auf seiner Schulter ruht, girrt sie dazu leise und sucht sie ihn förmlich zu erklettern, um einen Kuss zu holen, so ist das „Baumbesteigen“. Diese beiden Umarmungen finden im Stehen statt.
Liegen beide Liebenden auf dem Lager, wobei sie einander so fest umarmen, dass Arme und Schenkel des einen von denen des anderen in reibender Bewegung umschlossen werden, so ist dies die „Sesam- und Reis“-Umschlingung.
Oder sie wollen, blind vor Leidenschaft und des Schmerzes spottend, förmlich einander durchdringen, indem das Weib auf dem Schoße des Liebhabers sitzt, oder beide Aug in Aug auf dem Lager ruhen, dann nennen wir diese Umarmung „Milch und Wasser“.
Dies findet zur Zeit des Beischlafs statt.
Dies sind die acht Umarmungen nach Babhravya. Suvarnanabha zählt außerdem noch vier Umarmungen einzelner Glieder des Leibes auf:
Die Schenkelumarmung, die Umarmung des Jaghana (zwischen Nabel und Schenkel), die Umarmung der Brüste, die Stirnschmuckumarmung.
Presst man einen oder beide Schenkel des anderen aus Leibeskräften mit der Klammer der eigenen Schenkel, so ist dies die Schenkelumarmung.
Mit fliegendem Haar besteigt das Wein den Mann, mit der Scham die Scham drückend, ihn kratzend, beißend und schlagend. Dies nennt man die Umarmung des Jaghana. Wenn die Frau die Brüste gegen die Brust des Mannes presst, so ist dies die Brüsteumarmung.
Mund an Mund, Aug in Aug getaucht, stoße sie ihre Stirn gegen die seine: dies ist die Stirnschmuckumarmung.
Nach einzelnen wäre auch das Massieren als Umarmung anzusehen, weil dabei eine Berührung beider Leiber stattfindet. Vatsyayana dagegen hält dafür, dass das Massieren zu anderer Zeit und zu gänzlich verschiedenem Zweck stattfindet, weshalb es nicht zu den Umarmungen gerechnet werden kann. Die bloße Kenntnis der Regeln über die Umarmung, das bloße Sprechen darüber erzeugt bei den Männern Liebesverlangen. Auch die hier nicht gelehrten Umarmungen sollen zur Zeit des Geschlechtsgenusses gehörig angewendet werden, wenn man sich von ihnen Mehrung der Leidenschaft oder Steigerung des Vergnügens verspricht. Die Regeln des Kamashastram reichen nur so weit, als die Erregung des Menschen in mäßigen Grenzen bleibt. Ist aber einmal das Rad der Wollust gekommen, dann gibt es weder Lehrbuch noch Reihenfolge mehr.
Für die Umarmung, den Kuss, Nägel- und Bissmale gibt es nach Ansicht einiger weder eine bestimmte Reihenfolge, noch eine bestimmte Zeit. Es ist nur festzuhalten, dass all diese dinge gewöhnlich vor der geschlechtlichen Vereinigung am Platze sind, Schläge und Liebeslaute (sit) dagegen während des Beischlafs. Die Leidenschaft kehr sich nicht an Ordnung noch an Zeit, lehrt Vatsyayana. Ihr sind alle Liebesäußerungen willkommen.
Während des ersten Beischlafs soll man vom Kuss und den übrigen Liebesbezeigungen nur wenig und abwechselnd Gebrauch machen. Dann aber ist das Umgekehrte am Platze, die Mäßigung überflüssig. Im Gegenteil, man häufe die Zärtlichkeiten, um die Leidenschaft anzufachen.
Auf Stirn, Haar, Wangen, Augen, Brüste, Lippen drückt man Küsse; bei den Bewohnern von Lata überdies auf Weichen, Achselhöhle und Nabel. Nach Landessitte und in Liebesraserei gelten alle diese Stellen, doch Vatsyayana ist der Ansicht, dass sich deren Liebkosung nicht für alle Leute schickt.
Handelt es sich um eine Jungfrau, dann sind drei Küsse angemessen:
Der gemessene, der zuckende und der stoßende Kuss.
Legt die Geliebte ihren Mund auf den Mund des Mannes, ohne mehr, so ist dies ein gemessener Kuss.
Setzt das Mädchen ihre Keuschheit ein wenig beiseite, sucht sie mit ihrer Unterlippe allein die Lippe zu fassen, die ihren Mund presst, so nennt man einen solchen Kuss „zuckend“.
Schließt das Mädchen die Augen und berührt sie dabei die Lippe des Geliebten mit der Zungenspitze, legt sie ferner ihre Hände in die des Mannes, so ist das ein stoßender Kuss.
Nach anderen Schriftstellern wären vier Gattungen zu unterscheiden, nämlich:
Der gleiche (gerade) Kuss, der geneigte Kuss, der irrende (gedrehte) Kuss und der gepresste Kuss.
Lippe ruht auf Lippe. Das ist der gleiche Kuss.
Neigen die Liebenden die Köpfe zueinander und küssen sich in dieser Stellung, so ist dies ein geneigter Kuss. Erfasst eines das andere an Kopf und Kinn und gibt ihm unter Hin- und Herwenden einen Kuss, so ist dies ein „irrender“.
Saugt sich Unterlippe an Unterlippe drückend fest, so ist das ein gepresster Kuss.
Es gibt noch eine fünfte Ausführung, den „abgepressten Kuss“. Man hält dabei die Unterlippe mit zwei Fingern fest, berührt sie sodann fest mit der Zunge und presst sie mit gespitztem Munde.
Beim Küssen kann man sich auch mit einem Spiel vergnügen; wer nämlich zuerst des anderen Lippen zu fassen bekommt, ist Sieger. Verliert die Frau, dann soll sie Miene machen zu weinen, soll dem Geliebten mit dem Finger drohen, ihm den Rükken kehren und schmollend sagen: „Gib mir Revanche!“ Verliert sie abermals, dann soll sie sich doppelt so traurig gebären. Ist dann der Geliebte zerstreut oder eingeschlummert, dann soll sie sich mit den Zähnen seiner Unterlippe bemächtigen, sie festhalten und in Lachen ausbrechen. Dabei tanze, hüpfe sie um ihn herum, runzle die Brauen und rolle die Augen, rufe, was ihr gerade durch den Kopf geht. Das ist der Streit beim Küssespiel. Man kann es auch noch mit Kratzen und Beißen und Schlagen verbinden. All diese Praktiken sind jedoch nur für Leute von heißem Temperament.
Küsst der Mann die Oberlippe der Frau, diese wiederum die Unterlippe des Geliebten, so heißt dies ein Oberlippenkuss.
Ergreift das eine mit der Lippenklammer beide Lippen des anderen, so ist es ein drückender Kuss. Ihn wendet nur die Frau bei einem bartlosen Jüngling an. Wenn hierbei er oder sie mit der Zunge Zähne, Gaumen oder Zunge des anderen berührt, so nennt man dies Zungenkampf. Hierher gehört auch das Pressen der Zähne gegen den Mund des anderen.
Je nach der Stelle, auf welche er gedrückt wird, ist der Kuss von viererlei Art: gemäßigt, gepresst, saugend oder sanft.
Küsst das Weib den Geliebten während er schläft, um ihm ihr Verlangen kundzutun, so nennt man dies „Entfachen der Leidenschaft“.
Küsst sie ihn, wenn er durch irgend etwas abgelenkt ist, oder mit ihr zankt, oder beschäftigt ist, nennt man diesen Kuss, durch den sie seine Aufmerksamkeit sich zuzuwenden trachtet, den antreibenden Kuss.
Kehrt der Mann spät nachts heim und küsst seine auf dem Lager ruhende Geliebte, so ist dies der erweckende Kuss. In diesem Falle kann die Frau sich schlafend stellen, um seine Absicht zu ergründen und seine Achtung zu erringen.
Küsst man das Bild der geliebten Person im Spiegel oder im Wasser, dann spricht man von einem Kuss, der die Gefühle offenbaren soll.
Wenn man in Gegenwart der geliebten Person ein Kind küsst, das man auf dem Schoße hält, oder auch ein Bild oder eine Statue, nennt man diese Liebkosung einen übertragenen Kuss.
Wenn der Mann bei Nacht, im Theater oder in Gesellschaft, der Frau entgegengeht und ihr, wenn sie steht, den Finger, wenn sie sitzt aber die Zehe küsst, oder wenn das Weib ihren Geliebten massiert und dabei, wie vom Schlaf übermannt, den Kopf auf seinen Schenkel legt und diesen oder die große Zehe küsst, so ist das ein herausfordernder Kuss.
Zum Schluss noch einen Vers:
„Jede Liebkosung vergelte man mit Liebkosung: Kuss um Kuss, Schlag um Schlag.“
Wird die Leidenschaft heftig, dann ist das Kratzen mit den Nägeln angebracht. Es wird bei folgenden Gelegenheiten angewendet: bei der ersten Vereinigung, beim Antritt einer Reise, bei der Rückkehr, bei der Versöhnung mit der zürnenden Geliebten und wenn sie betrunken ist.
In beständiger Anwendung sind diese Praktiken jedoch nur bei sehr feurigen Liebhabern. Je nach Wunsch tritt noch das Beißen mit den Zähnen hinzu.
Nach der Art der entstehenden Male unterscheide man acht Formen:
1. die „klingende“,
2. den Halbmond,
3. den Kreis,
4. die Linie,
5. die Tigerkralle,
6. den Pfauenfuß,
7. den Hasensprung und
8. das blaue Lotosblatt
Anzubringen sind sie an folgenden Stellen: Achselhöhlen, Hals, Brüste, Lippen, Jaghana oder Schamgegend und Schenkel. Suvarnanabha sagt: „Wenn die Leidenschaft ins Ungemessene wächst, dann ist jeder Ort geeignet.“
Die Nägel seien glänzend, gut gewachsen, sauber, nicht ausgezackt und nicht hart. Nach ihrer Größe unterscheidet man kurze, mittlere und lange Nägel.
Lange Nägel verleihen der Hand Anmut und ziehen durch ihren Anblick Frauenherzen an. Sie eignen den Bengalen. Kurze Nägel sind widerstandsfähig. Ihre Anwendung dient stets nur dem Vergnügen. Sie finden sich bei den Bewohnern des Südlandes.
Mittlere Nägel besitzen die Eigenschaften der beiden anderen Arten. Sie kommen bei den Bewohnern von Maharashtra vor.
Drückt man nun das Kinn, die Brüste, die Unterlippe oder das Jaghana einer Frau so leise, dass dadurch keine Spur entsteht und bloß die Härchen sich unter der Berührend der Nägel sträuben, die selbst einen Ton von sich geben, so heißt dies das „klingende“ Mal.
Es wird bei Jungfrauen angewendet, wenn der Mann sie massiert, ihr den Kopf krault oder sie ängstlich machen und erschrecken will.
Eine krumme Nagelspur auf Hals und Brüsten heißt Halbmond.
Zwei solche bilden einander zugekehrt den Kreis. Sie wird angewendet um den Nabel herum, in den Hüfteinschnitten und Weichen.
„Linie“ erklärt sich selbst. Sie darf nicht zu lang sein. Reicht die Linie gekrümmt bis an die Brustwarze, dann heißt sie „Tigerkralle“.
Zieht man mit den fünf Nägeln um die Brust herum eine krumme Linie, so ist dies der „Pfauenfuß“. Man führt denselben aus, um sich damit zu brüsten, denn er erfordert viel Geschicklichkeit, um gut zu gelingen.
Fünf eng zusammengesetzte Nagelspuren in der Umgebung der Brustwarze bilden den „Hasensprung“.
Ein Nägelmal auf Brust oder Hüfte in Gestalt eines Lotosblattes, das ist das „blaue Lotosblatt“.
Macht man vor einer Abreise auf Schenkel oder Hüfte ein Mal mit den Nägeln, so nennt man es „Erinnerungszeichen“. Es besteht meist aus drei bis vier zusammenhängenden Linien.
Soviel über Nägelmale. Man kann außer den oben angeführten noch andere Male von verschiedenen Formen ausführen. So weitverbreitet nämlich bei den Männern die Geschicklichkeit in diesen Praktiken ist, so mannigfaltig sind die Gestalten der Zeichen. Dies ist die übereinstimmende Ansicht aller Schriftsteller. Zahllos wie die Arten der Liebe sind auch die Abarten der Nägelmale. Kein Mensch vermag daher auch nur annähernd zu sagen, wie viele es geben mag. Auch in der Liebe ist die Mannigfaltigkeit notwendig, lehrt Vatsyayana; durch die Mannigfaltigkeit wird Liebe erzeugt. Darum erscheinen ja die Hetären so begehrenswert, weil sie in allen Künsten der Abwechslung wohlerfahren sind. Abwechslung sucht man bei allen Künsten und Vergnügungen, Bogenschießen usw., um wie viel mehr erst in der Liebe!
Der Frau eines anderen bringe man keine Kratzwunden bei. Wohl aber mag man ihr an intimen Stellen besondere Male aufdrücken, zur Erinnerung wie zur Steigerung der Leidenschaft.
Nun folgt ein Vers:
Entdeckt eine Frau an versteckten Stellen ihres Leibes Nägelmale - mögen sie auch schon halb verwischt sein -dann glüht ihre Liebe von neuem auf. Gemahnt kein Nägelmal die Frau, dass sie einst Liebe hegte, dann erlischt mählich die Leidenschaft genau so, wie wenn eine lange Zeit ohne geschlechtliche Vereinigung verstreicht. Sieht ein Fremder von fern eine junge Frau, deren Brüste Nagelspuren weisen, erfasst ihn Liebe und Achtung zu ihr. Auch der Mann, der an bestimmten Stellen seines Leibes Nägelmale trägt, bringt durch solche Liebeszeichen die Festigkeit der Weiber ins Wanken. Kurz, nichts ist geeigneter, die Leidenschaft zu steigern, als das Mal der Nägel.
Mit Ausnahme von Oberlippe, Mundinnerem und Augen dürfen alle Stellen, welche man küsst, auch mit den Zähnen gebissen werden.
An gute Zähne stellt man folgende Anforderungen: Sie müssen gleichmäßig, schimmernd, von der richtigen Größe, lükkenlos, spitzig sein und müssen sich färben lassen.
Schartig, wackelnd, rau, weich, breit, schlecht gewachsen: das dürfen die Zähne nicht sein.
Die unterschiedlichsten Arten der Bisse:
Der versteckte Biss, der aufgeschwollene Biss, der Punkt, die Punktreihe, Koralle und Edelstein, die Edelsteinkette, die zerrissene Wolke, der Eberbiss.
Den „versteckten“ Biss erkennt man lediglich an der übermäßigen Rötung der Haut.
Durch Drücken der Haut wird er zum „aufgeschwollenen“.