Linda Chapman

sternenschweif.eps

Sternenschweif

Zauber der
Mondblumen

KOSMOS

Umschlaggestaltung: Walter Typografie und Grafik GmbH, Würzburg

unter Verwendung einer Illustration von Carolin-Ina Schröter, Berlin

Textillustrationen: © Biz Hull

Sternenschweif – Zauber der Mondblumen, erzählt von Anne Scheller

Based on characters created by Working Partners Ltd.

© Working Partners Ltd., 2015

Unser gesamtes lieferbares Programm und viele

weitere Informationen zu unseren Büchern,

Spielen, Experimentierkästen, DVDs, Autoren und

Aktivitäten findest du unter kosmos.de

© 2015, Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG, Stuttgart

Alle Rechte vorbehalten

ISBN 978-3-440-14740-5

eBook-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

1

sternenschweif.eps

Laura Foster trat an den Koppelzaun und betrachtete einen Moment lang die funkelnden Sterne am Nachthimmel. Tief saugte sie den würzigen Duft von Wiesenblumen und Wildkräutern ein. Nicht weit von ihr saßen Grillen im hohen Gras und spielten ein zirpendes Sommernachtskonzert. Warme Luft streichelte Lauras Wangen. Was für eine herrliche Nacht!

Laura hörte leises Huftrappeln. Sternenschweif, ihr kleines graues Pony, hatte sich aus dem Schatten der Bäume gelöst und trabte zu ihr an den Zaun. Laura schlüpfte zwischen den Latten hindurch, drückte Sternenschweif einen Kuss auf die Nase und kraulte ihm sanft den Schopf.

„Hallo, mein Kleiner! Schön, dich zu sehen. Geht es dir gut?“

Sternenschweif hob den Kopf und pustete Laura sanft gegen die Stirn. Seine Lippen kitzelten und ein paar Grashalme rieselten auf Laura herab.

„Ich glaube, das heißt Ja!“, sagte Laura kichernd. „Dann komm mal mit.“ Sie ging über die Koppel und Sternenschweif folgte ihr. Sicher war es etwas ungewöhnlich, dass Laura mitten in der Nacht alleine draußen war – und das fast jede Nacht. Aber die Freundschaft zwischen ihr und Sternenschweif war ja auch ungewöhnlich! Tagsüber war Sternenschweif ein Pony mit wuscheligem Fell und treuen dunklen Augen. Doch wenn Laura nachts einen Zauberspruch sagte, verwandelte Sternenschweif sich in ein wunderschönes schneeweißes Einhorn mit silberner Mähne.

In der hintersten Ecke der Koppel, umgeben von Bäumen und Büschen, waren Laura und Sternenschweif vor Blicken geschützt. Ihre Eltern konnten sie nun vom Haus aus nicht mehr sehen. Wie Lauras siebenjähriger Bruder Max und ihre kleine Schwester Sophie, die erst zwei war, lagen sie sowieso längst tief schlafend in ihren Betten. Niemand durfte erfahren, dass Sternenschweif ein Einhorn war! Daher konnte Laura ihn nur heimlich verwandeln.

Sie sah sich noch einmal sorgfältig um und sagte dann den Zauberspruch:

„Silberstern, Silberstern,

hoch am Himmel, bist so fern.

Funkelst hell und voller Macht,

brichst den Bann noch heute Nacht.

Lass dies Pony grau und klein

endlich doch ein Einhorn sein.“

Ein violetter Blitz erhellte die Nacht und für einen Moment war Sternenschweif in magischen Nebel eingehüllt. Und dann stand er endlich als Einhorn vor Laura. Seine lange silberne Mähne tanzte im leichten Wind fast schwerelos um ihn herum und die Sterne spiegelten sich in seinem Horn. Er sah atemberaubend aus!

„Hallo, liebe Laura!“, sagte Sternenschweif mit seiner tiefen Stimme. Als Einhorn konnte er nämlich mit Laura sprechen. Außerdem konnte er fliegen, Verletzungen heilen und hatte noch viele weitere magische Kräfte. „Wie geht es dir? Wie war dein Tag?“

„Heiß!“ Laura streichelte Sternenschweifs Rücken. „Seit Wochen haben wir schon diese Hitzewelle! Das Gras auf den Wiesen verdorrt, sodass die Schafe kaum genug zu fressen haben. Dad muss ihnen extra Heu bringen und doppelt so viel Wasser wie sonst!“ Lauras Vater war Farmer. Bei dem heißen Wetter musste er besonders gut auf seine Tiere achtgeben. „Zum Glück haben wir Sommerferien! Bei der Hitze könnte ich wirklich nicht lernen.“

Sternenschweif nickte. „Mir war es heute auch zu heiß. Nur unser Ausritt durch den Wald war angenehm. Und jetzt in der Nacht mit dir“, Sternenschweif stupste seine Freundin liebevoll an, „ist es sowieso schön.“

Laura umarmte ihr Einhorn fest. „Das stimmt. Diese warmen Sommernächte sind einfach magisch und sie gehören nur uns beiden.“

„In der Nacht gibt es so viel Spannendes zu entdecken.“ Sternenschweif deutete mit dem Maul Richtung Wald. „Sieh nur dahinten, Laura. Da leuchtet doch etwas!“

Laura kniff die Augen zusammen und spähte über die Wiese. Über dem Gras tanzten unzählige winzige Lichtpunkte.

„Glühwürmchen“, stellte Laura erfreut fest. „Oh, wie schön! Komm, wir gehen näher ran.“

Leise und vorsichtig, um die leuchtenden Flugkünstler nicht zu erschrecken, schritten Laura und Sternenschweif über die Wiese. Wie gebannt schaute Laura auf das Funkeln.

„Es ist, als wären wir ganz nah an den Sternen“, hauchte sie.

„Zu den Sternen kann ich dich bringen“, sagte Sternenschweif. „Steig auf, wir fliegen!“

Das ließ Laura sich nicht zweimal sagen. Sie schwang sich auf Sternenschweifs Rücken. Er entfernte sich ein paar Schritte von den Glühwürmchen, um die kleinen Leuchtkäfer nicht zu erschrecken. Dann galoppierte er an und stieg in den Nachthimmel empor. Warmer Wind streichelte Lauras Arme und Beine. Die Sterne kamen immer näher.

Sternenschweif machte ein paar übermütige Sprünge und Drehungen in der Luft. Laura jubelte vor Freude. Dank Sternenschweifs Magie saß sie ganz sicher auf seinem Rücken und konnte nicht herunterfallen.

Diese Magie nutzten Laura und Sternenschweif aber nicht zum Spaß, sondern damit sie ihre Aufgabe erfüllen konnten: Menschen und Tieren in Not zu helfen. Dafür war Sternenschweif aus dem magischen Land Arkadia hoch über den Wolken auf die Erde geschickt worden.

018.tif

Auch jetzt blickte Laura aufmerksam von Sternenschweifs Rücken nach unten. Er lauschte mit seinem magischen Gehör, das ihn Geräusche in weiter Entfernung wahrnehmen ließ. Doch in dieser Nacht blieb alles ruhig.

Nach einer Weile sagte Laura: „Wir sind in der Nähe der geheimen Lichtung. Wollen wir eine Rast einlegen?“

„Okay, Laura.“ Sternenschweif flog langsam tiefer und landete kurz darauf auf einer kleinen Lichtung mitten im Wald. Es war ein magischer Ort, der nur von Einhörnern und Einhornfreunden gefunden werden konnte.

Laura glitt von Sternenschweifs Rücken und zog ihre Turnschuhe aus. Auf der geheimen Lichtung war es im Sommer wie im Winter immer angenehm mild und das Gras war stets grün und frisch. Es fühlte sich unter ihren Füßen so himmlisch weich und kühl an! Zwischen den grünen Halmen wuchsen überall Mondblumen. Mit ihren goldenen Spitzen an den violetten Blüten sahen sie nicht nur wunderhübsch aus, sie hatten auch magische Kräfte. Laura hatte sie gebraucht, um Sternenschweif zum ersten Mal in ein Einhorn zu verwandeln, und auch für manch andere Magie hatte sie die Blüten schon gepflückt.

„Hier ist es einfach immer zauberhaft!“, sagte Laura lächelnd.

„Zauberhaft lecker!“ Sternenschweif senkte den Kopf und zupfte ein paar Grashalme ab. „Was ist denn das?“, fragte er plötzlich.

„Was hast du?“, fragte Laura.

„Schau dir mal diese Mondblume an!“ Mit seinem Maul deutete Sternenschweif auf eine Blüte.

003.tif

Laura kniete sich ins Gras und sah genauer hin. Die Blume ließ den violetten Kopf hängen, die Blütenblätter waren ganz schlapp. Diese Mondblume verwelkte!

„Das habe ich noch nie gesehen!“, sagte Laura erstaunt.

„Ich auch nicht.“

„Meinst du, es kann an der Hitze liegen?“

Sternenschweif schnaubte leise. „Schon möglich. Aber in den vergangenen Sommern waren die Mondblumen immer frisch, sie welkten nie, auch nicht bei Hitze!“