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Vorwort des Herausgebers

JAMES FENIMORE COOPER (* 1789 † 1851) war ein ausserordentlicher Mann. Innerhalb kürzester Zeit wurde er zu einem der weltweit meistgelesenen Schriftsteller – nachdem er sich niemals zuvor mit Literatur beschäftigt hatte. Die Lektüre eines schlechten, von seiner Frau aus England importierten Romans, ließ ihn ausrufen: »Selbst ich könnte ein besseres Buch schreiben als dieses!« Und er setzte sich hin, und schrieb sein erstes Werk.

Sein Erfolg spiegelt gleichzeitig den Erfolg und das Erstarken des jungen amerikanischen Staates wider, der, den Unabhängigkeitskrieg zwar siegreich hinter sich, aber immer noch von Europa gefesselt und gegängelt wurde. Ein Staat, der sich Ende des 19. Jahrhunderts endgültig freischwamm und zu einer Großmacht wurde.

Cooper gab ihm als einer der ersten eine eigene Stimme, eine eigene Literatur.

In aller Überheblichkeit, man kann es heute kaum glauben, hatten sich die europäischen Literaturkritiker damals angemaßt zu behaupten, der amerikanische Kontinent sei überhaupt nicht in der Lage, echte Literatur, einen Roman im klassischen Sinne etwa, hervorzubringen. Nicht inhaltlich, weil es an den Themen fehlte, und schon gar nicht formal und stilistisch (weil es an den Talenten fehlte).

Wie abstrus und weltfremd diese Einschätzung war, wie borniert die kontinentale Literaturkritik, bewies Cooper als einer der ersten.

Seine Romane sind authentisch, denn schon als Kind hatte er erlebt, was es bedeutet, im »Frontier« zu leben: Der Zone frisch erschlossenen Landes dessen Grenze sich immer weiter westlich verschob. Coopers Vater war damit reich geworden, dass er für einen kleinen Betrag am Otsego Lake (heute im Bundesstaat New York) ein gewaltiges Stück Land erwarb, und es später in einzelnen Parzellen an Siedler weiterverkaufte. Die leidtragenden und ausgebeuteten bei diesem Geschäft waren die amerikanischen Ureinwohner, die Indianer, denen das Land »eigentlich« gehörte. Doch das störte damals niemanden.

So schritt Amerika, das junge Land, vorwärts, machte sich Stück für Stück eines neuen Kontinents zu eigen, oft genug blutig, ungerecht und skrupellos. Häufig mit grausamsten Leiden und Entbehrungen bei den Protagonisten auf beiden Seiten. Dass diese Geschichte ebenso viel Stoff für Drama, Epos und Poesie lieferte, wie das antike Griechenland, steht für uns heute ausser Frage.

Cooper setzte es um in seine Romane. Durch die geschickte Auswahl von historischen Ereignissen, in denen sich der junge amerikanische Staat in den Augen seiner Bürger Ruhm und Ehre erworben hatte (Unabhängigkeitskrieg, Zweiter englisch-amerikanischer Krieg), stärkte er das amerikanische Nationalgefühl und den Patriotismus.

Als Erbe eines reichen Grundspekulanten, und nachdem er zudem eine junge Frau aus einer der reichsten Familien New Yorks geheiratet hatte, hätte er – so würde man annehmen – ausgesorgt gehabt und nie wieder arbeiten müssen. Und tatsächlich führte Cooper eine Weile das Leben eines reichen »Gentleman«, der sich der Muße, Reisen und den schönen Dingen des Lebens widmete. Doch der von seinem Vater ererbte Anteil des Besitzes schmolz. In der Depression der 1810er Jahre hatte das Land der Coopers erheblich an Wert verloren. Die Brüder hatten ihr Erbe in Landspekulationen aufs Spiel gesetzt, und als sie 1818–1819 in kurzer Abfolge starben, hinterließen sie vor allem Hypotheken. Am Ende war es tatsächlich die blanke Geldnot, die James Cooper zum Schreiben trieb.

Sein erster Roman war ein auf kommerziellen Erfolg getrimmtes kleines »Machwerk«, und Cooper gab sich dabei, eingedenk des Erfolges einer Jane Austen, als Frau aus. Bald aber fand er zu seinem eigenen Stil. Bereits seinem zweiten Buch kann man literarische Klasse zusprechen. Am erfolgreichsten wurde die fünfteilige »Lederstrumpf«-Serie (»Leatherstocking Tales«), die im Laufe mehrerer Jahre entstand. Authentisch und lebensnah wie kein zweiter schildert Cooper darin das Zurückdrängen der Ureinwohner, die der amerikanischen Eroberungswalze weichen mussten. Bemerkenswert ist dabei die große Empathie und das Einfühlungsvermögen, das Cooper für die Indianer an den Tag legt.

Cooper wurde zum Vielschreiber. Auch während seines Europa-Aufenthalts 1826–1833 schrieb er weiter Buch um Buch. Neben den Erzählungen aus dem »Wilden Westen« auch Seefahrerromane und historische Romane über die neuenglische Kolonialgeschichte. Zudem führte er detaillierte Tagebücher und veröffentlichte 1836–1838 auf deren Grundlage fünf Bände mit Reiseskizzen.

»Der letzte Mohikaner« ist der zweite Roman aus der »Lederstrumpf«-Serie um den Trapper Natty Bumppo und Häuptling Chingachgook. Die Erzählungen dieser Serie stehen thematisch jeweils für sich und bilden keine Fortsetzungshandlung. »Der letzte Mohikaner« ist das erfolgreichste Buch Coopers überhaupt.

Redaktion eClassica

 


Der letzte Mohikaner

Einleitung

Der Verfasser glaubt, in dem Texte der folgenden Erzählung und den begleitenden Anmerkungen den Schauplatz derselben genugsam beleuchtet, ebenso dem Leser die zum Verständnis der meisten einzelnen Anspielungen erforderliche Belehrung in hinlänglichem Maße gegeben zu haben. Immer aber herrscht noch so viel Dunkelheit in den indianischen Überlieferungen und so viele Verwirrung in den indianischen Namen, dass einige Erläuterungen willkommen sein dürften.

Bei wenig Menschen findet man eine größere Verschiedenheit, wir möchten sagen, größere Widersprüche der Gemütsart, als bei dem eingebornen Krieger von Nordamerika. Im Kriege ist er unternehmend, prahlerisch, verschmitzt, grausam, rachsüchtig, voll Selbstverleugnung und Aufopferung; im Frieden gerecht, edelmütig, gastfreundlich, bescheiden, abergläubisch und insgeheim keusch. Diese Eigenschaften zeichnen zwar nicht Alle in gleichem Grade aus, bilden aber so hervorstechende Züge bei diesen merkwürdigen Völkern, dass man sie charakteristisch nennen darf.

Man ist allgemein der Ansicht, dass die Ureinwohner des amerikanischen Festlandes asiatischer Abkunft seien. Viele Tatsachen, sowohl im physischen als im sittlichen Gebiete, bestärken diese Meinung, und nur wenige fallen scheinbar in die entgegengesetzte Waagschale.

Die Farbe des Indianers ist, wie der Verfasser glaubt, ihm eigentümlich; und wenn seine Backenknochen sehr auffallend das Gepräge tartarischen Ursprungs tragen, so ist dies bei den Augen nicht der gleiche Fall. Das Klima dürfte auf erstere grossen Einfluss gehabt haben; aber es ist schwer abzusehen, wie es bei den letzteren einen so wesentlichen Unterschied bewirkt haben soll. Die Bildersprache des Indianers ist in Dichtung und Rede morgenländisch: beschränkt, und vielleicht zu ihrem Vorteil beschränkt durch den engeren Kreis seiner praktischen Kenntnisse. Er nimmt seine Bilder von den Wolken, den Jahreszeiten, den Vögeln, den Vierfüßlern und der Pflanzenwelt. Hierin tut er vielleicht nicht mehr, als ein anderes tatkräftiges und phantasiereiches Volk auch tun würde, wenn es in dem Walten seiner Einbildungskraft durch den Kreis der Erfahrung in Schranken gehalten wird; aber der nordamerikanische Indianer kleidet seine Gedanken in ein Gewand, das zum Beispiel von dem des Afrikaners zu sehr abweicht und in sich selbst zu viel Morgenländisches hat, als dass es nicht auffallen müsste. Seine Sprache hat ferner ganz den Reichtum und die gedankenreiche Fülle der chinesischen; er gibt einen Satz mit einem Wort und bestimmt den Sinn eines ganzen Satzes durch eine Silbe: ja er drückt verschiedene Bedeutungen durch die einfachsten Biegungen der Stimme aus.

Sprachforscher, welche viele Zeit auf ihr Studium verwandt haben, behaupten, dass die vielen zahlreichen Stämme welche früher das Gebiet der Vereinigten Staaten bewohnten, eigentlich nur zwei oder drei Sprachen geredet hätten. Die jetzigen Schwierigkeiten des Verständnisses der Völker unter einander sind nach ihnen in Sprachverderbnis und Mundarten zu suchen. Der Verfasser erinnert sich, der Zusammenkunft zweier Häuptlinge der grossen Prärien westlich vom Mississippi angewohnt zu haben, bei welcher ein Dolmetscher, der Beider Sprachen redete, zugegen war. Die Krieger schienen im besten Vernehmen unter sich und sprachen viel mit einander, und doch verstand nach der Versicherung des Dolmetschers Keiner ein Wort von dem, was der Andere sagte. Sie waren von feindlichen Stämmen, und nur der Einfluss der amerikanischen Regierung hatte sie einander genähert. Merkwürdig ist jedoch, dass eine gemeinsame Politik beide auf denselben Gegenstand führte. Sie forderten sich gegenseitig zum Beistande auf, falls die Wechsel des Kriegs die eine oder die andere Partei in die Hände ihrer Feinde brächte. – Welche Bewandtnis es nun auch mit dem Ursprung und dem Genius der indianischen Sprachen haben mag, eine Verschiedenheit in einzelnen Wörtern derselben liegt jetzt außer allem Zweifel, welche fast alle Nachteile von fremden Sprachen mit sich führt: daher die Schwierigkeit, ihre Geschichte zu studieren, und die Unzuverlässigkeit ihrer Überlieferungen.

Gleich Völkern, die höhere Ansprüche machen dürfen, erzählt auch der amerikanische Indianer die Geschichte seines Stammes oder Geschlechts ganz anders, als andere Völker. Er überschätzt gerne seine eigenen Vorzüge und schlägt diejenigen seines Nebenbuhlers oder Feindes geringer an; ein Zug, der vielleicht die mosaische Schöpfungsgeschichte bekräftigen dürfte.

Die Weißen haben durch ihre Verstümmelung der Namen viel dazu beigetragen, die Überlieferungen der Ureinwohner noch mehr zu verdunkeln. So wechselte bei ihnen der Name auf dem Titel dieses Buches bald in Mohicanni, bald in Mohikans oder Mohegans; die letzte Form ist bei den Weißen die gewöhnlichste. Wenn man sich erinnern will, dass die Stämme des Landes, welches der Schauplatz der folgenden Erzählung ist, im Munde der Holländer (die sich zuerst in New-York ansiedelten), der Engländer und der Franzosen stets wieder anders klangen, und wie sogar die Indianer nicht allein ihren Feinden, sondern auch sich selbst häufig verschiedene Namen gaben, so ist die Verwirrung leicht erklärt. In den folgenden Blättern werden die Namen Lenni, Lenape, Lenope, Delawaren, Wapanachki und Mohikaner von einem und demselben Volke oder von Stämmen desselben Volkes gebraucht. Die Mengwe, die Maqua's, die Mingo's und die Irokesen, obgleich nicht durchaus identisch, werden von den Sprechern häufig identifiziert, da sie politisch mit einander verbunden und Feinde der vorgenannten Völkerschaften waren. Mingo war ein Hauptschimpfwort, ungleich heftiger als Mengwe und Maqua. Oneida ist der Name eines besonderen und mächtigen Stammes aus diesem Bunde.

Die Mohikaner waren Herren des Landes, welches in diesem Teile des Kontinents von den Europäern zuerst in Besitz genommen wurde. Sie wurden daher auch zuerst vertrieben, und das anscheinend unvermeidliche Loos aller dieser Völker, welche den Fortschritten oder vielmehr den Übergriffen der Gesittung bis zum Verschwinden weichen mussten, wie das Grün ihrer Heimatwälder dem schneidenden Froste – haben wir als bereits erfüllt betrachtet. Es bleibt historische Wahrheit genug in dem Gemälde, um diese Freiheit zu rechtfertigen.

Am Schlusse dieser Einleitung wird es an der Stelle sein, über einen wichtigen Charakter dieser Geschichte, der auch in zwei andern Erzählungen desselben Verfassers eine bedeutende Rolle spielt, noch einige Worte zu sagen. Einen Kundschafter in den Kriegen, welche England und Frankreich um den Besitz des amerikanischen Festlandes führten: einen Jäger in jenen Zeiten der emsigsten Tätigkeit, die dem Frieden vom Jahr 1783 unmittelbar folgten: endlich einen einsamen Streifer in den Prärien, nachdem die Politik der Freistaaten jene endlosen Öden dem Unternehmungsgeiste ihrer halbzivilisierten Abenteurer geöffnet hatte, die zwischen Gesittung und Barbarei die Mitte hielten – ein solches Individuum zu schildern, heisst mit Hilfe der Dichtung einen Zeugen für die Wahrheit jener wunderbaren Umwandlungen aufstellen, welche die Fortschritte der amerikanischen Nation bis zu einer vorher nie gekannten Höhe bezeichnen – Fortschritte, für welche Hunderte von Lebenden dasselbe Zeugnis ablegen könnten. In diesem Punkte hat unsere Dichtung nicht das Verdienst einer Erfindung.

Über den fraglichen Charakter hat der Verfasser weiter Nichts zu sagen, als dass er einen Mann von natürlicher Gutmütigkeit zeichnen soll, welcher den Versuchungen des zivilisierten Lebens entrückt, dennoch die Vorurteile und Lehren desselben nicht ganz vergessen hat: einen Mann, der an die Sitten und Gewohnheiten des Naturzustandes gewiesen, durch dieses Band mehr gewinnt als verliert, und die Schwächen wie die Vorzüge seiner Lage sowohl als seiner Geburt zu Tage legt. Der Verfasser wäre vielleicht der Wirklichkeit näher geblieben, wenn er ihn sittlich weniger hochgestellt hätte; aber das Gemälde hätte an Interesse verloren, und die Aufgabe des Romanschreibers ist, dem Ideale der Poesie möglichst nahe zu kommen. Nach diesem Bekenntnis braucht er kaum noch hinzuzusetzen, dass bei der Auffassung und Ausstattung dieser selbstgeschaffenen Persönlichkeit kein individueller Charakter zu Grunde lag. Der Verfasser glaubte der Wahrheit genug geopfert zu haben, indem er die Sprache und die dramatische Haltung beibehielt, derer die Rolle bedurfte.

Was die Örtlichkeit anbelangt, so hat der Schauplatz der folgenden Erzählung, seitdem die angedeuteten historischen Ereignisse stattgefunden haben, sich so wenig verändert, als nur irgend ein Distrikt von gleichem Umfang in dem ganzen Gebiete der Vereinigten Staaten. Moderne, gut eingerichtete Bade-Anstalten finden sich jetzt an der Quelle, wo Hawk-eye Halt machte und trank; Straßen durchschneiden die Wälder, wo er und seine Freunde sogar pfadlos wandern mussten, Glenn's hat ein kleines Dorf, und während William Henry und selbst eine Festung spätern Ursprungs nur noch an Ruinen erkennbar sind, steht eine andere Ortschaft an den Ufern des Horican. Außer diesen Veränderungen hat der Unternehmungsgeist und die Schöpfungskraft des Volkes, welche anderwärts Wunder getan, wenig vollbracht. Die ganze Wildnis, in welcher sich die letzten Ereignisse unserer Geschichte zutragen, ist beinahe immer noch Wildnis, obgleich die Rothäute ganz aus ihr gewichen sind. Von allen hier genannten Stämmen sind dort nur noch wenige halbzivilisierte Oneida's auf dem ihnen in New-York vorbehaltenen Landstriche zu treffen. Die Übrigen haben entweder die Gebiete ihrer Väter verlassen, oder sind ganz von der Erde verschwunden.


Erstes Kapitel

Mein Ohr ist offen und mein Herz bereit.

Nur weltlichen Verlust, nicht Schlimmres kannst Du melden.

Sage, ist mein Reich verloren?

Shakespeare

 

Es war eine Eigentümlichkeit der Kriege, welche in den Kolonien Nordamerikas geführt wurden, dass die Mühseligkeiten und Gefahren der Wildnisse zu bestehen waren, ehe noch die feindlichen Heere sich begegnen konnten. Ein breiter Gürtel von scheinbar undurchdringlichen Wäldern trennte die Besitzungen der feindlichen Provinzen von Frankreich und England. Der kühne Pflanzer und der geübte Europäer, der an seiner Seite focht, kämpften oft Monate lang mit reißenden Waldströmen, oder suchten raue Gebirgspässe gangbar zu machen, um Gelegenheit zu finden, ihren Mut in mehr kriegerischem Kampfe zu zeigen. Aber wetteifernd mit der Ausdauer und Selbstverleugnung der erfahrenen eingebornen Krieger lernten sie jede Schwierigkeit überwinden; und es wollte scheinen, dass mit der Zeit kein Winkel in den Waldungen so finster, kein Versteck so abgelegen wäre, in den sie nicht zu dringen wagten, die ihr Blut verpfändet hatten, ihre Rache zu sättigen, oder der kalten, selbstsüchtigen Politik entfernter Monarchen Europas Geltung zu verschaffen.

Vielleicht gibt kein Distrikt auf der ganzen Strecke der dazwischen liegenden Grenzen ein lebendigeres Bild von der Grausamkeit und Wildheit der barbarischen Kriege jener Zeiten, als das Land, welches zwischen den Quellen des Hudson und den anstoßenden Seen liegt. Die Vorteile, die hier die Natur für die Bewegungen der Kämpfenden bot, waren zu augenfällig, um nicht benützt zu werden. Der langgedehnte Wasserspiegel des Champlain erstreckte sich von den Grenzen Canadas bis tief in die benachbarte Provinz New-York hinein, und bildete eine natürliche Straße auf der Hälfte des Landstrichs, dessen die Franzosen Meister sein mussten, um an ihre Feinde gelangen zu können.

Unweit seinem südlichen Ende empfängt er die Zuflüsse eines andern Sees, dessen Wasser so klar sind, dass die Missionare der Jesuiten sie ausschließlich gewählt hatten, um die sinnbildliche Reinigung der Taufe zu vollziehen, was ihm den Namen des Sees du Saint Sacrement gegeben hat. Die minder eifrigen Engländer glaubten seinen klaren Quellen Ehre genug anzutun, wenn sie ihnen den Namen ihres regierenden Fürsten, des zweiten aus dem Hause Hannover, gaben. Beide Völker vereinigten sich aber, den schutzlosen Eigentümern dieser bewaldeten Räume ihr natürliches Recht auf Verewigung seines ursprünglichen Namens Horican zu rauben.

Durch zahllose Eilande sich windend und in Gebirge eingebettet, dehnt sich der »heilige See« ein Dutzend Stunden weiter gegen Süden aus. Mit der hochgelegenen Fläche, welche hier dem Laufe des Wassers entgegen tritt, fängt ein Trageplatz von eben so vielen (englischen) Meilen an, der an die Ufer des Hudson auf einen Punkt führt, wo der Fluss über die gewöhnlichen Hemmnisse reißender Strömungen oder Rifts (Riffe), wie sie in der dortigen Landessprache heißen, siegt und zur Flutzeit schiffbar wird.

Da rastloser Unternehmungsgeist die Franzosen bei Verfolgung ihrer Eroberungspläne selbst in die entfernten, fast unzugänglichen Schluchten des Alleghanygebirges führte, so lässt sich leicht denken, dass ihr zum Sprichwort gewordener Scharfsinn die natürlichen Vorteile der so eben beschriebenen Landstrecke nicht übersehen konnte. Sie wurde auch wirklich der blutige Schauplatz, auf dem die meisten Schlachten um die Herrschaft in den Kolonien geschlagen wurden. Forts wurden angelegt auf den verschiedenen Punkten, welche die Heerstraßen beherrschten; wurden genommen und wieder genommen, geschleift und wieder hergestellt, so wie ein Sieg über feindliche Banner erfochten war. Während der Pflanzer sich von den gefährlichen Pässen in die sichereren Grenzen der älteren Niederlassungen zurückzog, sah man Heere, stärker als jene, die oft über die Throne der Mutterländer entschieden, in diese Waldungen sich vergraben, aus denen sie meist nur als Banden von Gerippen, von Sorgen abgemagert und durch Niederlagen entmutigt, wieder zum Vorschein kamen.

Wenn auch die Künste des Friedens in diesen unglücklichen Gegenden unbekannt waren, so wimmelten doch seine Wälder von Menschen; die lichten Punkte und Täler ertönten von kriegerischer Musik, und das Echo ihrer Gebirge warf das Gelächter oder das mutwillige Geschrei manches ritterlichen, sorglosen Jünglings zurück, der in der vollen Kraft seines jungen Mutes dahin eilte, um in die lange Nacht der Vergessenheit hinüber zu schlummern.

Auf diesem Schauplatze des Kampfes und des Blutvergießens trugen sich die Begebnisse zu, welche wir zu schildern versuchen, und zwar im dritten Jahre des Kriegs, welchen England und Frankreich um den Besitz eines Landes führten, das Keinem auf die Dauer zu Teil werden sollte.