Der Teufel mit dem Stern
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hey! Western
Copyright der E-Book-Ausgabe © 2015 bei Hey Publishing GmbH, München.
Originalausgabe © BASTEI, Bergisch Gladbach. Erschienen in der Reihe Westen-Hit.
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlags wiedergegeben werden.
Luke Sinclair wird vertreten durch die Verlagsagentur Lianne Kolf.
Covergestaltung: ZERO Werbeagentur, München unter Verwendung von Motiven von canicula/shutterstock.com
ISBN: 978-3-95607-123-2
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Auch am nächsten Tag blieben die Apachen unsichtbar. Die vier Männer versuchten, ihre Fährte so gut wie möglich zu verbergen. Sie wählten für ihren Weg meist harten, steinigen Boden und änderten häufig die Richtung. Das alles kostete zwar Zeit, aber Larry Flynn hoffte, die Apachen würden mit der Zeit die Lust an einer weiteren Verfolgung verlieren.
Das war natürlich ein Irrtum, aber das stellte sich erst einen Tag später heraus.
Sie ritten durch eine tiefe Erosionsrinne am Fuße einer Felswand, die so weit überhing, daß sie die Rinne unter sich wie ein Dach abschirmte und den ganzen Tag über keinen Sonnenstrahl bis auf ihren Grund hinab ließ. Hier unten war es angenehm kühl, und das Geklapper der Hufe klang hohl wie in einem Canyon.
Dann trat die Felswand plötzlich scharf zurück, und nach etwa hundert Yards lief die Bodenrinne in einer flachen, sandigen Vertiefung aus. Sturzfluten, die sich hin und wieder nach den Frühjahrsregengüssen durch diese Rinne in das durstige Land hinein ergossen, um in dem heißen Sand zu versickern, hatten an den seichten Rändern Wüstenweiden und Stachelbirnen wachsen lassen. Der sandige Boden ließ die Spuren der Pferde wieder deutlicher sichtbar werden, und obwohl nichts auf die Apachen hindeutete, blieb Flynn etwas zurück, um mit einer Decke ihre Fährte zu tilgen so gut es eben ging.
Als er sich aufrichtete und sein Blick über den Rand der flachen Senke wanderte, erstarrte er plötzlich.
Es mochten etwa zehn Apachen sein, genau konnte er das auf den ersten Blick nicht erkennen, da er sie nur teilweise sah. Sein zweiter Blick galt seinen drei Gefährten, welche die Indianer im selben Augenblick wie er bemerkt haben mußten, denn sie duckten sich und glitten von den Pferden. Die Apachen hatten sie offensichtlich noch nicht entdeckt, denn der kümmerliche Buschwuchs schützte sie vor ihren Blicken.
Larry Flynn war ohne Pferd etwa fünfzig Yards hinter den drei anderen zurückgeblieben. Er hatte also keine Chance, falls sie von den Apachen entdeckt wurden. Da sie durch die Erosionsrinne gekommen waren, konnten die Apachen ihre Spuren nicht sehen, aber es brauchte nur eines der Pferde zu schnauben, dann war es passiert. Dieser Platz bot kaum eine Möglichkeit, sich gegen die Apachen erfolgreich zur Wehr zu setzen. Das einzige, was ihnen im Fall der Entdeckung blieb, war eine schnelle Flucht. Aber diesen Gedanken konnte Flynn sich aus dem Kopf schlagen. Er würde weder Zeit genug haben, die anderen zu Fuß zu erreichen, noch konnten diese es sich leisten, auf ihn zu warten.
Die Apachen hielten an und schienen zu beratschlagen, in welcher Richtung sie sich wenden sollten.
Hoffentlich kommen sie nicht hier her, dachte Flynn. Mit brennenden Augen starrte er durch die dürren Zweige und versuchte abzuschätzen, ob sie das Schnappen des Schlosses hören könnten, wenn er das Gewehr repetierte.
Er entschloß sich, es nicht auszuprobieren, aber er war bereit.
Plötzlich fuhr sein Kopf mit einem Ruck herum. Er wußte nicht, ob er erschrecken oder in einem Aufwallen blinder Wut Chuck Bennet niederschießen sollte.
Dieser Bennet tat etwas, das ihnen allen das Leben kosten mußte, und das war wohl auch seine Absicht. Er war plötzlich aufgesprungen, warf die Arme hoch und schrie aus Leibeskräften: „Hierher! Hier sind wir! Kommt schon und holt euch unsere Skalps, ihr Halunken!“ Er brach in ein schrilles Gelächter aus, bis Jim Keenan ihn mit einem Schlag zu Boden schickte.
Flynn sah noch, wie Anselmo den Burschen packte, ihn wieder hochriß und auf seinen Gaul zustieß. Dann riß er den Repetierbügel seines Henry-Gewehres vor und zurück.
Die Apachen stoben auseinander und verschwanden hinter der seichten Bodenerhebung, hinter der ohnehin nur ihre obere Hälfte sichtbar gewesen war. Flynns Schuß ging ins Leere, und die Kugel pflügte nur den feinen Sand auf. Er rannte, blieb aber nach wenigen Schritten wieder stehen, weil es keinen Sinn hatte, sich in den Rücken schießen zu lassen.
Die Angreifer tauchten blitzschnell auf, zu Fuß und zu Pferde. Sie schienen überall um ihn zu sein, rechts, links und vor ihm …!
Das Gewehr krachte in seinen Händen. Eines der Pferde stolperte in vollem Lauf, brach vorn ein und warf seinen Reiter in die harten Büsche. Die leere Hülse flog rauchend durch die Luft. Etwas bohrte sich scharf und spitz durch das Fleisch an seinem Arm. Er zuckte zusammen. Das Gewehr spie Feuer und Rauch, aber er traf nichts. Fluchend brach er den Pfeilschaft ab und warf ihn auf den Boden. Verdammt, es gab keine Deckung.
Plötzlich sah er Jim Keenan, der schreiend sein Pferd zu ihm hintrieb. Er ritt einen Apachen einfach nieder, der ihm in den Weg lief und rief: „Los, Junge, komm schon!“
Warum tat dieser Mann das? Warum mißachtete er sein eigenes Leben, um ihm zu helfen?
Er hatte keine Zeit, darüber nachzudenken. Er sah wie ein Pfeil zitternd in Keenans Oberschenkel steckenblieb und rannte los, sprang mit einem Satz hinter ihm auf den Gaul, der mit gespreizten Hinterläufen die plötzliche Gewichtsveränderung auffing.
Eine Kugel traf Keenan in die Seite. Er zuckte zusammen und fluchte gepreßt. Flynn hielt das Gewehr wie einen Revolver und feuerte. Die Kugel peitschte ein kleines Staubwölkchen aus dem Jagdhemd eines der Apachen und schleuderte ihn in den Sand. Keenan preßte eine Hand auf die Wunde, zog mit der anderen das Pferd herum und deutete nach vorn.
„Da hinten ist ein Hügel, auf dem wir uns verschanzen können.“ Seine Stimme klang heiser und zeugte von seinen Schmerzen. Flynn sah Anselmo und Chuck Bennet davonreiten. Der Staub, den die Hufe ihrer Pferde aufwirbelten, wehte flach über das Land. Aber er hatte keine Zeit mehr, den Hügel zu betrachten, den Keenan meinte. Der Gaul unter ihnen sprang in Galopp, und Flynn feuerte irgendwo hin. Keenan wankte vor ihm hin und her, und er mußte ihn stützten, damit er nicht aus dem Sattel fiel. Er preßte die Zähne aufeinander, stieß dem Pferd die Absätze in die Flanken und versuchte, sich und Keenan auf dem Rücken desselben zu halten und dabei sein Gewehr nicht zu verlieren. Jeden Augenblick erwartete er den Einschlag einer Kugel in seinem Rücken. Es war ein höllisches Gefühl. Aber nur einmal pfiff eine Kugel dicht an seinem Ohr vorbei.
Die Apachen, die zu Fuß waren, blieben rasch hinter den Unebenheiten des Landes zurück, und die, welche ihnen zu Pferde folgten, waren nicht in der Lage, einen gezielten Schuß anzubringen. Aber sie würden das Pferd mit der doppelten Last einholen, noch ehe es jenen Hügel erreichen konnte.
Flynn versuchte, sein Gewehr zu repetieren, aber es ging nicht. Er konnte den verwundeten Mann vor sich nicht loslassen, da dieser sonst vom Pferd fallen würde. Und die Pfeilspitze, die immer noch in seinem Arm steckte, bereitete ihm starke Schmerzen.
Anselmo und Chuck Bennet erreichten den Hügel und gaben ihnen Feuerschutz. Das hielt die verfolgenden Apachen zurück und rettete ihnen vorläufig das Leben.
Kurze Zeit später erreichte auch Flynn mit Keenan den Hügel und glitt aus dem Sattel. Er ließ den stöhnenden Sheriff zu Boden gleiten, schnappte dann sein Gewehr, das er hatte fallenlassen, und feuerte zu den Apachen hinunter, die vor den gezielten Schüssen abdrehten und anhielten. Flynn ließ das Gewehr sinken.
„Behaltet sie im Auge“, sagte er zu den beiden und ging zu Jim Keenan, der stöhnend versuchte, sich aufzurichten. Das Blut sickerte zwischen den Fingern seiner Hand hindurch, die er noch immer auf die Wunde gepreßt hielt, und färbte die Kleidung dunkel bis hinab zum Knie. Es sah ziemlich übel aus. Er würde verbluten, wenn er nicht bald Hilfe bekam. Aber Flynn fürchtete, daß die Apachen ihnen keine Zeit dafür lassen würden.
Der Pfeil steckte noch immer in seinem Oberschenkel und hatte durch die Bewegungen beim Reiten die Wunde ebenfalls stark bluten lassen.
Keenans Gesicht wirkte bleich und verkniffen. Haßerfüllt starrte er zu Chuck Bennet hinüber und bewegte die blutleeren Lippen.
„Du hättest ihn nicht zur Verzweiflung treiben sollen“, sagte Flynn und bückte sich zu ihm hinunter. „Ich möchte wissen, weshalb du ihn so haßt.“
Keenan nahm die bluttriefende Hand von seiner Wunde. „Ist das etwa kein Grund?“
„Du hast ihn schon vordem gehaßt wie eine Seuche.“
„Er ist ein Mexikanerfreund.“
„Ist das ein Verbrechen, weshalb man bei euch gehängt wird?“
„Weshalb man bei uns aufgehängt wird, geht dich einen Dreck an. Aber den da hängen wir, weil er einen Mann erschossen hat. Er war schon immer ein Freund von Dieben und Gesindel. Bist du jetzt zufrieden?“ knurrte Keenan ungeduldig.
Die Verwundung war ernster als Flynn anfänglich angenommen hatte. Die Kugel war dem Sheriff durch die Rippen gedrungen und steckte irgendwo in seinen Eingeweiden. Ein Arzt würde ihn wohl wieder zusammenflicken können, aber den gab es hier nicht.
„Zieh den verdammten Pfeil heraus“, zischelte Keenan durch die zusammengepreßten Zähne, „ich kann das Ding nicht mehr sehen.“
Flynn zog daran, aber die Spitze saß fest im Fleisch.
„Mach schon!“ drängte Keenan mit gepreßt klingender Stimme. „Das elende Ding muß heraus.“
Flynn preßte die Lippen zusammen. Mit einem kräftigen Ruck riß er den Pfeil heraus. Das Blut schoß aus der Wunde.
Egal was man dem Sheriff auch nachsagen konnte, ein Feigling war er jedenfalls nicht.
Flynn nahm die zusammengerollte Decke von Keenans Pferd und riß lange Streifen von ihr ab, die er fest um die Wunden band. Mehr konnte er im Moment nicht tun.
„Sie kommen wieder!“ stieß Chuck Bennet hervor.
Flynn wandte den Kopf nach ihm. „Das wolltest du doch so haben“, sagte er feindselig.
Die Augen funkelten wild in Bennets zerschlagenem, verschorften Gesicht, das erneut blutete, wohl von dem letzten Schlag, den ihm Keenan versetzt hatte. „Jetzt habe ich erreicht, was ich wollte. Er hat nur bekommen, was er verdient hat.“.
„Und wir werden vielleicht alle dabei draufgehen.“
„Ihr steht ja auch auf seiner Seite“, sagte Chuck Bennet trotzig. Flynn warf ihm Keenans Gewehr zu.
„Wenn du das nochmal tust, dann bringe ich dich um.“
Chuck Bennet lachte nur. „Du machst mir Angst.“
„Wir können hier nicht bleiben“, sagte Flynn, „wenn sie uns erst umzingeln, haben wir keine Chance mehr. Ich kenne diese Gegend.“ Er deutete mit dem Gewehrlauf nach Nordwesten. „Dort, wo diese Felsen beginnen, weiß ich einen kleinen Canyon, den man unter Umständen gegen eine ganze Armee verteidigen kann. Wenn wir es bis dorthin schaffen, sind wir gerettet, denn von da aus ist es nicht mehr weit bis Brickers Farm!“ Er zog das Pferd heran und hob den Sheriff auf die Füße. „Glaubst du, daß du das durchstehst?“ fragte er ihn.
„Ich muß es wohl“, keuchte Keenan.
Zu den beiden anderen sagte Flynn: „Laßt uns ein paar Minuten Vorsprung und kommt dann nach.“
Chuck Bennet rasselte mit seiner Kette. „Los, nimm mir dieses verdammte Armband ab.“
„Du übersiehst, daß die Kugel den Sheriff nicht getötet hat“, erwiderte Flynn, „und so wie ich es sehe, wird er dir den Schlüssel sicherlich nicht geben.“
„Ich habe ihn nicht mehr“, knurrte Keenan, „diesmal habe ich ihn wirklich weggeworfen.“
„Verdammter Mist!“ schimpfte Bennet. „Aber diese Kugel wird dich noch umbringen, wart’s nur ab. Ich habe Zeit.“
Flynn kümmerte sich nicht weiter um ihn und half dem Verwundeten auf sein Pferd. Dann saß er hinter ihm auf und trieb das Tier den jenseitigen Hang hinunter. Hinter ihm knallte Chuck Bennets Gewehr. Flynn hoffte, daß die Apachen noch eine Weile auf der anderen Seite des Hügels blieben, denn wenn sie ihn sahen, dann würde es ziemlich ernst werden.
Er trieb das Pferd an und ritt so schnell es Keenans Zustand und die doppelte Last zuließen der Felswand entgegen, die sich meilenweit durch das hügelige Land zog.
Jim Keenan preßte die Zähne zusammen und wankte im Sattel hin und her. Hinter ihnen fielen noch immer vereinzelte Schüsse. Aber schließlich blieben sie ganz aus. Jetzt würden die anderen ihm folgen.
Flynn wandte sich um und sah sie den Hügel herunter kommen. Nun würden auch die Apachen nicht lange auf sich warten lassen.
Er trieb das Pferd zu noch größerer Eile an, denn die Felswand war noch ein gutes Stück entfernt, und die beiden hinter ihm würden ihn schnell einholen. Er wagte nicht, noch einmal zurückzuschauen, denn der scharfe Ritt mit dem Verwundeten vor sich im Sattel kostete seine ganze Aufmerksamkeit.
„Halt an!“ ächzte Jim Keenan vor ihm. „Um Himmels willen, halt an! Ich kann das nicht mehr aushalten.“
„Wir haben jetzt keine Zeit“, bellte Flynn. Er mußte alle Kraft aufbieten, um den Mann vor sich auf dem Pferd zu halten. Die Pfeilspitze, die noch in seinem Arm steckte, schmerzte dabei wie die Hölle. Um so mehr konnte er nachempfinden, wie es dem Sheriff ergehen mußte.
„Verdammt noch mal, ich blute wie ein abgestochenes Schwein“, fluchte dieser.
Flynn hielt an und sprang vom Pferd. Er konnte Keenan gerade noch auffangen, ehe er auf den Boden fiel, und ließ ihn langsam herunter.
„Laß mich hier liegen und mach, daß du weiterkommst“, keuchte der Sheriff. Die Schmerzen und der hohe Blutverlust machten ihn halb bewußtlos. „Ich weiß, wann es einen Mann erwischt hat.“
„Nichts weißt du“, fauchte Flynn grob und schaute sich schnell nach den anderen um, die sie fast eingeholt hatten. „Hast du deinen Gefangenen vergessen und deine Pflicht?“
„Zur Hölle“, stöhnte Keenan, „soll Travis und diese ganze verdammte Stadt doch der Teufel holen.“
Flynn schaute nach vorn.
„Bis zu dieser Felswand müssen wir es noch schaffen, dann kann ich mich um dich kümmern. Und von da aus ist es nicht mehr weit bis zu Brickers Farm.“
Die Wunde an seinen Rippen hatte den primitiven Verband durchtränkt, und das Blut färbte Hemd und Hose dunkel bis herab zum Stiefel. Dieser Mann war nicht mehr zu retten. Das erkannte Flynn auf einen Blick. Aber sie konnten hier nicht bleiben und auf seinen Tod warten.
Die anderen hielten ihre nervös schnaubenden Pferde bei ihnen an.
„Was soll das?“ schnauzte Chuck Bennet gereizt und deutete nach rückwärts. „Was glaubst du, wieviel Zeit die uns noch geben werden?“
Flynn sah die Apachen zu beiden Seiten des Hügels herumkommen. Sie hatten wirklich keine Zeit mehr zu verlieren.
„Was sie mit dir machen, ist mir egal“, sagte Flynn zornig, „aber ihn lasse ich nicht hier liegen.“
Chuck Bennet schaute auf den Verletzten hinunter und sagte rauh: „Er weiß, daß er das Spiel verloren hat. Und er will, daß die da hinten uns alle abschlachten.“
Flynn sah ihn kalt an.
„Das ist doch genau das, was du eben auch gewollt hast. Wie sehr ihr euch doch gleicht in eurem Haß.“
Chuck Bennet erwiderte darauf nichts, aber der Ausdruck in dessen zerschundenem Gesicht und die blut- und dreckverkrustete Gestalt ließen Flynn seine Worte fast bereuen. Keenan hatte Haß und Verzweiflung in diesem Mann erst hochgestachelt wie einen bösen Keim, an dessen Folgen sie jetzt alle zugrunde zu gehen drohten. Aber jetzt war nicht die Zeit, um über derartige Dinge nachzudenken. Die Apachen kamen rasch näher.
„Los, hilf mir“, sagte er zu Anselmo, und zusammen hoben sie den stöhnenden Sheriff auf das Pferd. Anselmo hielt ihn so lange fest, bis Flynn hinter ihm saß und mit einem heiseren Schrei das Tier vorwärts trieb.
Chuck Bennet feuerte den Apachen einen Schuß entgegen, der aber ohne Erfolg blieb. Dann folgten sie Flynn, ließen jedoch ihre Pferde nicht voll laufen, damit Flynn und der Verwundete nicht hinter ihnen zurück blieben.
Die Apachen holten auf, und die Felswand kam langsam näher. Flynn versuchte, sich an ihr zu orientieren, um die kleine Schlucht ohne langes Suchen zu finden. Aber er war lange nicht mehr hier gewesen, und die Felswand sah ziemlich gleichmäßig aus.
„Da vorn muß irgendwo ein Barranco sein“, rief er Anselmo zu. Versuch mal, ob du ihn finden kannst, ehe uns die Halunken erwischen.“
Anselmo trieb seinen drahtigen Pinto nach vorn und ritt in hundert Yards Abstand an der Wand entlang. Eine halbe Meile weiter nordöstlich fand er den Eingang der kleinen Schlucht, die sich zwischen steilen Wänden in das Felsmassiv hineinschlängelte, leicht anstieg und nach etwa vier Meilen wieder aus der steinernen Riesenschwelle heraustrat und sich irgendwo in den Wirren einer Felsen- und Buschwildnis verlor.
Anselmo drehte sein Pferd im Kreise, schrie und winkte ihnen zu. Aber das war gar nicht nötig. Sie wären ihm auch ohne Aufforderung gefolgt, denn die Apachen waren bereits gefährlich nahe. Sie mußten die Gegend ebenfalls kennen und versuchten, die weißen Männer noch vor der Felswand abzufangen, indem sie alles aus ihren kleinen, zähen Ponys herausholten. Doch es gelang ihnen nicht, und um nicht in ein mörderisches Feuer zu geraten, wenn die Männer in Deckung gingen, teilten sie sich in der Mitte und schwenkten nach beiden Seiten ab, um die Felswand außerhalb des Schußwinkels zu erreichen.
Flynn parierte zwischen rundgewaschenen Steinkegeln das Pferd, das auf dem groben Geröll stolpernd und schnaubend mit hell klappernden Hufen zum Stehen kam. Auch die übrigen Tiere, die in rasendem Tempo plötzlich auf das von Erosion rundgescheuerte Geröll gerieten, fanden nur mühsam Halt mit ihren Hufen, und es war wohl ein Glück, daß sich keines von ihnen ein Bein brach.
Jim Keenan fiel vom Pferd und schlug hart auf den Boden, ohne daß Flynn etwas dagegen tun konnte. Aber der Sheriff hatte wohl schon vorher das Bewußtsein verloren, denn er gab keinen Laut von sich. Der große Braune schnaubte erneut und wich nervös zur Seite.
Chuck Bennet sprang mit schußbereitem Gewehr vom Pferd und ging hinter einen Stein in Deckung.
Flynn bückte sich neben Keenan und hob dessen Kopf an. Er war bleich, und sein Atem ging schwach. Die tiefe Ohnmacht hielt ihn weiterhin umfangen.
Als Chuck Bennet zu schießen begann, griff er nach seinem Henry-Gewehr und lief geduckt ein paar Schritte zur Seite.
Die Apachen versuchten zu Fuß, sich dicht an den Rändern der Schlucht haltend, in diese einzudringen. Aber bereits drei oder vier Schüsse genügten, um ihnen das Aussichtslose ihrer Bemühungen klar werden zu lassen.
Chuck Bennet verzog sein zerschlagenes Gesicht zu einer Grimasse, was wohl eigentlich ein Grinsen werden sollte.
„Hier drinnen sind wir so sicher wie in Abrahams Schoß, schätze ich.“
Flynn schaute erst ihn an und dann durch die enge Schlucht. Er schwieg, aber er wußte, daß die Apachen diese gewaltige Felsschwelle in fünf oder sechs Stunden umgehen und von der anderen Seite zu ihnen vordringen konnten, falls ihre Pferde das noch durchhielten. Und wenn das geschah, dann saßen sie hier in einer tödlichen Falle.
Anselmo blickte auf den Verwundeten, und der Ausdruck seiner Augen zeigte Flynn, daß der Mexikaner wohl das gleiche denken mußte wie er selbst. Doch auch er sagte nichts.
„Paßt auf, daß sie es nicht nochmal versuchen“, sagte Flynn heiser und ging zu Jim Keenan zurück, der sich noch immer nicht rührte. Der Puls des Verwundeten war schwach und unregelmäßig, und Flynn fehlten die einfachsten Mittel, um die Blutung seiner schweren Verwundungen eindämmen zu können. Er riß einen weiteren Streifen von der schmutzigen Decke ab, obwohl er wußte, daß er Keenan damit nicht retten konnte. Aber er mußte einfach etwas tun, konnte nicht dasitzen und warten, bis ein Mann vor ihm starb.
Er holte seine Wasserflasche, und obwohl ihn der Durst quälte, goß er ihm etwas davon über das blasse Gesicht.
Es dauerte fast eine halbe Stunde, bis es ihm gelang, Keenan aus seiner Ohnmacht zurückzuholen. Die Augenlider des Sheriffs zuckten, dann schaute er zu ihm hoch. Flynn flößte ihm etwas Wasser zwischen die heißen Lippen, und der Blick der matten Augen wurde klarer.
„Du brauchst nicht versuchen, mir etwas vorzumachen“, sagte Keenan leise aber deutlich. „“