Le Louvre
Wie man das meistbesuchte Museum der Welt meistert
Oh Gott. Ich weiß ja, der Louvre ist mit seinen 9,3 Millionen Besuchern im Jahr das meistbesuchte Museum der Welt. Das ist, als würden jeden Tag alle Einwohner einer Kreisstadt wie Wangen im Allgäu hierherkommen. Aber muss diese Kreisstadt gerade heute in der Schlange vor mir stehen? Ich stehe mir unter der Pyramide für das Eintrittsticket die Beine in den Bauch. Ich weiß, für wen ich das tue. Für eine der größten und berühmtesten Kunstsammlungen der Welt. Für Mona Lisa. Für die Venus von Milo. Aber auch für ein imposantes Gebäude, das ursprünglich eine Herrscherresidenz war.
Endlich habe ich mein Ticket. Rolltreppen schaufeln die Menschenmassen in der Hall Napoléon unter der Pyramide in die drei Flügel dieses Mega-Museums mit den Namen Sully, Denon, Richelieu. Die vielen Stimmen der Leute hallen wie in einer Bahnhofshalle. Ein Schüler ruft: »Ich kann nicht mehr laufen.« Eine asiatische Besuchergruppe setzt Kopfhörer auf für eine Führung. Die meisten Leute strömen in den Denon-Flügel. Denn dort hängt Mona Lisa. Es ist, als ob sie die Massen ansaugen würde. 15.000 Leute kommen am Tag zu ihr. Der Weg zu ihr ist gut ausgeschildert. Auf den Wegweisern steht eigenartigerweise der Name »La Joconde«. Ich laufe mal den Massen hinterher.
Es geht eine große Freitreppe hinauf in den ersten Stock. Da steht Nike von Samothrake. Die Statue der Siegesgöttin, vermutlich aus dem frühen 2. Jahrhundert vor Christus, stand einst über der Hafeneinfahrt von Samothrake. Sie erinnert an einen Seesieg der Griechen. Ihre Gestalt mit Flügeln ist imposant auf der Treppe platziert, sie scheint auf mich zuzuschweben. Viele Touristen nehmen dieses Meisterwerk der hellenistischen Bildhauer in dem Trubel kaum wahr und drängen weiter.
Der Strom der Leute bringt mich zur Mona Lisa. Da vorne hängt sie, gut geschützt hinter Panzerglas. Es ist früher Nachmittag. Man kommt kaum an sie ran, so voll ist es hier. Viele Leute schauen gar nicht in Ruhe hin, betrachten gar nicht das rätselhafte Lächeln, sondern zücken sofort ihre Kameras und Smartphones. Kleinkinder dürfen auf Papas Schulter, eine Lehrerin hält am Rande des Saals eine Plastiktüte auf, in die sich eine völlig bleiche Schülerin übergibt. Ein Wächter schaut ratlos zu.
Ich stelle mir vor, wie Mona Lisa das wohl alles aus ihrem Blickwinkel sieht. Die vielen Leute, die ihre elektronischen Geräte hochhalten. Allwissend, lebenserfahren wirkt sie. Sie hat allerdings auch einen tollen Blick auf das riesige Wandgemälde gegenüber: Die Hochzeit von Kanaa von Paolo Veronese. Bevor ich weitergehe, frage ich mich: Warum heißt auch der Saal hier Salle de la Joconde?
Wann kann ich Mona Lisa in Ruhe antreffen?
Seit Ende des 18. Jahrhunderts befindet sich das Gemälde von Leonardo da Vinci im Louvre. Das Bild ist gerade mal 77 mal 53 Zentimeter groß. Da Vinci hat es vermutlich zwischen 1503 und 1506 gemalt. Das wohl am meisten bewunderte und kommentierte Gemälde der Kunstgeschichte verwirrt so manchen deutschsprachigen Besucher mit seinem Namen. Die Identität der Abgebildeten ist bis heute nicht geklärt. Biograf Giorgio Vasari (1511–1574) soll dem Gemälde den Beinamen La Gioconda gegeben haben, was »die Heitere« bedeutet. Eine andere Theorie ist, dass es nach der Florentinerin Lisa del Giocondo benannt wurde. Der unter anderem in Deutschland gebräuchliche Name Mona Lisa hat wohl einen kleinen Rechtschreibfehler: Vermutlich sollte es Monna heißen, denn das ist die Kurzform für Madonna. Das wiederum bedeutet »Frau« und war die Anrede für sie als Ehefrau von Francesco del Giocondo. Und die französische Übersetzung des italienischen Namens Giocondo ist Joconde – daher also die vielen Joconde-Schilder im Louvre.
Einen Vier-Augen-Termin mit Mona Lisa haben wohl nur die Nachtwächter. Es gibt aber die Möglichkeit, Mona Lisa in einer viel ruhigeren Atmosphäre anzutreffen. Vor allem während der abendlichen Öffnungszeiten am Mittwoch und Freitag. »Kommen Sie an diesen Tagen nach 20 Uhr – oder morgens vor 10 Uhr«, empfiehlt eine Museumsmitarbeiterin. »Und interessanterweise ist auch am Donnerstagvormittag oft weniger los.« Die Nocturnes, also die Öffnungszeiten am Abend, sind empfehlenswert – gerade auch im Richelieu- und Sully-Flügel. Wie ruhig es dann sein kann in manchen Gängen! Und es ist ein besonderes Paris-Erlebnis, wenn es draußen dunkel ist und man durch die Museumsfenster immer wieder das nächtliche, beleuchtete Paris sieht: Notre-Dame, Eiffelturm, Champs-Élysées, Rue Rivoli, die Seine.
Ursprünglich war der Louvre eine richtige Festung, mit einer Mauer umgeben. Philipp II. August ließ sie 1190 am rechten Seineufer erbauen. Der Name Louvre könnte aus dem Lateinischen stammen von luperia, was »Wolfsbau« bedeutet. Ein Hinweis also auf diese Burg und Wehranlage – ihre Fundamente sind heute noch im Untergeschoss zu sehen. Lange Zeit diente der Louvre als Schatzkammer der Könige. Karl V. ließ die Burg schließlich umbauen, um darin wohnen zu können. Immer wieder wurde der Bau erweitert und schließlich in ein Königsschloss umgewandelt. Ab dem 16. Jahrhundert war der Louvre der Hauptwohnsitz des Königs. Doch 1682 zog der gesamte Königshof mit Ludwig XIV. nach Versailles um – und der Louvre verfiel. Allerhand Mieter zogen ein, in den Galerien wohnte eine Gruppe von Boheme-Künstlern. Im Innenhof waren Kneipen und Gauklerstände.
Dass der Louvre ein nationales Museum wurde, ist der Revolution zu verdanken – denn die Nationalversammlung beschloss, dass in dem Palast Kunstschätze des Königs und des Adels zusammengetragen und der Öffentlichkeit gezeigt werden sollten. Am Ende der Herrschaft Ludwigs XIV. hingen immerhin über 2.500 Kunstwerke im Louvre und in Versailles. Am 10. August 1793 wurde das Museum eröffnet.
Unter anderem Napoleon I. sorgte dafür, dass der Louvre zum reichsten Museum der Welt wurde: Er ließ aus jedem besiegten Land Kunstwerke nach Paris bringen. Napoleon III. ließ den Louvre weitgehend in seiner heutigen Form vollenden. Und die gläserne Pyramide? Die entstand, weil in den 1970er-Jahren die Besuchermassen nicht mehr zu bändigen waren. Staatspräsident François Mitterrand blies zum großen Umbau. Der neue Museumskomplex, heute Grand Louvre genannt, wurde 1989 fertig. Manche Pariser beschimpften die Pyramide zunächst als Käseglocke, inzwischen ist sie eines der Wahrzeichen der Stadt.
Im Louvre warten auf den Besucher 35.000 Werke: Antiquitäten, Archäologie, Kunstgewerbe, Islamische Kunst, grafische Künste, Juwelierkunst, Möbel, Kunstgegenstände, Malerei, Skulptur, Werke aus Renaissance, Manierismus, Barock, Neoklassizismus, Romantik, Realismus, Impressionismus, Symbolismus. Um die ausgestellten Werke alle anzuschauen – jedes nur zehn Sekunden – bräuchten Sie drei Tage und Nächte (die Zeit für die Wegstrecke nicht eingerechnet).
Musée du Louvre
162, rue de Rivoli, 1. Arr. • 01 40 20 53 17 • www.louvre.fr • Täglich außer Di von 9–18 Uhr, Mi und Fr 9–21.45 Uhr; geschlossen am 1. Januar, 1. Mai und 25. Dezember • Metro: Palais Royal–Musée du Louvre, Louvre-Rivoli
Do it yourself
Fragen Sie sich unbedingt vor Ihrem Besuch, was Sie sehen wollen. Schauen Sie auf die Website des Louvre. Dort gibt es bereits einen Plan zum Herunterladen [www.louvre.fr/plan], den gibt es auch am Informationsschalter in der Eingangshalle.
Um nicht stundenlang anstehen zu müssen, kaufen Sie Ihr Ticket (gültig für einen Tag) nicht erst im Museum, sondern vorher, etwa auf louvre.fr. Oder bei der Medienkaufhaus-Kette Fnac. Wer mit dem Zug an der Gare de l’Est ankommt, kann dort gleich bei der Fnac-Filiale im Bahnhofsgebäude die Tickets besorgen. Der Eintrittstag ist auf dem Ticket nicht festgelegt, es bleibt ein Jahr lang gültig.
Es gibt noch einen anderen schnellen Weg: Unter dem Louvre befindet sich Le Carrousel du Louvre, eine Shopping-Zeile, wo man auch etwas essen kann. Man erreicht sie, indem man von der Metro-Station Palais Royal–Musée du Louvre den Hinweisschildern folgt. Dort gibt es einen Tabakladen (Schild »Tabac«), der auch Louvre-Tickets verkauft. Lange anstehen muss man da selten.
Wer unter 18 oder unter 26 Jahre alt und EU-Bürger ist, darf gratis in die Dauerausstellung und muss beim Eingang nur seinen Ausweis zeigen. Freier Eintritt am 1. Sonntag im Monat (nur in den Monaten Oktober bis März) und am 14. Juli.
Durch den Seiteneingang »Porte des Lions« im Denon-Flügel kommt man auch recht schnell ins Museum (mittwoch und freitags geschlossen), wenn man im Besitz eines Tickets ist.
Es gibt an den Eingängen der Flügel Audioführer zu einer Auswahl von Werken auch in deutscher Sprache. Führungen gibt es nicht auf Deutsch, aber auf Englisch (täglich 11 Uhr). Wenn Sie Französisch sprechen: Auf www.louvre.fr/parcours kann man sich thematische Rundgänge ausdrucken – etwa zu Kunstwerken, die im Film The Da Vinci Code – Sakrileg auftauchen.
Wenn Sie Comics mögen und sich auf den Louvre einstimmen wollen: Lesen Sie Einmal durch den Louvre des französischen Zeichners David Prudhomme (Reprodukt Verlag) – eine schöne Hommage an das Museum und seine Besucher.
Die verrückten Zahlen des Louvre
Der Louvre ist nicht nur eines der größten Museen der Welt. Er ist eine kleine Stadt. Man muss sich nur diese Zahlen anschauen:
- 9,7 Millionen Besucher – das war der Rekord im Jahr 2012, davon sind zwei Drittel ausländische, ein Drittel französische Besucher. Amerikaner, Brasilianer und Chinesen sind bei den ausländischen Besuchern an oberster Stelle.
- 35.000 Werke sind ausgestellt von insgesamt 460.000, die das Museum besitzt.
- Mehr als 2.000 Personen beschäftigt der Louvre, davon gehören 1.200 zum Wachpersonal. 60 Berufsgruppen sind hier insgesamt vertreten. Es gibt 65 Konservateure und 100 Dokumentaristen. Eine Abteilung der Feuerwehr mit 48 Feuerwehrmännern ist dauerhaft im Louvre stationiert.
- 403 Säle und Zimmer, 243.000 Quadratmeter Parkett (für die 2.500 Liter Wachs pro Monat benötigt werden), 14,5 Kilometer Gänge, 10.000 Stufen zu 72 Ebenen, 2.410 Fenster, 3.000 Schlösser, 8.000 Brandmelder.
- 21 Meter hoch ist die Pyramide (603 Rauten und 70 Dreiecke aus Glas, 95 Tonnen Stahl, 105 Tonnen Aluminium), sie bedeckt eine Fläche von 1000 Quadratmetern.
- 20 Wechselausstellungen gibt es neben der Dauerausstellung im Jahr.
- 2 Stunden 45 Minuten – so lange bleiben im Durchschnitt Besucher im Louvre.
- Über 400 Filmdrehs gibt es im Jahr auf dem Gelände des Louvre und der Tuilerien.
- 2 Dependancen hat der Louvre: Der Louvre-Lens in Nordfrankreich. 2016 wird der Louvre Abu Dhabi eröffnen in einem Bau des französischen Architekten Jean Nouvel.
Schöne Orte für eine Pause
Kunst macht Hunger und Durst. Hier ist es nett:
Drinnen, also nur mit Eintrittskarte
Eine schöne Gemälde-Pause kann man im Café Mollien nicht weit von der Mona Lisa machen (Denon-Flügel). An der Treppe Mollien (1. Etage) gelegen, ist es ein netter Rückzugsort für eine Pause, aber leider mit oft langen Wartezeiten.
Draußen
Die Eintrittskarten gelten den ganzen Tag – man kann also auch das Museum verlassen. Das elegante Café Marly unten im Richelieu-Flügel ist der perfekte Ort, um von den Terrassenplätzen unter den Arkaden auf die Pyramide zu schauen. Wer dem Trubel lieber entfliehen will, der kann Richtung Palais Royal gehen. Direkt am Theater Comédie Française ist die beliebte Brasserie Le Nemours [2, galerie de Nemours] mit einer schönen Terrasse zum Leutegucken und mit Blick auf den außergewöhnlichen Metroeingang des französischen Künstlers Jean-Michel Othoniel.
Im Le Fumoir [6, rue de l’Amiral de Coligny] direkt an der Metrostation Louvre-Rivoli kann man sich mit einem Sandwich oder einem Kuchen stärken, zwischen 15 und 19 Uhr gibt es einen thé complet für 10 Euro (Getränk und Kuchen/Toast).
Bei Fleisch-Hunger: Burger gibt es bei Hand [39, rue de Richelieu]. Vorsicht: Überall louvrenahe Preise!
Preiswerter verpflegt man sich bei Cojean östlich vom Louvre [3, place du Louvre • www.cojean.fr]. Im Jardin du Carrousel vor dem Jardin des Tuileries kann man sich bei einem Kiosk von Paul, einer guten Pariser Bäckerei-Kette, ein Sandwich holen und auf einer Bank oder auf dem Rasen pausieren. Oder gehen Sie 15 Minuten durch den schönen Jardin du Palais Royal in die Rue des Petits Champs/Ecke Rue St. Anne. Dort befinden sich viele kleine japanische Restaurants mit preiswerten Suppen.
Für einen Morgenkaffee vor der Kunst bietet sich auch das Café de l’Époque an, am Ausgang der schönen denkmalgeschützten Laden-Passage Galerie Véro-Dodat [2, rue du Bouloi], ein paar Minuten vom Louvre entfernt. Wer vor dem Museum noch ein ordentliches Frühstück oder einen Brunch braucht, der findet wenige Meter vom Passagen-Ausgang enfernt Claus [14, rue Jean-Jacques Rousseau]: Ein beliebter schicker Ort, wo es tolle Müslis, le Frühstück (27 Euro!), Obstsalate und kleine Kuchen gibt.