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Ich stehe auf einer Wiese, in Reih und Glied mit einigen Hundert anderen jungen Männern, und empfange Sachen, die jemand für mich ausgesucht hat in Farben, die ich nie auswählen würde. Da wird für dich gedacht, kommt mir in den Sinn, und derjenige wird weiterdenken bis hin zu dem Geschoss, das dich irgendwann vielleicht einmal erwischt – und daran ist bestimmt auch schon gedacht und alles bestens vorbereitet für einen würdigen Abgang. Ich beschließe, die Sachen nicht wirklich anzunehmen! Über den üblichen Drill während der Ausbildung gibt es nicht viel zu sagen; vielleicht verdient die folgende Begebenheit einen kurzen Rückblick. Es war im Spätherbst und die Großmächte hatten ernsthafte Probleme miteinander. Diesmal ging es um Kuba und wir alle waren der Meinung, diese Insel sei ja doch sehr weit von uns entfernt. Mitten in der Nacht schrie man Alarm und innerhalb von zehn Minuten standen alle fertig bepackt im nur spärlich beleuchteten Innenhof. Der Spieß ließ ein Tonband abspielen, auf dem ein Nachrichtensprecher den Ernst der Lage beschwor und die NATO-Truppen in Alarmbereitschaft sehen wollte. Mir sank das Herz in die Hose; sollte es schon wieder soweit sein, keine 20 Jahre nach dem letzten Weltkrieg? Und nun uns erwischen? Im Hintergrund war der Lärm startender Flugzeuge zu hören, die ausgestoßenen Turbinengase glühten gespenstig in der stockdunklen Nacht. Im Eiltempo ging es in die umliegenden Berge und es war so kalt, dass mir unter dem Helm die Ohrenspitzen anfroren. Doch am nächsten Tag sollte das Manöver bereits wieder zu Ende sein – und die Radiomeldung stellte sich als fingiert heraus. Der blinde Alarm bei den Pfadfindern war ja noch irgendwie lustig gewesen, aber diesmal handelte es sich um eine ziemlich makabre Angelegenheit. Die Grundausbildung war noch nicht vorbei, da wurde ich völlig überraschend zum Kommandeur beordert und gefragt, was es mit zwei Bankschecks auf sich habe die – weil nicht bezahlt – bei Gericht vorgelegt worden seien. Ich war wie vor den Kopf geschlagen und beteuerte, nichts davon zu wissen; man möge mir doch mehr über die Hintergründe der Affäre berichten. Es stellte sich heraus, dass es um von mir unterschriebene Schecks über mehrere tausend Mark ging, die nicht gedeckt waren. Da fiel es mir wie Schuppen von den Augen: Mein Vater hatte mich gebeten, zwei Formulare zu unterschreiben, die angeblich nur als Sicherheit hinterlegt und nicht eingelöst werden sollten, weil er in Kürze einen größeren Geldeingang erwarte, und die dann vernichtet würden. Statt dessen hatte er sie bei zweifelhaften Geschäften zur Zahlung benutzt – und nun war die Sache aufgeflogen. Der Hauptmann sah den Ernst meiner Lage, empfahl mir dringend die Konsultation eines Armenanwalts und vereinbarte gleich einen Termin für mich. Dort musste ich nochmals den Vorgang schildern und der Anwalt erklärte sich bereit, die Sache in die Hand zu nehmen. Als Nächstes erreichte mich ein Anruf von Mutter, die bitterlich weinte und berichtete, Vater habe nicht nur ihr Vermögen durchgebracht, sondern sie und meine Schwester in der größten Dürftigkeit im Stich gelassen. Sie standen auf der Straße, die Möbel, soweit nicht gepfändet, in einem Lager untergebracht. Von Vater fehlte jede Spur; erst viel später erfuhren wir, dass man ihm den Prozess gemacht hatte, in dessen Folge er eine längere Freiheitsstrafe abbüßen musste. Ohne lange zu überlegen oder gar in bittere Klagen auszubrechen, bat ich um zwei Tage Urlaub, um nach Köln zu fahren und Mutter und Schwester zu uns zu holen. In dieser Nacht schliefen wir alle in unserem kleinen Zimmer, zum Teil auf Matratzen, die uns die Vermieterin auslieh, und am nächsten Tag gab es erst einmal eine traurige Bilanz unserer Situation. Eine größere Wohnung musste gesucht werden, wenn die beiden bei uns bleiben wollten – und danach sah es wohl aus. In der Nachbarschaft wurde ein kleines Haus zur Miete angeboten; die Bedingungen waren einigermaßen günstig und bereits nach einer Woche sollten wir die Möbel, die uns verblieben waren, abholen und unsere neue Bleibe notdürftig einrichten. Geld war natürlich keins vorhanden; der Einzige, der hätte helfen können, war Großvater, und so fand in seiner Schreinerwerkstatt ein Familienrat statt. Mein Bruder sollte wohl auch seinen Teil zum Umzug von Mutter und ihrem Neuanfang beitragen, doch Geben war seine Sache nicht und es kam zu einem sehr kalten Abschied, den Mutter so wohl nicht erwartet hatte. Großvater war, wie er sagte, auch nicht vermögend und es blieb mir nichts anderes übrig als einem fingierten Kreditvertrag zuzustimmen; statt der aufgeführten Möbel erhielten wir das Darlehen in bar und es musste in monatlichen Raten zurückgezahlt werden. Wovon, das wusste zu diesem Zeitpunkt noch niemand. Nun konnten wir einen Kleinlaster mieten und die Möbel im Speditionslager auslösen. Glücklicherweise half mir ein Kamerad beim Umzug, denn in der Familie kümmerte man sich nicht um unser Unglück, welches zu diesem Zeitpunkt noch um die Ungewissheit über Vaters Schicksal vermehrt wurde. Wir mussten uns immer wieder gegenseitig trösten, wie zufrieden wir mit einem Dach über dem Kopf und ausreichendem Lohn sein könnten, wenn Vater das Glück häuslicher Ruhe nicht seinen verunglückten Spekulationen vorgezogen und alles verspielt hätte. Dann erfuhren wir von seinem Aufenthaltsort und machten uns auf, ihn in seiner Anstalt zu besuchen, wo er sich in sein Los gefügt hatte und auf bessere Zeit nach seiner Entlassung hoffte.
  • Formate: epub
  • ISBN: 9783965211902
  • Verlag: EDITION DIGITAL
  • Autor: Gilbert Belo
  • EAN: 9783965211902
  • Buchtyp: E-book
  • Sprache: Deutsch
  • Kopierschutz: Wasserzeichen
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Der Seele ungeheure Kluft
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